Apple ist spät dran mit seiner ersten Smartwatch. Konkurrenten wie Samsung oder Sony haben den Minicomputer fürs Handgelenk längst in mehreren Versionen unters Volk gebracht – allerdings mit mäßigem Erfolg. Ihre Geräte wirken unausgereift und klobig. Die Apple Watch soll nun neue Standards setzen und die breite Masse begeistern. Aber tickt sie richtig? test.de hat die Apple Watch unter die Lupe genommen. Der Schnelltest zeigt, was gut funktioniert – und was nervt.
Unglaubliche 18 000 Euro kostet das teuerste Modell
Zeit ist Geld. Apple übertreibt das bekannte Sprichwort. Zwischen 400 und 18 000 Euro kosten die Uhrenmodelle Apple Watch, Apple Watch Sport und Apple Watch Edition – je nach Größe, Gehäuse- und Armbandmaterial. Für die unfassbare Höchstsumme gibt es ein Gehäuse aus 18-karätigem Gold und ein Lederarmband. Unglaublich aber wahr: Käufer zahlen den Zuschlag nur für die schöne Hülle – die Technik darunter ist laut Apple bei allen Modellen dieselbe.
Übrigens: Ende 2013 hat die Stiftung Warentest schon einmal Smartwatches getestet. Alle Modelle waren deutlich günstiger als die Apple Watch, allerdings auch noch technisch unausgereifter, Fünf Smartwatches im Vergleich.
Verschiedene Typen und Größen im Test
Das teure Premium-Modell blieb beim Schnelltest außen vor. Die Tester prüften die Apple Watch und die Apple Watch Sport, jeweils mit einem kleinen 38-Millimeter-Display und einem größeren 42-Millimeter-Display. Apple punktet als erster Anbieter mit kleineren Uhren, die auch bei Frauen Interesse wecken sollen. Smartwatches anderer Anbieter sind sehr wuchtig und wenig kleidsam.
Top oder Flop? Das Video zum Test
Dieses Apple-Gerät funktioniert nicht intuitiv
Das Benutzen der Uhren dürfte für Apple-Fans gewöhnungsbedürftig sein. Sie schätzen die intuitive und simple Handhabung der Apple-Geräte, doch daraus wird bei der Apple Watch nichts. Bedienen müssen Nutzer die Uhr mit einer drehbaren Krone, einer Taste und einem Touchscreen. Es ist sogar entscheidend, wie stark sie den Monitor berühren. „Force Touch“ nennt sich der starke Druck auf das Display – eine neue Technologie, die auch in andere Apple-Geräte eingebaut werden soll. Wer Force Touch nicht kennt, scheitert gleich zu Beginn bei der Individualisierung seines Ziffernblattes. Dabei können Nutzer aus mehreren hübschen und zum Teil animierten Ansichten wählen: Vom flatternden Schmetterling über Mickymaus bis hin zum klassischen Ziffernblatt wird einiges geboten.
Nach Sekunden wieder im Standby
Angeben lässt es sich mit den schönen Ziffernblättern jedoch nicht. Denn zum Leben erwacht die Apple Watch erst, wenn ihr Träger das Handgelenk dreht, um selbst auf die Uhr zu schauen. Sonst präsentiert sich der Minicomputer mit pechschwarzem Display. Schick fanden die Tester das nicht. Und auch nicht praktisch. Die Uhrzeit wird mit kurzer Verzögerung angezeigt – das nervt. Apple will so den Akku schonen. Aus demselben Grund ist die Uhrzeit nur sechs Sekunden lang zu sehen, bevor das Display in Standby geht. Energie sparen ist ja prinzipiell eine feine Sache, hier geht es aber auf Kosten des Komforts und ist für den Nutzer richtig lästig.
