
Vollzeit ist gut für die Rente, Teilzeit gut für die Familie. Frauen entscheiden sich oft für Letzteres und müssen jetzt verstärkt eigene Vorsorgestrategien entwickeln.
Viel und gut bezahlte Arbeit ist die Voraussetzung für eine ordentliche Rente. Und genau hier hakt es bei vielen Frauen.
Buchhändlerin Alexandra Schiller ist 37 Jahre alt und seit Februar 2012 zum ersten Mal in einer Buchhandlung fest angestellt. Davor: Germanistikstudium, Ausbildung, zwei Kinder, Elternzeit und Minijobs. In ihrer Renteninformation steht, dass sie bis heute eine Rentenanwartschaft von rund 60 Euro im Monat erreicht hat.
Gesetzliche Rente je nach Gehalt
Selbst bei Langzeit-Gutverdienerinnen sichert die gesetzliche Rente nicht mehr den Lebensstandard ab. Sie sorgt aber für einen ansehnlichen Teil der Altersversorgung.
Eine Arbeitnehmerin, die 40 Jahre lang gut verdient, kann später mit rund 1 320 Euro Rente im Monat rechnen. Das hat die Deutsche Rentenversicherung ausgerechnet und dabei im Durchschnitt ein Einkommen unterstellt, das nach heutigen Maßstäben 40 000 Euro im Jahr entspricht.
Hätte die Frau im gleichen Zeitraum durchschnittlich nur ein Gehalt von 20 000 Euro im Jahr bekommen oder hätte sie statt 40 nur 20 Jahre gearbeitet, läge die Rente nur bei rund 660 Euro – und damit unter dem Niveau der staatlichen Grundsicherung von derzeit rund 700 Euro.
Für eine Frau, die mehr als 30 Jahre lang in einem Minijob auf 450-Euro-Basis arbeitet, springen später sogar nur rund 105 Euro Rente im Monat heraus.
Drei Rentenpunkte pro Kind

Auf Alexandra Schillers Rentenkonto sieht es noch mager aus. Die Rente der 37-jährigen Buchhändlerin aus Bonn besteht vor allem aus den Erziehungszeiten, die ihr für ihre Kinder Helen und Philipp angerechnet werden. Aber Schiller hat noch 30 Jahre bis zur Rente. Genug Zeit, um gegenzusteuern.
Tatsächlich ist Schillers Anwartschaft etwas höher als 60 Euro. Denn von der gesetzlichen Rentenversicherung bekommen Mütter oder Väter einen Ausgleich, wenn sie Kinder erziehen. Für ihre beiden Kinder stehen der Buchhändlerin sechs Rentenpunkte zu, sogenannte Entgeltpunkte. Das wären heute umgerechnet knapp 170 Euro mehr.
Die Rentenpunkte für Kinder bekommen alle Frauen gutgeschrieben, auch wenn sie nach der Geburt gleich wieder arbeiten gehen. Punkte sammeln sie dann doppelt.
Für jedes Beitragsjahr mit Durchschnittseinkommen (2013: 34 071 Euro West, 28 955 Ost) erhalten Rentenversicherte einen Entgeltpunkt. Wer weniger verdient, sammelt weniger Punkte, wer mehr verdient, mehr.
Die Zahl der Rentenpunkte entscheidet später über die Höhe der Rente. Für einen Punkt gibt es derzeit in den alten Bundesländern eine Monatsrente von 28,07 Euro, in den neuen Ländern 24,92 Euro (ab Juli 28,14 Euro im Westen und 25,74 im Osten).
Verlust von 194 000 Euro
Die finanziellen Auswirkungen von Auszeiten und Teilzeitarbeit auf das Einkommen von Frauen hat Volkswirtin Christina Boll vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut untersucht. Nach ihrer Rechnung verliert eine Frau mittlerer Bildung, die mit 30 Jahren ein Kind bekommt, drei Jahre im Beruf aussetzt und dann drei Jahre Teilzeit arbeitet, rund 194 000 Euro. So groß ist der Unterschied zu einer durchgängig Vollzeitbeschäftigten (siehe Grafik).
Dieses Geld fehlt Frauen nicht nur für Urlaube, Kleider oder schicke Autos, sondern auch für den Aufbau einer eigenständigen Altersvorsorge.
Frauen arbeiten immer mehr Teilzeit
In den vergangenen zwanzig Jahren haben sich die Arbeitszeiten von Frauen sogar stark reduziert, hat das WSI festgestellt, das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Mehr als zwei Drittel der Mütter arbeiten Teilzeit, aber nur 5,6 Prozent der Väter .
