
Alexander Bredereck
Drogenkonsum in der Freizeit kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen, hat das Bundesarbeitsgericht kürzlich entschieden. Im Gespräch mit test.de erklärt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht, warum künftig schon die Möglichkeit einer Gefährdung Dritter für eine Kündigung ausreicht, wann der Arbeitgeber Drogentests anordnen kann – und wieso die Anforderungen an fristlose Kündigungen trotz des neuen Urteils weiterhin hoch bleiben.
Möglichkeit einer Gefährdung reicht
Was ändert dieses Urteil?
Ein Arbeitgeber, der einem Mitarbeiter wegen seines Drogenkonsums in der Freizeit kündigt, musste bisher beweisen, dass er damit während der Arbeitszeit Dritte tatsächlich in Gefahr brachte. Nun reicht es für eine fristlose Kündigung aus, dass er Mitmenschen gefährden könnte, urteilte das Bundesarbeitsgericht (Az. 6 AZR 471/15). Im vorliegenden Fall nahm ein angestellter Berufskraftfahrer in der Freizeit Crystal Meth und arbeitete zwei Tage später, obwohl die Drogen bei einer Polizeikontrolle noch nachweisbar waren. Allein die Möglichkeit einer Gefährdung reichte dem Gericht als Kündigungsgrund.
Wie erfuhr der Arbeitgeber vom Drogenkonsum?
Das ist in dem Fall nicht bekannt. Aber ein Berufskraftfahrer kann es in der Regel nicht vor dem Chef verbergen, wenn er seinen Führerschein wegen Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogeneinfluss verliert. Eine andere Möglichkeit, vom Drogenkonsum zu erfahren, ist, dass Kollegen den Arbeitnehmer anschwärzen. Auch äußere Anzeichen wie Wesensveränderungen oder auffälliges Verhalten können für den Arbeitgeber Hinweise sein.
Polizisten und Piloten
Darf der Arbeitgeber einen Mitarbeiter auf Drogen testen lassen?
Nicht ohne Zustimmung des Arbeitnehmers. Der hat ein grundrechtlich geschütztes Recht auf körperliche Unversehrtheit. Bei einigen Einstellungsverfahren, etwa bei der Polizei, kann ein Drogentest dazugehören. Auch bei Arbeiten mit einem sehr hohen Gefährdungspotenzial wie bei Piloten darf der Arbeitgeber regelmäßige Drogentests verlangen, jedenfalls wenn eine entsprechende Betriebsvereinbarung existiert.
Privater Drogenkonsum kann also den Job kosten?
Es kommt darauf an, ob der Einfluss von in der Freizeit eingenommenen Drogen während der Arbeitszeit anhält. Entscheidend ist zudem, ob der Arbeitnehmer in Bereichen tätig ist, in denen er unter Drogeneinfluss die Sicherheit seiner Umwelt gefährdet oder das Ansehen des Arbeitgebers schädigt.
Droht eine fristlose Kündigung auch beim Konsum „weicherer“ Drogen?
Auch bei weicheren Drogen wie Marihuana oder bei Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch kann ein Abmahnungs- oder Kündigungsgrund vorliegen. Die Gefahr arbeitsrechtlicher Konsequenzen besteht besonders dann, wenn sie eine tatsächliche Gefährdung Dritter verursacht haben.
Hohe Hürden für fristlose Kündigungen
Lässt sich das Urteil auf weitere Arbeitnehmergruppen übertragen?
Das Gericht stellt im Urteil auf die allgemeine Gefahr von Drogenkonsum bei der Teilnahme am Straßenverkehr ab. Bei allen Tätigkeiten, bei denen Drogenkonsum eine erhöhte Gefährdung anderer zur Folge hat, wäre ähnlich zu entscheiden. Die Tätigkeit eines Herzchirurgen hat etwa ein höheres Gefährdungspotenzial als die eines Allgemeinmediziners.
Ist es jetzt generell leichter, fristlos zu kündigen?
Die Anforderungen an fristlose Kündigungen bleiben hoch. Arbeitsgerichte beziehen privates Verhalten jedoch stärker als früher in die Beurteilung ein, wenn es darum geht, ob eine Kündigung wirksam ist. Das private Verhalten muss sich aber sehr negativ auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers beziehungsweise auf das Arbeitsverhältnis auswirken, um seine Auflösung zu rechtfertigen.