Assess­ment Center Üben für den Stress­test

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Assess­ment Center - Üben für den Stress­test

Wer sich unter Zeit­druck bewähren muss, sollte das vorher üben. Der Test von acht Seminaren zeigt: Güns­tige Volks­hoch­schulen sind so gut wie teure Privat­anbieter.

Assess­ment Center Alle Testergebnisse für Vorbereitungskurse Assessment Center

Auf der To-do-Liste des frisch­gebackenen Abteilungs­leiters stehen zig Aufgaben, eine dringender als die andere: Der Chef wartet auf eine Präsentation, kurz­fristig wurde ein Krisenmee­ting einberufen, ein wichtiger Kunde zahlt nicht, der neue Praktikant muss begrüßt werden und zuhause gab es einen Wasser­rohr­bruch. Zeit, alles zu erledigen, hat er nicht: In wenigen Stunden geht der vielfach Geforderte auf Dienst­reise. Vorher muss er so viel abarbeiten wie möglich. Zwischen­durch klingelt das Telefon, außerdem steht ein Mitarbeiter mit einer wichtigen Frage in der Tür.

Ein Instru­ment zur Personal­auswahl

Solche Situationen sind nicht nur hektischer Büroall­tag – unter dem Namen „Post­korb“ sind sie Teil des Auswahl­verfahrens in Assess­ment Centern (AC). Die setzen DAX-Konzerne, einige Mittel­ständler und bestimmte Branchen ein, wenn es gilt, neue Mitarbeiter zu rekrutieren Assessment Center: Was ist das?.

Arbeit­geber laden Stellen­anwärter – Trainees ebenso wie Führungs­kräfte – für einen oder mehrere Tage ein. Einstel­lungen und Eigenschaften der Bewerber sowie ihr Verhalten und Auftreten unter Zeit­druck werden in unterschiedlichen Aufgaben geprüft und beob­achtet.

Um bei diesem „Stress­test“ eine gute Figur zu machen, sei es unbe­dingt ratsam, sich gründlich auf den Auswahl­tag vorzubereiten, empfiehlt Nils Benit, der sich an der Universität Hildesheim im Fach­bereich Psycho­logie mit Assess­ment Centern befasst.

In Gruppen­trainings erfahren die Teilnehmer, was auf sie zukommt und wie sie sich für das AC „präparieren“. Entsprechende Kurse können bundes­weit bei kommerziellen Anbietern, Arbeits­agenturen oder Volks­hoch­schulen gebucht werden.

Acht Kurse im Weiterbildungs­test

Wie laufen solche Kurse ab, was leisten sie – und was nicht? Um das heraus­zufinden, hat die Stiftung Warentest geschulte Tester in acht Kurse geschickt. Diese dauer­ten ein bis zwei Tage und kosteten zwischen null und 750 Euro. Bei dem wichtigen Kriterium „Qualität der Kurs­durch­führung“ schneiden die Seminare über­wiegend mit einer hohen Bewertung ab. Nur ein Anbieter fällt mit einer nied­rigen Durch­führungs­qualität aus dem Rahmen. Die deutlich güns­tigeren Kurse an Volks­hoch­schulen halten zudem mit den Seminaren kommerzieller Anbieter mit; kurze Kurse sind mindestens so gut wie längere, Tabelle Vorbereitungskurse Assessment Center .

Ein Kurs ist noch keine Jobgarantie

Die meisten Trainings im Test erfüllen somit die Voraus­setzungen, die die Weiterbildungs­experten der Stiftung Warentest an ein gutes Vorbereitungs­seminar stellen. Dazu gehören das möglichst realitäts­nahe Üben von Präsentation, Fall­studie und Fach­vortrag sowie ein konstruktives Feedback des Dozenten Checkliste: Was ein guter Kurs bieten muss.

