
Große Dramen gibt es nicht nur im Duisburger Theater am Marientor*, sondern auch bei der Autark-Gruppe, die das Theater gekauft hat. © imago / imagebroker
Rund 3 600 Anleger der Autark-Gruppe müssen sich Sorgen um ihr Geld machen. Sie haben sich bereit erklärt, Nachrangdarlehen zu gewähren. Einige überweisen das Geld in Raten. Sie sollten die Einzahlungen stoppen. Denn Informationen aus der Autark-Gruppe und ihrem Umfeld sind beunruhigend. Dabei geht es nicht nur um mögliche wirtschaftliche Schwierigkeiten, die Anleger riskanter Nachrangdarlehen immer besonders in Mitleidenschaft ziehen, sondern um Turbulenzen, die wie eine Räuberpistole klingen. Fakt ist: Drei Staatsanwaltschaften sind aktiv. test.de versucht, für mehr Klarheit zu sorgen.
Anlegergeld von rund 135 Millionen Euro in Gefahr
Die Nachrangdarlehen mit jährlichen Zinsen von bis zu 7,5 Prozent und Laufzeiten von bis zu 30 Jahre hat die Autark Vertrieb- und Beteiligung GmbH aus Dortmund bis Ende 2015 angeboten. Sie wurde mittlerweile mit der Autark Invest AG aus Mauren, Liechtenstein, mit Zweigniederlassung in Dortmund verschmolzen. Das Kreditvolumen beziffert die Gesellschaft gegenüber Finanztest auf 135 Millionen Euro. Bis Dezember 2016 hätten Anleger 31 Millionen Euro eingezahlt, monatliche Raten über gut 100 Millionen Euro stünden noch aus. Weitere Raten zu zahlen hält Finanztest gleich aus mehreren Gründen für gefährlich. Bei Nachrangdarlehen tragen Anleger immer ein hohes wirtschaftliches Risiko. Denn im Pleitefall werden sie erst entschädigt, wenn alle vorrangigen Gläubiger bedient sind. Daher hat Finanztest immer wieder vor den hohen Risiken dieser Anlageform gewarnt. Im Fall Autark spricht aber noch viel mehr dafür, zumindest zeitweilig die Einzahlungen zu stoppen: Offenbar ist der Verbleib von Anlegergeldern in zweistelliger Millionenhöhe ungeklärt, die Autark anderen Firmen – der Sensus Vermögen GmbH und der Derivest GmbH aus Marktredwitz – anvertraut hatte.
Staatsanwaltschaften geben sich zugeknöpft
Die Staatsanwaltschaften in Hof, Siegen und Dortmund beschäftigen sich jedenfalls mit dem Fall. Sie geben sich gegenüber Finanztest sehr zugeknöpft. Auskünfte seien derzeit aus „ermittlungstaktischen Gründen“ nicht möglich. Oberstaatsanwalt Andreas Cantzler von der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Hof bestätigte uns jedoch, dass ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betruges in Zusammenhang mit Geldanlagen in zweistelliger Millionenhöhe geführt wird. Im Oktober 2016 seien eine Vielzahl von Objekten in Deutschland und Österreich mit über 150 Einsatzkräften durchsucht worden. „Es ist mit weiteren umfangreichen Ermittlungen zu rechnen, deren Dauer derzeit nicht abgeschätzt werden kann. Weitere Auskünfte können derzeit noch nicht erteilt werden“, erklärte Cantzler gegenüber Finanztest.
Beschuldigten wird Untreue und Betrug vorgeworfen
Laut Finanztest vorliegenden Unterlagen ermittelt die Staatsanwaltschaft Hof gegen zwei Verantwortliche der Sensus, Gerhard S. und Markus F., die auch bei der Derivest Verantwortung tragen oder trugen. Den Beschuldigten wird Untreue und Betrug im besonders schweren Fall vorgeworfen. Sie sollen Teile des Anlegergeldes für private Zwecke zweckentfremdet haben. Auch hat die Staatsanwaltschaft nach den Unterlagen bei der Derivest bereits seit 2012 nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge festgestellt. Beide Beschuldigte wollten sich gegenüber Finanztest nicht zu den Vorwürfen äußern.
