
Malheur mit Mopp. Wer bei der Arbeit Fehler macht, muss dafür geradestehen. Ruinöse Folgen drohen aber nicht.
Wer anderen einen Schaden zufügt, der haftet. Manchmal zumindest. Denn wenn der Fehler im Job passiert, stehen die Gerichte vielfach aufseiten der Beschäftigten.
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Das musste auch Sabine Sauber* erkennen, Putzfrau einer radiologischen Gemeinschaftspraxis. Weil der engagierten Reinigungskraft bei der Arbeit ein folgenschwerer Fehler unterlief, verklagten ihre Chefs sie auf Schadenersatz.
Die Frau hatte bei der Arbeit versehentlich den Magnetresonanztomografen (MRT) der Praxis beschädigt. Diese sündhaft teure und komplexe Maschine ist das wichtigste Arbeitsgerät für Röntgenärzte. Mit ihm erstellen Mediziner Schnittbilder der Patienten und können jede Körperschicht einzeln betrachten. Ohne den Apparat ist die radiologische Praxis hingegen ziemlich lahmgelegt. Das wird sehr schnell sehr teuer – und zum Problem für den, der den Schaden zu verantworten hat.
Doch können Arbeitgeber ihre Mitarbeiter ohne weiteres in die Haftung nehmen? Die Antwort lautet: „Jein“ – auch im Fall von Sabine Sauber. Schließlich hat die Frau es nur gut gemeint. Als das MRT wegen einer Störung zu piepen begann, schaltete sie es ab, um größeren Schaden zu verhindern. Leider erwischte sie den falschen Schalter. Statt auf einen der vier blauen drückte sie auf den einzigen roten Knopf, der mit „Magnet stop“ beschriftet ist. Die Folgen waren verheerend.
Sie klagten durch alle Instanzen
Wie vom Hersteller vorgesehen stoppte der Apparat die Helium-Kühlung für den zentralen Hochleistungsmagneten und ließ das Edelgas ab. Das Magnetfeld brach zusammen, alles stand still. Fast eine Woche lang brauchten Techniker, um die Maschine wieder in Gang zu bringen. Patienten, die in dieser Zeit einen Termin hatten, mussten unverrichteter Dinge nachhause geschickt werden. Der Gesamtschaden belief sich auf 46 775,81 Euro. Diese Summe wollten die Ärzte ersetzt haben. Sie klagten durch alle Instanzen. Und errangen einen Teilerfolg. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen entschied: Wahllos einen Knopf an einer komplizierten Maschine zu drücken, sei „besonders grob fahrlässig“ von Sabine Sauber gewesen. Sie müsse ihrem Arbeitgeber Schadenersatz leisten.
Die geforderte Summe von beinahe 50 000 Euro sei aber viel zu hoch für die Putzfrau, die nur 320 Euro pro Monat verdiene. Die Richter legten daher fest: Sauber muss ein Bruttojahresgehalt an ihre Chefs überweisen. Mehr gehe zu weit. Schließlich hatte die Frau einen Schaden verhindern und keinen anrichten wollen (Az. 10 Sa 1402/08). Das Bundesarbeitsgericht bestätigte das Urteil (BAG, Az. 8 AZR 418/09) und schuf damit ein Stück Rechtssicherheit. Der Gesetzgeber nämlich hat das Thema Arbeitnehmerhaftung bislang eher stiefmütterlich behandelt.
Viel Haftung, wenig Gehalt
Ein Gesetz speziell zur Arbeitnehmerhaftung fehlt in Deutschland. Das gewöhnliche Haftungsrecht aber passt auch nicht richtig. Danach nämlich müssten Arbeitnehmer schon bei leichter Fahrlässigkeit für jeden Schaden geradestehen. Das geht der Rechtsprechung zu weit.
Die Gerichte haben eine Rangliste entwickelt, nach der Beschäftigte für Schäden in abgestufter Weise haften. Bei leichter Fahrlässigkeit (umgekippter Kaffee legt Computer lahm) zahlen Angestellte gar nichts. Bei schwereren Sorgfaltspflichtverletzungen ist ein Teil des Schadens auszugleichen. Und wer gar leichtfertig oder vorsätzlich handelt, haftet voll Tabelle: So haften Arbeitnehmer. Um Arbeitnehmer nicht zu überfordern, bleibt die zu zahlende Summe überdies meist auf drei Bruttomonatsgehälter begrenzt. Mehr müssen Angestellte nur bei besonders schwerwiegenden Verfehlungen zahlen – wie etwa im Fall von Sabine Sauber. Oder wenn Alkohol im Spiel ist.
So entschied das BAG im Falle eines angetrunkenen Lastwagenfahrers: Wer mit knapp einem Promille einen schweren Verkehrsunfall mit dem Fahrzeug des Arbeitgebers baut, profitiert nicht ohne weiteres von der üblichen Haftungsbeschränkung auf drei Bruttomonatsgehälter, sondern kann auch mit einem höheren Betrag zur Kasse gebeten werden (Az. 8 AZR 705/11).
