
Arbeitszeugnis. Bei der Jobsuche spielen frühere Beurteilungen eine große Rolle. © Getty Images / Westend61
Arbeitszeugnisse müssen stets wohlwollend formuliert sein. Kritik steckt daher oft zwischen den Zeilen. Die Stiftung Warentest erklärt, was hinter den Floskeln steckt.
Arbeitszeugnisse aus bisherigen oder vergangenen Tätigkeiten sind wichtig, wenn Interessentinnen und Interessenten auf Arbeitssuche sind und sich auf eine neue Stelle bewerben. Ob eines ihrer Zeugnisse gut oder schlecht ist, ist für viele nicht so leicht ersichtlich. Um das eigene Arbeitszeugnis richtig zu interpretieren, sollte jeder Arbeitnehmer den verwendeten Zeugniscode entschlüsseln können. Nur dann kann er einschätzen, ob das Zeugnis seinen Vorstellungen entspricht oder nur vermeintlich gut ist. Arbeitszeugnisse können angefochten werden. Hilfe bieten Fachanwälte, Gewerkschaften und professionelle Zeugnisberater.
Mehr als 80 Prozent aller Arbeitszeugnisse haben die Noten „sehr gut“ oder „gut“. Umso wichtiger ist es für diejenigen mit schlechteren Beurteilungen, diese als solche zu erkennen. Die Zeugnissprache steckt voller geschickter Andeutungen, die Beurteilte deuten können sollten.
Das Wichtigste in Kürze
Arbeitszeugnis: Darauf kommt es an
Formalien. Prüfen Sie in Ihrem Arbeitszeugnis, ob Personalien, Daten wie Beschäftigungsdauer, Ausstellungsort und Tätigkeitsbeschreibungen vollständig und richtig sind. Ein qualifiziertes, ausführliches Zeugnis sollte mindestens eine Seite lang sein, aber zwei Seiten nicht überschreiten.
Floskeln. Ihr Zeugnis sollte individuell sein und nicht nur allgemeine Phrasen enthalten. Achten Sie auf inhaltliche Widersprüche und Floskeln, die negativ ausgelegt werden könnten. Doppelte Verneinungen, einschränkende Aussagen, doppeldeutige Sätze – so gut sie auch klingen – können abwertend sein und sollten nicht in Ihrem Zeugnis stehen. „Stets“, „immer“ und „äußerst“ wirken dagegen in der Regel positiv.
Profi. Wollen Sie ein Zeugnis zusätzlich fachlich prüfen lassen, wenden Sie sich an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht oder einen Zeugnisberater. Für Mitglieder bieten Gewerkschaften wie Verdi kostenlose Zeugnisberatung an.
Klage. Sind Sie mit Ihrem Arbeitszeugnis unzufrieden, sprechen Sie schnell mit Ihrem ehemaligen Arbeitgeber. Verweigert er Änderungen, bleibt nur der Klageweg. Zwischenzeugnisse können dabei helfen. Klagen können Sie auch, wenn Sie trotz mehrfacher Aufforderung kein Zeugnis erhalten.
Hilfe. Für eine Zeugnisklage sollten Sie einen Rechtsanwalt zurate ziehen. Suchen Sie auf der Internetseite Anwaltauskunft.de nach einem Fachanwalt für Arbeitsrecht in Ihrer Nähe.
Tipp. Was zu tun ist, wenn unerwartet eine Kündigung auf dem Tisch liegt, erklären wir in unserem Special Jobkündigung.
Meist gute Noten im Arbeitszeugnis
Der Grund für die weitgehend guten Noten im Zeugnis: Chef oder Chefin dürfen nicht schonungslos offen über Mitarbeitende urteilen. Laut Bundesarbeitsgericht muss ein Arbeitszeugnis „wahr“, „wohlwollend“ und „vollständig“ sein. Vorgesetzte nutzen deshalb bestimmte Formulierungen, um nicht offensichtlich negativ zu schreiben und dennoch bei der Wahrheit zu bleiben. Hinter vermeintlich positiven Wendungen stecken oft abwertende Bedeutungen.
