Für Diebe ist es ein Segen, für Autobesitzer ein Graus: Forscher haben erneut massive Sicherheitslücken bei Funkschlüsseln entdeckt. Wir erklären, welche Versicherung für einen Schaden aufkommt, wenn Kriminelle das Schließsystem knacken.
Forscher knacken reihenweise Autos
Sie sind praktisch und komfortabel: Mit Funkschlüsseln entfällt das lästige Gefummel an der Autotür. Doch sind sie auch sicher? Ein Forscherteam aus Deutschland und Großbritannien hat nun erneut massive Sicherheitslücken in Funkschlüsseln entdeckt zum Fachaufsatz (englisch). Die Forscher Flavio D. Garcia, Pierre Pavlidès, Timo Kasper und David Oswald konnten bei Modellen von fünfzehn Herstellern die Funkfunktion überwinden. Das ist jene Funktion, mit der sich das Auto von Weitem verschließen und öffnen lässt. Weltweit könnten mehr als 100 Millionen Fahrzeuge betroffen sein.
ADAC warnte seine Mitglieder bereits im März
Eine Untersuchung des ADAC an mehr als 20 Modellen unterschiedlicher Hersteller stellte schon im März 2016 eine offenkundige Sicherheitslücke beim Komfort-Schließsystemen „Keyless-Go“ fest. Bei diesem Schließsystem sendet der Schlüssel bei bloßer Annäherung ein Signal an das Fahrzeug und es öffnet sich. Für den Diebstahl ist nicht einmal ein „Hacken“ von Daten oder Verschlüsselungen nötig. Bei der Untersuchung des ADAC gelang es, Autos sekundenschnell zu öffnen – mit einer selbstgebauten Funk-Verlängerung. Hängt der Schlüssel zum Beispiel am Haken im Haus, könnten Diebe dessen Signal verlängern und das vor der Einfahrt parkende Auto öffnen. Laut ADAC würden sich die für den Diebstahl erforderlichen Geräte auch mit geringem Aufwand aus handelsüblichen Elektronikbauteilen herstellen lassen.
Funksignal abgehört, Verschlüsselung geknackt
Wie das Forscherteam aus Großbritannien und Deutschland zeigte, können Diebe aber nicht nur das Signal abhören und verlängern. Den Forschern gelang es sogar, die Verschlüsselung zu knacken und zu reproduzieren. Dieser reproduzierte Code – eine Art nachgemachter Schlüssel – erlaubt es dem Dieb dann, das Fahrzeug jederzeit zu öffnen und auch wieder abzuschließen. Sowohl bei Schlüsseln der Art „Keyless-Go“ als auch bei Schlüsseln mit Knopfdruck im Moment des Öffnens oder Schließens: Kriminelle könnten das Signal abfangen und reproduzieren. Ab diesem Moment hätten sie eine Art Zweitschlüssel. Einbruchspuren gibt es bei diesem Diebstahl nicht. Besonders betroffen sind laut der Forschergruppe Modelle von Volkswagen, Audi, Seat und Skoda.
Versichert – trotz Sicherheitslücke
Immerhin: Selbst wenn Diebe bei diesen Autos leichtes Spiel haben, der Versicherungsschutz bleibt meist bestehen. Öffnet ein Krimineller das Fahrzeug durch Manipulation des Funks und stiehlt es, ersetzt die Kfz-Teilkaskoversicherung die Kosten. In der Vollkaskoversicherung ist der Schutz der Teilkasko stets enthalten. Daher bekommen auch Besitzer mit einer Vollkasko-Police den Schaden erstattet und müssen sich nicht sorgen. Zubehör, das zum Gebrauch des Autos dient und fest verbaut ist, ist in der Regel ebenfalls versichert. Dazu gehören zum Beispiel Kindersitze oder fest eingebaute Navis.
