
Amazon Fire Phone.
Amazons erstes Smartphone, das Fire Phone (Preis: 399 Euro), setzt auf klangvolle Besonderheiten namens „Firefly“ und „Dynamic Perspective“. Was es damit auf sich hat, was das Handy taugt, und ob sich der Internetgigant damit von der Konkurrenz abheben kann, klärt der Schnelltest.
Mit 3D-Perspektive navigieren

Jetzt also auch Amazon: Im Konkurrenzkampf mit Google und Apple hat der Internetgigant nachgerüstet und sein erstes Smartphone, das Amazon Fire Phone auf den Markt gebracht. Besonders ist dieses Handy weniger durch das, was unter der Haube steckt (also die Hardware), sondern durch die neuen Funktionen, die es bietet. Zum Beispiel die „Dynamic Perspective“, auf Deutsch: „dynamischer Blickwinkel“. Eine Art 3D-Modus, der das angezeigte Motiv je nach Blickwinkel, aus dem der Nutzer auf das Display schaut, verändert. Realisiert wird das Ganze durch vier Kamerasensoren auf der Frontseite, die permanent erfassen, aus welcher Richtung der Nutzer das Handy betrachtet. Besonders auffällig wirkt der Effekt beim Navigieren in der hauseigenen Navi-App. So lassen sich dank der dynamischen Perspektive Zusatzinfos, zum Beispiel Bewertungen von Restaurants einblenden. Bei den meisten Anwendungen dürfte der Nutzen der Funktion aber begrenzt sein, daher ist „Dynamic Perspective“ eher eine Spielerei. Unabhängig davon überzeugt das Display mit seiner Helligkeit. So lässt es sich bei Sonnenlicht besser ablesen als viele Konkurrenten.
Glühwürmchen lädt zum Shoppen ein
Firefly soll die Umwelt erkennen - nicht immer klappt das so reibungslos wie hier mit dem Grundgesetz.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal am Fire Phone ist eine Funktion namens „Firefly“, was übersetzt „Glühwürmchen“ heißt. Dieses Glühwürmchen begleitet den Nutzer auf Knopfdruck durch seinen Alltag und soll ihm helfen, seine Umwelt zu erfassen. Zum Beispiel erkennt das Smartphone über die Kamera Bücher oder DVDs oder über das Mikrophon Songs, die im Radio laufen. Das ist im Grunde nicht neu. Apps wie Shazaam erkennen schon lange Musik, und Barcode-Scanner, die Produkte erkennen gibt es als App für andere Betriebssysteme zuhauf. Praktisch für den Nutzer ist höchstens, dass Firefly diese Funktionen in einer App vereint. Praktisch für Amazon ist, dass der Nutzer dann direkt beim Onlinehändler das erkannte Objekt einkaufen kann. Das Glühwürmchen soll also helfen, zusätzlichen Umsatz zu generieren und den Nutzer zum Shoppen einladen. Mehr als 50 Millionen Produkte sollen derzeit im Katalog sein. Trotzdem funktioniert die Erkennung nur lückenhaft. Zwar erkennt das Glühwürmchen Bücher und Musik halbwegs zuverlässig, bei anderen Objekten steht es aber vor Problemen. So erkennt es nicht mal die Verpackung des Fire Phones. Was wiederum klappt ist das Einscannen von Telefonnummern, E-Mail- und Internetadressen. Das erspart dem Nutzer lästiges Abtippen.
Mayday hilft bei Fragen
Prominent bewirbt Amazon auch den Supportdienst namens Mayday. Per App auf dem Handy können sich Nutzer direkt mit einem Amazon-Mitarbeiter verbinden, wenn sie Probleme mit ihrem Gerät haben. Der Mitarbeiter erscheint dann in einem kleinen Videotelefonie-Fenster. Der Nutzer selbst muss sich nicht zeigen, allerdings sein Gerät für den Mitarbeiter freigeben. Dann kann dieser aus der Ferne darauf zugreifen. Darauf weist Amazon selbst auch hin. Nicht jedem Nutzer wird das recht sein.
