
Michael Seethaler ist ein junges Unfallopfer. Schlimm genug, dass er nach seinem Unfall ein zweites Martyrium erleben musste. Er geriet in die Fänge einer Mitarbeiterin der Postbank Finanzberatung, die sein Geld auf fragwürdige Weise anlegt. Wieder bei Kräften, kämpft er gegen die Bank – mit Erfolg. Finanztest erzählt seine Geschichte.
Viele Verträge – viel Provision
Michael Seethaler ist ein „Leo“, als er 2009 mit dem Rollstuhl über den Campus der Uni Würzburg rollt, ein „leicht erreichbares Opfer“. Leo ist ein Begriff aus der Sprache von Mitarbeitern der Postbank Finanzberatung, einem Vertrieb mit über 3 000 mobilen Beratern. Das Wort steht für Kunden, denen man leicht jede Menge Verträge aufschwatzen und dafür viel Provision kassieren kann. Auf diese Strategie, gezielt an Schwache zu verkaufen, wiesen uns Mitarbeiter der Postbank Finanzberatung schon im Jahr 2010 hin Falschberatung – das System Postbank. Damals war herausgekommen, dass die Berater vor allem alte und alleinstehende Menschen falsch beraten hatten. Doch auch Michael Seethaler, damals 21 Jahre alt und Physikstudent, passt perfekt in das Beuteschema der Berater. Wenige Monate vor der Begegnung mit der Frau von der Postbank Finanzberatung auf dem Unicampus hat er bei einem Motorradunfall beide Unterschenkel verloren. Sehr offen und locker sei die Beraterin mit seiner Situation umgegangen. Sie habe selbst schwere Zeiten durchgemacht und wisse, wie er sich fühle. Schnell gewann sie das Vertrauen des jungen Mannes.
Beraterin bietet umfassende Hilfe an
Seethaler erzählt von sich und den 190 000 Euro, die er aus einer Unfallversicherung bekommen wird. Er will mit dem Geld sein Studium finanzieren, ein Auto kaufen, um beweglich zu sein, und ein sicheres finanzielles Polster für später schaffen. Die Beraterin bietet ihm an, seine finanziellen Angelegenheiten zu regeln. „Ich war froh über das Angebot. Damals fühlte ich mich so schlecht, dass mir alles zu viel war“, erinnert sich der Student heute. Die Beraterin schließt für die gesamten 190 000 Euro Verträge ab. Sie steckt das Geld in Investmentfonds, in vier Altersvorsorgeverträge und in sage und schreibe sechs Bausparverträge mit einer Bausparsumme von rund 400 000 Euro bei der BHW Bausparkasse. Die BHW ist der Baufinanzierer der Postbank.
Tricks mit dem Bausparvertrag
Besonders daneben: Die Beraterin schlägt vor, dass Seethaler sein Auto nicht bar bezahlt, sondern mithilfe eines BHW Bausparsofortdarlehens finanziert. Das spare Steuern und sei sehr zinsgünstig. Dass das aber verboten ist, weil Bauspardarlehen nur zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken eingesetzt werden dürfen und nicht für ein Auto, sagt sie dem Studenten nicht. Der BHW Bausparkasse teilt sie kurzerhand mit, dass der Student bauen wolle. Das Darlehen wird mit dem vermittelten Immobilienfondsdepot abgesichert. BHW-Sprecher Rüdiger Grimmert räumt inzwischen ein, dass das Darlehen nicht korrekt war. Nachdem die Beraterin weder Fotos des Bauvorhabens noch Handwerkerrechnungen vorgelegt habe, „hätten wir da nachhaken müssen“.
