Anlage­fehler vermeiden Verlierer aussitzen – oder nicht?

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Anlage­fehler vermeiden - Verlierer aussitzen – oder nicht?

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„Erst muss ich warten, bis ich meinen Einstands­preis wieder erreicht habe.“ Diesen Satz von Kunden, die sich von einem schlechten Fonds trennen wollen, hören die Experten von Finanztest oft. Es handelt sich dabei um einen typischen Anlage­fehler: Bevor Sparer einen Verliererfonds aus ihrem Depot schmeißen, verkaufen sie lieber einen Gewinnerfonds. Dabei wäre es meistens besser, wenn sie andersrum handeln würden.

Anlage­fehler in Serie

Dieses Special ist Teil einer Serie zum Thema „Anlage­fehler“:

Der fatale Hang zu den Verlierern

Angenommen, ein Anleger braucht Geld und muss einen Teil seiner Erspar­nisse auflösen. In seinem Depot befinden sich zwei Wert­papiere. Papier A liegt mit 10 Prozent im Plus, Papier B mit 10 Prozent im Minus. Wie geht er vor? Viele würden Papier A verkaufen, damit haben sie schließ­lich Gewinn gemacht. Bei Papier B warten sie lieber erst einmal ab, ob es sich nicht wieder besser entwickelt. Den Hang, Gewinner zu verkaufen und Verlierer zu behalten, nennen Finanz­experten Dispositions­effekt. Mehr als die Hälfte der Anleger sitzt diesem Fehler auf, besagt eine Studie der Universität Frank­furt am Main. Die Wissenschaftler haben von Januar 1999 bis November 2010 rund 3 400 Depots von Privat­anlegern ausgewertet.

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Die Trennung fällt so schwer

Anfäl­lig für den Dispositions­effekt sind vor allem Anleger, die Aktien kaufen. Von knapp 2 700 Aktionären verkauften zwei Drittel lieber ihre Gewinner­papiere und behielten die Verlierer. Von rund 1 100 Fonds­besitzern waren es nur knapp die Hälfte, doch wenn sie dazu neigten, dann war der Fehler bei einer Vielzahl der Betroffenen besonders stark ausgeprägt. Das zeigt folgende Statistik:

Bei Einzel­aktien flogen im Mittel die Gewinner nur 15 Mal häufiger aus dem Depot als die Verlust­bringer. Bei der Hälfte der betroffenen Fonds­besitzer war die Neigung, Gewinner- vor Verliererfonds zu verkaufen, sage und schreibe 57 Mal größer. 57 Mal. Klingt krass, aber deckt sich mit unseren Erfahrungen. Viele Leser, die bei Finanztest anrufen und wissen möchten, ob ihr Fonds noch in Ordnung ist, reagieren auf schlechte Nach­richten wie folgt: „Dann verkaufe ich, aber erst muss ich noch warten, bis der Fonds sich so weit erholt hat, dass ich meinen Einstands­preis zurück­bekomme.“ Falsch! Sofort weg damit!

Abwarten lohnt sich meist nicht

Wenn Anleger umschichten, idealer­weise in einen Fonds mit besserer Qualität, sind sie viel schneller wieder im Plus, als wenn sie das Verlust­papier behalten. Genauso wenig ist es schlau, an einer Verlust­aktie fest­zuhalten, nur um zu warten, dass sie einen einmal erreichten Stand wieder erreicht. Kurse der Vergangenheit als Kurs­ziele für die Zukunft zu sehen, hat wenig Sinn. Ein Verlust­papier, das man teuer einge­kauft hat, müsste sich dann ja besser entwickeln als ein günstig gekauftes. Behalten sollte man ein Verlust­papier nur, wenn man berechtigte Anhalts­punkte dafür hat, dass es sich in Zukunft wieder besser entwickelt – bei einem Fonds vielleicht, wenn die Anla­gestrategie wechselt.

Ein Grund abzu­warten kann auch sein, dass die eigene Anlage im Minus steht, weil die Aktienmärkte gerade schlecht laufen. Die Erfahrung zeigt, dass sie nach einiger Zeit meist höher stehen als zuvor. In diesem Fall ist Halten meist die bessere Lösung – zumal private Anleger erfahrungs­gemäß oft zu den schlechtesten Zeit­punkten handeln. Das hat die Finanz­krise gezeigt, in der viele Anleger nervös wurden und ausgerechnet zu Tiefst­kursen verkauften.

Vernünftig verkaufen

Es gibt viele vernünftige Gründe, Wert­papiere zu verkaufen – auch Gewinner­papiere. Wer etwa nach Finanztest-Vorschlägen ein Pantoffel­portfolio aufgebaut hat, das aus 50 Prozent Aktienfonds und aus 50 Prozent Anleihenfonds besteht, sollte es anpassen, wenn es aus dem Gleichgewicht geraten ist. Um die hälftige Aufteilung wieder­herzu­stellen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als Anteile an dem Fonds, der besser gelaufen ist, zu verkaufen. Richtig handeln auch Aktien­besitzer, wenn sie aufgrund neuer, schlechter Nach­richten eine Aktie verkaufen, die bisher hohe Kurs­gewinne erzielt hat. Schlecht ist nur, wenn Anleger immer wieder die Gewinner aus dem Depot schmeißen und Verlierer behalten – ohne dass wirt­schaftliche Motive dafür den Ausschlag geben.