Diese Noten stecken hinter Zufriedenheitsfloskeln
Der Arbeitnehmer hat die ihm übertragenen Aufgaben … erledigt |
Note |
Stets zu unserer vollsten Zufriedenheit |
1 (Sehr gut) |
Stets zu unserer vollen Zufriedenheit |
2 (Gut) |
Zu unserer vollen Zufriedenheit |
2–3 (Vollbefriedigend) |
Stets zu unserer Zufriedenheit |
3 (Befriedigend) |
Zu unserer Zufriedenheit |
4 (Ausreichend) |
Insgesamt / im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit |
5 (Mangelhaft) |
Hat sich bemüht / hat zu unserer Zufriedenheit zu erledigen versucht / führte die übertragenden Aufgaben mit großem Fleiß und Interesse durch |
6 (Ungenügend) |
Das bedeuten Formulierungen im Zeugnis wirklich
Oft verstecken Chefs ihre Kritik zwischen den Zeilen. Viele wohlklingende Floskeln bedeuten in Wahrheit nichts Gutes. Einschränkende Aussagen, doppelte Verneinungen und zweideutige Sätze sollten nicht im Arbeitszeugnis stehen. Ungünstig ist es auch, wenn weniger wichtige Aufgaben vor wichtigen stehen. Oder wenn bei den Tätigkeiten Kundenkontakt erwähnt wird, aber das Verhalten den Kunden gegenüber nicht bewertet wird.
Aussage im Zeugnis |
Tatsächliche Bedeutung |
Sie zeigte stets Verständnis für ihre Arbeit. |
Sie war faul und hat nichts geleistet. |
Er war stets bemüht, die Arbeiten zu unserer vollen Zufriedenheit zu erledigen. |
Seine Mühe blieb aber erfolglos. |
Er hat alle Aufgaben zu seinem und im Interesse der Firma gelöst. |
Er beging Diebstahl und/oder andere schwere Fehler. |
Sie erledigte alle Aufgaben pflichtbewusst und ordnungsgemäß. |
Es mangelte ihr jedoch an Eigeninitiative. |
Sein Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten war stets vorbildlich. |
Er hatte Probleme mit seinen Vorgesetzten. Sie werden deshalb erst nach den Kollegen erwähnt. |
Er hatte Gelegenheit, sich das notwendige Fachwissen anzueignen. |
Er nutzte die Gelegenheit jedoch nicht. |
Er war seinen Mitarbeitern jederzeit ein verständnisvoller Vorgesetzter. |
Er war nicht durchsetzungsfähig und besaß keine Autorität. |
Sie gab klare Ansagen und verstand es, alle Aufgaben stets mit Erfolg zu delegieren. |
Sie drückte sich vor der Arbeit, wo sie nur konnte. |
Er arbeitete mit größter Genauigkeit. |
Er war ein langsamer und unflexibler Erbsenzähler. |
Er erzielte nicht unerhebliche Verkaufserfolge. |
Er hat keine tollen Erfolge erzielt. |
Er ist mit Fleiß, Ehrlichkeit und Pünktlichkeit an seine Aufgaben herangegangen. |
Ihm fehlte die fachliche Qualifikation. |
Sie war sehr tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen. |
Sie war eine impertinente Wichtigtuerin. |
Durch ihre Geselligkeit trug sie zur Verbesserung des Betriebsklimas bei. |
Sie neigt zu übertriebenem Alkoholgenuss. |
Er war stets ein geschätzter Gesprächspartner. |
Er war geschwätzig und führte lange Privatgespräche im Dienst. |
Sie trat sowohl innerhalb als auch außerhalb unseres Unternehmens engagiert für die Interessen der Kolleginnen und Kollegen ein. |
Sie war im Betriebsrat oder in der Gewerkschaft tätig. |
Ironie und Spott sind im Arbeitszeugnis verboten
Wer Spott in seinem Arbeitszeugnis findet, kann sich dagegen wehren. Der Arbeitgeber muss es dann korrigieren. Das hat das Landesarbeitsgericht Hamm entschieden (Az. 12 Ta 475/16). Konkret hatte der Chef einen Zeugnisentwurf abgeändert und unter anderem geschrieben: „Wenn es eine bessere Note als ‚sehr gut‘ geben würde, würden wir ihn damit beurteilen“. Vom Bedauern über den Weggang des Mitarbeiters hingegen keine Spur. In der Abschlussformel schrieb der Vorgesetzte nur, er nehme das Ausscheiden des Mitarbeiters zur Kenntnis. Diese Formulierung hinterlässt laut Gericht einen spöttischen und ironischen Gesamteindruck. Unbefangene Leser könnten erkennen, dass die Aussagen nicht ernst gemeint sind. Die Formulierung, man nehme das Ausscheiden des Mitarbeiters zur Kenntnis, sei für den neutralen Leser ein deutlich negativer Hinweis darauf, dass die Parteien nicht im Einvernehmen auseinander gegangen seien.
