
Aktuelle Untersuchungen zeigen: Geflügel und Geflügelfleisch kann mit antibiotika-resistenten Keimen belastet sein. Die Keime könnten bei Menschen mit schwachem Immunsystem gefährliche Krankheiten auslösen. Noch schlimmer: Gegen diese Krankheiten wirken Antibiotika dann nicht mehr zuverlässig. test.de klärt über das Risiko für den Verbraucher auf. Dazu im Interview: Dr. Jochen Wettach, Projektleiter für Lebensmitteltests der Stiftung Warentest.
Strenge Maßstäbe für Menschen, nicht für Tiere
Jeder Patient hört von seinem Arzt, dass er sein Antibiotikum genau nach Verordnung einnehmen muss. Der Grund: Bei falscher oder zu niedriger Dosierung könnten sich resistente Keime bilden. In der Tiermast dagegen gelten diese allgemeingültigen Regeln offenbar nicht immer: Tiere erhalten Antibiotika nicht nur bei akuter Erkrankung, sondern auch zur Vorbeugung. Bei Geflügel zum Beispiel bekommt nicht nur das einzelne kranke Tier ein Antibiotikum ins Futter, sondern gleich der ganze Bestand. Das Gießkannenprinzip soll verhindern, dass sich eine Infektion ausbreitet. Problematisch daran: Durch die massenhafte Anwendung eines Antibiotikums erhöht sich das Risiko, dass Keime dagegen unempfindlich werden. Das passiert vor allem, wenn Antibiotika als Leistungsförderer in niedriger Dosis verabreicht werden.
Antibiotika als Leistungsförderer eigentlich verboten
Seit 2006 ist es offiziell verboten, Antibiotika als Leistungsförderer einzusetzen. Laut einer Studie des Verbraucherschutzministeriums Nordrhein-Westfalen vom November 2011 waren aber mehr als 96 Prozent der Masthähnchen aus gut 180 Betrieben mit Antibiotika behandelt. Das Ministerium warf den Geflügelzüchtern vor, Antibiotika zum Wachstums- und Gesundheitsdoping einzusetzen. Als erstes Bundesland will Nordrhein-Westfalen am Mittwoch eine Datenbank starten, die den Einsatz von Antibiotika in der Geflügelmast dokumentieren soll.
Schwache Noten beim Tierschutz
Die Massentierhaltung gilt als Ursache dafür, dass Antibiotika in großem Stil eingesetzt werden. Im Herbst 2010 hat die Stiftung Warentest 17 Anbieter von Hähnchenbrustfilets hinsichtlich ihrer sozialen und ökologischen Unternehmensverantwortung nach insgesamt 43 Kriterien untersucht Test Hähnchenbrustfilets Unternehmensverantwortung: Ware Huhn. Das Resultat: Konventionelle Anbieter reizen die Gesetze oft bis zum Limit aus, Massentierhaltung steht an der Tagesordnung. Die Tester untersuchten aber auch 19 frische Hähnchenbrustfilets auf Rückstände von Antibiotika und auf antibiotika-resistente Keime, wurden aber nicht fündig Test Hähnchenbrustfilets: Zwei Filets verdorben. Das kann daran liegen, dass die Tiere die Antibiotika bereits vor der Schlachtung abgebaut hatten und die Keime nicht das Muskelfleisch befallen haben. Keime sitzen nämlich vorrangig auf der Oberfläche vom Fleisch, also auf der Haut.
Politik will Arzneimittelgesetz ändern
Die Politik will jetzt stärker gegen den Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht vorgehen. Heute hat Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner einen Entwurf vorgelegt, um das Arzneimittelgesetz zu verschärfen. Das Ziel: Der Einsatz von Antibiotika in der landwirtschaftlichen Tierhaltung soll auf das absolut notwendige Maß eingeschränkt werden. Dazu plant die Ministerin eine Reihe von Maßnahmen: Die Kontroll- und Überwachungsbehörden der Bundesländer sollen mehr Befugnisse erhalten. Zudem sollen Tierärzte verpflichtet werden, alle Daten zur Abgabe und Anwendung von Antibiotika an die Behörden zu melden. Auch wichtig: Antibiotika, mit denen auch Menschen behandelt werden, sollen nur noch unter bestimmten Voraussetzungen in der Tiermedizin zum Einsatz kommen.
