Interview mit Dermatologin Annika Vogt: „Bleiben Sie geduldig“

Dr. Annika Vogt ist Privatdozentin, Oberärztin und Forschungsleiterin am Haarkompetenzzentrum der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Berliner Charité.
Kopfschuppen sind unangenehm und ein verbreitetes Übel. Dermatologin Annika Vogt erläutert, wie sie entstehen, warum sie nicht ansteckend sind – und wie man sie in den Griff bekommt.
Warum entstehen Kopfschuppen?
Sie sind das Produkt einer gestörten Hautfunktion: Normalerweise bildet die Haut feine Schüppchen, die sie Lage für Lage und fast unsichtbar abstößt, um sich zu erneuern. Ist dieser Prozess gestört und verläuft zu schnell, produziert die Haut größere Schuppen, die verklumpen und so deutlich sichtbar werden können.
Aber warum passiert das gerade auf der Kopfhaut?
Grundsätzlich hat die Kopfhaut dieselbe Grundstruktur wie die Körperhaut. Auf dem Kopf wachsen die Haare aber meist dichter und die Haarwurzeln reichen sehr tief. Auch die Talgdrüsen sind hier recht aktiv und produzieren viel Fett. Hinzu kommt ein Zusammenspiel verschiedener individueller Faktoren.
Welche Faktoren sind das?
Die Haut ist immer mikrobiell besiedelt: mit Bakterien, Hefen, Pilzen. Das ist ganz normal und gesund. Wenn sich bestimmte Hefen zu stark vermehren und so ein Ungleichgewicht entsteht, kann das Probleme machen. In den großen Haaröffnungen auf dem Kopf haben sie viel Platz; die hohe Talgproduktion bietet ideale Voraussetzungen, um sich weiter auszubreiten. Stoffwechselprodukte der Hefen reizen die Haut. Es kommt zu Entzündungen. Die Folgen sind Schuppen, oft kommen auch noch Rötungen und Juckreiz hinzu.
Wer ist häufiger betroffen, Männer oder Frauen?
Etwa 50 Prozent der Bevölkerung leiden unter Schuppen, Männer etwas häufiger. Schuppen treten vermehrt in bestimmten Lebensphasen auf – etwa in der Pubertät und im jungen Erwachsenenalter. Dann produziert die Haut in der Regel deutlich mehr Talg. Hormone spielen zwar bei den körperlichen Veränderungen eine Rolle, sind aber keine Ursache für die Schuppenbildung. Bei über 60-Jährigen sind Schuppen seltener ein Problem.
Gibt es verschiedene Schuppenarten?
Grob unterscheiden lassen sich zwei Gruppen: fettige und trockene Schuppen. Bei beiden spielen die genannten Hefen eine wichtige Rolle. Fettige Haut bietet ihnen ideale Bedingungen, um sich zu stärken – denn Hefen lieben Fette. Bei trockener Haut ist die Hautbarriere geschwächt. Vor allem im Winter, wenn die Luft trocken und das Immunsystem nicht in Höchstform ist, ist sie wenig wehrfähig. Die Fettsäuren, die die Hefen beim Stoffwechsel erzeugen, reizen trockene Haut deshalb schnell. Anti-Schuppen-Wirkstoffe bekämpfen die Hefen und stellen auf der Kopfhaut wieder ein Gleichgewicht her.
Sind Schuppen ansteckend?
Nein, ob jemand unter Schuppen leidet oder nicht, ist abhängig von sehr individuellen Faktoren und dem Zusammentreffen verschiedener Umstände. Wenn in einer Familie mehrere Mitglieder unter Schuppen leiden, liegt das nicht daran, dass sie einander angesteckt haben. Vielmehr spricht es dafür, dass sie aufgrund bestimmter persönlicher, auch genetisch bedingter Voraussetzungen dafür prädestiniert sind. Kopfschuppen sind keine Krankheit, sondern Ausdruck einer gestörten Regulationsfunktion der Haut.
Was raten Sie Schuppengeplagten?
Es ist wichtig, geduldig zu bleiben. Anti-Schuppen-Shampoos müssen häufig über längere Phasen angewendet werden. Wer sie nach einer ersten Besserung wieder vollständig absetzt, kann schnell erneut vor einem Schuppenproblem stehen. Sind die Schuppen weniger geworden, reicht es aber oft, ein Anti-Schuppen-Shampoo zweimal pro Woche zu benutzen und zwischendrin ein mild reinigendes, herkömmliches Shampoo. Auf fettige Pomaden und Haaröle sollten Betroffene ganz verzichten und mit hartnäckigen Beschwerden zum Hautarzt gehen.