Die Frage, was Arbeitszeit ist, beschäftigt Gerichte regelmäßig. Das Gesetz definiert es kurz und knapp so: Arbeitszeit ist die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen. Aber gehört auch Duschen und Umziehen im Betrieb dazu? Und was gilt für Außendienstmitarbeiter? test.de berichtet über die neuesten Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf und des Europäischen Gerichtshofs.*
Arztkittel und Blaumänner
OP-Bekleidung und Schuhüberzieher in Krankenhäusern, Blaumänner in Kfz-Werkstätten. Vielerorts müssen Arbeitnehmer Berufskleidung tragen. Dafür müssen sie sich umziehen, vor und nach der Arbeit. Ist Umziehzeit auch Arbeitszeit? Gibt es bezahlte Wasch- und Duschzeit? Arbeits- oder Tarifverträge regeln das nur selten. Kommt es darüber zum Streit, müssen die Gerichte entscheiden, wie zuletzt das Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Im verhandelten Fall hatte ein Kfz-Mechaniker gegen die Stadtwerke Oberhausen geklagt. Er wollte das Umziehen vor und nach der Arbeit und das Duschen nach Dienstschluss vergütet bekommen (Az. 9 Sa 425/15).
Dienstliches Duschen
Nutzt ein Mitarbeiter nach schweißtreibender und schmutziger Tätigkeit die firmeneigene Dusche, ist das nicht ohne weiteres Arbeitszeit, sagt das Landesarbeitsgericht. Im Einzelfall könne entscheidend sein, ob auf Weisung des Arbeitgebers geduscht wird, zum Beispiel, wenn es aus Gründen des Arbeitsschutzes oder wegen Hygienevorgaben zwingend notwendig ist. Dann müsse der Chef fürs Duschen zahlen. Wenn das Duschen in der Firma lediglich dem eigenen Wohlbefinden des Arbeitnehmers dient, könne er keine Bezahlung dafür verlangen. Aber: Eine wegweisende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Frage gibt es noch nicht.
Wenn der Arbeitgeber die Arbeitskleidung vorschreibt
Wie schon das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2012 (5 AZR 678/11) wertet das Landesarbeitsgericht das Umziehen als Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber eine bestimmte Arbeitskleidung vorschreibt, die die Angestellten privat nicht tragen dürfen und im Betrieb an- und ausziehen müssen. Stellt der Arbeitgeber Umkleideräume bereit, sind auch die Wege von und zur Umkleide vergütungspflichtige Zeiten. Das gilt auch für vorgeschriebene Schutzkleidung. Anderslautende Regelungen in Tarifverträgen sind unwirksam (Landesarbeitsgericht Hamburg, Az. 8 Sa 53/14).
Tipp: Sie wollen wissen, was während der Arbeitszeit erlaubt ist und was nicht? Antworten finden Sie im Special Arbeitsrecht.
Anfahrtszeit von Außendienstlern ist Arbeitszeit
Bei Fahrten, die ein Arbeitnehmer ohne festen Arbeitsort zwischen seinem Wohnort und dem ersten und dem letzten Einsatzort des Tages zurücklegt, handelt es sich um Arbeitszeit. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden (Az. C-266/14). Geklagt hatte eine spanische Gewerkschaft gegen zwei spanische Sicherheitsfirmen. Die Mitarbeiter betreuen Kunden in ganz Spanien. Die Arbeitgeber meinten, die Fahrten vom Wohnort zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück seien Ruhezeit. Der Europäische Gerichtshof sieht das anders. Die Fahrt zum Kunden sei „untrennbar“ mit der Arbeit verbunden und notwendig, um dort Dienstleistungen erbringen zu können. Die Kundendienstmitarbeiter stünden dem Arbeitgeber auch während der erforderlichen Fahrzeiten zur Verfügung. Sie müssten sich an seine Tourenplanung halten und hätten somit nicht die Möglichkeit, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihren eigenen Interessen nachzugehen.
Tipp: Regeln Sie bereits im Arbeitsvertrag, was zur Arbeitszeit gehört. Treffen Sie klare Absprachen mit Ihrem Vertragspartner, um späteren Ärger zu vermeiden. Was im Arbeitsvertrag steht, kann im Streitfall entscheidend sein.
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* Diese Meldung ist erstmals am 10. Oktober 2015 auf test.de erschienen und wurde seitdem mehrfach aktualisiert, zuletzt am 9. August 2016.
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"Stellt der Arbeitgeber Umkleideräume bereit, sind auch die Wege von und zur Umkleide vergütungspflichtige Zeiten."
Sehr aufschlussreich und vernünftig. Nur leider sieht das so mancher Arbeitgeber völlig anders. Gut, dass man sich jetzt auf dieses Urteil berufen kann.