Energie reicht gerade einmal für einen Tag
Noch ein Gerät, das täglich geladen werden muss: Der Akku der kleineren Apple Watch hielt im Schnelltest nur 18 Stunden durch, der der größeren rund 19 Stunden – die beiden Apple Watch Sport laufen jeweils eine Stunde weniger. Die Displaygröße spielt also keine Rolle beim Energieverbrauch. Etwa zwei Stunden dauerte es, bis der Akku wieder voll aufgeladen war. Hat es der Uhrbesitzer eilig, reicht auch eine 15-minütige Ladezeit – danach lässt sich die Apple Watch weitere zwei Stunden nutzen.
Ohne iPhone ist die Uhr aufgeschmissen
Allein kann die Apple Watch wie die meisten Smartwatches allerdings fast nichts. Ihr fehlt neben GPS vor allem die eigene Mobilfunkanbindung. Deshalb ist sie via Bluetooth an ein iPhone 5 oder iPhone 6 gekoppelt. Mit anderen Smartphones funktioniert die Uhr nicht. Die Apple Watch ist gleichsam ein externes Mini-Display für Apples iPhone. Mithilfe des Telefons zeigt die Apple Watch Mails und Kurznachrichten an, ermöglicht Anrufe, erinnert an Termine, navigiert, zählt Schritte und misst über Sensoren an der Unterseite der Uhr den Puls. Aktienkurse und das Wetter lassen sich abrufen, eine Stoppuhr ist auch an Bord. All das und noch ein paar Kleinigkeiten mehr erledigen Apps. Der kleine Bildschirm stellt die Applikationen winzig dar, trotzdem trifft der Finger beim Antippen meist die gewünschte App.

Die Apple Watch hat viele Gesichter: Sie zeigt die Uhrzeit an, ermöglicht Anrufe, übermittelt Kurznachrichten, bietet Fitnessfunktionen und noch einiges mehr.
Die Apple Watch hat viele Gesichter: Sie zeigt die Uhrzeit an, ermöglicht Anrufe, übermittelt Kurznachrichten, bietet Fitnessfunktionen und noch einiges mehr. Ohne Anbindung an ein iPhone kann die Smartwatch aber fast nichts. Sie ist quasi ein Handlanger des Mobiltelefons, der sich anziehen lässt.
Keine lupenreine Sprachqualität bei Anrufen
Telefonieren mit der Uhr ist gewöhnungsbedürftig. Der Nutzer redet auf die Smartwatch ein oder hält sie sich ans Ohr. Die Sprachqualität fanden die Tester akzeptabel aber nicht überzeugend. Es rauscht auf beiden Seiten, das Gesprochene hört sich teilweise dumpf an, ab und zu erklingen Echos. Anrufe gingen im Schnelltest zuverlässig ein, genau wie Mails und Kurznachrichten. Ein Vibrationsalarm kündigt sie an. Beantworten lassen sich Mails auf der Uhr jedoch nicht, Kurznachrichten nur mit vorgefertigten Texten, mit Spaßbildern oder Spracheingabe – es gibt keine virtuelle Tastatur. Nachrichten von Facebook und WhatsApp lassen sich lediglich anzeigen.
Guter Displaykontrast kann sich sehen lassen
Freude bereitet das hochauflösende Display, wenngleich bei der Qualität noch Luft nach oben ist. Das OLED-Display bietet einen guten Kontrast. Auch mit einem Blick von der Seite, lässt sich auf dem Monitor alles gut ablesen. Automatisch passt die Uhr ihre Helligkeit ans Umgebungslicht an.
Viele Fitness-Messwerte ohne iPhone ungenau
Für Leistungssportler sind die beiden vorinstallierten Fitness-Apps „Aktivität“ und „Workout“ eher Spielzeug. Bewegungsziele lassen sich setzen, Schritte zählen und zurückgelegte Wegstrecken messen. Die meisten Daten waren im Test nur verlässlich, wenn die Uhr mit dem iPhone und dessen GPS verbunden war. Ohne Smartphone liegt die Abweichung beim Joggen und Wandern bei rund zehn Prozent – allein hat die Uhr meist mehr Wegstrecke berechnet als tatsächlich zurückgelegt wurde. Fürs Radfahren sind die Messungen ohne GPS unbrauchbar, die Werte liegen nicht ansatzweise in der Nähe der realen Distanzen.