Das sind Ihre Rechte rund ums Arbeitszeugnis
Was sollte ein Arbeitszeugnis enthalten?
Was in einem Arbeitszeugnis erwähnt werden sollte, hängt vom Typ des Zeugnisses ab. Es gibt einfache und qualifizierte (ausführliche) Zeugnisse. Welche Variante jemandem zusteht, hängt in der Regel von der Dauer seiner Tätigkeit im Unternehmen ab. Bei sehr kurzen Arbeitsverhältnissen oder Praktika schreiben Arbeitgeber nur ungern längere Zeugnisse. In solchen Fällen erstellen sie das einfache Zeugnis. Es enthält die Personalien, eine Tätigkeitsbeschreibung und eine Schlussformel.
So ist ein qualifiziertes Arbeitszeugnis aufgebaut
Besser ist stets ein qualifiziertes Zeugnis. Im Idealfall umfasst es folgende Teile, die auch in der entsprechenden Reihenfolge aufgeführt sein sollten:
- Überschrift, Anschrift des Arbeitgebers und genaue Beschreibung des Arbeitnehmers.
- Werdegang des Mitarbeiters in der Firma. Abmahnungen, Urlaub, Krankheiten oder Betriebsratzugehörigkeit haben im Zeugnis nichts zu suchen. Eine Elternzeit darf nur erwähnt werden, wenn sie die Dauer der tatsächlichen Beschäftigung erheblich eingeschränkt hat.
- Konkrete Beschreibung aller Tätigkeiten. Diese Liste muss vollständig sein. Lässt der Arbeitgeber wichtige Tätigkeiten und Aufgabenbereiche aus, mindert das nach außen hin die Qualifikation des Mitarbeiters.
- Beurteilung von Leistung und Verhalten. Eingegangen wird auf Motivation, Befähigung, Fachwissen, Arbeitsstil und Erfolge. Auch der Umgang mit Vorgesetzten, Kollegen und Kunden wird bewertet. Aus einer zusammenfassenden Beurteilung lässt sich auf eine Note schließen.
- In der Beendigungsformel wird erklärt, welche Seite das Beschäftigungsverhältnis beendete. Der Arbeitnehmer geht beispielsweise auf eigenen Wunsch, in beidseitigem Einvernehmen (Aufhebungsvertrag) oder ihm wurde betriebsbedingt gekündigt. Die Formel „Wir trennten uns am ...“ deutet auf eine fristlose Kündigung hin. Gründe, die in der Person oder dem Verhalten liegen, darf der Arbeitgeber nicht nennen.
- Das Arbeitszeugnis endet mit Danksagung und Wunschformel. Die Schlussformel „für die Zukunft alles Gute“ müsse reichen. Einen „Dank für langjährige Mitarbeit“ und „alles Gute für die berufliche Zukunft“ können Mitarbeiter nicht verlangen (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Az. 21 Sa 74/10). Dies bestätigte auch das Landesarbeitsgericht München. Eine Frau deren Zeugnis mit „gut“ bewertet wurde, hat keinen Anspruch auf einen Dank des Arbeitgebers und dem Bedauern über ihr Ausscheiden aus der Firma in der Schlussformel (Landesarbeitsgericht München Az. 3 Sa 188/21). Die guten Wünsche für die Zukunft verneint dagegen das Münchner Gericht.
Wann erhalte ich ein Arbeitszeugnis?
