Mancher Arbeitsplatz erinnert an den Schreibtisch zuhause. Doch nicht jede Annehmlichkeit ist im Büro erlaubt. Während der Dienstzeit Musik hören, SMS schreiben, essen: Vieles, was Angestellte für selbstverständlich halten, darf der Chef verbieten – oder sogar mit einer Kündigung ahnden.
Arbeitgeber hat das letzte Wort
Der Kollege gegenüber isst schmatzend ein Mettbrötchen und schlürft dazu Kaffee. Am Nachbarschreibtisch klingelt ein Handy. Irgendwo dudelt ein Radio ... Die Angewohnheiten Anderer können nerven, auch am Arbeitsplatz. Hier verbringen die meisten Menschen rund ein Drittel ihres Tages. Viele versuchen, diese Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten. Nicht alles, was gefällt, ist auch erlaubt. Kraft seines Direktionsrechts hat der Arbeitgeber das letzte Wort bei der konkreten Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen. Grenzenlos sind seine Rechte aber nicht. Laut Gesetz muss er sein Weisungsrecht nach „billigem Ermessen“ ausüben. „Auch darf der Chef nicht dem einen Mitarbeiter Dinge erlauben, die er Kollegen zuvor verboten hat“, sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin.
Musik am Arbeitsplatz
Schwer tun sich viele Chefs mit Musik am Arbeitsplatz. Ganz verbieten können sie ein Radio im Büro aber nicht, urteilte das Bundesarbeitsgericht (Az. 1 ABR 75/83). In Ordnung geht ein Verbot jedoch, wenn die Beschallung Kollegen oder Kunden stört. In manchen Branchen ist Musikhören nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt: Kraftfahrer etwa sollten, während sie am Steuer sitzen, keine Kopfhörer nutzen.
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Dresscodes und Dienstkleidung
Je nach Branche kann der Chef konkrete Vorgaben in Sachen Kleidung machen. Oft sind sie im Arbeitsvertrag niedergelegt. Spezielle Dresscodes gibt es etwa bei Banken oder Unternehmensberatungen. Manche Berufsgruppen, vom Arzt bis zum Schornsteinfeger, müssen zudem spezielle Berufskleidung tragen.
- Tattoos, Schmuck, Unterwäsche. Ob Körperschmuck und Tätowierungen gezeigt werden dürfen, kann der Chef ebenso vorgeben wie die Farbe der Dienstunterwäsche. Eine Anweisung an Kolleginnen, unter hellen Blusen weiße oder hautfarbene Wäsche zu tragen, ist laut Landesarbeitsgericht (LAG) Köln rechtens (Az. 3 TaBV 15/10).
- Uniformen und Schutzkleidung. Verlangt ein Arbeitgeber eine Uniform oder ist Schutzkleidung vorgeschrieben – etwa bei Feuerwehrleuten oder Bauarbeitern –, muss die Firma diese Ausrüstung stellen und bezahlen. Arbeitnehmer dürfen an den Kosten nur beteiligt werden, wenn sie diese Kleidung auch privat verwenden können. Rechtsanwalt Bredereck: „Gibt etwa eine Bank vor, dass Männer im Anzug und Frauen im Kostüm zur Arbeit erscheinen, müssen die Beschäftigten die Kleider selbst bezahlen, weil sie sie auch jenseits des Jobs anziehen können.“
Surfen am Arbeitsplatz
Während der Arbeitszeit kurz bei Facebook vorbeischauen, schnell mal online ein Buch bestellen: Für viele Arbeitnehmer mag das normal sein. Wenn es um die private Nutzung des Internets im Büro geht, gilt jedoch die Devise: Was nicht erlaubt ist, ist erst einmal verboten. „Der Arbeitgeber ist grundsätzlich berechtigt, die privaten Nutzungen der Betriebsmittel zu untersagen“, sagt Bredereck. Verstöße gegen dieses Verbot ziehen im schlimmsten Fall eine Abmahnung oder Kündigung nach sich.
- Viren auf Dienstrechner. Wird der Dienstrechner durch die verbotene private Internetnutzung von einem Virus befallen, muss der Arbeitnehmer unter Umständen sogar Schadenersatz zahlen.
- Exzessives Downloaden. Selbst wenn privates Surfen ausdrücklich erlaubt ist, darf die Nutzung des Internets nicht ausufern und die Arbeit beeinträchtigen. Wer während seiner Schicht tausende Dateien, Filme und Musik herunterlädt, kann sogar ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden (LAG Schleswig-Holstein, Az. 1 Sa 421/13).
- Private Mails. Auch wer als Arbeitnehmer täglich mehrere Stunden damit verbringt, am Bürorechner private Mails zu lesen und zu schreiben, kann gekündigt werden, wenn die Arbeit deshalb liegenbleibt (LAG Niedersachsen, Az. 12 Sa 875/09).