Versicherungsschutz – auf die Details kommt´s an
Je nach Tarif kann sich der Versicherungsschutz aber unterscheiden. Sind Wertgegenstände wie Smartphones oder Laptops futsch, muss der Betroffene dies meist selbst bezahlen. In manchen Fällen übernimmt die Hausratversicherung bei Diebstahl aus einem verschlossenen Auto zwar die Erstattung gestohlener Sachen bis zu einer Obergrenze. Der Schutz für elektronische oder optische Geräte sowie Wertsachen ist aber auch hier meistens ausgeschlossen. Oft gibt es außerdem regionale Einschränkungen.* Problematisch könnte allerdings der Nachweis sein, dass der Besitzer das Auto nicht einfach offen gelassen hat. Sollte ein gestohlenes Auto wiedergefunden werden, kann der Diebstahl laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in einigen Fällen über die verbauten Steuergeräte rasch rekonstruiert werden. Grundsätzlich gingen Versicherer davon aus, dass ihre Kunden redlich seien und keinen Versicherungsbetrug begehen wollen.
Tipp: Vergleichen, wechseln – und sparen: Der Tarif-Check lohnt bei der KFZ Versicherung ganz besonders. Der Kfz-Versicherungsvergleich der Stiftung Warentest mit laufend aktualisierten Daten zeigt Ihnen schnell, wie viel Sie mit einem Wechsel Ihrer Autoversicherung herausholen können. Oft sind mehrere hundert Euro drin. Stichtag für den Wechsel ist bei den meisten Versicherungsverträgen der 30. November.
„Jamming“ ist nicht versichert
Anders liegt die Sache, wenn ein Auto mittels „Jamming“ – auf Deutsch „stören“ – aufgebrochen wird. Hier unterdrücken Kriminelle mit einem Störsender das Schließsignal, das der Autobesitzer mit dem Schlüssel an die Verriegelung sendet. Da das Auto dann offen bleibt, zahlt die Teilkasko in diesen Fällen nicht. Sie greift nur ein, wenn ein Wagen verschlossen wurde. Auch der Diebstahl von Sachen aus dem Auto nach Jamming ist nicht versichert. Um kriminellen das Handwerk zu legen, empfiehlt es sich daher, beim Schließen auf das Blinksignal des Autos zu achten.
Wenn das Auto weg ist
Wessen Auto geklaut wurde, sollte dies bei der Polizei anzeigen und seinen Versicherer unverzüglich informieren. Um die Angelegenheit schnell zu regeln, sollten Sie folgende Angaben für den Versicherer bereit halten:
- Nachweis einer Anzeige bei der Polizei
- Schriftliche Schadenanzeige
- Vollständige Fahrzeug-Papiere und alle vorhandenen Schlüssel
- Abmeldebescheinigung
- Angaben zum Wert des Autos: Kaufrechnung, Rechnungen von Reparaturen oder Zubehör
- Liste der Gegenstände, die sich im Auto befunden haben
Newsletter: Bleiben Sie auf dem Laufenden
Mit den Newslettern der Stiftung Warentest haben Sie die neuesten Nachrichten für Verbraucher immer im Blick. Sie haben die Möglichkeit, Newsletter aus verschiedenen Themengebieten auszuwählen.
* Passage am 5. September 2016 korrigiert.
-
- Wenn Autodiebe das zur Verriegelung genutzte Funksystem umgehen und beim Öffnen des Wagens keine Spuren hinterlassen, bezahlen Versicherungen nicht. Kriminelle nutzen...
-
- Praktisch, aber gefährlich: Können Autobesitzer ihren Wagen während der regulären Öffnungszeiten nicht in die Autowerkstatt bringen, stellen viele das Auto nach...
-
- Wer anderen sein Auto für eine Probefahrt überlässt, ist es los, wenn es nicht zurückgebracht wird, sondern Kriminelle es weiter verkaufen. So ist die Rechtsprechung.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Diese unsichere Schlüsseltechnik bringt zusätzlichen Umsatz für die Versicherungswirtschaft und die Autobranche
Der Effekt erscheint mir wie folgt:
Der bestohlene Autobesitzer bekommt den Schaden von seiner Versicherung ersetzt (was über die Versicherungsprämien von der Versichertengemeinschaft zu tragen ist)
und der Autobranche verkauft ein neues Auto.
Wer hätte also ein Interesse daran, diese Schlüsseltechnik zu verbessern?