Teilzeitarbeit ist nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) der Hauptgrund für die hohen Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen. Die mittleren Einkommen von Frauen liegen in Deutschland 22 Prozent unter denen von Männern. Damit hält Deutschland OECD-weit einen unrühmlichen dritten Platz.
Zwischen Freiberuflern und Freiberuflerinnen sind die Unterschiede sogar noch drastischer. Sie liegen bei 63 Prozent.
Teilzeitbeschäftigte verdienen nicht nur weniger. Sie verbauen sich auch das berufliche Weiterkommen und damit den Weg in höhere Gehaltsgruppen mit mehr Rentenpunkten.
Keine Teilzeitchefs in Deutschland
Besonders im Alter zwischen 30 und 40 Jahren geht die Gehaltsschere immer weiter auf: Das ist die Zeit, in der Männer Karriere machen und Frauen Kinder bekommen. „Motherhood penalty“ nennen das Soziologen und Ökonomen, deutsch: Strafe für die Mutterschaft.
„Bei den Arbeitgebern herrscht nach wie vor die Vorstellung, lange Anwesenheit bürgt für Qualität“, sagt Karin Schwendler, Leiterin des Bereichs Frauen- und Gleichstellungspolitik bei der Gewerkschaft Verdi. „Führungsfunktionen in Teilzeit sind ausgesprochen selten und von einer Teilzeit- wieder auf eine Vollzeitstelle aufzustocken, ist sehr, sehr schwer“, fügt sie hinzu.
Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen sagte im März im Bundestag: „Im Bereich Teilzeit ist es oft so: einmal Teilzeit, immer Teilzeit, Sackgasse, Abstellgleis.“
So liegen die Karrieren der meist weiblichen Teilzeitkräfte auf Eis. Gleichzeitig erreichen Frauen unter den deutschen Führungskräften nur einen Anteil von 28 Prozent. Unter den Vorstandsmitgliedern börsennotierter Firmen sind es 4 Prozent.
Keine Berufe zum Geldverdienen
Frauen arbeiten viel häufiger in schlecht bezahlten Berufen als Männer, etwa im Dienstleistungs- und Gesundheitssektor.
Mindestens 12,50 Euro brutto in der Stunde müssten Vollzeitbeschäftigte laut Sozialbeirat der Bundesregierung verdienen, um im Alter eine Rente oberhalb der Grundsicherung bekommen zu können. Der Mindestlohn für Altenpflegerinnen liegt unter 9 Euro in der Stunde.
Arbeit bringt nicht immer Rente

Die Berlinerin Barbara Colloseus hatte schon viele verschiedene Berufe – Gastwirtin, Gitarristin, Webdesignerin. Rentenansprüche hat die 54-Jährige mit ihrer Arbeit kaum gesammelt und für private Vorsorge hat sie wenig Geld.
Auch Webdesignerin Barbara Colloseus hat kein gutes Gefühl, wenn sie an ihre Rente denkt. „Manchmal habe ich deshalb Panikphasen“, sagt die 54-jährige Berlinerin. Dabei arbeitet sie viel und gern. Sie war Buchhändlerin, Gitarristin, hat Workshops für Jugendliche geleitet, als Kellnerin gearbeitet und mit Freunden eine Kneipe betrieben.
Gesetzlich rentenversichert ist sie derzeit über die Künstlersozialkasse. Ihr Rentenanspruch nach heutigem Stand beträgt aber nur 240 Euro im Monat. Ihre sozialversicherungpflichtigen Einnahmen waren nie hoch genug, um viele Rentenpunkte in der Rentenversicherung zu sammeln. „Ich bin mir bewusst, dass ich in die Grundsicherung hineinstolpere“, sagt Colloseus.
Die Basis für ein lebenslanges Einkommen
Riester- und Rentenverträge bieten ein lebenslanges Einkommen im Alter. Sie eignen sich deshalb besonders als Teil der Grundvorsorge. Aber Vorsicht: Sparerinnen sollten den Vertrag nicht vorzeitig beenden, sonst können sie viel Geld verlieren.
Nur die Hälfte der Männerrente
Schon heute leben 10 Prozent der Rentnerinnen in Deutschland nach Angaben der OECD in Armut. Sie erhalten im Schnitt nur die Hälfte der Rente, die Männern im Ruhestand ausbezahlt wird. In keinem anderen der 34 OECD-Länder ist das geschlechtsbedingte Rentengefälle so groß.
Doch gibt es auch viele Seniorinnen, denen es finanziell gutgeht. Denn bisher konnten sie ihre Rentenlücken oft durch die vom Ehepartner abgeleitete Alterssicherung kompensieren.
