Im Alter mehren sich die Sehprobleme. Pillen aus Apotheken, Drogerien und Onlineshops sollen gegensteuern. Die wenigsten überzeugen.
Oben am Rand der Kaffeetasse steckt ein gelbes Kästchen, etwa so groß wie eine Streichholzschachtel, mit drei dünnen Metallstäbchen, die ins Innere zeigen. Klara Heine* gießt Kaffee ein. Sobald er auf Höhe der drei Sensoren gestiegen ist, ertönt ein schrilles Piepen. Der Warnton verhindert, dass das heiße Getränk überläuft.
Die 93-Jährige aus Berlin braucht derlei Hilfsmittel. Sie leidet seit 23 Jahren an altersbedingter Makuladegeneration (AMD). Dabei werden Stoffwechselprodukte im Auge nicht vollständig abtransportiert und sammeln sich hinten in der Netzhaut. Das schädigt Zellen. Betroffen ist der Punkt des schärfsten Sehens, der sogenannte „gelbe Fleck“, lateinisch: Makula.

Richtig. Punkt im Gitter? Wer das mit je einem Auge sieht, hat keine AMD. Falsch. AMD-Patienten sehen das Gitter mit einem Auge zum Beispiel verzerrt. © Stiftung Warentest
AMD kommt im Alter häufig vor, in Deutschland leben schätzungsweise 1,6 Millionen Betroffene. Die Krankheit schreitet meist langsam voran, verursacht erst spät Probleme. Dann erscheinen Gegenstände immer verzerrter oder verschwommener, vor allem in der Bildmitte (siehe Foto oben rechts). Lesen wird schwierig, ebenso Gesichter zu erkennen. Klara Heine sieht keine Details mehr. Statt der Kaffeetasse vor sich nimmt sie nur einen großen dunklen Fleck wahr, außen herum das Muster des Tisches.
Nutzen nicht ausreichend belegt
Viele Menschen büßen mit steigendem Alter an Sehkraft ein, oft infolge von Netzhautschäden. Pillen mit vielversprechenden Namen wie AugenFit oder Augen Vital sollen gegensteuern. Auf den Verpackungen starrt meist plakativ ein Auge den Kunden an. Wir haben neun Mittel zur chemischen Analyse ins Labor geschickt und Studien ausgewertet.
Das Fazit: Die überprüften Dosierungen und Inhaltsstoffe stimmen. Doch nicht für alle ist der Nutzen ausreichend belegt, Risiken für Anwender sind nicht auszuschließen. Alle Präparate sind wenig sinnvoll.
Nährstoffmix für die Netzhaut

Angestarrt. Auf vielen Packungen ist ein Auge abgebildet. © Stiftung Warentest
Sechs geprüfte Produkte gelten als Nahrungsergänzungsmittel. Sie nehmen auf der Packung Bezug zur Netzhaut oder zum Punkt des schärfsten Sehens, dem „gelben Fleck“. Drei Mittel im Test sind ergänzende bilanzierte Diäten zur diätetischen Behandlung fortgeschrittener altersbedingter Makuladegeneration.
In allen neun Fällen handelt es sich um Kapseln: rötlich-braun, einmal leuchtend türkis, meist in silbrigen Blisterpackungen mit Pappschachtel drumherum. Sie erinnern an Arzneimittel – sind aber weitaus weniger streng überwacht (siehe Foto oben).
Die Präparate enthalten diverse Stoffe, die Menschen normalerweise mit der Nahrung aufnehmen und die die Netzhaut gesundhalten sollen – darunter Vitamin A, C, E, B2, Zink, Lutein und Zeaxanthin. Sie wirken zumeist antioxidativ und machen freie Radikale unschädlich – aggressive Sauerstoffmoleküle, die im Körper entstehen und Schäden anrichten können, laut gängigen Theorien auch in der Netzhaut.
Vitamin A trägt zudem besonders im Dunkeln zum Sehen bei. Die Vorstufe Betakarotin findet sich in großen Mengen in Karotten. Der Mythos, Möhren seien gut fürs Auge, kommt also nicht von ungefähr.
Die mit Betakarotin verwandten Karotinoide Lutein und Zeaxanthin kommen vor allem in grünem Gemüse vor. Sie reichern sich in der Makula an, wo die Augenkrankheit AMD angreift. Der Mensch kann die Karotinoide nicht selbst bilden, er nimmt sie mit der Nahrung auf. Alle Mittel im Test enthalten Lutein und Zeaxanthin. Ob die Zusatzzufuhr in Pillenform etwas für die Sehkraft bringt, ist aber nicht ausreichend belegt. Die Europäische Lebensmittelbehörde Efsa lehnte entsprechende Werbeslogans ab.
