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Altersvorsorge für Selbstständige. Die vielgescholtene gesetzliche Rente macht neben Rürup- und Privatrente keine schlechte Figur. Jeder Selbstständige kann sie nutzen.
Es sind schwierige Zeiten für Selbstständige. Zumindest für jene, die sich um den Aufbau einer sicheren Basisvorsorge für ihr Alter alleine kümmern müssen, wenn das zum Beispiel kein berufsständisches Versorgungswerk für sie tut.
Seit Jahren sind die Zinsen am Kapitalmarkt niedrig. Das macht es Versicherern schwer, die Überschüsse zu erwirtschaften, die für eine ordentliche Rentenzahlung im Alter nötig sind.
Wir haben uns gefragt, ob das Geld vielleicht besser bei der vielgescholtenen gesetzlichen Rentenversicherung aufgehoben ist als in Verträgen der privaten Versicherer. Denn das umlagefinanzierte gesetzliche System reagiert nicht so empfindlich auf die Zinspolitik der Zentralbanken und Entwicklungen an den Kapitalmärkten. Es wird vielmehr von der Lohnentwicklung und von politischen Entscheidungen bestimmt.
Auch Selbstständige können sich gesetzlich rentenversichern. Einige müssen es sogar. Rund 250 000 von ihnen sind pflichtversichert. Rund 350 000 sorgen derzeit als freiwillig Versicherte auf diesem Weg vor.
Wir haben die gesetzliche Rente mit der steuerlich begünstigten Rürup-Rente und der privaten Rentenversicherung verglichen und dafür ein Modell gebildet.
Bei der Rürup-Rente haben wir mit der klassischen Variante gerechnet, bei der die Beiträge so wie bei der privaten Rentenversicherung vorwiegend in sichere Zinsanlagen fließen. Heraus kam:
- Die gesetzliche Rente schlägt die garantierte Leistung der Rürup-Rentenversicherung und der privaten Rentenversicherung.
- Bezieht man die nicht garantierten Überschüsse mit ein, hat die Rürup-Rentenversicherung die Nase vorn.
- Rürup- und Privatrentner zahlen oft weniger Krankenkassenbeiträge, wenn sie auch noch eine gesetzliche Rente beziehen.
Gesetzliche Rente konkurrenzfähig
Zunächst haben wir untersucht, mit welcher Rentenhöhe Selbstständige rechnen können, wenn sie 30 Jahre lang auf eine lebenslange Rentenzahlung sparen siehe Tabelle. Wir wollten wissen, wie leistungsstark die einzelnen Varianten sind und ob es große Unterschiede gibt.
Unser Modellsparer zahlt 600 Euro monatlich ein. Bei einer durchschnittlichen Rentensteigerung von 2 Prozent pro Jahr, wie aus dem aktuellen Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung hervorgeht, und eine stufenweisen Erhöhung des Beitragsatzes von derzeit 18,9 Prozent auf 22 Prozent im Jahr 2030 bekäme er nach heutigem Stand 1 104 Euro von der Rentenkasse. Ein günstiges Rürup-Angebot bringt dem Selbstständigen in unserem Modell garantiert 978 Euro pro Monat; bei einem ungünstigen Angebot sind es nur 867 Euro.
Anders sieht es aus, wenn man die Überschussbeteiligung mitberücksichtigt. Ein gut wirtschaftendes Unternehmen kann seinen Kunden eine Rürup-Rente von 1650 Euro im Monat prognostizieren. Das ist weit mehr als die gesetzliche Rente.
Niedrige Steuern auf Privatrente
Doch wie verändert sich das Bild, wenn man Abgabenlast und Steuerersparnis während der Einzahl- und Auszahlphase in die Rechnung einbezieht? Der klare Verlierer: die private Rente. Und das, obwohl sie bei einer guten Überschussbeteiligung im Alter eine deutlich höhere Nettorente als Rürup-Verträge oder die gesetzliche Rente verspricht.
Die Nettorente ist höher, weil nur auf einen kleinen Teil der Privatrente Steuern anfallen. Der steuerpflichtige Anteil nennt sich Ertragsanteil und richtet sich nach dem Alter zu Rentenbeginn. Beträgt das Alter wie bei unserem Modellsparer 67 Jahre, liegt der Ertragsanteil bei nur 17 Prozent. Von einer monatlichen Rente von 1 650 Euro sind deshalb nur 280 Euro steuerpflichtig.
Mehr als 63 000 Euro Steuervorteile
Hohe Nettorente und trotzdem Verlierer? Das liegt daran, dass die höhere Auszahlung die enormen Steuervorteile der beiden anderen Rentenarten während der Einzahlphase nur selten kompensieren kann.
Mehr als 63 000 Euro bekommt unser Modellselbstständiger mit Rürup- oder gesetzlicher Rentenversicherung im Laufe der Einzahljahre vom Finanzamt zurück, weil er seine Beiträge absetzen kann. Bei einer Rate von 300 Euro monatlich wären es immerhin noch rund 25 000 Euro. Geld, das Selbstständige zusätzlich nutzen können, um ihre Altersvorsorge zu optimieren.