Ein Arbeitszeugnis verlangen können Arbeitnehmer, freie Mitarbeiter und Auszubildende sowie 450-Euro-Jobber, Praktikanten und Volontäre. In der Regel wird das Zeugnis am letzten Arbeitstag ausgestellt. Wird jemandem gekündigt, kann er bereits ein Zeugnis verlangen, wenn die Kündigung eintrifft. So können sich Entlassene schon während der Kündigungsfrist um eine neue Stelle bewerben.
Übrigens. Schließt sich nicht gleich der nächste Job an, kann Arbeitslosengeld beantragt werden, alles Wichtige zum Thema erklären wir in unseren Specials Arbeitslosengeld 1 und Arbeitslosengeld 2.
Bewerbung mit Zwischenzeugnis
Auch mit dem aktuellsten Zwischenzeugnis ist die Bewerbung um einen Arbeitsplatz möglich. Arbeitnehmer können beispielsweise ein Zwischenzeugnis fordern, wenn sie mehrere Jahre ohne zwischenzeitliche Beurteilung in einer Firma gearbeitet haben oder bevor sie in die Elternzeit oder in eine andere berufliche Auszeit gehen. Auch ohne konkreten Anlass können Arbeitnehmer etwa einmal im Jahr um eine solche Beurteilung bitten.
So lange haben Sie Anspruch auf ein Arbeitszeugnis
Arbeitnehmer sollten nicht zu viel Zeit verstreichen lassen, bis sie ihr Arbeitszeugnis einfordern. Wer den Wunsch nach einem Zeugnis rasch äußerst, vermeidet Ärger und Erinnerungslücken auf beiden Seiten. Für den gesetzlichen Anspruch gilt die gesetzliche Verjährung von drei Jahren. In der Praxis sieht es jedoch anders aus: Die Arbeitsgerichte halten nur einen Zeitraum von vier bis zehn Monaten für angemessen. Danach kann der Arbeitgeber sagen, er stellt kein Zeugnis mehr aus. Dann haben ehemalige Arbeitnehmer oder Praktikanten ihren Anspruch „verwirkt“.
Übrigens: Arbeitnehmer müssen ihr Zeugnis abholen. Eine Zusendung können sie in der Regel nicht verlangen. Wer das Zeugnis ohne Abholversuch einklagt, verliert (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Az. 10 TA 31/13).
Wie muss ein Arbeitszeugnis aussehen?
Ein Arbeitszeugnis sollte schriftlich und idealerweise auf Firmenpapier in einheitlicher Schrift gedruckt werden. Nicht möglich ist ein nur als E-Mail übermitteltes Arbeitszeugnis. Das Papier sollte keine Flecken, Eselsohren, Rechtschreibfehler, Korrekturen, Einfügungen oder Radierungen haben. Es darf aber getackert und auf das Format eines üblichen Briefumschlags gefaltet sein (LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 314/17). Ein Zeugnis, dass in Tabellenform bestimmte Anforderungen, wie Pünktlichkeit, Arbeitstempo oder Fachkenntnisse mit Schulnoten bewertet, ist nicht erlaubt, so das Bundesarbeitsgericht (Az. 9 AZR 262/20). Am Ende des Dokuments müssen Ausstellungsort und Ausstellungsdatum vermerkt sein, die Unterschrift muss vom Arbeitgeber oder von einem weisungsbefugten Vorgesetzten stammen. Erhält jemand kein ordentliches Zeugnis, kann er ein neues verlangen. Das gilt übrigens auch dann, wenn das Zeugnis verloren geht – egal, wer es verbummelt hat.
Unzulässig. Firmen dürfen im Arbeitszeugnis nicht anbieten, künftigen Arbeitgebern jederzeit auf Nachfrage Auskunft zu geben, denn das gilt als verschlüsselter Hinweis darauf, dass das Zeugnis nicht den wahren Leistungen entspricht (Arbeitsgericht Herford, Az. 2 Ca 1502/08).
Was mache ich, wenn ich kein Zeugnis erhalte?