Abgespecktes Android
Besitzer eines Amazon Kindle Fire Tablets kennen bereits das Fire OS-Betriebssystem. Das gleiche ist auf dem Fire Phone in der Version 3.6.2 installiert. Zwar basiert es auf dem bekannten Android Betriebssystem von Google, Amazon hat dem System aber einen komplett eigenen Look verpasst, inklusive einiger Einschränkungen. So sind bekannte Google Dienste wie Google Mail oder Google Maps nicht vorinstalliert, können aber aus Amazons App Store nachgeladen werden. Googles Playstore steht hingegen nicht zu Verfügung. Darüber hinaus zeigt Amazon auch in seinem Betriebssystem, was das Smartphone eigentlich sein soll: eine mobile Verkaufstheke für Produkte von Amazon. Nicht nur über die Firefly-Funktion hat der Nutzer die Möglichkeit zum Onlineshoppen. Auch an vielen anderen Stellen bietet der Onlineriese Inhalte wie Musik, Filme oder Bücher zum Kauf an. Wer das Gerät direkt bei Amazon bestellt hat, merkt schnell, dass sein Amazon-Kundenkonto bereits eingerichtet ist. So steht dem Einkaufsvergnügen nichts mehr Wege. Aus Datenschutzsicht wird das einigen Nutzern sicher nicht gefallen. Ungewohnt ist auch das Bedienkonzept des Betriebssystems. So kann der Nutzer zum Beispiel Kontextmenüs ausklappen, wenn er das Handy mit einem Ruck zur Seite kippt.
Vertrieb lange nur über Telekom
Medienberichten zufolge verkauft sich das Fire Phone bisher eher schleppend. Im Oktober, so hieß es, hatte Amazon noch Smartphones im Wert von 83 Millionen Dollar auf Lager. Der britische Guardian spekulierte jüngst, dass Amazon in den USA in den ersten 20 Tagen gerade einmal 35 000 Geräte verkauft habe. Amazon selbst gibt wie üblich keine Verkaufszahlen heraus. In Deutschland könnte der schleppende Start auch mit dem exklusiven Vertriebsweg zusammenhängen. Lange konnten Kunden das Fire Phone nur mit Telekom-Simlock nutzen. Wer das Handy mit der Simkarte eines anderen Providers nutzen wollte, musste bislang für die Entsperrung entweder 100 Euro zahlen oder zwei Jahre warten. Amazon und die Telekom haben angekündigt, das Handy ab Mitte Dezember auch ohne Einschränkungen zu verkaufen.
[Update 16.12.14] Simlock wird doch nicht kostenlos aufgehoben
Entgegen bisherigen Ankündigungen hebt die Telekom den Simlock für das Amazon Fire Phone nun doch nicht kostenfrei auf. Eine solche Entsperrung sei derzeit nicht geplant, teilte die Telekom auf Anfrage von test.de mit. Bei der ursprünglichen Meldung auf der Homepage des Anbieters habe es sich um ein „Versehen“ gehandelt. [Ende Update]
Nur mäßig zum Telefonieren geeignet, Kamera durchschnittlich
Es soll ja Nutzer geben, die mit dem Smartphone noch telefonieren. Das kann man mit dem Fire Phone natürlich auch. Die Sprachqualität könnte aber besser sein. Besonders bei Nebengeräuschen macht das Telefonieren nur mäßig Spaß. Auch die Netzempfindlichkeit ist nur mittelprächtig. Die Kamera bietet ebenfalls keinen Grund zum Jubeln: Liefert sie bei normaler Beleuchtung noch annehmbare Bilder, schwächelt sie trotz optischen Bildstabilisators bei geringer Beleuchtung. Bei Videoaufnahmen zahlt sich der optische Bildstabilisator hingegen aus, und die Kamera liefert ordentliche Ergebnisse. Musikspieler und GPS-Navigation funktionieren ohne größere Probleme.
Akku fest verbaut
Wie mittlerweile bei vielen Smartphones ist auch beim Fire Phone der Akku fest verbaut. Das erschwert den Austausch im Falle eines Defekts und verhindert die Möglichkeit, einen Ersatzakku einzusetzen, wenn die Energie zur Neige geht. Umso wichtiger ist die Ausdauer des Stromspeichers. Das Fire Phone schneidet in diesem Punkt durchschnittlich ab. So hält der Akku beim Navigieren im LTE-Modus keine drei Stunden.
Fazit: Interessante Spielereien, ansonsten Durchschnitt
An die Topmodelle von Samsung, Apple, HTC, Sony, LG und Co. reicht das Amazon Fire Phone nicht heran. Es bietet einige interessante Spielereien und Features, ist aber ansonsten ein Durchschnittsgerät. Wer sich also nicht unbedingt eng mit Amazon verbinden will, findet bessere Geräte zum Teil schon für um die 300 Euro.
Tipp: Testergebnisse für 375 Handys finden Sie im Produktfinder Handys.