Versorgungsmodell Ehemann wackelt
Das Versorgungsmodell Ehemann steht inzwischen aber zunehmend auf wackeligen Füßen. Barbara Riedmüller, Professorin mit Arbeitsschwerpunkt Sozialpolitik an der Freien Universität in Berlin, meint, dass es für künftige Rentnerinnen weniger bedeutend ist. „Das allgemeine Rentenniveau geht zurück, die Hinterbliebenenrente sinkt und Ehe und Familie als Versorgungseinheiten werden zunehmend instabiler“, erklärt sie.
Dem stimmt Buchhändlerin Alexandra Schiller zu. „Bei meinem Mann sieht die Rente auch nicht besser aus als bei mir. Er ist selbstständiger Musiklehrer und kümmert sich mehr um die Kinder“, sagt sie und lacht dabei. Es trifft also nicht nur Frauen.
Für die wachsende Zahl der Alleinerziehenden, für Frauen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften und für Geschiedene steht diese abgeleitete Altersabsicherung ohnehin nicht zur Verfügung – oder nur über den Versorgungsausgleich bis zum Zeitpunkt der Scheidung.
Die Politik versucht das Problem künftiger Niedrigrenten anzugehen. Es gibt Vorschläge für eine Lebensleistungsrente oberhalb der Grundsicherung genauso wie sol- che für eine Aufwertung von Erziehungszeiten. Dabei geht es aber vor allem um Armutsbekämpfung, nicht um eine lebensstandardsichernde Rente.
Da sich auch an der Präsenzkultur deutscher Unternehmen so schnell nichts ändern wird, bleibt den meisten Frauen erst einmal nichts anderes übrig, als stärker auf privates Investment zu setzen — mit all seinen Haken und Ösen.
Hausfrau Ute Voß hat genau das getan. „Wir hatten immer geplant, dass ich zuhause bleibe, wenn ein Kind kommt“, sagt sie. „Dass das für meine Rente nichts Gutes bedeutet, war mir aber auch klar.“
Hausfrau mit Privatvorsorge

Ute Voß wusste schon immer, dass sie ganz für die Familie da sein möchte. Als ihr Sohn Nico vor sieben Jahren geboren wurde, gab sie ihren Job in einem Pharma-Unternehmen auf. Um eine eigenständige Altersvorsorge hat sie sich gekümmert: Riester-Vertrag, Banksparplan und Lebensversicherung ergänzen die gesetzlichen und betrieblichen Rentenanwartschaften der 38-Jährigen aus Grafschaft bei Ahrweiler.
Die 38-Jährige aus Grafschaft bei Ahrweiler hat neben ihren Rentenansprüchen aus der Zeit als Angestellte einer Pharmafirma über ihren Mann einen Riester-Vertrag abgeschlossen. Dazu kommen eine Lebensversicherung und ein Banksparplan, in den sie seit Studentenzeiten einzahlt.
„Ich denke, damit bin ich abgesichert, selbst wenn die Ehe in die Brüche geht“, sagt sie. Und fügt schnell hinzu: „Wovon ich nicht ausgehe.“
Wie Voß früh mit dem Sparen anzufangen, ist vor allem für Frauen mit niedrigen bis mittleren Einkommen die Lösung. Denn der Zinseszinseffekt lässt über einen langen Anlagezeitraum auch kleine Raten ordentlich wachsen.
Ein Beispiel: Für ein Endkapital von 100 000 Euro muss eine 20-Jährige bis zu ihrem 65. Lebensjahr monatlich 88,40 Euro zur Altersvorsorge zurücklegen (Zinssatz 3 Prozent). Sie hat dann 47 736 Euro aus eigenen Mitteln angespart, den größeren Teil in Höhe von 52 264 Euro steuern Zins und Zinseszins bei.
Eine 50-Jährige müsste für die gleiche Summe 15 Jahre lang monatlich 441 Euro und somit einen Betrag von 79 380 Euro aus eigener Kraft sparen. Sie bekommt nur 20 620 Euro Zins und Zinseszins.
Lebenslanges Einkommen sichern
Bei der Altersvorsorge geht Sicherheit vor Rendite. Am besten ist eine lebenslange Einkommensquelle, wie sie Riester- und Rentenverträge bieten. Nachteil: Die Verträge sind keine Renditeknaller, denn Sicherheit kostet. Mit einem guten Produkt können aber ein paar tausend Euro mehr herauskommen als mit einem schlechten (alle Testergebnisse unter www.test.de/riester).
