Ausbildungs­unterhalt Eltern müssen zahlen – aber nicht ewig

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Ausbildungs­unterhalt - Eltern müssen zahlen – aber nicht ewig

Eltern sind verpflichtet, ihren Kindern eine Ausbildung zu finanzieren. Aber ewig zahlen müssen sie nicht.

„Guten Tag, liebe Hörer, guten Morgen, liebe Studenten“ – den legendären Gruß des Radio­moderators Klaus Jürgen Haller im West­deutschen Rund­funk finden manche Eltern gar nicht so lustig.

Sogar im 17. Semester noch Unterhalt für die Tochter zahlen? Das kann passieren.

Wer lange braucht, ist aber nicht immer gleich ein Bummel­student. Ein Vater musste zehn Jahre lang Geld an seine Tochter über­weisen. Sie war zweimal im Ausland und hatte später den Studien­ort gewechselt. Was den Ausschlag gab, waren jedoch ihre vielen Erkrankungen, die sie sogar in eine vierwöchige Reha zwangen. Dafür konnte sie nichts, meinte das Ober­landes­gericht (OLG) Koblenz (Az. 13 UF 242/02).

Übliche Studien­zeit ist der Maßstab

Zehn Jahre Unterhalt, also 20 Semester, sind aber die Ausnahme. Maßstab ist üblicher­weise die durch­schnitt­liche Studien­zeit plus zwei Semester fürs Examen – nicht die offizielle Regel­studien­zeit, die oft kürzer ist (OLG Karls­ruhe, Az. 2 UF 45/09).

Deshalb bekam ein Jura­student recht, der sich nach zehn Semestern zum Examen anmeldete und seine Eltern auf Unterhalt verklagte. An seiner Uni lag die durch­schnitt­liche Studien­dauer für Jura bei knapp elf Semestern (OLG Schleswig, Az. 13 WF 48/02).

Auslands­zeiten zählen extra. Aber auch dann muss nach 15 Semestern Schluss sein, erklärte das OLG Köln einem Studenten, der ein Jahr weg gewesen war (Az. 4 UF 7/98).

Drei Jahre fürs Baby sind okay

Kinder, die Unterhalt bekommen, müssen im Gegen­zug ihre Ausbildung zügig durch­ziehen. Nach der Schule dürfen sie sich nur ein paar Monate zur Orientierung leisten.

Fangen sie erst Jahre später eine Ausbildung an, müssen sie die Konsequenzen tragen. Das erklärte der Bundes­gerichts­hof einem 27-Jährigen (Az. XII ZR 173/96). Er hatte nach der Schule ein Jahr gejobbt, dann Zivil­dienst gemacht, noch ein Jahr gejobbt, schließ­lich das Abitur nachgeholt und ein Studium begonnen. Wer so lange braucht, hat den Unterhalt verspielt und muss ohne Ausbildung selbst für sich sorgen. Er muss jede Arbeit annehmen, auch eine als Hilfs­arbeiter (OLG Hamm, Az. 8 WF 141/10).

Anders ging es einer Studentin, die ein Kind bekam. Sie hatte nach dem Abitur ein Freiwil­liges Soziales Jahr gemacht, wurde schwanger und betreute drei Jahre lang ihr Kind. Für das anschließende Studium mussten die Eltern zahlen (BGH, Az. XII ZR 127/09).

Erst anfangen, es sich dann aber anders über­legen, ist erlaubt. Eine Studentin, die nach zwei Semestern abbrach und erst zehn Monate später eine Bank­lehre antreten konnte, erhält weiter Geld (OLG Naumburg, Az. 8 WF 274/09).

Aber auch da gibt es Grenzen: Ein 26-Jähriger, der nach dem Zivil­dienst vier Semester studierte und dann nach mehreren Fort­bildungen ein Jahr im Kinder­hort arbeitete, bekommt die Erzieher­lehre nicht bezahlt (OLG Schleswig, Az. 15 WF 225/07).

Ein Master gehört dazu

Nach dem Bachelor-Abschluss, für den oft sechs Semester genügen, dürfen Eltern nicht gleich den Dauer­auftrag löschen. Schließt sich das Master-Studium für den nächsten Abschluss zügig an, sind sie weiter dran (OLG Celle, Az. 15 WF 17/10). Zahlen müssen sie auch während anderer Etappen:

Praktika. Während berufs­vorbereitender Praktika müssen Eltern Unterhalt über­weisen (OLG Rostock, Az. 10 WF 234/05).

Sozial­jahr. Teilnehmer am Freiwil­ligen Sozialen Jahr haben Anspruch auf Unterhalt, auch wenn es nicht auf den Beruf vorbereitet (OLG Celle, Az. 10 WF 300/11).

Ausweich­studium. Ein vorüber­gehendes Studium in einem anderen Fach ist ausnahms­weise zu finanzieren, wenn der Student sich bereits mit den künftigen Fächern befasst, sodass sich die Gesamt­zeit kaum verlängert (OLG Celle, Az. 12 UF 189/82).

Früherer Zivil­dienst. Für diese Unter­brechung konnten Jugend­liche nichts (BGH, Az. XII ZR 54/04). Sie war Pflicht.