Fehlkäufe lieber einge­stehen

Ein Grund für das Fest­halten an Verlierer­papieren liegt darin, dass Anleger sich nicht einge­stehen möchten, mit ihrem Wert­papier daneben­gegriffen zu haben. Solange sie die Aktie oder den Fonds nicht verkauft und den Verlust nicht realisiert haben, können sie weiter hoffen, dass ihr Investment noch ein gutes Ende nimmt. Nobel­preisträger Daniel Kahneman und sein Kollege Amos Tver­sky haben bereits in den 1970er Jahren darüber geforscht, wie Anleger zu ihren Entscheidungen kommen. Sie beschreiben ihr Verkaufs­verhalten in ihrer „Neuen Erwartungs­theorie“, eng­lisch Prospect Theory, veröffent­licht 1979. Sie haben fest­gestellt, dass Anleger drohende Verluste ungefähr doppelt so stark bewerten wie gleich hohe Gewinne.

Verluste werden überbewertet

Angenommen, jemand hat zwei Wert­papiere für 1 000 Euro gekauft, eines liegt jetzt bei 1 050 Euro, das andere bei 950. Verkauft er nun beide Papiere, über­wiegt sein Schmerz, weil die 50 Euro Verlust mehr weh tun, als die 50 Euro Gewinn ihn freuen. Steigen die Preise beider Wert­papiere um 100 Euro, freut sich der Anleger mehr über den Kurs­anstieg des Verlust­papiers, weil es in die Gewinn­zone klettert. Erneute Gewinne des Gewinner­papiers machen ihm dagegen immer weniger Freude. Würden die Preise der beiden Papiere jedoch um jeweils 100 Euro sinken, ärgert sich der Anleger vor allem, dass er die Gewinne nicht mitgenommen hat. Die weiteren Verluste des Verlust­papiers schmerzen ihn hingegen weniger.

Vorsicht vor mehr Risiko

Den Dispositions­effekt zum ersten Mal beschrieben haben Hersh Shafrin und Meir Statman 1985. Richard Thaler hat erkannt, dass Anleger jedes Wert­papier für sich betrachten und nicht über­legen, wie sich ihr Depot als Ganzes verändert, wenn sie einzelne Papiere veräußern. Das kann fatale Folgen haben: Wer immer nur Gewinner­papiere verkauft, hat plötzlich nur noch Verlust­bringer im Depot. Zudem stimmt nach einseitigen Verkäufen oft die Aufteilung von sicheren und riskanten Anlagen nicht mehr. Daher der Tipp für alle, die sich der Falle entziehen wollen: Wer Geld braucht, sollte seine Wert­papiere so verkaufen, dass sich die Risiko­streuung im Depot möglichst nicht ändert. Das gilt auch für Zuzah­lungen und Neukäufe. Was viele immer wieder vergessen: Die Aufteilung des Depots ist für das Anla­geergebnis weit wichtiger als der Erfolg des Einzel­papiers.

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Bobbled66 am 08.01.2015 um 09:53 Uhr
Lieber Depots anschauen

Ich glaube, dass die meisten Anleger zu sehr auf die einzelnen Aktien oder sonstigen Wertpapieren in ihrem Depot schauen.
Insgesamt sollte man lieber das Gesamtdepot im Auge haben und nicht die einzelnen Titel. Deren Kursverlauf kann man eh nicht voraussagen. Also lieber sein Gesamtportfolio inkl. Immobilienbesitz und Gehalt optiemieren.

anon am 16.12.2014 um 04:11 Uhr
Esoterik

Der Artikel ist größtenteils freudsche Esoterik. Dabei gibt es einen leicht einsichtigen, rationalen Grund dafür, die Verlierer statt die Gewinner zu verkaufen: Die steuerliche Bemessungsgrundlage ist geringer. Ist man jedoch noch im Freibetrag, gilt das umgekehrte: Dann sollte man selbstverständlich die Gewinner verkaufen, um ihn auszunutzen. Bei allen riskanten Anlagen gilt jedoch: "Verluste aussitzen" geht nicht. Diese Überlegung basiert auf einer falschen Vorstellung von den Finanzmärkten. An den Finanzmärkten wird eine Anlage über einen langfristigen Zeitraum nicht weniger riskant. Sie wird, ganz im Gegenteil, mit immer längerem Anlagezeitraum immer riskanter. Es steckt nur ein kleiner Kern Wahrheit drin: Ein Jahr 100% in Aktien zu gehen ist riskanter als 10 Jahre 10% in Aktien zu gehen. Aber zehn Jahre 100% in Aktrien zu gehen ist viel riskanter als ein Jahr 100% in Aktien zu gehen.