
Rechtsanwälte haben beobachtet: Versicherer regulieren Schäden schlechter als früher. 70 Prozent von rund 1 200 Anwälten antworteten bei einer Umfrage des Deutschen Anwaltvereins (DAV): Das Regulierungsverhalten der Versicherer hat sich in den letzten fünf Jahren verschlechtert. test.de berichtet und gibt Tipps.
Abwicklung mit Mängeln
47 Prozent der Anwälte sahen sogar eine deutliche Verschlechterung bei der Abwicklung von Schadensfällen durch die Versicherer. Erstaunlich: Sogar Rechtsanwälte, die in erster Linie Versicherungs-Unternehmen vertreten, bestätigen den Trend. Von ihnen meinen 32 Prozent: Die Regulierung ist deutlich schlechter geworden. Weitere 22 Prozent halten die Regulierung heute für etwas schlechter als früher. Demgegenüber sahen nur 12 Prozent eine Verbesserung des Regulierungsverhaltens. Von den befragten Anwälten insgesamt antworteten so nur 5 Prozent.
Unberechtigte Kürzungen
Hauptkritikpunkt der Anwälte am Verhalten der Versicherer bei Schadensfällen: Die Bearbeitungszeit hat sich aus Sicht von 63 Prozent der Umfrageteilnehmer verlängert. Und 55 Prozent meinen, dass die Versicherer öfter Leistungen unberechtigt kürzen oder verweigern. Wichtigster Grund für die Schwierigkeiten aus Sicht der Anwälte: Bewusste Verzögerung oder Vereitelung von Ansprüchen (65 Prozent). Auf den Plätzen folgen: Geringhaltung der Schadensaufwendungen (62 Prozent) und Personalmangel (56 Prozent).
Übrigens: Aktuell hat Finanztest 235 Privathaftpflichtversicherungen getestet – fast die Hälfte davon schnitt sehr gut ab. Der Test zeigt: Wer eine Police hat, die älter als 5 Jahre ist, fährt mit den neuen Angeboten sehr wahrscheinlich besser und günstiger.
Ärger um Berufsunfähigkeitsversicherung
Besonders viel Ärger gibts um Berufsunfähigkeitsversicherungen. 77 Prozent der befragten Rechtsanwälte mit dem Schwerpunkt Versicherungsrecht bearbeiteten einschlägige Mandate. Hintergrund aus Sicht von Arno Schubach, Mitglied im Vorstand der DAV-Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht: Es geht stets um alles oder nichts. Der Berufsunfähigkeitsversicherer zahlt die versicherte Rente ganz oder gar nicht. Betroffene müssen lange und komplizierte Fragebögen beantworten und sich aufwendigen Untersuchungen unterziehen. Die Rechtslage ist kompliziert. Die Summen, um die es geht, hoch. Entsprechend oft gibts Streit.
Rechtsanwälte mit Eigeninteresse
Klar: Rechtsanwälte haben im Streit mit Versicherern eigene Interessen. Je skeptischer Geschädigte sind, desto besser sind sie im Geschäft. Oft allerdings lohnt es sich tatsächlich, die Entscheidung des Versicherers prüfen zu lassen – egal um welche Sparte es geht. Pluspunkt für Opfer von Verkehrsunfällen: Sie dürfen sich stets auf Kosten des für die Regulierung verantwortlichen Haftpflichtversicherers von einem Rechtsanwalt beraten lassen. Doch auch sonst müssen Versicherer oft den Anwalt ihrer Kunden ganz oder teilweise bezahlen. Sie sind immer dann in der Pflicht, wenn sie zu Unrecht Leistungen verweigert oder verzögert haben.
Tipps für Geschädigte
- Skepsis. Seien Sie skeptisch, auch wenn Mitarbeiter des Versicherers Sie sehr zuvorkommend behandeln und Ihnen rasch Zahlungen anbieten. Das kann auch eine Taktik sein, um berechtigte weitere Ansprüche zu umgehen. Unterschreiben Sie nicht vorschnell Vereinbarungen, die ihnen zwar schnell eine Zahlung bringen, aber Forderungen für die Zukunft einschränken oder ausschließen.
- Schadensmeldung. Der Haftpflichtversicherer Ihres Unfallgegners ist rechtlich gesehen auch Ihr Gegner. Er ist verpflichtet, seinen Vertragspartner, den Unfallverursacher also, gegen unberechtigte Ansprüche zu verteidigen. Sie müssen Ihre Ansprüche korrekt anmelden und im Zweifel auch belegen, um Ihren Anspruch auf Entschädigung durchzusetzen.
- Rechtsschutz. Kosten eines Rechtsstreits mit Versicherern deckt die Rechtsschutzversicherung – selbst wenn der Streitgegner eine Versicherung des gleichen Unternehmens oder Konzerns ist. Zumindest die Schadensabteilung des Rechtsschutzversicherers muss rechtlich selbstständig und unabhängig sein, damit möglichst keine Interessenskonflikte auftreten. Klar: Nicht selten verweigern Rechtsschutzversicherer selbst die Leistung zu Unrecht. Fragen Sie im Zweifel einen Anwalt. Der kümmert sich in der Regel auch um die Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers.
Übrigens: Finanztest hat große Rechtsschutz-Pakete für die Lebensbereiche Privat, Beruf und Verkehr getestet. Zum aktuellen Test von 66 Rechtsschutzversicherungs-Angeboten. - Anwaltssuche. Auch bei Anwälten gibt es gewaltige Unterschiede. Wer gut ist und wer nicht, lässt sich kaum zuverlässig einschätzen. Suchen Sie einen Anwalt, der möglichst viele vergleichbare Fälle erfolgreich bearbeitet hat. Recherchieren Sie im Internet und fragen Sie gezielt nach. Bei Streit mit Versicherern sind Fachanwälte für Versicherungsrecht erste Wahl. Geht es um die Regulierung von Verkehrsunfällen, sollten Sie in erster Linie nach einem Fachanwalt für Verkehrsrecht schauen.