Gleich vor dem Finanzamt
Nicht nur die Steuervorteile in der Einzahlphase haben Rürup- und gesetzliche Rente gemeinsam. Gleich ist auch, dass im Rentenalter bei beiden höhere Steuern anfallen als bei der privaten Rente und so die Nettozahlungen teils niedriger sind.
Zwar sind die beiden Rentenarten heute noch nicht komplett steuerpflichtig. Der Anteil steigt für jeden neuen Rentnerjahrgang aber stufenweise an. Für Neurentner ab 2040 zählen die Auszahlungen aus Rürup-Vertrag und gesetzlicher Versicherung zu 100 Prozent beim Finanzamt.
Doch sind es nicht die Steuern allein, die die Bruttorente schmälern. Sehr zu Buche schlagen können auch die Abgaben für die gesetzliche Krankenversicherung.
Rentner, die privat krankenversichert sind, müssen keine Sozialabgaben auf ihre Renten zahlen. Allerdings kann ihr einkommensunabhängiger Beitrag für die private Krankenversicherung schnell teurer sein als die höchsten Abgaben, die gesetzlich Versicherte treffen können.
Bis zu 17,2 Prozent Unterschied
Wann die Abgaben für die gesetzliche Krankenversicherung hoch ausfallen, hängt von einem verschlungenen Zusammenspiel der Sozialversicherungen ab. Entscheidend ist, ob Rentner freiwillig oder verpflichtend gesetzlich krankenversichert sind und ob sie eine gesetzliche Rente beziehen.
- Abgaben auf gesetzliche Rente. Gesetzlich Krankenversicherte (pflicht- und freiwillig) müssen derzeit auf ihre gesetzliche Rente 10,25 Prozent (Eltern) oder 10,5 Prozent (Kinderlose) an Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen selbst zahlen. Zusätzliche 7,3 Prozent übernimmt die Deutsche Rentenversicherung.
- Abgaben auf Rürup- und Privatrente. Pflichtmitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung zahlen keine Abgaben auf Rürup- oder Privatrente. Freiwillig gesetzlich Krankenversicherte zahlen 16,95 Prozent (Eltern) oder 17,2 Prozent (Kinderlose).
Freiwillige werden Pflichtmitglieder
Mit hohen Abgaben müssen Rürup- und Privatrentner also immer dann rechnen, wenn sie freiwillig gesetzlich krankenversichert sind. Doch viele haben die Chance auf die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Das ist selbst dann möglich, wenn sie im Berufsleben freiwillig versichert waren. Sie müssen vor allem zwei Voraussetzungen erfüllen:
- Eine gesetzliche Rente beziehen.
- Mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte ihres Berufslebens Mitglied einer Krankenkasse gewesen sein, egal ob pflicht-, freiwillig oder familienversichert.
Für unseren gesetzlich krankenversicherten Modellsparer bedeutet das bei einer Einzahlung von 600 Euro im Monat: Als Bezieher einer gesetzlichen Rente liegt seine Rürup-Rente im schlechtesten Fall (nur die Garantie eines ungünstigen Angebots) bei 821 Euro, im besten Fall (volle Überschussbeteiligung und Abschluss einen günstigen Angebots) bei 1 420 Euro monatlich.
Bezieht er dagegen keine gesetzliche Rente, springen nur zwischen 718 Euro und 1 231 Euro monatlich für ihn heraus. Der Gang zum Rentenversicherungsträger lohnt sich für Sparer auf eine Rürup- und Privatrente also nicht nur für die Zahlung einer kleinen gesetzlichen Extrarente, sondern auch für die Optimierung ihrer anderen Renten.
Auf fünf Jahre kommen
Voraussetzung für eine gesetzliche Rente ist eine Wartezeit von fünf Jahren. So nennen die Rentenversicherungsträger die Mindestversicherungszeit, die nötig ist, bevor Versicherte einen Anspruch auf Rente haben.
Schwer ist es meist nicht, auf diese fünf Jahre zu kommen. Neben Zeiten, in denen Versicherte freiwillige oder Pflichtbeiträge gezahlt haben, zählen auch Erziehungszeiten oder Arbeitslosigkeit. Auch Monate zählen mit, die sich aus einem Versorgungsausgleich oder einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung ergeben.
Weitere Leistungen inklusive
Wirklich vergleichbar sind Rentenkasse und private Anbieter natürlich nicht. Denn mit den Beiträgen zur gesetzlichen Rente erwerben Versicherte weitere Sozialleistungen. Private Unternehmen bieten diese teilweise in anderem Umfang nur gegen Mehrkosten. Das geht zulasten der späteren Rentenhöhe.
Ehepartner von gesetzlich Rentenversicherten haben Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente, Kinder auf Waisenrente. Diese reichen zwar vor allem in jüngeren Jahren bei weitem nicht. Wenn aber der Partner erst im Rentenalter stirbt, kann die Zahlung an Witwe oder Witwer durchaus einen Unterschied machen. Bis zu 55 oder 60 Prozent der Rente des Verstorbenen können sie erhalten.