Schritte zählt die Uhr am zuverlässigsten allein
Eins, zwei drei… – um den Schrittzähler zu überprüfen, zählten die Tester ganz klassisch selbst die Schritte. Hier war die Apple Watch ohne Anbindung ans iPhone deutlich präziser. Dann registriert der Beschleunigungssensor der Uhr tatsächlich jeden Schritt und das auch relativ genau. Mit iPhone war die Uhr bis zu rund sechs Prozent ungenauer. Grund könnte sein, dass die Uhr mit iPhone-Anbindung die Schritte nicht zählt, sondern nur die per GPS ermittelte Wegstrecke in Schritte umrechnet.
Puls wird fast EKG-genau gemessen
Mehr Verlass ist auf den Pulsmesser, der die Herzfrequenz unter idealen Prüfbedingungen fast EKG-genau aufzeichnete. Verrutscht die Uhr jedoch, weil das Armband nicht fest genug sitzt oder sich vor lauter Anstrengung Schweiß bildet, kommt es zu Ungenauigkeiten. Ein weiterer Haken: Es wird nur der durchschnittliche Puls während eines Trainings gespeichert, Einzeldaten liefert die Uhr lediglich live. Auf den Verlauf der Herzfrequenz müssen Nutzer also verzichten. Mit externen Apps funktioniert der Pulsmesser zurzeit nicht, er gibt seine Daten ausschließlich an Apple-Fitness-Apps weiter.
Blind navigieren klappt mit der Apple Watch nicht
Die Apple Watch navigiert ihren Nutzer auch. Apple hat sich dafür etwas einfallen lassen: Links- und Rechtsabbiegen signalisiert die Uhr durch unterschiedlich viele Vibrationssignale sowie hohe oder tiefe Töne. Leider klappt das „Blindnavigieren“ trotzdem eher mäßig, weil die Signale zu früh kommen, an der Ausfahrt selbst tut sich dann nichts mehr. Irritiert mussten die Tester doch immer wieder auf die Uhr schauen.
Wasser und Kratzer sind kein Problem
Alle geprüften Apple Watches bestanden den Beregnungstest, sind also wasserfest. Allerdings empfiehlt sie Apple nicht zum Schwimmen oder gar Tauchen. Die Uhrendisplays sind kratzfester als die Displays von Smartphones. Mit einem speziellen Diamantstift rückten die Tester den Uhren zu Leibe, danach hatte das Displayglas der Apple Watch aus Edelstahl weniger Kratzer als das der Apple Watch Sport. Dafür fallen Kratzer auf der Aluminium-Oberfläche des Sport-Modells weniger auf.
Beim Autofahren bisher nicht verboten
Im Auto ist die Uhr praktisch, aber darf sie dort während der Fahrt genutzt werden? Der einschlägige Paragraf der Straßenverkehrsordnung (§ 23) würde es erlauben. Dort steht: Autofahrer dürfen „ein Mobil- oder Autotelefon“ nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons „aufgenommen oder gehalten“ werden muss. Selbst wenn die Apple Watch juristisch ein Telefon wäre – sie wird beim Benutzen in der Regel nicht „gehalten“. Sie hängt ja am Handgelenk. Aber: Ist der Fahrer durch die Uhr abgelenkt und es kommt zu einem Unfall mit Verletzten, macht er sich womöglich einer fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung schuldig.
Fazit: Viel Geld für wenig Mehrwert
Die Apple Watch ist ein nettes Spielzeug für Technikfans, die Nachrichten sofort am Mann oder an der Frau haben wollen. Für die breite Masse kann die Uhr zu wenig und ist zu teuer. Die Apple Watch funktioniert, ist aber ohne iPhone fast unbrauchbar und bietet kaum Mehrwert.