Wer in nüchternem Zustand einen Dienstwagen zuschanden fährt, darf hingegen auf die Milde der Arbeitsrichter hoffen. Selbst die Missachtung einer roten Ampel halten sie nicht immer für grob fahrlässig (Hessisches LAG, Az. 6 Ca 41/07).
Ein Kostenrisiko bleibt
Den Ruin müssen Arbeitnehmer also nicht befürchten, wenn sie ihren Arbeitgeber nicht gerade vorsätzlich geschädigt haben. Dennoch sollten sie, zumindest bei hohen Schadenersatzforderungen des Chefs, den Rechtsschutz ihrer Gewerkschaft oder einen Arbeitsrechtsanwalt einschalten, empfiehlt Nathalie Oberthür, Vorstandsmitglied in der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein. Die Erstberatung koste höchstens 226 Euro. Rechtsanwälte rechnen das Honorar an, wenn sie später tätig werden sollen.
Ein gewisses Kostenrisiko aber bleibt für den Arbeitnehmer. Der Grund: Anders als sonst im Zivilrecht muss beim Arbeitsgericht nicht der Unterlegene den Rechtsbeistand des Siegers zahlen. Hier kommt zunächst jeder für das Honorar des eigenen Anwalts auf. Erst ab der zweiten Instanz gelten die allgemeinen Regeln.
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@4libaba: Beamtinnen und Beamte haften für Schäden, die sie im Dienst grob fahrlässig oder vorsätzliche verursachen, zwar nur indirekt, aber ohne Begrenzung. Hier die entscheidende gesetzliche Regelung für Bundesbeamte:
www.gesetze-im-internet.de/beamtstg/__48.htm
Gilt die Haftungsbeschränkung auf in der Regel maximal 3 Brutto Monatsgehälter auch für durch Beamte oder Angestellte im öffentlich Dienst angerichtete Schäden oder müssten diese im Fall von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz immer für die volle Schadenssumme aufkommen?
Durch die Einschränkung auf vorsätzlich oder grob fahrlässige Schäden sind sie ja "normalen" Arbeitnehmern gegenüber eigentlich besser aufgestellt. Trotzdem bieten viele Versicherungen spezielle Diensthaftpflichtversicherungen an und vermitteln den Eindruck als Beamter oder Angestellter im öffentlichen Dienst sei man besonders stark durch eine Diensthaftung bedroht. Im Prinzip besteht aber doch kein Unterschied zur normalen Arbeitnehmerhaftung, richtig?
Bitte haben Sie Verständnis: Rechtsberatung im Einzelfall ist von Gesetzes wegen Rechtsanwälten und Gewerkschaften vorbehalten. Die Stiftung Warentest informiert über die Rechtslage allgemein. Danach gilt für Beamtinnen und Beamte: Soweit sie vorsätzlich oder grob fahrlässig ihre Dienstpflichten verletzen, haben sie dem Dienstherrn daraus entstehende Schäden zu ersetzen (https://www.gesetze-im-internet.de/beamtstg/__48.html). Bürgern gegenüber haften Beamte nicht, es tritt stets der Staat ein (https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_34.html). Wenn ein Beamter Dritte schädigt und der Staat Ersatz leistet, kann er bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz Regress fordern. Für Angestellte im Öffentlichen Dienst gilt aufgrund einer Regelung im Tarifvertrag TVÖD das gleiche. Eine Privathaftpflichtversicherung deckt Regressforderungen des Dienstherrn wegen Dienstpflichtverletzungen nicht ab. Dafür gibt es besondere Versicherungsangebote. Ob wegen des Risikos, dass einem Beamten oder Angestellten im öffentlichen Dienst eine grob fahrlässige Pflichtverletzung unterläuft, eine Versicherung nötig ist, lässt sich kaum vernünftig beantworten. Eigentlich ist grobe Fahrlässigkeit selten. Andererseits ist der Maßstab je nach Tätigkeitsgebiet unterschiedlich und wäre zu prüfen, wie häufig die Verwaltungsgerichte eine grob fahrlässige Verletzung von Pflichten zum Beispiel eines Vollstreckungsbeamten annehmen. Dazu habe in der Urteilsdatenbank juris nichts gefunden. Aktuelle Beispiele zur Regresshaftung von Beamten allgemein: Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt sah keine grobe Fahrlässigkeit einer Beamtin, die einen verschwundenen Umschlag mit Geld nicht in ihrem Schreibtisch noch mal extra eingeschlossen hatte (Az. 1 L 98/20). Ein für die Wartung von Motorrädern zuständiger Polizeibeamter muss für Schäden an zwei Motorrädern aufkommen, der er zum Warmlaufen gestartet & dann wegen eines Anrufs vergessen hat, wieder abzustellen, so dass sie überhitzten (Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Az. 2 A 91/16).
Hallo,
ich bin seit ca. drei Jahren in einer Gemeinde als stellv. Kassenleiter und Vollstreckungsbeamter tätig.
Inwieweit hafte ich für durch mich verursachte Schäden (z. B. Gelder und Sachen)?
Ist der Arbeitgeber nicht grundsätzlich (außer natürlich bei Vorsatz) für die Schaden haftbar zu machen? Ich habe eine PHV. Reicht diese nicht aus?
Kann der Arbeitgeber mich in Regress nehmen?