Böses Erwachen nach zwei Jahren
Als es Seethaler Anfang 2012 besser geht, überkommt ihn ein blödes Gefühl. Er wundert sich über die vielen Abbuchungen von seinem Konto für alle möglichen Verträge. Er fordert die Beraterin auf, ihm seine Unterlagen und Verträge wiederzugeben. Die Papiere hatte die Frau 2009 mitgenommen, um sie für ihn zu ordnen. Das wollte sie binnen zwei Wochen erledigt haben. Doch erst knapp zwei Jahre später gibt sie Seethaler Verträge und Unterlagen zurück. Vorher findet sie immer neue Gründe, warum sie ihm die Unterlagen nicht zurückgeben kann. Mal kann sie die Papiere nicht finden, mal zieht sie gerade um, mal hat sie Migräne, erinnert sich Seethaler. Als Seethaler bewusst wird, dass die Frau ihm viel zu viele Verträge aufgeschwatzt hatte, wendet er sich an die Postbank – immer wieder, schriftlich und telefonisch. Vier der sechs Bausparverträge löst die Bank schließlich auf. Bei den Altersvorsorgeverträgen wiegelt die Bank ab: „Zusammenfassend haben Sie alle Produkte in einer sinnvollen sich ergänzenden Kombination abgeschlossen“, schreibt sie. Die vier Rentenversicherungen seien aufgrund seiner gesundheitlichen Situation „gute ausbaufähige Bausteine für die Altersvorsorge“.
Vergleichsangebot der Postbank
Einige Postbanker bekommen irgendwann aber wohl doch ein schlechtes Gewissen. Seethaler beschwert sich wieder und wieder und wendet sich auch an einen neuen Berater. Dem erscheint die Beratung seiner Kollegin zumindest problematisch. Schließlich bietet die Bank ihrem unzufriedenen Kunden aus Kulanz einen Vergleich an: Alle Verträge würden „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ aufgelöst und der Student so gestellt, als wenn er die Verträge nie abgeschlossen hätte. Seethaler genügt das nicht. Er hat die Würzburger Anwaltskanzlei Berthold Yahya & Kollegen eingeschaltet. Die hat die Postbank inzwischen aufgefordert, Schadenersatz wegen entgangener Zinsen in Höhe von 14 500 Euro zu zahlen. Der Student verlangt außerdem, dass die Postbank zugibt, dass die Beraterin seine Lage schamlos ausgenutzt hat und ihre Beratung falsch war.
Zäher Kampf führt zum Erfolg
Was Michael Seethaler mit der Postbank erlebte, kann jedem passieren. Schwache Opfer sind jedoch selten in der Lage, sich gegen die Bank zu wehren. Ohne anwaltliche Hilfe sind sie meist auf verlorenem Posten – wenn sie nicht so zäh wie Seethaler sind. Der Student war vier Jahre nach seinem Unfall psychisch wieder stabil und hatte schon viel erreicht, bevor er zum Anwalt ging. Als er bemerkte, dass die Bank zu Unrecht Kontoführungsgebühren für sein Studentenkonto kassiert hatte, kämpfte er zum Beispiel auch in diesem Punkt monatelang um sein Recht. In zahllosen Schreiben wies er der Bank den Fehler nach. Die Bank lehnte eine Erstattung zunächst ab. Schließlich teilte sie ihm jedoch mit, dass sie die Kontoführungsgebühr „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ erstatte. Da die Bank nach ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen aber zur Erstattung verpflichtet war, verlangte Seethaler, dass sie dies zugibt. Nach langem Hin und Her tat die Bank das. Ein weiteres Schreiben war nötig, um ihr eine Entschuldigung für ihr Fehlverhalten abzuringen.
Sprecher räumt Fehler ein
Rüdiger Grimmert, Sprecher der BHW Bausparkasse, bedauert, dass der Student mit der Beratung so unzufrieden war. Zumindest das Wertpapierdepot habe Seethaler gute Gewinne eingebracht. Ansonsten gibt Grimmert dem Studenten recht: Das Bausparsofortdarlehen hätte es für die Autofinanzierung nicht geben dürfen. Die vier Rentenversicherungen und sechs Bausparverträge seien nicht nötig gewesen. Deshalb habe die Postbank die Verträge auch rückabgewickelt. Doch selbst die Rückabwicklung der Verträge verlief nicht ganz glatt. Die Bank verrechnete sich um gut 3 000 Euro zulasten des Studenten. Auch diesen Fehler musste Seethaler der Bank mehrfach nachweisen. Glaubt man Grimmert, war er lediglich ein Versehen und wird jetzt korrigiert.