Vor Ablauf der Laufzeit kommen Sparerinnen nicht ohne Verluste an ihr Geld. Besonders Riester-Rentenversicherungen sind wenig flexibel. Frauen sollten sich daher genau überlegen, ob sie die Sparraten über einen langen Zeitraum durchhalten. Sonst ist es besser, zunächst auf flexiblere Produkte zu setzen (siehe Übersicht S. 26).
Riester-Banksparpläne gut für Frauen
Trotz häufiger Kritik an der Riester-Rente denken wir, dass viele Frauen für ihre Grundvorsorge damit am besten fahren – vorausgesetzt sie wählen ein gutes Angebot. Riester-Verträge passen sich besser ihrer Lebenswirklichkeit an als rein private Renteninvestments. Der Staat zahlt seine 154 Euro Riester-Grundzulage im Jahr zum Beispiel auch in einer Ausbildungs- oder Elternzeit genauso wie bei Arbeitslosigkeit oder wenn Frauen nicht arbeiten, weil sie Verwandte pflegen. Auch Steuervorteile sind möglich.
Mütter können extra profitieren. Denn bei ihnen kommt die Kinderförderung dazu und die ist mit 300 Euro pro Jahr und Kind (185 Euro für Kinder, die vor 2008 geboren sind) besonders hoch. Viele verheiratete Frauen, die sich ausschließlich der Familienarbeit widmen oder geringfügig beschäftigt sind, können sich so ebenfalls eine eigene vom Staat geförderte Altersversorgung aufbauen.
Unter den Riester-Produkten sind Banksparpläne für Frauen mit wechselhaften Erwerbsbiografien eine gute Lösung, denn sie vertragen Beitragspausen am besten.
Riester-Rentenpolicen sind teurer, bei einem Produktwechsel kann es zu Verlusten kommen. Klassische Verträge ohne Fonds haben aber einen Vorteil: Schon bei Vertragsbeginn steht eine Mindestrente fest.
Riester-Fondssparpläne bieten Jüngeren bessere Ertragschancen, es besteht aber die Gefahr, am Ende mit wenig Rendite dazustehen. Und für reine Zulagenverträge eignen sie sich gar nicht.
Selbstständigen Frauen ohne Anspruch auf Riester-Förderung empfehlen wir bei privaten Rentenversicherungen und Rürup-Renten ebenfalls die klassischen Varianten ohne Fonds. Die Grundversorgung muss berechenbar sein, Fonds sind das nicht.
Eine Betriebsrente lohnt sich für Frauen mit Kindern meist nur, wenn sich der Arbeitgeber beteiligt und sie dort längerfristig arbeiten. Ansonsten ist eine Riester-Rente für Mütter die bessere Option.
Miete sparen im Alter
Eine Alternative für gutverdienende Frauen oder Frauen in einer auch finanziell sicheren Partnerschaft ist die Investition in Wohneigentum. Mietfreies Wohnen im Alter ist eine Art indirekte Rente.
Die günstigsten Kredite gibt es für Sparerinnen mit Eigenkapital. Wer das nicht hat, aber später ganz sicher bauen oder kaufen will, kann sich die derzeit günstigen Hypothekenzinsen mit einem Bausparvertrag sichern. Kredite und Bausparverträge gibt es mit und ohne Riester-Förderung.
Ist eine lebenslange Einkommensquelle gesichert, können Frauen weiteres Geld flexibler anlegen, zum Beispiel in einem Banksparplan oder als Festgeld.
Flexibles Investment für Notfälle
Mit flexibleren Anlagen können Sparerinnen ihr Investment je nach Wirtschaftslage optimieren. Im Notfall ist es außerdem schon vor Rentenbeginn verfügbar.
Da Frauen oft mehr Wert auf Sicherheit legen als Männer, haben wir in unserer Übersicht auf Seite 24 aufwendige und riskantere Investments wie Einzelaktien, Zertifikate oder Rohstoffe nicht berücksichtigt. Wer daran interessiert ist, um sichere Investments mit chancenreicheren zu mischen, findet dazu viele Informationen in unserem Onlineangebot unter www.test.de.
Für Frauen wie Colloseus mit niedrigem Einkommen und nur noch zwölf Jahren bis zur Rente ist es schwer, sich privat noch ein substanzielles Altersvermögen aufzubauen. Es bleibt nicht genug Zeit, um mit kleinen Raten noch auf eine Auszahlung oberhalb der Grundsicherung zu kommen.
Ohne Alterssicherungskonzept ist Colloseus aber nicht. „Ich möchte so fit bleiben, dass ich auch noch mit 80 Jahren arbeiten kann“, sagt sie.