Streitpunkt Handy
Arbeitgeber können kraft ihres Direktionsrechts anordnen, dass die Mobiltelefone der Angestellten während der Arbeitszeit ausgeschaltet bleiben. Ein solches Verbot ist sogar zulässig, wenn Handytelefonate bisher erlaubt waren. Der Verzicht auf die mobile Erreichbarkeit während der Arbeitszeit ist eine selbstverständliche Pflicht aus dem Arbeitsvertrag, entschied das LAG Rheinland-Pfalz (Az. 6 TaBV 33/09). Völlig von der Außenwelt abgeschnitten muss dennoch niemand bei der Arbeit bleiben. Für Notfälle gibt es ja immer noch das Telefon der Firma. Das dürfen Arbeitnehmer in solchen Situationen trotz anderslautender Verbote auch privat benutzen. Ist der Handyakku leer und der Arbeitnehmer lädt ihn ohne Erlaubnis des Chefs im Büro auf, ist das riskant. Der Stromdiebstahl rechtfertigt zumindest eine Abmahnung (LAG Köln, Az. 3 Sa 408/11).
Absolutes Tabu
Wer Firmeneigentum entwendet, kann in der Regel ohne Vorwarnung vor die Tür gesetzt werden. Das gilt auch, wenn der materielle Wert des gestohlenen Gegenstandes nicht besonders hoch ist. Ein paar private Kopien auf Kosten des Chefs rechtfertigen arbeitsrechtliche Sanktionen daher ebenso wie ein geklauter Radiergummi. Selbst wer Essensreste aus der Kantine unerlaubt mit heimnimmt, riskiert seinen Job. „Hintergrund ist immer die Verletzung des arbeitgeberseitigen Vertrauens, nach dem Motto: Heute nimmt er das eine, morgen das andere“, sagt Anwalt Alexander Bredereck.
Essen im Büro
Streiten lässt sich auch um das tägliche Brot eines Arbeitnehmers. Essen und Trinken außerhalb von Kantine oder Cafeteria sind oft untersagt. Rechtens ist eine solche Vorgabe, wenn Mitarbeiter Kundenkontakt haben oder Publikumsverkehr in den Räumen besteht. Arbeitsschutz- und Hygienevorschriften können ein Verbot ebenfalls notwendig machen. Der Umgang mit Gefahrstoffen etwa schließt das Essen und Trinken am Arbeitsplatz aus. Selbst bei gewöhnlichen Bürojobs können sich Verstöße gegen ein solches Verbot rächen – und zwar gleich doppelt: Wer weisungswidrig am Schreibtisch eine Cola deponiert und sie versehentlich übers Dienst-Laptop kippt, riskiert nicht nur eine Abmahnung. Er muss dem Chef auch den Schaden ersetzen.
Äußerungen im Internet
Soziale Netzwerke wie Facebook können für gefrustete Arbeitnehmer gefährlich sein. Wer über Chef oder Kollegen öffentlich herzieht, riskiert seinen Job. Ein Auszubildender etwa bezeichnete seinen Chef im Netz als „Menschenschinder“ und „Ausbeuter“. Seine fristlose Kündigung ging in Ordnung (LAG Hamm, Az. 3 Sa 644/12). Auch wer Kollegen auf seiner Pinnwand „Speckrolle“ und „Klugscheißer“ nennt, riskiert den sofortigen Rauswurf, entschied das Arbeitsgericht Duisburg (Az. 5 Ca 949/12). Gleiches droht Mitarbeitern, die den „Gefällt mir“-Button anklicken, wenn der Chef im Netz beleidigt wird (Arbeitsgericht Dessau-Roßlau, Az. 1 Ca 148/11).
Tipp: Mehr zum Thema finden Sie in unserem Special Arbeitsrecht: Facebook-Posting kann den Job kosten
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- Um Arbeitnehmer im Homeoffice zu kontrollieren, greifen einige Arbeitgeber zu Überwachungssoftware – nicht immer legal. Wir sagen, was verboten und was hinzunehmen ist.
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Darf ich "bitte", Chefs oder Kolleg/innen, gegen Eure inneren Werte verstoßen? Die Leitbegriffe heißen für den Patron heute 'Compliance' und für die Mitarbeiter auch untereinander 'Empathie'. Beide anzuwenden bedarf es im Idealfall frühkindlicher Herzensbildung, und ungefähr ab der Pubertät selbstinteressierende Wahrnehmungen ('Kognition'). Kann man in jeder Kultur und Sprache lernen, ist gar nicht schwer. Allerdings: Man muss auch wollen. Am Arbeitsplatz leider zu oft ohne anschließende Lohnerhöhung. . .