Drei andere Substanzen kommen der Sehkraft dagegen nachweislich zugute: Vitamin A, Vitamin B2 und Zink. Sie sind in den meisten geprüften Nahrungsergänzungsmitteln ebenfalls enthalten. Für diese Stoffe hat die Efsa die Auslobung „zum Erhalt der Sehkraft“ bewilligt. Allerdings sind die Deutschen mit Vitamin A, Vitamin B2 und Zink in aller Regel durch die Nahrung ausreichend versorgt. Das zeigte eine 2008 veröffentlichte repräsentative Untersuchung zum Ernährungsverhalten der Bevölkerung, die Nationale Verzehrsstudie II. Eine Zusatzzufuhr ist höchstens erforderlich, wenn der Arzt einen Mangel an einem der Stoffe festgestellt hat.
Zwei große US-Studien
Klara Heine schluckt täglich eine Kapsel, um ihre Augenkrankheit AMD aufzuhalten – seit sechs Jahren auf Rat einer Ärztin. „Ich bilde mir ein, dass das Mittel hilft“, sagt sie.
Tatsächlich können Präparate in spezieller Zusammensetzung mitunter nützen. Zu diesem Fazit kommen zwei 2001 und 2013 erschienene US-amerikanische Studien namens Ared. Die Abkürzung steht für „Age-Related Eye Disease“: altersbedingte Augenkrankheit. Forscher überprüften hochdosierte Nährstoffkombinationen mit Vitamin C, E, Zink, Kupfer und Karotinoiden bei altersbedingter Makuladegeneration (Ared-Studien zu Nährstoff-Präparaten). Dafür wurden Patienten per Zufallsprinzip in verschiedene Behandlungsgruppen eingeteilt.
Ergebnis: Mit Therapie verschlechterte sich die Krankheit bei etwa 25 Prozent der Teilnehmer – ohne bei 30 Prozent. Die Behandlung nutzte zudem nur Patienten in einem fortgeschrittenen Stadium der sogenannten trockenen AMD, zu erkennen durch genaue Netzhaut-Diagnostik.
„Die Studien sorgten für Aufsehen“, sagt Professor Dr. Albert Augustin von der Karlsruher Augenklinik. „Sie zeigen nachweislich einen Nutzen, wenn auch einen bescheidenen.“ Firmen seien auf den Zug aufgesprungen und vermarkten Mittel in Anlehnung an Ared. Viele Patienten nähmen sogar vorbeugend Pillen. „Ob das vor AMD schützt, war aber gar nicht Thema der Ared-Studien, ist also nicht belegt.“
Keine exakte Übereinstimmung
Die drei bilanzierten Diäten im Test sind laut Aufdruck ausschließlich zur Behandlung der fortgeschrittenen AMD vorgesehen. Sie stellen zwar auf der Packung keinen expliziten Bezug zu den Ared- Untersuchungen her, enthalten aber größtenteils dieselben Inhaltsstoffe – doch nicht in derselben Zusammensetzung oder Dosierung. Damit lassen sich die Ergebnisse der Ared-Studien nicht auf diese drei Produkte übertragen. Andere Belege für einen Nutzen der Präparate fanden wir nicht.
Magenbeschwerden und Blutarmut
Umgekehrt lassen sich Nebenwirkungen nicht ausschließen – zumal die Mittel im Test lange zu nehmen und teils hoch dosiert sind. Zink etwa kann im Übermaß Magenbeschwerden und Blutarmut verursachen. In Lutax AMD fanden wir Dosierungen von 80 Milligramm – wie bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Vitamin E per Pille begünstigt laut einer neueren Untersuchung namens „Select“ Prostatakrebs, Betakarotin laut verschiedenen Studien bei Rauchern Lungenkrebs. Beide Stoffe sowie Vitamin A in Nahrungsergänzungsmitteln können dosisabhängig sogar die Sterblichkeit erhöhen. Das zeigt eine große Auswertung im Fachjournal Plos One von 2013.
Aus eigener Tasche zahlen
Krankenkassen erstatten die getesteten Nahrungsergänzungsmittel und bilanzierten Diäten nicht. Grund: Es handelt sich nicht um Arzneimittel mit überprüftem Nutzen. Die Produkte im Test kosten pro Jahr rund 29 bis 610 Euro.