Autark-Weihnachtsbrief: Negative Vorkommnisse fehlen
Von den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen erfahren Anleger in einem Weihnachtsbrief der Autark vom 21. Dezember 2016 nichts. Der Brief ist von Jörg Schneider unterschrieben, der als Geschäftsführer der Autark Holding für die Autark-Invest mit Sitz in Liechtenstein und Büro in Dortmund schreibt. In dem Brief tut Schneider so, als sei alles in bester Ordnung. Er spricht von soliden Vermögensanlagen, die einen echten Wert besitzen. Dazu gehörten Biosgasanlagen, „hochwertige Immobilien“, digitale Breitbandkabelnetze und das Flaggschiff, das Theater am Marientor in Duisburg (TaM). Doch die „überaus erfreulichen Geschäftsergebnisse“ scheinen fraglich. So hat etwa die Autark Digital GmbH mit Sitz in Hamburg, deren Erfolg beim Ausbau der Breitbandnetze noch im Juli 2016 in einem Kundenbrief für die positive Entwicklung des Unternehmens angeführt wird, am 19. Dezember 2016 einen Insolvenzantrag gestellt. Auch vom Theater am Marientor sind - wie von den meisten deutschen Theatern – keine großen Gewinne zu erwarten. Unsere Frage, wie hoch die Gewinne des Theaters seit der Übernahme durch die Autark ausgefallen seien und wie viel von den Gewinnen an die Autark Invest zur Bedienung der Zinsen aus den Nachrangdarlehen geflossen sind, beantwortete Theaterchefin Sabine Kühn nicht.
Scheitern des Umtauschangebots wird verschleiert
Der Weihnachtsbrief präsentiert auch sonst eine sehr selektive Sicht der Vorgänge. So berichtet Schneider über eine „geplante Kapitalerhöhung und Verschmelzung aller Geschäftsfelder in die Autark Group AG“. Diese werde „nun ohne den Umweg über Liechtenstein und den Niederlanden ausschließlich in Deutschland durchgeführt. Dieses Verfahren unterliegt damit voll und ganz der deutschen Börsenaufsicht und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Selbstverständlich wird unser Börsenprospekt von einem renommierten Wirtschaftsprüfer geprüft und testiert.“ In einem Kundenbrief vom Juli 2016 wird die aufgrund der „überaus erfreulichen Geschäftsergebnisse“ der Autark Invest mögliche Kapitalerhöhung auf sage und schreibe 420 Millionen Euro beziffert. Derzeit beträgt der Börsenwert der Autark Group AG nicht einmal 3 Millionen Euro. Bei der Aufsicht hieß es dazu: „Die BaFin darf sich leider nicht zu einzelnen Unternehmen und dazu laufenden Verfahren äußern.“
Finanzaufsicht Liechtenstein: Widersprüche im Memorandum
Mit dem „Umweg über Liechtenstein und den Niederlanden“ ist ein Umtauschangebot gemeint, das Autark den Anlegern unterbreitet hatte. Ihnen wurde angeboten, ihre Nachrangdarlehen in Vorzugsaktien zu tauschen. Nach Angaben Schneiders hatten bereits 80 Prozent der Anleger dem Umtauschangebot zugestimmt, als die Autark Invest ihr Angebot im Herbst 2016 zurückzog. Nicht ganz aus freien Stücken: Nach Angaben der Finanzaufsicht Liechtensteins (FMA) hat die Autark ihr Umtauschangebot zurückgezogen, nachdem die FMA deutlich gemacht habe, dass sie es nicht genehmigen würde. Die Autark habe keinen – nach dem liechtensteinischen Wertpapierprospektgesetz vorgeschriebenen – Prospekt vorlegen können. Vielmehr habe sie Anlegern lediglich ein Memorandum mit widersprüchlichen Angaben übergeben, erklärte Beat Krieger, Leiter der Kommunikation bei der FMA. Dabei sei nicht klar gewesen, ob es sich um die Wandlung in Aktien der Autark Invest handele oder ob Aktien von deren Muttergesellschaft in den Niederlanden erworben werden können. Die Muttergesellschaft war die niederländische Noble House Europe BV aus Arnheim. Als Geschäftsführer der inzwischen gelöschten Firma war ein gewisser Stefan Kühn im Handelsregister eingetragen.
Kühn eigentlicher Chef des Unternehmens
Stefan Kühn hatte nicht nur bei der Umtauschaktion mit Noble House seine Finger im Spiel. Er ist nach Angaben von Mitarbeitern auch der eigentliche Chef bei Autark und soll alle wichtigen Entscheidungen treffen. In Liechtenstein ist Kühn auch als Verwaltungsrat der Autark Invest eingetragen, wie aus einem Auszug vom Dezember 2016 hervorgeht. Dennoch behauptet Schneider auf unsere Fragen, dass Kühn „weder Organ von Gesellschaften der Autark-Gruppe noch an den Gesellschaften der Autark-Gruppe beteiligt“ sei. Kühn selbst hat auf eine Finanztest-Anfrage nicht geantwortet.
Kühn fiel schon früher mit dubiosen Finanzgeschäften auf
Die Zurückhaltung ist wohl einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren geschuldet, die Kühn in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne (Außenstelle Herzebrock-Clarholz) absitzen musste. Als Freigänger arbeitete er in der Versicherungsagentur des heutigen Autark Holding Geschäftsführers Schneider. Das geht aus Briefen hervor, die Finanztest vorliegen. Zuvor saß Kühn in Bern in der Schweiz wegen unsauberen Umgangs mit Anlegergeldern zehn Monate in Untersuchungshaft. Schließlich erging im September 2009 vor dem fürstlichen Landgericht in Liechtenstein ein Anerkenntnisurteil gegen Stefan Koschate. So hieß Kühn, bevor er nach einer Eheschließung den Namen seiner Ehefrau annahm. Laut Urteil erkannte Kühn einen Schadenersatzbetrag von 1,335 Millionen Euro an, zahlte aber nicht.