Viele Kurse bieten die Voraus­setzung, ein AC meistern zu können. Eine Garantie, die Stelle zu bekommen, ist das aber nicht. Ein seriöser Seminaranbieter sollte das nicht versprechen. Im Test tat das auch keiner.

Üben, üben, üben

Zwar werden in Assess­ment Centern immer häufiger Test­verfahren zu Persönlich­keit und Intelligenz einge­setzt. Trotzdem müssen die Jobkandidaten sich dort weiterhin auch Übungen stellen, in denen Situationen simuliert werden, die für die offene Stelle typisch sind.

Wie der Weiterbildungs­test zeigt, orientieren sich die Vorbereitungs­seminare am Ablauf eines Assess­ment Centers und folgen über­wiegend dem gleichen Schema. Die Teilnehmer absol­vieren je nach Dauer des Kurses drei bis sechs der Stan­dard-Aufgaben unter annähernd „echten“ Bedingungen und stellen ihre Lösung Dozent und Gruppe vor. Der Trainer gibt anschließend Rück­meldung. So erkennt der AC-Anwärter im Ideal­fall seine Stärken und Schwächen – und woran er vor dem Auswahl­tag noch arbeiten muss.

Bestimmte Bewertungs­kriterien

Ein Kurz­kurs allein macht nicht fit für ein Assess­ment Center. Er hilft aber, sicherer zu werden und so später im AC souveräner auftreten zu können. Die eigentliche Arbeit – am eigenen Auftreten und Profil nämlich – beginnt jedoch erst nach dem Seminar. Deswegen sollte ein Vorbereitungs­kurs möglichst mit einigem zeitlichem Vorlauf vor dem Tag X besucht werden Tipps.

Auch die Aufgaben sollte ein Bewerber zwischen Seminar und Assess­ment Center erneut durch­gehen. Im Kurs hat er gelernt, worauf er achten muss. Jeder AC-Aufgabe liegen nämlich bestimmte Bewertungs­kriterien zugrunde. Diese stellen wir im Folgenden vor.

Die „Post­korb“-Übung

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In jedem zweiten Assess­ment Center werden die Kandidaten mit einer über­vollen Agenda konfrontiert. Ziel: Der Proband soll strukturiert arbeiten und Prioritäten setzen. Was muss sofort erledigt werden? Was kann man auf später verschieben? Welche Aufgabe lässt sich delegieren?

Die Präsentation für den Chef hätte im Anfangs­beispiel wohl oberste Priorität, die Mahnung für den säumigen Kunden könnte der Kandidat verschieben und die Begrüßung des Praktikanten delegieren. Vorsicht, Falle: Manche Aufgaben kollidieren miteinander oder haben sich erledigt. Das wird oft aus weiteren Hinweisen ersicht­lich. So könnte sich heraus­stellen: Zuhause gibt es Entwarnung; der Klempner ist bereits dabei, das Rohr zu reparieren.

„Wichtig ist, alle Informationen zunächst in Ruhe zu lesen und Zusammenhänge zu erkennen. Seinen Lösungs­ansatz sollte der Jobkandidat im AC dokumentieren und begründen können“, sagt Experte Nils Benit.

Geprüft werden etwa: Stress­resistenz, Organisations­talent, analytische Fähig­keiten, Entscheidungs­freude, Zeitmanagement.

Die (Selbst-)Präsentation

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Der Post­korb ist ein AC-Klassiker, wird jedoch nicht mehr so häufig einge­setzt. Er stand daher nicht in jedem Kurs auf dem Übungs­plan. Präsentationen hingegen – die am häufigsten einge­setzte Aufgabe – ließen sieben von acht Seminarleiter üben. Die Arbeits­agentur Hamburg verzichtete darauf. Sie schnitt das Thema nur an.