Hat ein Beschäftigter ausdrücklich um ein Arbeitszeugnis gebeten, aber der Arbeitgeber rückt es nicht heraus, kann er das Zeugnis beim Arbeitsgericht einklagen. Braucht er es sehr dringend, kann er auch im Eilverfahren bei Gericht eine einstweilige Verfügung erwirken. Hat der Arbeitnehmer wegen des fehlenden Zeugnisses Probleme einen neuen Job zu finden, kann er Schadenersatz verlangen. Der Arbeitgeber hingegen kann Schadenersatz verlangen, wenn in dem Zeugnis falsche Angaben stehen, die der vorige Arbeitgeber bewusst dort hineingeschrieben hat.
Kann ich ein schlechtes Zeugnis berichtigen lassen?
Da die allermeisten Arbeitszeugnisse mindestens gut sind, sollten Zeugnisse mit einer nur befriedigenden Bewertung lieber nicht den Bewerbungsunterlagen beigelegt werden. Andererseits sieht eine mehrjährige Lücke im Lebenslauf ungünstig aus. Arbeitnehmer sollten in einem solchen Fall zunächst im einem Gespräch mit dem ehemaligen Vorgesetzten versuchen, Missverständnisse auszuräumen und Probleme zu klären. Möglicherweise gelingt es dabei, das Zeugnis „nach oben“ zu ändern. Zeit, um Korrekturen am Arbeitszeugnis zu verlangt, haben Arbeitnehmer fünf bis zehn Monate nach Zeugnisausgabe (Landesarbeitsgericht Mainz, Az. 1 Sa 1433/01). Weigert sich der Arbeitgeber bleibt nur der Gang vor das zuständige Arbeitsgericht.
Arbeitszeugnisse zu fälschen hat weitreichende Folgen
Ein Arbeitszeugnis einfach zu fälschen ist natürlich keine gute Idee.
Lohn zurück. Wer einen Job mithilfe eines gefälschten Zeugnisses bekommt und die nötigen Qualifikationen nicht hat, muss den Arbeitslohn zurückzahlen (Landesarbeitsgericht Köln, Az. 11 Sa 1511/99).
Job weg. Auch nach Jahren noch können Arbeitnehmer, die sich mit einem gefälschtem Zeugnis eine Stelle erschlichen haben, entlassen werden – auch wenn sie gut gearbeitet haben (Landesarbeitsgericht Nürnberg, Az. 9 Sa 400/05). Ähnlich sieht es das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Das Vertrauen von Arbeitgebern auf die Richtigkeit von Zeugnissen sei besonders schützenswert. Nur so könne ein Unternehmen die Bewerber fair vergleichen. Zudem könne das Ansehen des Unternehmens durch die Beschäftigung solche eines Zeugnisfälschers leiden (Az. 5 Sa 25/06).
Arbeitszeugnis selbst schreiben?
Arbeitnehmer können ihr Arbeitszeugnis selbst vorformulieren, aber das ist nicht sinnvoll. Als Selbstschreiber kennen sie nur selten die Zeugnissprache und stellen sich möglicherweise nur ein mittelmäßiges Zeugnis aus. Bescheidenheit ist fehl am Platz. Andererseits kann ein zu gutes Zeugnis übertrieben wirken. Außerdem kennen Arbeitnehmer womöglich nicht die in ihrer Branche üblichen Formulierungen. Ein neuer Arbeitgeber könnte das negativ werten. Arbeitnehmer können sich aber die Arbeit mit ihrem Arbeitgeber teilen. Dann überlassen sie ihrem Chef die Beurteilung von Leistung und Verhalten, die Angaben zur Person – und das Beschreiben ihrer Tätigkeit übernehmen sie.
Übrigens: Wer ein schlechtes Zeugnis bekommt, kann nicht einfach abwarten, bis der Chef in Urlaub ist und dann mit einem selbst vorformulierten Entwurf zum Chef einer anderen Abteilung gehen, mit der Bitte, diesen Entwurf abzuzeichnen (Arbeitsgericht Schleswig-Holstein, Az. 1 Sa 228/17).