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@s.ufermann: Richtig, krankmachende Keime können an den unterschiedlichsten Stellen vorkommen. Die Frage, die uns hier beschäftigt, ist jedoch, ob wir es zulassen wollen, dass wirksame Therapien u.U. versagen können, weil sich unter den krankmachenden Bakterien Antibiotika-Resistenzen weiter ausbreiten. WENN die Küchenhygiene beachtet wird, und WENN das Fleisch durcherhitzt wird, besteht auch bei resistenten Keimen keine direkte Gefahr für die Verbraucher. Wenn jedoch nicht, dann gibt niemand eine Garantie (s. Interview). Die vorgeschriebenen Wartezeiten nach einem Antibiotika-Einsatz sind so, dass sich die Antibiotika im lebenden Tier abbauen (im toten Tier baut sich nichts mehr ab). Daher findet man in Fleisch nur relativ selten Rückstände von Antibiotika. Deutlich häufiger findet man sozusagen die Spur, die Antibiotika hinter sich herziehen können: nämlich die antibiotika-resistenten Keime, die gerade einem (unsachgemäßen!) Antibiotika-Einsatz ihren Überlebensvorteil verdanken.
Gefühlte Verletzungen des Tierschutzes hat Stiftung Warentest a.a.O. thematisiert. Es gibt wirksame Gesetze, deren Durchsetzung u.a. die Wähler ihren Parlamentsabgeordneten stellen müssen.
Zum Thema:
1. Entscheidend ist die Aussage von Stiftung Warentest, dass antibiotika-restistente Keime in sehr seltenen Fällen auf Hähnchenfleisch sein können, dto. auf Hähnchen mit Haut auch selten.
2. Grundsätzlich gilt, dass mit infektiösen Keimen auf unveredelten Lebensmitteln - auch pflanzlichen - zu rechnen ist, auch in Bio-Betrieben, die biologisch düngen. Da stinkts nach Sch..., weil auch Fäkalbakterien pupsen.
3. Die potentiell gesundheitsschädlichen Keime, auch antibiotisch resistente, werden durch Erhitzung abgetötet. Ein wichtiger Tipp fauch für siehe 2., die ihre Mund- und Darmflora verstehen wollen.
Bleibt die Frage, ob und wie Antibiotika in lebenden/toten Tierkörpern abgebaut werden. Reichen die gesetzlichen Wartezeiten? - Werden die Wirkstoffe durch Erhitzung unwirksam?
@dsimer: Hier scheint ein Missverständnis vorzuliegen. Die von uns getesteten abgepackten Hähnchenbrustfilets (test 10/2010) wurden ohne Haut verkauft. Folglich konnten wir die nicht vorhandene Haut auch nicht gesondert auf Keime untersuchen. Sicher hätten wir uns für den Test auch Teilstücke mit Haut oder ganze Hähnchen aussuchen können. Diese werden jedoch weitaus weniger gekauft. Dann hätte der Vorwurf lauten können, wir würden am Markt vorbei testen. Die mikrobiologische Qualität der Hähnchenbrustfilets haben wir natürlich trotzdem getestet - wie Sie in Ausgabe 10/2010 oder online (Suche nach "Hähnchen") nachlesen können.
Ich finde test ist oft verblüffend kreativ, Kriterien zu finden, um ein Produkt auf- oder abzuwerten.
Da bleibt ein fader Nachgeschmack, wieso die Keime auf der Haut nicht untersucht wurden. Gehört das nicht mit zur Unternehmensverantwortung?
Nach Aussage der Stiftung fördern gute Qualitätsurteile den Absatz und umgekehrt.
Wie konnte das passieren?
in Deutschland viel zu viel tierische Lebensmittel verzehrt werden. Insofern sind diese antibiotika-resistenten Keime im Fleisch gesundheitsfördernd: Sie werden hoffentlich Menschen mit zu hohem LDL/ HDL-Cholesterin-Quotienten dazu bewegen, mehr Sojaprodukte zu essen. Ein amerikanischer Arzt erläutert hier umfassend & wissenschaftlich gut belegt die Vorzüge von Pflanzenkost: http://www.youtube.com/user/NutritionFactsOrg