Zu wenig Zeit für die Schadenersatzklage? Bisher ließ sich eine Verjährung leicht per Güteantrag hemmen. Das ist nun schwieriger.
Seit Juni 2015 ist es für Anleger schwieriger geworden, die Verjährung von Schadenersatzansprüchen zu hemmen: Einen Güteantrag bei einer staatlich anerkannten Gütestelle zu stellen, ist kein sicherer Weg mehr.
Bisher haben viele, die es nicht rechtzeitig schafften, ihre Klagen bei Gericht einzureichen, über diesen Weg die Verjährung ihrer Ansprüche gehemmt. Mehr als 14 000 Aktionäre der Deutschen Telekom etwa wandten sich 2003 deswegen an die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle Hamburg (ÖRA). Mit Erfolg.
Der Weg ist legitim – auch wenn Gütestellen eigentlich außergerichtlich vermitteln sollen (Streit beilegen ohne Gericht) – aber eben nicht mehr sicher. „Die Gerichte legen viel strengere Maßstäbe als früher an“, berichtet Anlegeranwalt Peter Mattil aus München. Er stützt sich auf Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18. Juni 2015 (Az. III ZR 189/14, 191/14, 198/14 und 227/14).
Bundesgerichtshof legt Latte höher
Der Wendepunkt: Im Juni 2015 urteilten die Richter am BGH über Güteanträge von Kunden des AWD (heute Swiss Life Select). Sie forderten Schadenersatz wegen Falschberatung bei geschlossenen Immobilienfonds zwischen 1999 und 2001. Für ihre Güteanträge nutzten sie Musterformulare von Rechtsanwälten. Sie setzten nur ihre eigenen Namen und die Fondsnamen ein. Auf ihre speziellen Fälle waren die Anträge nicht zugeschnitten.
Die BGH-Richter kritisierten, dass sich Gütestelle und Antragsgegner kein Bild über Art und Umfang der Forderung machen konnten. Es sei zwar nicht nötig, den geforderten Betrag genau zu beziffern. Ein Antrag müsse aber mindestens Kapitalanlage, Zeichnungssumme, Zeitraum, Ziel und Umfang der Beratung umreißen.
Gerichte legen Vorgaben streng aus
Seither legen die Gerichte die neuen Vorgaben überaus streng aus. André Tittel, Anlegeranwalt aus Berlin, erläutert: „Sie stellen an die Güteanträge zum Teil höhere Anforderungen als an eine Schadenersatzklage.“
Er führt einen Fall von Falschberatung durch eine Bank im Jahr 2001 an. Den Güteantrag aus dem Jahr 2011 kritisierte der Bundesgerichtshof im Dezember 2015: Der Bankberater könne mit den Angaben nicht identifiziert werden. Außerdem seien die Ausschüttungen des geschlossenen Fonds nicht genau beziffert. Das, so Tittel, wäre aber nicht einmal in einer Klage zwingend.
Wenn die Güteanträge die Verjährung nicht hemmen, können Anleger ihre Ansprüche nicht mehr durchsetzen. Das ist einem Anleger passiert, der auch 2011 einen Güteantrag gestellt hatte. Im September 2015 wies der Bundesgerichthof darauf hin, dass der Antrag zu wenig konkret sei (Az. III ZR 363/14 vom 24. September 2015).
Gegen den Anwalt vorgehen
Anleger mit verjährten Ansprüchen könnten gegen ihre Anwälte vorgehen, die die Güteanträge zu vage formuliert haben. Das ist aber schwierig. Sie müssten belegen, dass sie den Prozess wohl gewonnen hätten und ihre Rechtsanwälte hätten ahnen können, dass die Anträge zu vage waren. Sie können auch versuchen, vergeblich aufgewendete Prozesskosten bei ihnen zurückzuholen.
Wer einen Güteantrag stellt, sollte jedenfalls lieber zu viel als zu wenig vortragen. Rechtsanwalt Richard Lindner nennt in einem Fachaufsatz beispielsweise Angaben zu Darlehen oder Versicherungen, die mit abgeschlossen wurden, sowie wesentliche Inhalte der Gespräche und das verwendete Informationsmaterial.
Das Problem: Viele Anleger werfen Unterlagen nach einigen Jahren weg und können zum Beispiel Ausschüttungen nicht mehr genau belegen. Falschberatene erinnern sich gar nicht oder nur vage an Namen und Aussehen ihres Beraters.
Anleger als Antragsgegner
Anleger können auch Antragsgegner von Güteanträgen werden. So forderte der geschlossene Fonds ALAG Auto-Mobil GmbH & Co. KG im Jahr 2012 Anleger über Güteanträge auf, Ausschüttungen zurück- oder ausstehende Einlagen einzuzahlen.
Ende Dezember 2015 stellte die Treuhandkommanditistin des geschlossenen Fonds Dubai Direkt Fonds II einen Güteantrag gegen Anleger. Wer nicht reagiert, muss damit rechnen, verklagt zu werden. Spätestens dann ist es Zeit, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Die gute Nachricht: Das Verjährungsproblem kann sich zugunsten der Anleger auswirken: Das Amtsgericht Heidelberg urteilte etwa im August 2014 in einem Fall, dass die Forderungen der ALAG trotz Güteantrag verjährt seien.
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