
In den USA ist Amazon mit seinen Kindle-Fire-Tablets schon seit einem Jahr präsent. Jetzt kommen sie auch nach Deutschland. Im Schnelltest zeigt der Kindle Fire HD seine Stärken – und so manche Einschränkungen.
Tablet-Rechner vom Buchhändler
Angefangen hat Amazon einmal als Buchversender. Doch inzwischen verkauft das Unternehmen nicht nur Waren aller Art, sondern bietet auch allerlei andere Online-Dienste an, darunter den Download von elektronischen Büchern, Musik und Videos. Und unter dem Namen „Kindle“ vertreibt der US-Konzern eigene Geräte, die diese Amazon-Inhalte darstellen können. Zunächst waren das reine Lesegeräte für E-Books, wie zuletzt der Kindle Touch. 2011 präsentierte Amazon in den USA dann seinen ersten Tablet-Rechner, den Kindle Fire. Jetzt gibt es zwei neuere Versionen davon auch bei uns: Eine aktualisierte Version des Kindle Fire für 159 Euro und den besser ausgestatteten Kindle Fire HD ab 199 Euro mit mehr Speicher und höher auflösendem Display.
Ein Angebot mit Signalwirkung
Marktbeobachter messen Amazons Tablets einige Bedeutung zu. So senkte zum Beispiel Google den Preis für sein Nexus-7-Tablet, das im aktuellen Produktfinder Tablets zu den besten Mini-Tablets gehört, in der 16-Gigabyte-Version von 249 auf 199 Euro, nachdem der ähnlich ausgestattete Kindle Fire HD zu diesem Preis auf den Markt kam. Manche Beobachter mutmaßen gar, dass der Erfolg des ersten Kindle Fire in den USA entscheidend zu Apples Entschluss beigetragen habe, ein eigenes iPad Mini auf den Markt zu bringen. Doch sind Amazons Tablets tatsächlich vollwertige Konkurrenten für Android- und iOS-Tablets wie Nexus 7 und iPad? Der Schnelltest des Kindle Fire HD lässt durchaus Raum für Zweifel.
Ordentliche Hardware zum Medienkonsum
Das Display hat mit 16,9 Zentimeter Diagonale eine ähnliche Größe und mit 1280 x 800 Pixel die gleiche hohe Auflösung wie das des Nexus 7. Es ist sehr hell und bietet eine gute Farbwiedergabe. Der Schwarzwert und Blickwinkel sind nicht schlecht, könnten aber größer sein. Insgesamt schneidet die Bildqualität etwas besser ab als die des Google-Tablets. Die kleinen Stereolautsprecher bieten naturgemäß keinen HiFi-Klang, können sich aber für ein so kompaktes Gerät durchaus hören lassen. Mit 390 Gramm ist der Kindle Fire HD kein Leichtgewicht. Dafür hat er einen richtig guten Akku. Im Videobetrieb hält er fast 10 Stunden durch. Die Ausstattung ist eher einfach: Kein Steckplatz für Speicherkarten, keine rückwärtige Kamera für Fotos und Videos, kein GPS-Empfänger. Immerhin hat Amazons Tablet einen Micro-HDMI-Videoausgang, um Videos vom Tablet auf einen Fernseher zu bringen. Damit ist klar: Kindle-Nutzer sollen damit nicht fotografieren oder navigieren, sondern Medien konsumieren. Frech: Amazon liefert nicht einmal ein Ladegerät mit – das kostet 20 Euro Aufpreis.
Alles Amazon, oder was?
Einkaufen, auch kaufen, Shop: Egal ob auf dem Startbildschirm (links) oder im Musikplayer (rechts) – der Amazon-Shop ist immer nur einen Fingertipp entfernt.
Softwareseitig setzt Amazon alles daran, dass die Inhalte, die auf dem Gerät angeschaut, gehört, gelesen und gespielt werden, auch von Amazon stammen. Das Betriebssystem basiert auf dem Google-System Android. Doch Amazon hat es stark überarbeitet. Die beliebten Google-Apps wie Google Maps, Youtube oder der Google Play Store fehlen. Apps kommen aus einem eigenen App-Store von Amazon. Der hat ein deutlich kleineres Angebot als der Google-Store. Statt des gewohnten Android-Startbildschirms gibt es eine Karussell-Ansicht. Die präsentiert die zuletzt genutzten Apps, Websites, Bücher, Musikstücke und Videos. Darüber gibt es Direktzugriffe auf verschiedene Medienbibliotheken. Gleich die erste davon heißt „Einkaufen“ – und das bedeutet hier „Einkaufen bei Amazon“. Die Schnellzugriffe auf „Videos“ und „Bücher“ führen ebenfalls nur zu Inhalten, die bei Amazon und dem Amazon-Unternehmen Lovefilm erworben wurden. Selbst der Sperrbildschirm und die unterste Zeile im Karussell-Bildschirm zeigen standardmäßig Werbung für Amazon-Angebote. Wer diese „Spezialangebote“ nicht will, muss pro Gerät 15 Euro Aufpreis zahlen.
E-Reader mit Einschränkungen

Die Werbung ist allgegenwärtig – auch auf dem Sperrbildschirm des Kindle Fire HD. Werbung auf dem Sperrbildschirm: Amazon verkauft nicht nur Bücher, sondern auch Kaffeemaschinen (links) und Blu-ray-Videos (rechts).
Ursprünglich stand die Marke „Kindle“ für Amazons reine E-Book-Lesegeräte. Beim Einsatz als E-Reader verbindet der Kindle Fire HD Nachteile aller Tablets mit LCD-Bildschirm mit den speziellen Einschränkungen von Amazons Lesegeräten. Wie die klassischen Kindle-Reader ist auch die E-Book-App des Kindle Fire HD für Bücher von Amazon ausgelegt. Das von anderen E-Book-Anbietern genutzte Epub-Format mit Adobe-Kopierschutz unterstützt der Kindle Fire nicht. Und wie alle Tablets mit spiegelndem, hintergrundbeleuchtetem Bildschirm ist auch der Kindle Fire HD zum Lesen dicker Romane nicht optimal. Bei dunkler Umgebung ist die Textdarstellung nicht schlecht. Doch kann die LCD-Anzeige die Augen bei stundenlanger Lektüre schon hier ermüden. Bei Sonnenschein überstrahlt das Umgebungslicht den Bildinhalt, und der Leser erkennt auf dem Display nicht mehr viel. Das können Lesegeräte mit elektronischer Tinte („E-Ink“) besser. Die größte Stärke von Tablets sind nicht E-Books, sondern Webseiten, Fotos, Videos, Spiele. Und da sind ’richtige’ Android-Tablets insgesamt offener und flexibler als die Amazon-Tablets.