
Schmerzt das Knie, spritzen Ärzte Betroffenen oft kortisonähnliche Glukokortikoide ins Gelenk. Das soll die Entzündung bekämpfen und zumindest kurzfristig Schmerzen lindern. Eine US-Studie an 140 Arthrose-Patienten zeigt nun: Regelmäßige Injektionen ins Knie könnten dem Gelenkknorpel sogar schaden und den Verschleiß beschleunigen. test.de stellt die Studie vor und sagt, welche Alternativen es für Arthrose-Patienten gibt.
Spritzen sollen Entzündungen lindern
Gelenkverschleiß tritt besonders häufig im Knie auf. In der Fachsprache sprechen Ärzte von einer Gonarthrose. Sie entsteht dadurch, dass der Gelenkknorpel an Elastizität verliert, dünner und rauer wird. Schreitet die Arthrose fort, reiben sich feine Partikel ab – eine Entzündung kann sich entwickeln. Entzündungshemmende Wirkstoffe wie die kortisonähnlichen Glukokortikoide sollen Betroffenen Linderung verschaffen. Sie werden direkt ins Gelenk gespritzt. Die Wirksamkeit solcher Spritzen ist jedoch umstritten. Nun lieferte eine Studie von Wissenschaftlern des Tufts Medical Center in Boston, USA, überraschende Ergebnisse: Arthrose-Patienten profitieren von solchen Spritzen langfristig nicht – im Gegenteil.
Studie Tufts Medical Center: Effect of Intra-articular Triamcinolone vs Saline on Knee Cartilage Volume and Pain in Patients With Knee Osteoarthritis
Alle drei Monate Kochsalz oder Triamcinolon
Die Ärzte schlossen 140 Patienten in ihre Studie ein. Jeder Patient hatte eine schmerzhafte Kniegelenkarthrose und einen entzündlichen Erguss im Gelenk. Die Ärzte teilten die Patienten in zwei Gruppen: Die erste Gruppe bekam alle drei Monate Kochsalzlösung ins Kniegelenk gespritzt, die zweite Gruppe bekam 40 Milligramm des Glukokortikoids Triamcinolon. Die Anwendungen liefen jeweils über zwei Jahre. Mittels Magnetresonanztomographie zu Beginn sowie nach einem und zwei Jahren erfassten die Ärzte Volumenänderungen des Kniegelenks. Wie stark die Schmerzen waren, wurde alle drei Monate festgehalten – mithilfe einer „Schmerz-Skala“. Um ein realistisches Ergebnis zu bekommen, setzten die Studienteilnehmer ihre Schmerzmittel kurz zuvor ab.
Fazit: Gelenkabbau beschleunigte sich

Das Ergebnis fiel unerwartet aus: Injektionen mit Glukokortikoiden brachten keine Vorteile. Im Gegenteil: Der Verlust an Knorpelmasse war bei den Triamcinolon-Patienten nach zwei Jahren sogar ausgeprägter als bei denen, die Kochsalzlösung-Injektionen erhalten hatten. Die Triamcinolon-Spritzen stoppten den Gelenkabbau nicht, sondern beschleunigten ihn. Zudem nahm das Schmerzempfinden in keiner der beiden Gruppen spürbar ab. Die Betroffenen dürften im Alltag keine wirkliche Besserung gespürt haben. Nüchternes Fazit der Studie: Wiederholte Spritzen mit Glukokortikoiden können dem Kniegelenk eher schaden. Als Langzeit-Therapie sind sie nicht zu empfehlen.
Auch Spritzen mit Hyaluronsäure wenig geeignet
Neben Glukokortikoiden spritzen Ärzte bei Gonarthrose üblicherweise auch Hyaluronsäure direkt in das Gelenk. Hyaluronsäure ist ein natürlicher Baustein im Körper, sie soll die Eigenschaften der Gelenkflüssigkeit verbessern und auf der Oberfläche des Gelenkknorpels eine Schutzschicht bilden. Die Medizinexperten der Stiftung Warentest stufen Hyaluronsäure für diese Zwecke aber als wenig geeignet ein (Medikamente im Test: Arthrose und Gelenkbeschwerden). Untersuchungen zur Wirksamkeit legen nahe, dass Hyaluronsäure Schmerzen allenfalls für kurze Zeit und nur geringfügig verringern kann. Zudem kann es zu einigen unerwünschten Wirkungen kommen, etwa Überempfindlichkeitsreaktionen an der Haut. Unsere Datenbank Medikamente im Test zeigt, welche Arzneimittel bei Arthrose geeignet sind.
Künstliches Knie: Entscheidung gut abwägen
Der größere Verlust an Knorpelsubstanz infolge regelmäßiger Spritzen könnte bedeuten, dass letztlich mehr Patienten ein künstliches Kniegelenk benötigen werden. Laut Statistischem Bundesamt erhielten 2016 in Deutschland etwa 187 000 Patienten ein künstliches Knie. Eine Auswertung internationaler Studien zeigt, dass im Allgemeinen jeder fünfte Patient mit der Prothese nicht zufrieden ist. „Ein Implantat kann den natürlichen Knochen nie vollständig ersetzen“, sagt die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik. Patienten sollten vor dem Eingriff individuelle Risiken und Erwartungen abwägen. Manchmal reicht auch eine Teilprothese (
Kniegelenk: Teilgelenkersatz birgt weniger Risiken).
Was Betroffene tun können

Was können Betroffene also tun? Am besten erarbeiten sie sich mit Fachärzten einen individuellen Therapiemix, um ihre Gelenkfunktion und damit die Beweglichkeit zu erhalten. Es stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung. Am wichtigsten: In Bewegung bleiben und die Muskeln um das betroffene Gelenk stärken. Geeignete, sanfte Sportarten bei Arthrose sind etwa Radfahren, Schwimmen, Wassergymnastik, Wandern oder Joggen auf weichen Böden. Übergewichtigen Patienten hilft es, wenn sie abnehmen und auf diese Weise ihre Gelenke entlasten.
Tipp: Unser Ratgeber Arthrose gibt zahlreiche Empfehlungen, wie Sie beweglich bleiben und welche Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen.
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