Es gibt unterschiedliche Arten des Vortrags. Bei der Selbst­präsentation zum Beispiel stellt sich der Kandidat den AC-Beob­achtern vor, macht also seine Person, seinen Werdegang, seine Ziele und Qualifikation zum Thema des Vortrags. Diese Aufgabe steht oft am Anfang eines AC. Bewerber sollten sich auf jeden Fall zuhause schon einmal darauf vorbereiten.

„Es gilt, Meilen­steine der bisherigen Laufbahn heraus­zustellen und seine Stärken möglichst an konkreten Beispielen aus dem Joball­tag zu verdeutlichen – allerdings ohne sich selbst zu sehr zu loben“, gibt Benit als Empfehlung mit auf den Weg.

Geprüft werden etwa: Auftreten, sprach­licher Ausdruck, der sichere Umgang mit den Präsentations­medien.

Der Fach­vortrag

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„Was sind künftige Heraus­forderungen meiner Branche; wie kann man ihnen begegnen?“ Teilnehmer eines Kurses sollten dazu aus dem Stegreif einen Vortrag halten. Das ist auch in ACs nicht unüblich.

Es kommt darauf an, Präsentations­ziel und Zielgruppe der Rede fest­zulegen. Ein Aufmerk­samkeit erregender Einstieg und ein Ausstieg mit klarer Empfehlung oder positivem Ausblick sind wünschens­wert. Der Vortrag braucht zudem eine Kern­botschaft und einen roten Faden. Manchmal befragen Beob­achter den Redner hinterher noch kritisch: „Souverän bleiben und sich nicht provozieren lassen“, rät Nils Benit.

Die Präsentation soll oft visualisiert werden. Ein guter Dozent erklärt die Benut­zung von Flipchart oder Whiteboard. Im AC wird auch auf die Präsenz des Redners geachtet: Wo platziert er sich? Hält er Blick­kontakt zu allen Zuhörern? Wie ist seine Körper­sprache? Wie ist das Sprechtempo? Ein guter Trainer gibt dazu Rück­meldung.

Geprüft werden etwa: Über­zeugungs- und Begeisterungs­fähig­keit, Fachwissen, Branchenkennt­nis, Stress­resistenz.

Die Fall­studie

In einem der Seminare bekamen die AC-Schüler Materialien zu einer fiktiven Firma vorgesetzt: Presse­mitteilungen, betriebs­wirt­schaftliche Kenn­zahlen und, und, und. Aufgabe: Binnen 45 Minuten Wachs­tums­märkte heraus­arbeiten und Ideen für neue Geschäfts­felder entwickeln.

Bei der Fall­studie handelt es sich meist um ein für die Branche des Bewerbers typisches Problem wie Unter­nehmens­strategie, Kostensenkung oder Personalplanung. „Es kommt darauf an, die Anweisungen genau zu lesen und das Material komplett zu sichten. Der Kandidat muss relevante von irrelevanten Informationen trennen“, sagt AC-Fachmann Benit.

Die Beob­achter wollen wissen, wie rasch ein Bewerber sich in den Sach­verhalt einarbeitet. Oft müssen die Ergeb­nisse präsentiert werden. Die AC-Aspiranten sollten während der Vorbereitung darum Zeit für die Gestaltung von Flipcharts einplanen.

Geprüft werden etwa: Fachwissen, Problemlösungs­kompetenz, analytisches und strategisches Denken, konzeptionelle Fähig­keiten, Ergebnis­orientierung.

Das Interview

Das Interview im AC hat viele Gemein­samkeiten mit einem „normalen“ Vorstellungs­gespräch. Es findet jedoch stan­dardisiert statt: Die Beob­achter stellen Fragen aus einem vorgegebenen Fragenkatalog. Es geht zum Beispiel um die Stärken, Schwächen, Ziele und Motivation des Bewerbers. Thema kann auch die soziale Kompetenz – Zusammen­arbeit, Kommunikation und Mitarbeiterführung – sein. Die Gesprächs­partner beleuchten zudem das fachliche und das metho­dische Know-how.

