Anlegerklagen

Streit beilegen ohne Gericht – auch für Anleger

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Ob Falsch­beratung, unbe­rechtigte Bank­gebühren oder Fehler in der Betriebs­kosten­abrechnung: Außerge­richt­liches Schlichten ist oft schneller und güns­tiger als ein Prozess. In manchen Bundes­ländern ist das bei bestimmten Konfliktarten sogar Pflicht. Finanztest erläutert vier Wege, Ansprüche ohne Gericht durch­zusetzen.

Güte­verfahren

Ziel. Eine Güte­stelle vermittelt, entscheidet aber nicht. Ist sie staatlich anerkannt, hemmt ein Antrag für ein Güte­verfahren die Verjährung. Endet es mit einer schriftlichen Vereinbarung etwa zur Zahlung von Schaden­ersatz, gilt sie als voll­streck­barer Titel. Bekannt ist die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle Hamburg. Oft führen Rechts­anwälte Güte­stellen. Einige listet der Bundesverband der Gütestellen auf.

Ablauf. Jeder Streitende kann einen Antrag stellen, auch ohne Anwalt und in einem anderen Bundes­land. Das Verfahren ist nicht öffent­lich. Macht die Gegen­partei nicht mit, stellt die Güte­stelle das Scheitern des Verfahrens fest. Wurde die Verjährung gehemmt, kann in den folgenden sechs Monaten Klage einge­reicht werden.

Kosten. Sie liegen je nach Streit­wert oder Stundenzahl zwischen wenigen Hundert und mehreren Tausend Euro.

Anlegerfälle. Anleger und ihre Gegner wollen per Güte­antrag oft die Verjährung hemmen. Beispiele:Deutsche Telekom, ALAG, Dubai Direkt Fonds II.

Schlichtungs­stellen/Ombuds­leute

Ziel. Schlichtungs­stellen und Ombuds­leute vermitteln zwischen Unternehmen und Kunden. Der Staat baut eine zentrale Schlichtungs­stelle für Bereiche auf, die noch keine haben. Viele Stellen im Bereich Finanzen nennt der Bundesverband deutscher Banken unter dem Stich­wort „Beschwerde­stellen“ auf seiner Website.

Ablauf. Ombuds­leute oder Schlichter schlagen Lösungen vor. Ihre Entscheidungen sind zum Teil bis zu einer Ober­grenze für die Unternehmen bindend, für die Kunden nie. Das Verfahren hemmt die Verjährung.

Kosten. Das Verfahren ist für Kunden meist kostenlos.

Anlegerfälle. Vor allem Bank- und Versicherungs­kunden wenden sich häufig an Schlichtungs­stellen.

Schieds­gericht/Schieds­gut­achten

Ziel. Die Streithähne einigen sich auf einen Schieds­richter, meist ein Jurist oder Branchen­experte. Informationen bietet die Internetseite des Vereins Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS).

Ablauf. Ein Schieds­gut­achten klärt strittige Tatsachen und dient als Basis für einen Prozess. Im Unterschied dazu bindet der Schieds­spruch eines Schieds­richters die Konflikt­parteien.

Kosten. Oft in Höhe eines vierstel­ligen Betrags.

Anlegerfälle. Anleger rufen Schieds­gerichte selten an, am ehesten in großen Fällen mit interna­tionalem Bezug. Beispiel: Anleger, die Solar­parks in Spanien finanziert haben, wandten sich 2015 an das Schieds­gericht für Investitions­streitig­keiten der Welt­bank, weil Spanien die Einspeise­vergütung rück­wirkend kürzte.

Mediation

Ziel. Die Konflikt­parteien erarbeiten eine Lösung in einem nicht­öffent­lichen, freiwil­ligen Verfahren, mit oder ohne Rechts­anwalt. Auch Gerichte bieten Mediationen an. Es gibt mehrere große Verbände wie den Bundesverband Mediation und die Dach­organisation Deutsches Forum für Mediation e.V.

Ablauf. Ein Mediator, zum Beispiel ein speziell ausgebildeter Psycho­loge oder Rechts­anwalt, lenkt das Gespräch.

Kosten. Die Mediatoren legen die Kosten fest. Pro Stunde ist mit mindestens 80 Euro zu rechnen.

Anlegerfälle. Mediationen sind in Anla­gestreitig­keiten selten. Wegen der komplizierten Rechts­fragen sollten Anleger einen Rechts­anwalt hinzuziehen.

Beispiele: In Deutsch­land verhandelten Käufer von Schrottimmobilien mit den kredit­gebenden Banken. In Österreich schloss der Verein für Konsumenten­information (VKI) 2013 einen Vergleich mit dem Finanzberatungs­unternehmen Swiss Life Select (dazu unsere Meldung Sammelklagen durch Vergleich beendet).

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