Hierzu gibt es einen aktuelleren Artikel mit weiteren Details Autark Invest: Auch in Liechtenstein wird ermittelt
Kündiger werden auf Ende März vertröstet
Kein gutes Zeichen, was die Liquidität der Autark Gruppe angeht, sind auch Informationen von Anlegern, die ihre Nachrangdarlehen fristgerecht zum Jahresende 2016 gekündigt haben. Gleich mehrere Anleger erklärten gegenüber Finanztest, dass die Autark sie auf eine Rückzahlung ihres Geldes bis Ende März vertröstet habe. Autark-Holding-Geschäftsführer Jörg Schneider hatte dagegen im Dezember 2016 erklärt, dass bei wirksam erfolgten Kündigungen „Rückzahlungen selbstverständlich vertragsgerecht geleistet werden“.
Autark macht Rücknahmeangebot
In einer Presseerklärung vom 9. Januar 2017 erklärt Schneider jetzt sogar, dass die Autark Invest AG vor kurzem aus Liechtenstein nach Deutschland übergesiedelt sei und gerade im Rahmen eines Börsengangs mit der Autark Group AG verschmolzen werde. Eine Sprecherin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) erklärte dazu: „Dass eine Verschmelzung der Autark Group AG in Berlin mit der Autark Invest AG in Liechtenstein aktuell tatsächlich beschlossen wurde und vollzogen wird, ist uns nicht bekannt.“ Schneider bietet Investoren im Rahmen des geplanten Börsengangs erneut den Umtausch ihrer Nachrangdarlehen in Vorzugsaktien der neuen Aktiengesellschaft an. Das ist die Autark Group AG, die an der Börse Hamburg notiert. Wer nicht tauschen wolle, könne seine Nachrangdarlehen weiterhin zurückgeben und sich sein Geld auszahlen lassen. Bis zum 31. Dezember 2016 beliefen sich die Auszahlungen auf nachweislich mehr als neun Millionen Euro, sagt Schneider.
[Update 10.02.2017]: Schneiders Versicherungen, dass Anlegern ihr Geld fristgerecht zurückgezahlt wird, scheint in mehreren Fällen nicht zu stimmen. In sieben Finanztest bekannten Fällen wurde trotz Kündigung zum Jahresende 2016 bis zum 9. Februar 2017 kein Geld zurückgezahlt. Vier Anleger haben inzwischen mithilfe eines Anwalts bei Gericht Forderungen geltend gemacht. Dass die Zahlungsmoral der Autark Invest AG mindestens seltsam ist, belegen auch weitere 11 Fälle, die Rechtsanwalt Wolfgang Benedikt-Jansen aus Frankenberg betreut. Zwar hat die Autark Invest AG die Kündigungen bestätigt und die Rückzahlung des Anlegergeldes bis Ende März 2017 in Aussicht gestellt. Die Summen die sie zurückzahlen wolle, seien jedoch „nicht nachvollziehbar.“ So schreibe die Autark einem Mandanten, der über 46 000 Euro eingezahlt habe, dass sie ihm rund 6 400 Euro zurückzahlen wolle. Der Fall werde demnächst vor Gericht verhandelt. Warum die Autark Invest AG gar nicht oder nur einen kleinen Teil der geleisteten Raten oder Einmalzahlungen zurückzahlen will, wollten uns weder Schneider noch Kühn erklären. Anstelle einer Antwort erhielten wir ein Anwaltsschreiben, indem unsere Fragen aber auch nicht beantwortet wurden. [Ende Update]
Finanztest setzt Autark-Firmen auf die Warnliste
Wir setzen drei Autark-Firmen sowie die Sensus Vermögen GmbH und die Derivest GmbH aus Marktredwitz wegen vieler Ungereimtheiten unter anderem im Zusammenhang mit dem Verbleib von Anlegergeldern auf die Warnliste Geldanlageangebote der Stiftung Warentest. Die Warnliste soll Lesern und Anlegern einen Überblick über dubiose, unseriöse oder sehr riskante Geldanlageangebote geben und sie – wenn möglich – frühzeitig vor Gefahren warnen. Betroffene Autark-Anleger, die sich nicht trauen, ihre Ratenzahlungen einzustellen, sollten sich an einen auf Kapitalanlagerecht spezialisierten Rechtsanwalt wenden.
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* Name am 23.1.2017 korrigiert. Zunächst hatte hier fälschlicherweise „Marienplatz“ gestanden.
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