„Die Interviewer wollen für alle Eigenschaften Beispiele aus der Vergangenheit. Die sollte der Bewerber sich im Vorfeld über­legen. Etwa: Wann war ich im Job koope­rativ, in welcher Rolle war ich, was war das Ergebnis?“, sagt Benit. Der Interviewte sollte zudem genau zuhören und Blick­kontakt zu den Gesprächs­part­nern halten. Auch wichtig: Auf kritische Fragen gefasst und sachlich reagieren, nicht ausweichen.

Geprüft werden etwa: Fähig­keit zur Selbst­reflektion, Souveränität, emotionale Stabilität, Motivation.

Das Rollenspiel

Ein sonst zuver­lässiger Mitarbeiter fällt neuerdings durch Unpünkt­lich­keit auf. Ein Kunde beschwert sich, er möchte güns­tigere Konditionen. Das sind zwei mögliche Aufgaben für ein Rollenspiel. Darin müssen AC-Teilnehmer ein Zweier­gespräch zu einer typischen beruflichen Situation führen. Den Gegen­part über­nimmt meist ein professioneller AC-Schauspieler.

Der Teilnehmer erhält die Rollen­anweisung schriftlich und kann vorab kurz seine Gesprächs­strategie entwickeln. Es kommt darauf an, sich wichtige Fakten stich­punkt­artig zu notieren, das Mindest­ziel des Gesprächs ebenso zu definieren wie das aus Kandidaten­sicht optimale Ergebnis. Achtung: „Die Anweisung enthält meist nicht alle Informationen. Die muss der Bewerber von seinem Gegen­über erfragen“, weiß Benit. Ein solches Gespräch dauert meist zwischen zehn und 30 Minuten.

Geprüft werden etwa: Kommunikations-, Konflikt- und Über­zeugungs­fähig­keit, Führungs- und Motivations­fähig­keit, Einfühlungs­vermögen.

Die Gruppen­diskussion

Bei dieser Übung tritt jeder gegen jeden an: Die AC-Kandidaten bekommen eine gemein­same Aufgabe, nehmen aber unterschiedliche Positionen ein. Simuliert wird meist ein Meeting. In einem Kurs musste eine Abteilungs­leiter­runde über den geplanten Stellen­abbau verhandeln.

Die Kandidaten stehen im direkten Vergleich, sind Konkurrenten und müssen sich doch als Team­player zeigen. Es soll kontrovers diskutiert werden. Ziel ist dennoch, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Diskutiert wird bis zu einer Stunde.

„Wichtig ist, sich kontinuierlich zu beteiligen, freundlich und rücksichts­voll zu bleiben, über­zeugend zu argumentieren, sich aber dennoch kompromiss­bereit zu zeigen“, so Nils Benit. Schlecht ist, anderen Kandidaten ins Wort zu fallen. Fair und freundlich ist die Devise – während der Diskussion, aber auch im Miteinander während des gesamten AC.

Geprüft werden etwa: Koope­rations­fähig­keit, Führungs­potenzial, Ergebnis­orientierung, Kommunikations­geschick, unternehmerisches Denken.

Anerkennung statt Angst

Nicht nur das Üben der Aufgaben kann AC-Anwärtern die Unsicherheit nehmen. Beruhigen dürfte sie auch das Wissen, dass Unternehmen in ACs in der Regel einen wert­schätzenden Umgang mit den Kandidaten pflegen und dort meistens eine angenehme Atmosphäre herrscht.

„Keine Angst vorm AC“, sagt Fachmann Benit deshalb. „Anspannung ist normal. Es gibt während eines Auswahl­tages natürlich stressige Momente, aber ein AC ist nicht als Stress­resistenztest angelegt. Die Kandidaten werden gefordert – aber nicht gefoltert. Wer einge­laden wird, sollte das AC als Chance sehen – und die Einladung als Anerkennung betrachten.“

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