Ebenfalls inklusive: Rehabilitationsleistungen. Der Rentenversicherungsträger übernimmt Kosten von Behandlungen in Rehakliniken oder unterstützt erkrankte Mitglieder, um ihnen den beruflichen Wiedereinstieg zu erleichtern. Pflichtmitglieder können zusätzlich auf eine Erwerbsminderungsrente zählen.
Unsere Berechnungen zeigen, dass die gesetzliche Rente sich im Vergleich gut schlägt. Selbstständige sollten bei der Altersvorsorge nicht alles auf eine Karte setzen und private und gesetzliche Vorsorge mischen.
Korrigierte Fassung vom 20. Dezember 2013: In der ursprünglichen Fassung entstand ein zu optimistisches Bild über die zu erwartenden Zahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Wir haben dies korrigiert.
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- Die gesetzliche Rente ist auch etwas für Selbstständige. Die Altersvorsorge-Experten der Stiftung Warentest nennen Vor- und Nachteile der gesetzlichen Rente.
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- Selbstständige, Frührentner oder Beamte können freiwillig in die gesetzliche Rente einzahlen. Wir zeigen, wie das die Rente erhöht und die Steuerbelastung sinken lässt.
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- Die digitale Rentenübersicht ist am Start. Sie soll über die eigene Altersvorsorge informieren. Wir sagen, was sie Verbrauchern bringt und was nicht klappt.
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@ChrisSW: Leider können wir Ihre Argumentation nicht nachvollziehen. Dazu kennen wir Ihre steuerliche Situation zu wenig. Wenn Sie möchten, können Sie uns Ihren Steuerbescheid gern per Mail zusenden. Die Beiträge an die Rentenversicherung werden unabhängig vom Abzug der Beiträge für die Krankenversicherung steuerlich berücksichtigt (Ausnahme: Günstigerprüfung mit Ansatz der bis 2004 geltenden Rechtslage). Die Auswirkung der Hinterbliebenenrente bei späterem Tod eines Ehegatten ist sehr komplex und vom Einzelfall abhängig (weiteres Einkommen). (maa)
Geben Sie bitte Ihre Berechnungen den Krankenkassen, der Rentenversicherung und dem Finanzamt zur Überprüfung.
Sie setzen hier Beträge an, die ohne ständigen Einspruch und Nachweis von der gesetzlichen KK nicht akzeptiert werden.
Bei dem üblichen Ansatz der KK für den frei. gesetzl. Vers. entfällt die Möglichkeit der Steuerersparnis durch freiw. Beitrage in die gesetzl. RV meist.
Da für einen Alleinstehenden bereits mindestens 8786,28 EUR für 2015 in die gKK anfallen bei von der gKK angesetzten Einnahmen von 49.500(Beitragsbemessung 2015). Es besteht kaum ein Hinterbliebenenschutz. Zur Zeit würde ab einem Einkommen von rund 890€/Monat die Witwen/errente gekürzt werden. Als freiw. vers. Rentner hat man einen relativ hohen Mindestbeitrag an die gKK zu zahlen. Bitte rechnen Sie diesen Normalfall während der Ein- und Auszahlungsphase vor, ein Ehepaar mit Kindern verdient je 49.500 €/Jahr, ist in der KK und RV freiw. vers., bei gleichzeitigem Renteneintritt, später verwitwet/ert. Da
Kommentar vom Autor gelöscht.
@raffix: Beim Punkt "nicht gesetzlich rentenversichert" wird eine deutlich niedrigere Netto-Rente angegeben, weil in diesem Modellfall der Zuschuss der Rentenversicherung zu den Beiträgen für die gesetzliche Krankenversicherung fehlt. Unter welchen Voraussetzungen die Rentenversicherung den Zuschuss gewährt, steht im Artikel unter der Überschrift „Altersvorsorge für Selbständige“ /“ Bis zu 17,2 Prozent Unterschied“. Wir sind im Modellfall „Nettorente, gesetzlich rentenversichert“ davon ausgegangen, dass der Selbständige während des Berufslebens eine kleine gesetzliche Rente mit aufgebaut hat. Diese sichert ihm den Vorteil des Zuschusses zur Krankenversicherung (siehe „So haben wir gerechnet“. (maa)
Ein Detail verstehe ich in dem Test nicht.
Es wird in einer Tabelle die Netto-Rente zweimal angegeben und zwar einmal, wenn man gesetzlich rentenversichert war und einmal, wenn man nicht gesetzlich rentenversichert war.
Bei dem Punkt "nicht gesetzlich rentenversichert" wird eine deutlich niedrigere Netto-Rente angegeben, weil "Kranken- und Pflegebeiträge anfallen". Und genau diesen Punkt verstehe ich nicht. Wenn man als Selbständiger privat krankenversichert ist, wieso sollten dann gesetzliche Kranken- und Pflegebeiträge anfallen? Fehlt da nicht noch eine Unterscheidung oder eine zusätzliche Info?