Ein unangemessen Zeugnis kann für Chefs teuer werden
Bekommt ein Stellenbewerber eine Absage, weil der Arbeitgeber kein Zeugnis ausgestellt hat oder nur ein unangemessen formuliertes, kann es für den alten Chef teuer werden. So entschied das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven (Az. Ca 1309/10). Der Arbeitgeber hatte dem früheren Mitarbeiter zunächst überhaupt kein Zeugnis ausgestellt. Der Mitarbeiter forderte daraufhin das Zeugnis ein. Sein früherer Chef verpasste ihm aber nur mäßige Zensuren. Bei seiner Bewerbung als Assistent der Geschäftsführung in einem anderen Unternehmen scheiterte der ehemalige Mitarbeiter aufgrund des schlechten Zeugnisses. Vor Gericht bestätigte das auch der Arbeitgeber, bei dem er sich als Assistent beworben hatte. Der Arbeitnehmer konnte somit nachweisen, dass ihm ein konkreter Schaden durch das zu schlechte Zeugnis entstanden war. Die Richter sprachen ihm Schadenersatz in Höhe von rund 3 500 Euro zu
Gegen unfaire Arbeitszeugnisse wehren
Hilfe beim Verdacht auf unfaire Zeugnisse
Unzulässige Zeugnisformulierungen können vor Gericht angefochten werden. Dafür muss der Empfänger sie jedoch erst einmal entschlüsseln. Hilfreich sind zahlreiche Beratungsseiten im Internet wie etwa Arbeitnehmerkammer.de. Weitere geeignete Ansprechpartner sind etwa ein Anwalt für Arbeitsrecht oder, falls im Unternehmen vorhanden, ein Betriebsrat. Dieser darf wegen eines Zeugnisses aber nur beraten. Ein Mitspracherecht hat er nicht. Anders ist es übrigens bei Kündigungen. In unserem Special So funktioniert Mitbestimmung in der Firma erklären wir, welche Vorteile Arbeitnehmer sonst noch durch einen Betriebsrat haben.
Welche Chancen hat eine Klage vor Gericht?
Eine Korrekturklage birgt erhebliche Risiken. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss der Arbeitnehmer Leistungen, die besser als die Note drei sind, beweisen. Dies gilt auch dann, wenn in der jeweiligen Branche gute oder sehr gute Noten üblich sind. Der Beweis, besser gewesen zu sein, lässt sich meist nur schwer führen. Dann werden oft Zeugen – also ehemalige Kollegen oder Vorgesetzte, befragt. Das kann zu Gewissenskonflikten führen.
Besserung zum Positiven
Erfolg mit einer Klage gegen das Arbeitszeugnis hatte beispielsweise eine Kölner Kellnerin: Sie klagte zusätzliche positive Formulierung ein und setzte den Satz durch, sie habe „in der Karnevalszeit gearbeitet“. In der ist die Arbeitsbelastung schließlich besonders hoch, zumindest im Rheinland (AG Köln 19 Ca 3743/18). Eine Berichtigungsklage muss spätestens drei Wochen nach Erhalt des Zeugnisses eingereicht werden. Gut zu wissen: Das Zeugnis kann sich aufgrund einer Klage nicht verschlechtern.
Zwischenzeugnis hilft im Klagefall
Ein Arbeitgeber ist an seine Beurteilung in einem Zwischenzeugnis auch für das Endzeugnis gebunden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich nach dem Zwischenzeugnis die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers stark verändert haben. War das letzte Zwischenzeugnis sehr gut, kann es als Nachweis für eine bessere Bewertung verwendet werden. Selbst bei einem verlorenen Prozess hat ein Arbeitnehmer für weitere Bewerbungen ein letztes, sehr gutes Zwischenzeugnis und lässt das schlechtere Beendigungszeugnis einfach unter den Tisch fallen.
Kosten einer Klage um das Arbeitszeugnis
Solange der Rechtsstreit in der ersten Instanz ist, also vor dem Arbeitsgericht stattfindet, trägt jede Partei ihre Anwaltskosten selbst. Für eine Zeugnisklage ist die Unterstützung durch einen Anwalt zu empfehlen. Er prüft das Zeugnis auf formale oder inhaltliche Fehler, formuliert stichhaltige Begründungen und Änderungswünsche, erstellt die Klageschrift und hilft, Gegenargumente zu entkräften und das Anliegen durchzusetzen. Seine Kosten richten sich nach dem Streitwert. Bei einer Zeugnisklage beträgt dieser einen Bruttomonatslohn.
