Beratung
Beraten Apotheker aktiv, von sich aus? Sind Auskünfte zu Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln, Gesundheitsprodukten zuverlässig?
Wechselwirkungen von Medikamenten zu erkennen und zu benennen, ist Pflicht für das Fachpersonal in Apotheken. „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“, ist ein geflügeltes Wort. Wer dem folgt, erhält meist freundlich gegebene, aber nicht immer zuverlässige Informationen. Apotheker und ihr Personal müssen nicht alles wissen, aber offenbar nutzen nicht alle Mitarbeiter hinreichend die vorhandenen Computerprogramme zur Arzneimittelinformation. Folge sind viele vermeidbare Fehler bei der Beratung – obwohl oft schon ein Mausklick für fachlichen Durchblick sorgen würde. Mängel gab es bei allen Beratungsfällen und beim Erstellen einer Rezeptur.
Wechselwirkung von Migränemittel und Antidepressivum
Die Testkundin erzählte, dass sie rezeptpflichtige Fluoxetin-Tabletten (zur antidepressiven Behandlung) nimmt und fragte nach rezeptfreien Formigran-Tabletten gegen Migräne. Die Testkundin fragte gezielt nach der gemeinsamen Einnahme.
Erwartete Beratung: Bei steter Einnahme eines Serotonin-Wiederaufnahmehemmers wie Fluoxetin darf ein Triptan wie in Formigran-Tabletten nur mit Entscheidung und unter Kontrolle des Arztes gleichzeitig eingenommen werden. Keine Selbstmedikation. Es besteht das Risiko des Serotonin-Syndroms mit Symptomen wie Unruhe, Zittern, Bewusstseinsstörungen.
Alternative: ASS oder Paracetamol 1000 mg als Einzeldosis.
Testergebnis: In vier Vor-Ort-Apotheken und bei sieben Versandapotheken wurde die Wechselwirkung nicht erkannt.
Wechselwirkung Herz- und Nahrungsergänzungsmittel
Der Kunde berichtete, dass er die rezeptpflichtigen Mittel Inspra, BisoHexal, Atacand Protect gegen Herzschwäche nimmt. Er fragte nach dem Nahrungsergänzungsmittel Frubiase Sport Brausetabletten, die unter anderem Kaliumsalze enthalten, und erkundigte sich nach Wechselwirkungen.
Erwartete Beratung: Die Mittel dürfen wegen der Gefahr erhöhter Kaliumkonzentrationen im Blut nicht gleichzeitig eingenommen werden. Es besteht das Risiko von Herzrhythmusstörungen.
Alternative: Präparat ohne Kalium.
Testergebnis: In zwölf Vor-Ort-Apotheken wurde die Wechselwirkung erkannt, aber nur in drei Versandapotheken: bei DocMorris, Pharma24 und Vitalsana.
Johanniskrautpräparat und Säureblocker
Die Testkundin wünschte das rezeptfreie Johanniskrautpräparat Laif 600 gegen leichte depressive Verstimmungen und den ebenfalls rezeptfreien Säureblocker Omep akut mit dem Wirkstoff Omeprazol gegen Sodbrennen. Sie stellte keine direkte Frage nach der Wechselwirkung. Darauf sollte das Personal kommen.
Erwartete Beratung: Die Apotheker sollten Omep akut nicht abgeben. Johanniskraut kann seine Wirkung abschwächen.
Alternative: Antazida (wie Talcid, Maalox).
Testergebnis: Nur in vier Apotheken wurde das Wechselwirkungsrisiko erkannt. Bei Versandapotheken haben wir die beiden Präparate zusammen bestellt. Nach früheren Tests war uns versichert worden, dass Bestellungen vom Computer auf Auffälligkeiten und mögliche Wechselwirkungen gecheckt würden. Vollständig beschrieben hat die Wechselwirkung jedoch nur der Versender shop-apotheke.
Versender berieten zu Wechselwirkungen schlechter
Versandapotheken schnitten bei den Testfällen zur Wechselwirkung von Medikamenten noch schlechter ab als Apotheken vor Ort. Keine löste alle drei Testfälle. Vier Versender versagten gleich bei allen drei Fällen: apotal, Sanicare, zur Rose, Euroapo24, bei den Vor-Ort-Apotheken zwei: die Richard-Wagner- und die Westend-Apotheke, beide in Essen. 11 der 27 Vor-Ort-Apotheken lösten zwei Testfälle komplett nicht. Und nur in drei Apotheken nannten die Mitarbeiter alle drei Wechselwirkungsmöglichkeiten: in der Apotheke am Westbahnhof (meine apotheke) in Essen, Apotheke Sebalder Höfe (Linda) in Nürnberg und in der DocMorris-Apotheke Zions in Berlin.
Beratung zur Erkrankung eines Kleinkindes
Die Kundin brauchte rasch wirkende Mittel für eine fiebernde Dreijährige, stellte Fragen zu Fiebersenkern und Nasentropfen.
Erwartete Beratung: Die Apothekenmitarbeiter sollten Fragen stellen zum Alter und Gewicht des Kindes, zum Gesundheitszustand und Fieber, bei Versandapotheken zu daheim verfügbaren Arzneimitteln, die die Testkundin nutzen wollte. Gegeben werden sollten differenzierte Medikamenten- und Einnahmeempfehlungen (rasch wirkende Fiebersenker, Nasentropfen), weitere Genesungshinweise und der Rat, zum Kinderarzt zu gehen, falls sich der Zustand nicht ändert.