Promotion. In besonderen Fällen müssen Eltern zahlen, wenn ein Doktor­titel in dem Beruf üblich ist (OLG Hamm, Az. 10 WF 29/ 89). Allerdings müssen Doktoranden einen Teil ihres Bedarfs durch Jobs decken.

Regel­satz von 670 Euro

Wie tief Eltern in die Tasche greifen müssen, hängt von ihrem Einkommen und ihrer Lebens­situation ab. Als Richt­wert nennt die Düssel­dorfer Tabelle 670 Euro monatlich für Studenten, die nicht bei den Eltern wohnen. Doch Vater und Mutter steht ein Mindest­selbst­behalt von jeweils 1  150 Euro zu. Dazu kommen Aufschläge für berufs­bedingte Kosten, etwa für Fahrten zur Arbeit, für Alters­vorsorge, Kreditraten und Kosten für weitere Kinder. Das kann den Selbst­behalt um hunderte Euro erhöhen.

Solange Eltern Rück­sicht auf die Belange des Kindes nehmen, dürfen sie auch sagen: Zimmer und Verpflegung gibt es zuhause. Wer dennoch auszieht, verliert den Unterhalt – es sei denn, dafür gibt es einen guten Grund, zum Beispiel drei Stunden tägliche Fahr­zeit zum Studien­ort, oder dass die Eltern am Freund der Tochter herum­mäkeln (OLG Brandenburg, Az. 9 UF 189/05).

Kinder­geld wird ange­rechnet

Bekommt der Jugend­liche das Kinder­geld, wird dies von den 670 Euro abge­zogen. Auch das Honorar für ein Praktikum wird ange­rechnet, ebenso das Azubi-Gehalt, zuvor werden aber 90 Euro „ausbildungs­bedingter Mehr­bedarf“ abge­zogen.

Bafög wird ebenfalls ange­rechnet, auch der Darlehens­teil (OLG Schleswig, Az. 15 UF 75/05). Eigenes Vermögen muss der Jugend­liche samt den Zinsen nutzen.

Es gibt aber auch Aufschläge auf den Unterhalt: Semesterbeitrag und Studien­gebühren müssen die Eltern extra über­nehmen (OLG Zweibrü­cken, Az: 11 UF 519/08).

Nebenbei arbeiten müssen Studenten nicht. Sie sollen mit voller Kraft studieren. Wer trotzdem jobbt, kann das Geld behalten. Nur wenn die Eltern sehr klamm sind, kann ein Teil ange­rechnet werden.

Welche Ausbildung es sein soll, das dürfen junge Erwachsene selbst entscheiden. Die Eltern brauchen aber nur eine Ausbildung zu bezahlen. Danach muss das Kind selbst für sich sorgen. Anders ist das nur bei Abiturienten, die eine Lehre machen und dann studieren. Bei diesen Abi-Lehre-Studium- Fällen bleiben die Eltern in der Pflicht.

Das Studium muss sich aber rasch anschließen. So bekam eine Sekretärin kein Geld, die nach der Ausbildung zwei Jahre gearbeitet und dann erst ein Studium begonnen hatte (BGH, Az. XII ZR 148/99). Wer finanziell bereits auf eigenen Beinen stand, muss das Studium selber finanzieren.

Außerdem sollte das Studium zur Lehre passen. In der Praxis ist das oft schwer zu beur­teilen. Es gibt dazu viele Gerichts­urteile.Unterhalt gab es für den Schritt:

  • vom Bauzeichner zum Architekten,
  • vom Heilpraktiker zum Arzt,
  • vom Bank­kaufmann zum Betriebs­wirt,
  • vom Tischler zum Produktde­signer,
  • vom Kfz-Mechaniker zum Ingenieur,
  • vom Bank­kaufmann zum Juristen.Kein Geld gab es für die Ausbildung:
  • von der Büro­gehilfin zur Informatikerin,
  • vom Industrie­kauf­mann zum Arzt,
  • vom Industrie­kauf­mann zum Ingenieur,
  • von der Industrie­kauf­frau zur Juristin,
  • vom Speditions­kaufmann zum Juristen,
  • von der Europasekretärin zur Volks­wirtin.

Keine Nach­sicht bei Realschülern

Bei Abiturienten müssen die Eltern damit rechnen, dass sie zur Uni wollen – bei Haupt- und Realschülern nicht: Da ist nach der Lehre Schluss. Auch wenn sie anschließend zur Fach­hoch­schule gehen, müssen Eltern nicht zahlen, es sei denn, dies war schon zu Beginn der Lehre geplant (BGH, Az. XII ZR 54/04).

Auch Eltern haben Rechte

Der Anspruch auf Unterhalt ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite dürfen Eltern verlangen, über den Verlauf der Ausbildung informiert zu werden. Dann müssen die Kinder detailliert darlegen, welche Kurse, welche Prüfungen, welche Praktika sie machen.

Eine Sozialpädagogik-Studentin im neunten Semester hatte dazu keine Lust – mit fatalen Folgen: Das OLG Hamm strich ihr prompt den Unterhalt (Az. 11 WF 146/03).

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