Knapp 1 000 Menschen ab 65 Jahren beantworteten alle Fragen unserer Umfrage zu Arzneimitteln im Alter. Vielen Dank! Das Ergebnis: Gut jeder dritte Befragte nimmt fünf oder mehr Medikamente. Und jeder zehnte schluckt Arzneimittel, die für Senioren möglicherweise ungeeignet sind. Der Artikel „Arzneimittel im Alter“ führt diese problematischen Arzneistoffe alphabetisch auf und nennt ausschließlich jene Alternativen, die die Stiftung Warentest als geeignet bewertet.
Medikamenten-Einnahme bereitet Probleme
Die Arzneimittel-Umfrage verlangte von den Teilnehmern einigen Einsatz. Zunächst galt es die Namen aller aktuellen – verschreibungspflichtigen wie rezeptfreien – Medikamente zu notieren, dann Dosis und Darreichungsform sowie Wirkstoff anzugeben, und schließlich festzuhalten, wie oft und seit wann die jeweilige Arznei eingenommen wird. 996 Menschen ab 65 Jahre füllten den Fragebogen aus. Meist handelte es sich um männliche „junge und fitte Senioren“ im Alter von 65 bis 75 Jahren, die nicht pflegebedürftig sind und in den eigenen vier Wänden leben. Trotzdem zeigen sich bei ihnen bereits typische Probleme, die bei der Arzneimitteltherapie im Alter auftreten können. So gaben 12 Prozent der Befragten an, sie hätten Schwierigkeiten, Medikamente aus der Packung zu nehmen. 14 Prozent fällt es schwer, ihre Tabletten zu halbieren – was die Dosiergenauigkeit beeinträchtigen kann. Noch gravierender sind Probleme durch zu viele oder problematische Medikamente.
Mit jedem Präparat steigt das Risiko für Wechselwirkungen

So viele Medikamente nehmen die Umfrageteilnehmer ein. © Stiftung Warentest
Gut jeder dritte Befragte nimmt fünf und mehr Medikamente ein (siehe Grafik). Bei 10 Prozent sind es sogar acht und mehr. Diese Ergebnisse stehen in Einklang mit anderen Studien. Demnach schlucken ältere Patienten krankheitsbedingt mehr Medikamente als jüngere. Aber Ärzte sollten möglichst zurückhaltend verordnen: Mit jedem Präparat steigt das Risiko für Wechselwirkungen, die dann erwünschte Arzneimitteleffekte ausbremsen oder unerwünschte ankurbeln können. Ein Beispiel: Viele – auch rezeptfreie – Schmerzmittel wie Azetylsalizylsäure (ASS), Diclofenac oder Ibuprofen können bei längerem Gebrauch Magenbluten auslösen. Das Risiko steigt durch die Einnahme von Blutverdünnern, etwa ASS (niedrig dosiert), Clopidogrel, Dabigatran, Rivaroxaban oder Phenprocoumon. Viele Patienten brauchen solche Mittel zum Schutz vor Herzinfarkt, Schlaganfall oder Thrombose. So bekommen allein 7 Prozent der Umfrage-Teilnehmer Phenprocoumon. Wer Blutverdünner benötigt, sollte also Schmerzmittel besonders zurückhaltend verwenden – oder ärztlichen Rat einholen.
Priscus-Liste nennt problematische Arzneistoffe
Grundsätzlich vertragen Senioren Medikamente schlechter als jüngere Menschen. Das liegt unter anderem daran, dass die Niere viele Arzneimittel nicht mehr so schnell ausscheidet, so dass sie länger im Körper bleiben und stärker wirken. Zu den typischen Nebenwirkungen zählen Magen-Darm-Beschwerden, Schlafstörungen, Schwindel, Benommenheit, Unruhe, gedämpftes Denken und Erinnern sowie Stürze. Immerhin 25 Prozent der Befragten vermuten, dass einige ihrer Beschwerden durch Medikamente bedingt sind. Manche Arzneistoffe können im Alter besonders schaden. Sie stehen auf der sogenannten Priscus-Liste, die deutsche Forscher 2010 veröffentlichten. Die Liste umfasst 83 problematische Wirkstoffe, nennt aber auch Alternativen – und Schutzmaßnahmen, falls ein Mittel unvermeidbar ist. Der Artikel „Arzneimittel im Alter“ stellt die Liste vor und nennt ausschließlich jene alternativen Wirkstoffe, die die Stiftung Warentest als „geeignet“ bewertet. Das soll Ärzten, Apothekern und Patienten als Hilfestellung dienen.
Schlaf- und Beruhigungsmittel sind besonders verbreitet

Diese problematischen Arzneimittel werden am häufigsten eingenommen. © Stiftung Warentest
Immerhin 10 Prozent der Umfrage-Teilnehmer bekommen problematische Medikamente von der Priscus-Liste. Laut anderen Studien betrifft das sogar etwa jeden vierten Senior. Meist werten solche Untersuchungen Daten der Krankenkassen aus, erfassen also auch hochbetagte und pflegebedürftige Menschen – anders als die Umfrage auf test.de. Am häufigsten nahmen die Befragten Wirkstoffe, die unter dem Oberbegriff Benzodiazepine und Z-Drugs zusammengefasst werden (siehe Grafik). Sie helfen beim Schlafen, lindern Angst und Unruhe – und machen süchtig. Auf Dauer tun die vermeintlichen Heilmittel also oft nicht gut. Zu den gefürchteten Nebenwirkungen, gerade bei Älteren, zählen gedämpftes Denkvermögen und erhöhtes Sturzrisiko. Deshalb sollen Ärzte die Mittel nur für kurze Zeit verordnen und bereits abhängig gewordene Patienten zum Entzug motivieren. Dabei wird die Dosis schrittweise verringert. Nähere Infos geben auch Suchtberatungsstellen. Am zweithäufigsten nach den Benzodiazepinen nehmen die Befragten den Wirkstoff Doxazosin, der bei Bluthochdruck sowie Prostatabeschwerden zum Einsatz kommt, gefolgt vom Antidepressivum Amitriptylin sowie dem Schmerzmittel Etoricoxib. Auch laut einer 2012 erschienenen Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido) verordnen Ärzte diese drei Wirkstoffe von der Priscus-Liste besonders oft. Für alle drei gibt es jedoch besser verträgliche Alternativen.
Ärzte und Apotheker zeigen wenig Einsatz

