
Kaufen und liegenlassen – fast jeder kennt den Ratschlag von Börsenguru André Kostolany. Aber nicht jeder nimmt ihn sich zu Herzen. Es gibt Anleger, die geben drei Orders pro Jahr auf, aber auch welche, die im Schnitt auf mehr als 100 Käufe und Verkäufe kommen. Die eifrigsten Anleger handelten sogar bis zu 300-mal pro Jahr. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Frankfurt im Auftrag der Stiftung Warentest. Ständiges Umschichten bringt aber nichts, es kostet nur.
Anlagefehler in Serie
Dieses Special ist Teil einer Serie zum Thema „Anlagefehler“:
- Juli 2014 Mangelnde Streuung
- Dezember 2014 Übermäßiges Trading
- Januar 2015 Verlierer aussitzen
- März 2015 Spekulative Wertpapiere
- April 2015 Jagd auf Trends
- Mai 2015 Schwerpunkt auf Deutschland
- Juni 2015 Fazit
Eifrige Anleger sind ärmer
Dass Anleger auf diese Weise keine gute Rendite erzielen können, liegt auf der Hand. Die Kosten sind einfach zu hoch. Bei Filialbanken schlägt eine Order mit Gebühren zwischen 0,5 und 1 Prozent vom Kurswert zu Buche. Selbst wer günstig online handelt, muss mit mindestens 5 Euro pro Auftrag rechnen. Unterm Strich sind eifrige Anleger schnell um einige hundert Euro ärmer. Die Kosten sind so hoch, dass von den Gewinnen nichts mehr bleibt, haben die Wissenschaftler ermittelt. Für die Studie haben sie 5 000 Depots über den Zeitraum von 2002 bis 2012 untersucht und die Anleger je nachdem, wie aktiv sie waren, in fünf gleich große Gruppen geteilt. Anleger in der passivsten Gruppe gaben pro Jahr durchschnittlich drei Aufträge an die Bank. Die eifrigsten kamen im Schnitt auf mehr als 100 Trades, wie Handelsaufträge im Fachjargon auch genannt werden.

Mit Sinn und Verstand
Es gibt gute Gründe, sein Depot umzuschichten. Schlechte Nachrichten für Unternehmen können einen Anleger dazu bewegen, eine Aktie zu verkaufen. Stellt er fest, dass sein gemanagter Fonds schlecht geworden ist, kauft er besser einen neuen. Erkennt er, dass die Aufteilung seines Depots aus den Fugen geraten und zum Beispiel sein Aktienanteil viel zu hoch ist, dann tut er gut daran, die Gewichtungen wieder anzupassen. Und es kann immer sein, dass jemand Geld braucht und Anlagen verkaufen muss oder Geld neu anlegen will. Trotzdem: Etwa zwei Aufträge pro Monat durchschnittlich sind genug. Wer häufiger handelt, tut sich nichts Gutes. Je nachdem, wie klein oder groß das Vermögen ist oder wie viele Wertpapierpositionen jemand in seinem Depot hat, kann sich die Grenze ein wenig verschieben.
Mehr Informationen rund ums Depot finden Sie auf der Themenseite Wertpapiere kaufen und Depot.
Vorsicht vor Selbstüberschätzung
Mehrere dutzend Aufträge pro Jahr lassen sich nach Ansicht der Wissenschaftler mit den genannten Gründen nicht erklären. Es sei wenig wahrscheinlich, dass sich die Lebenssituation oder der Geldbedarf alle paar Wochen ändere, und noch unwahrscheinlicher, dass häufig handelnde Privatanleger regelmäßig über bessere Informationen verfügten als andere. Pure Freude am Glücksspiel könnte ein Grund sein. Doch dagegen spricht nach der Analyse der Wissenschaftler, dass die Depots im Durchschnitt viel zu groß sind. Andreas Hackethal, Professor an der Uni Frankfurt, sagt: „Dass einige Anleger bewusst mit dem Familienvermögen zocken, ist nicht auszuschließen, für die Mehrheit der Anleger erscheint uns dieses Motiv jedoch als sehr unwahrscheinlich.“ Vermutlich liege die Ursache für das häufige Handeln in der Selbstüberschätzung der Anleger. „Sie scheinen davon auszugehen, dass sie anderen Marktteilnehmern überlegen sind“, so Hackethal. Doch die Ergebnisse geben ihnen nicht recht, wie die Berechnungen der Uni Frankfurt zeigen.
Außer Spesen nichts gewesen
Für ihre Analyse haben die Wissenschaftler nicht die gesamte Rendite der Depots betrachtet, sondern nur das, was die Anleger durch ihr Handeln über die Marktrendite hinaus erwirtschaftet haben – die Mehrrendite. Auf diese Weise können sie völlig unterschiedliche Depots miteinander vergleichen. Handelsfreudige Anleger sind nämlich meist auch risikofreudiger als passive Anleger und kaufen mehr Aktien als diese. Sie dürfen daher von vornherein eine höhere Rendite erwarten – selbst wenn sie nichts weiter tun, als ihre Papiere liegen zu lassen. Die Berechnungen zeigen, dass sie durch ihre Käufe und Verkäufe zwar tatsächlich mehr erwirtschaften – doch das wird durch die Kosten wieder aufgezehrt.
Nichts tun ist auch keine Lösung
Mit zwei Orders pro Monat oder 24 pro Jahr fallen die Anleger in die mittlere der fünf Gruppen. Hier stehen die Kosten noch in einem vernünftigen Verhältnis zur erwirtschafteten Rendite. Nichts zu tun, ist allerdings auch nicht immer die beste Variante. Es wäre falsch anzunehmen, dass es generell umso besser sei, je seltener man sein Depot anfasst. Denn nicht nur übermäßiges Handeln ist schlecht für die Rendite, auch das Gegenteil davon, nämlich gar nichts zu tun, kann schiefgehen. Dazu mehr in der nächsten Folge Verlierer aussitzen.