„Manche Patienten kaufen die Präparate aus einem Gefühl der Hilflosigkeit“, sagt Augenarzt Augustin. „Bei AMD lässt sich bisher nur wenig unternehmen.“ Nur gegen die feuchte Form gibt es wirkungsvolle Medikamente (Medikamente gegen feuchte altersbedingte Makuladegeneration), gegen die weitaus häufigere trockene Form nicht. „Doch allgemeine Maßnahmen können sie oft verlangsamen oder stoppen“, sagt Augustin. Es lohne immer, den Lebensstil zu ändern, auch vorbeugend (Augen stärken und schützen).
Klara Heine setzt auch auf andere Mittel: einen Apparat etwa, der Texte vergrößert; Aufkleber, um Einstellungen an Heizung und Herd zu ertasten, oder eine sprechende Waage. Viel stamme von Verkaufsausstellungen des Blindenvereins. „Es gibt dort die dollsten Sachen.“ Aber auch dank Einkaufsbegleiterin, Putzfrau und ihrer Familie führt Klara Heine trotz hohen Alters und AMD ein selbstständiges Leben. Sie macht täglich Gymnastik, geht spazieren, kocht Essen, besucht Seniorengruppen, trifft Kinder, Enkel, Urenkel.
Lesen klappt nicht mehr, also nutzt die ehemalige Deutschlehrerin Hörbücher und -zeitungen. Auch Kino und Theater gönnt sie sich. „Klar ist es besser, wenn man richtig sieht“, erzählt sie. „Aber ich erkenne ja am Bildrand noch alles.“ Sie wolle sich nicht unterkriegen lassen. Ihr Enkel sagt: „Sie hat einen eisernen Willen.“
Den Text in Großdruck für Sehbehinderte finden Sie im Artikel-PDF.
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Dieser Testbericht bringt nicht wirklich etwas Licht ins Dunkle. Eine Aneinanderreihung von frei verfügbaren Erklärungen aus der ARED Studie und die als "wenig sinnvoll" eingestuften Präparate. Die Ratschläge fallen sehr dürftig aus. Der ganze Artikel erinnert mehr an eine Lückenbüßerfunktion, als an einen fundierten Testbericht. Sehr schade....😩
Ehrlich gesagt, ich finde die Berechnung dieses Artikels unseriös. Und wenn ich länger darüber nachdenke, ist eigentlich schon die Kurzinformation im freien Bereich eine Falschmeldung.
Alles, was wichtig wäre, erfährt man hier NICHT!!! Um meine Wut in etwas spaßige Kanäle zu lenken, sage ich's mit Goethe - und spare mir das "Fack ju": Hier steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.
Michael.bestlers Kritik kann ich mich inhaltlich nur VOLL anschließen; und Kommentare, die ihrem Gefühl, hier hereingelegt worden zu sein, wohl ein wenig deutlicher Ausdruck verleihen, einfach zu löschen (siehe Sommerblüte), ist m.E. auch keine Lösung.
Vielleicht löschen Sie statt dessen Ihre Überschrift, die den Menschen suggeriert, sie würden hier erfahren "was hilft"!!! Oder auch nur einen Hinweis erhalten, was vielleicht am ehesten helfen könnte. Das hier geht gar nicht!
Herbstzeitlose23
Kommentar vom Autor gelöscht.
@michael.bestler: Zum Zeitpunkt unserer Marktanalyse für die Produktauswahl fanden wir im deutschen Markt kein Präparat, das in der Zusammensetzung und Dosierung exakt den ARED-Studien entspricht.
Ob und welche Präparate eingesetzt werden, sollte grundsätzlich immer in enger Abstimmung mit dem Augenarzt entschieden werden.
Die ARED-Studien belegen ggf. einen Nutzen nur in bescheidenem Ausmaß und in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium, festzustellen durch genaue Netzhautdiagnostik. (Sa/PF)
Welche bei uns erhältlichen Präparate entsprechen den in den ARED-Studien getesteten Zusammensetzungen? 9 hier erhältiche Präparate kommentieren Sie mit "wenig sinnvoll", weisen im - sehr kurzen - Artikel zu ARED darauf hin, dass die Wirksamkeit für einige Zusammensetzungen belegt wurde, nicht aber welche Präparate dieser entsprechen. Genau das ist aber doch für die Betroffenen wichtig und interessant.