Anwaltskosten für Klagevertretung (Euro)
Bei einem Bruttolohn von 3 500 Euro betrüge die einfache Gebühr nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 278 Euro. Die Rechnung lautet:
1,30 fache Verfahrensgebühr: 361,40 Euro (1,3 x einfache Gebühr 278 Euro)
+ 1,20 fache Termingebühr: 333,60 Euro (1,2 x einfache Gebühr 278 Euro)
+ Auslagenpauschale: 20,00 Euro
+ 19 Prozent Umsatzsteuer 135,85 Euro
Summe Anwaltskosten Klageverfahren 850,85 Euro
Diese Kosten entstehen Arbeitnehmern unabhängig davon, ob sie gewinnen oder verlieren. Anders ist es bei Gerichtskosten. Auch sie richten sich nach dem Streitwert. Verliert der Arbeitnehmer und das Gericht kommt zu dem Schluss, dass das Zeugnis angemessen ist, kommen diese noch oben drauf. Eine Rechtsschutzversicherung ist deshalb für arbeitsrechtliche Fälle sinnvoll (Vergleich Rechtsschutzversicherung). Wer wenig Einkommen hat, kann beim zuständigen Gericht Beratungs- oder Prozesskostenhilfe beantragen.
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Arbeitsrecht Wann Ihnen Sonderurlaub zusteht
- Wer heiratet oder Vater wird, muss dafür nicht zwingend Urlaubstage abzwacken. Es kann Sonderurlaub geben, also eine bezahlte Freistellung – wann dies infrage kommt.
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Lohnschulden So fordern Sie nicht gezahltes Gehalt vom Arbeitgeber ein
- Wenn das Gehalt ausbleibt, sollten Beschäftigte schriftlich Zahlung fordern. Bringt das nichts, können sie das Arbeitsgericht einschalten. Das geht auch ohne Anwalt.
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Krankenversicherung Gesetzlich oder privat? Eine Entscheidungshilfe
- Soll ich mich privat krankenversichern? Wir sagen, für wen das sinnvoll ist, und in welchen Ausnahmefällen der Weg zurück in die gesetzliche Krankenkasse möglich ist.
9 Kommentare Diskutieren Sie mit
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Hallo Test.de
Ich würde es auch sehr begrüßen, wenn Sie einmal die Bewertungsdienste für Zeugnisse prüfen würden.
@anyoneoutthere: Sie können sich an Ihre Gewerkschaft wenden, soweit Sie bei einer Mitglied sind oder an einen Fachanwalt für das Arbeitsrecht, um sich individuell beraten zu lassen. Die "Zeugnisberater-Angebote" im Netz haben wir noch nicht getestet. Ihre dahingehende Testanregung geben wir gern im Hause weiter.
Ich fänd's prima, eine Bewertung der Bewertungsdienste zu bekommen! Wohin wende ich mich am besten, um mein Zeugnis geprüft und bewertet zu bekommen - könnte TEST sich da was vorstellen? Oder weiß ein werter Mitleser etwas dazu vielleicht?
Wenn ich mir vorstelle, ich bin Arbeitgeber und bekomme von einem Bewerber Unterlagen vorgelegt, bei denen über einen längeren Zeitraum oder sogar mehrere Jahre keine Aussagen getroffen werden (keine Zeugnisse, keine Erläuterung im Lebenslauf o.ä.), würde ich zumindest misstrauisch werden und im Zweifelsfall den Bewerber erst einmal aussortieren.
Wenn ein Bewerber ein schlechtes Zeugnis hat, sollte er vielleicht das Zeugnis beifügen und im Anschreiben eine nähere (persönliche) Erläuterung dazu anbieten. Ein mieses Zeugnis kommentarlos vorlegen, wäre sicherlich keine gute Idee.
Inwiefern ist ein "Verschweigen" also ein nichtmitschicken eines Zeugnises Betrug? Ich habe kein Jura studiert aber wenn das Betrug ist esse ich einen Hut und heiße Hugo....