Das wissen die Befragten über die Priscus-Liste. © Stiftung Warentest
Dass manche Arzneimittel für ältere Menschen ungeeignet sein können, scheinen die meisten zu wissen. Nur 21 Prozent der Befragten haben noch nicht davon gehört (siehe Grafik). Die anderen wissen von dem Problem – vor allem aus den Medien, deutlich seltener vom Haus- oder Facharzt, geschweige denn vom Apotheker. Heilberufler scheinen also wenig über das Thema zu informieren. Gerade einmal 19 Prozent der Umfrage-Teilnehmer gaben an, über Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten informiert worden zu sein, als sie zuletzt in ihrer Stammapotheke ein neues Rezept einlösten. Und nur 56 Prozent berichteten, der Hausarzt habe in den vergangenen zwölf Monaten mit ihnen über ihren Medikamenten-Mix gesprochen. Solche jährlichen Arzneimittel-Checks werden von Gesundheitsexperten aber durchaus empfohlen. Schließlich bekommen viele Patienten ihre Medikamente von verschiedenen Ärzten verschrieben und kaufen zusätzlich noch auf eigene Faust rezeptfreie Medikamente. Ein Hausarzt sollte hier den Überblick behalten und das Zusammenspiel der Medikamente regelmäßig überprüfen. Wenn er das nicht von sich aus tut, sollte der Patient aktiv darum bitten.
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Mehrfach wurde in verschiedenen Medien Berichte daraufhin gewissen dass
all zu häufig ältere Menschen mit Medikamenten vollgestopft werden, was oft Nachweislich mehr Schaden als Nutzen hat. Man weis es, doch wo bleiben die Konsequenzen ?
Patient/Pflegeperson darf sich nicht alles gefallen lassen. Wenn man den Sinn einer Verordnung nicht einsieht, muss man nein sagen. Arzt verordnete auch ohne entsprechender Diaknose, lediglich auf Verlangen der Angehörigen wie in einem Autentischen Fall geschehen.Bei nicht zutreffender Inkontinenz und Natürlichen Harndrang nach 4-6 Std. lediglich näßte sich der alte Mann beim Toiletten Gang ein.Arzt verordnete Vesikur 5mg was als bald die möglichen im Beipackzettel Beschriebenen Nebenwirkungen zeigte, doch diese wurden durch Angehörige verbohrt ignoriert, selbst der Hinweis im Beipackzettel sofortiger Abbruch bei Atemprobleme, beachtete niemand. Folge Lungenembolie, Lungenentzündung, Thrombose.
im WDR wurde bereits eine entsprechende Sendung ausgestrahlt (2011 oder 2012). Es wurde gezeigt, wie die alten Menschen mit Medikamenten vollgestopft werden und welche Folgen dies hatte.
Ein Fall wurde besonders gezeigt. Hier wurden einer alten Frau 13 Medikamente zeitgleich verordnet bis sie total verwirrt etc. war. Nach einem Arztwechsel konnte die Medikamentation auf (ich glaube) 6 Medikamente heruntergefahren werden.
Konsequenzen wurden bis heute nicht gezogen :(((
Vielen Dank für Ihren ausführlichen Erfahrungsbericht. Ihre Ratschläge im Umgang mit Medikamenten, Ärzten und Pflegepersonal können für vielen Lesern sicher eine gute Hilfestellstelung sein. (BP)
Auch Ärzte und Apotheker machen Fehler und übersehen ab und an Dinge. Am besten ist an der Stelle immer noch der eigene Verstand mit dem man im Netz auch mal Medikamente nachschauen kann oder die Packungsbeilage zum Lesen.
2. Hartnäckigkeit
Man kann nicht davon ausgehen, dass Ärzte/Apotheke sich an individuelle Besonderheiten des Patienten erinnern. Patient/Pflegeperson müssen immer dran bleiben, hartnäckig nachfragen und informieren. Von sich aus bieten das die Beteiligten nicht an, das muss man einfordern oder - noch besser - einfach machen! Mir ist bewusst, dass das für Alte, die keine Angehörigen haben, quasi nicht umsetzbar ist.
3. gute Ärzte
Gute Ärzte muss man sich erarbeiten. D. h. im Zweifelsfall wechseln! Meine Mutter hat mittlerweile eine Hausärztin mit Schwerpunkt Geriatrie. Es ist nur dem Schicksal zu verdanken, dass die Fehler, die Ärzte bei meiner Mutter gemacht haben, glimpflich ausgegangen sind. Und es waren einige gravierende.
4. Nein-Sagen
Patient/Pflegeperson darf sich nicht alles gefallen lassen. Wenn man den Sinn einer Verordnung nicht einsieht, muss man nein sagen. Ärzte verordnen den Standard, erst beim Nein denken sie nach, wägen ab, gehen individuell auf den Patienten ein.