
© Adobe stock / Margaret M Stewart
Täglich eine Aspirin – nicht wenige nehmen die Schmerztablette in der Hoffnung ein, so einem Herzinfarkt oder Schlaganfall vorzubeugen. Ist die Hoffnung berechtigt? Bisher ist der Nutzen des Wirkstoffs Acetylsalicylsäure (ASS) nur für Patienten belegt, die bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten. Drei Studien haben nun den Nutzen von ASS für gesunde Senioren, Best Agers mit Risikofaktoren sowie Diabetiker untersucht – mit ernüchternden Ergebnissen.
Je nach Dosis unterschiedlicher Einsatz
In hohen Dosen von 500 bis 1 000 Milligramm lindert Acetylsalicylsäure (ASS) Schmerzen. In niedriger Dosis von 100 Milligramm soll sie Gefäßverschlüsse vermeiden und so einem Herzinfarkt oder Schlaganfall vorbeugen. Viele Menschen nehmen darum täglich Tabletten mit ASS ein, bekanntester Vertreter ist Aspirin. Ob sich das auszahlt, war bislang unklar. Studien hatten nur einen klaren Nutzen für Patienten ergeben, die bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten hatten. Nun sind neue Studien erschienen in den renommierten Fachmagazinen The Lancet und New England Journal of Medicine. Sie analysieren, inwiefern gesunde Ältere und Diabetiker von einer präventiven Einnahme profitieren.
Nicht nützlicher als Scheinpräparat
An der Arrive-Studie (Aspirin to reduce risk of initial vascular events) nahmen 12 500 Personen in Europa und den USA teil. Bei den Männer ab 55 und Frauen ab 60 Jahren handelte es sich um typische „Best-Ager“ mit mehreren Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder erhöhten Cholesterinwerten. Ihr Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall war weder gering noch hoch. Sie wurden nach Zufallsprinzip in zwei Gruppen geteilt: Eine nahm täglich eine niedrigdosierte Aspirin ein, die andere ein Scheinpräparat (Placebo). Ergebnis: Ein Nutzen von Aspirin ließ sich nicht ableiten. Nach fünf Jahren hatten in beiden Gruppen je 40 bis 50 von 1 000 Personen ein Herz-Kreislauf-Ereignis erlitten – von Herzinfarkt, instabiler Angina pectoris, Schlaganfall, vorübergehender ischämischer Attacke bis hin zum Tod. In der Gruppe der ASS-Patienten kam es aber häufiger zu Magen-Darm-Blutungen.
Leicht erhöhte Sterblichkeit festgestellt
Die Aspree-Studie (Aspirin in Reducing Events in the Elderly) mit Senioren brachte ebenfalls keinen signifikanten Nutzen einer täglichen Aspirin zutage, im Gegenteil. Einbezogen waren 19 000 gesunde Personen in den USA und Australien mit einem durchschnittlichen Alter von 74 Jahren. Auch sie wurden in eine Aspirin-Gruppe und eine Placebo-Gruppe unterteilt. Nach rund fünf Jahren Laufzeit zeigte sich in der ASS-Gruppe kein deutlich geringeres Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung, dafür aber ein deutlich erhöhtes Risiko für Blutungen. Hinzu kam: Die Sterblichkeit in der ASS-Gruppe war leicht erhöht im Vergleich zur Placebo-Gruppe – damit hatten die Studienautoren nicht gerechnet. Der Unterschied ergab sich durch die Todesursache Krebs, auch Magen-Darm-Tumoren waren unter ASS-Einnahme häufiger.
Für Diabetiker Nutzen und Schaden ausgeglichen
Als Risikogruppe für schwere kardiovaskuläre Ereignisse gelten Diabetiker. Ob ASS diesen vorbeugen kann, versuchte eine dritte Untersuchung zu klären, die ebenfalls im New England Journal of Medicine erschienen ist. An der Ascend-Studie (A Study of Cardiovascular Events in Diabetes) nahmen über 15 000 britische Diabetiker mit gesundem Herz-Kreislauf-System teil. Ergebnis nach rund siebenjähriger Studiendauer: Betrachtet man vorübergehende Durchblutungsstörungen im Gehirn mit, reduziert niedrigdosiertes ASS bei ihnen tatsächlich das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung: Statt 10 von 100 sind nur 9 von 100 betroffen. Durch die Einnahme von ASS kam es aber auch häufiger zu schweren Blutungen, zum Beispiel im Gehirn oder den Augen – dadurch fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung ausgeglichen aus.
Fazit: Nicht vorbeugend einnehmen
Für Menschen über 60 Jahre, die keinen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben und nicht an Diabetes erkrankt sind, lohnt es sich nicht, vorbeugend niedrigdosierte ASS einzunehmen. Die Studien belegen keinen Nutzen von ASS gegenüber einem Scheinpräparat – sie zeigen vielmehr, dass der Schaden durch Blutungen überwiegt. Die Hoffnung, dass ASS vor Krebs schützen kann, nähren sie ebenfalls nicht. Vielmehr versetzen die Ergebnisse der Aspree-Studie dem einen Dämpfer. Für Menschen, die einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hinter sich haben, überwiegt nach wie vor der Nutzen durch ASS – sie sollten die tägliche Tablette beibehalten.
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zu anignu am 03.03.2019 um 17:52, Nutzen nach gefäßchirurgischen Eingriffen... "Gefäßpatienten" haben i.d.R. auch ein hohes Risiko für Herzinfarkt & Schlaganfall. Das ist seit mindestens 2005 bekannt: https://www.aerzteblatt.de/archiv/48729/Periphere-arterielle-Verschlusskrankheit-Ein-fruehzeitiges-Alarmsignal-fuer-Herzinfarkt-und-Schlaganfall
Man sollte bei der Darstellung der Studie nicht unerwähnt lassen dass es weitere Indikationen zur Gabe von ASS gibt die hier mit keinem Wort erwähnt werden: "Gefäßpatienten". Patienten die bereits einmal in ihrem Leben aufgrund einer nicht kardialen Gefäßerkrankung behandelt wurden sollten ebenfalls ASS in niedriger Dosierung (100mg/d) dauerhaft einnehmen. Gemeint sind hier Patienten die operativ oder interventionell an einer Engstelle oder Verschluss an peripheren Gefäßen operiert wurden. Also die an Halsschlagadern, Beckenschlagadern, Beinschlagadern etc. mittels "Aufdehnung", "Ausschälung", Bypässen oder Stents versorgt wurden.
Siehe vorherigen Kommentar von JudithClark: SPAM!!