Testergebnisse: In allen Apotheken wurden geeignete Fiebersenker und Nasentropfen angeboten oder meist richtige Aussagen zu den zuhause vorhandenen Mitteln gemacht, zum Teil aber falsche Hinweise zur Dosierung gegeben. Insgesamt wurde der Krankheitszustand zu wenig hinterfragt. In 11 Vor-Ort-Apotheken und 13 Versandapotheken interessierte das Fachpersonal nicht einmal die Höhe des Fiebers.
Herstellung einer Mixtur gegen Juckreiz bei abklingender Gürtelrose
Der Testkunde reichte bis zirka 10 Uhr ein Rezept für die Herstellung einer Polidocanol-600-Zinkoxidschüttelmixtur 5 % ein, entsprechend dem Apothekenstandardwerk „Neues Rezeptur-Formularium“.
Erwartung: Die Mixtur sollte fachgerecht hergestellt und verpackt werden.
Testergebnisse: In der easyApotheke in Berlin wurde es abgelehnt, die Mixtur herzustellen – notwendige Bestandteile wären nicht vorrätig. Acht Versender lehnten mit unterschiedlichen Begründungen ab. Aber auch Versandapotheken, hinter denen stets eine Vor-Ort-Apotheke stehen muss, sind verpflichtet, Rezepturen anzufertigen. Alle anderen hatten mit der Rezeptur selbst fast keine Schwierigkeiten. Aber in mehreren Vor-Ort- und Versandapotheken wurde die Mixtur undicht (siehe Foto), in nicht geeigneten Gefäßen verpackt, nicht ausreichend und richtig gekennzeichnet.Häufiger wurden weitere Informationen zur Anwendung und Aufbewahrung auch bei der Abgabe der Rezeptur in den Vor-Ort-Apotheken nicht gegeben.
Ernährungsberatung für einen älteren Kunden
Der Kunde fragte, ob Aktivanad Saft zur Nahrungsergänzung in seinem Alter (ca. 65 Jahre) sinnvoll ist. Er hat Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, nimmt Arzneien, glaubt, sich nicht stets richtig zu ernähren.
Erwartete Beratung: Wenn eine ausgewogene Ernährung nicht möglich ist, etwa durch Gebissprobleme, sind vitamin- und mineralstoffhaltige Nahrungsergänzungsmittel, orientiert am Tagesbedarf, sinnvoll. Aktivanad Saft ist nicht geeignet: Die Vitaminmenge ist nicht angegeben, Mineral-, Spurenelemente sind nicht enthalten. Koffein ist bei Bluthochdruck ungünstig. Eine Dauereinnahme ist wegen des Alkoholgehalts (11 Volumenprozent) nicht zu empfehlen.
Testergebnisse: Dass Aktivanad für den älteren Kunden mit Vorerkrankungen nicht geeignet ist, wurde fast immer erkannt, seine Situation wurde aber zu wenig hinterfragt. Zur gesunden Ernährung gab es selten Rat. Es wurden aber meist richtige, am Tagesbedarf für Ältere orientierte Vitamin- und Mineralstoffpräparate empfohlen.
Beratung für eine Frau, Mitte 40, mit Inkontinenzproblem
Die Kundin leidet schon länger unter ungewolltem Harnverlust. Sie signalisierte, dass Hilfsmittel wie Binden nicht mehr ausreichten, wünschte eine Empfehlung.
Erwartete Beratung: Die Mitarbeiter sollten geeignete Produkte empfehlen, die Produkte erläutern, Probepackungen abgeben oder darauf hinweisen und die deutliche Empfehlung geben, die Ursachen beim Arzt abklären zu lassen. Der Umgang mit dem Thema sollte sensibel erfolgen, eine diskrete Beratungssituation ermöglicht werden.
Testergebnisse: Hier gab es eineFehlleistung der insgesamt mit „gut“ bewerteten easyApotheke im Langwasser-Center in Nürnberg, die das Präparat Granufink femina als einziges zur Behandlung auf Dauer empfahl. Das ist ohne Kenntnis der Ursache des ungewollten Harnverlusts eine absolut falsche und teure Empfehlung. 150 Kapseln zum Beispiel kosten laut Hersteller 38,20 Euro. Probepackungen boten Mitarbeiter nicht an, wiesen auch nicht auf einen Arzt hin, der eine schwerwiegende Blasenerkrankung ausschließen müsste. Auch in drei weiteren Apotheken wurde Granufink femina zuerst empfohlen und zweimal erst auf Nachfrage auf Einlagen eingegangen. Einmal wurden für ein Muster 50 Cent berechnet. Auch eine Slipeinlage wurde angeboten. Nur in 16 Vor-Ort-Apotheken gab es die deutliche Empfehlung, Ursachen der Beschwerden beim Arzt abklären zu lassen. Eine Beratung am Regal mit Inkontinenzprodukten, nah am Eingang, wurde als peinlich empfunden. Die Mitarbeiter von sieben Versendern versagten bei der Inkontinenzberatung völlig. Dabei ist die anonyme Beratungssituation am Telefon dafür optimal. Einmal gab es sogar den unwirschen Hinweis: „Inkontinenzprodukte können Sie doch in jeder Apotheke kaufen“. Die Kundin fragte nach: „Können Sie mir erklären, was das ist?“ Knappe Antwort: „Die nehmen einfach mehr auf“. Ende der Beratung. Dass es auch anders geht, zeigten übrigens die vorbildlichen Beratungen der Versandapotheken DocMorris und Sanicare.