99 Prozent der Wohnungen in Deutschland sind nicht geeignet, um im Alter darin zu leben. Zeit, zu handeln.
Carolina Wodtke ist 43 Jahre alt und kerngesund. Sie steht in ihrem denkmalgeschützten 120 Jahre alten Haus im Frankfurter Nordend und zeigt ihren Flur. „Hier ist alles schwellenfrei und durch sämtliche Türen im Haus kommt man mit einem Rollator oder einem Rollstuhl durch – das haben wir sogar ausprobiert.“ Dafür musste sich Frau Wodtke allerdings einen Rollstuhl ausleihen – denn weder sie noch ihr Mann sind gehbehindert. „Wir haben unser Haus von vornherein so saniert, dass wir hier auch leben können, wenn wir alt sind“, sagt sie. Sogar einen Aufzug hat das Paar eingebaut und dafür den Schacht des ehemaligen Speiseaufzugs vergrößert.
Auch die beiden Bäder im Haus planten sie so, dass sie barrierefrei und mit dem Rollstuhl befahrbar sind. Zudem ließen sie im Haus alle Türschwellen beseitigen, die Türen wo nötig verbreitern und die ehemals kleinen und engen Flure in den Geschossen vergrößern. Dafür entfernten die Bauherren etliche Zwischenwände und verstärkten sogar die Statik des Hauses.
Kleiner Aufwand – große Wirkung
Für viele Menschen sind große Umbauten wie bei Carolina Wodtke jedoch gar nicht möglich – aber auch nicht nötig. Denn völlige Barrierefreiheit ist nur für 10 Prozent der Bevölkerung zwingend erforderlich. Für alle anderen reichen meist schon kleinere Veränderungen, um im Alter selbstständig und sicher zuhause wohnen zu können.
„Häufig ist den Menschen gar nicht klar, was sie alles machen können, um ihr Wohnumfeld besser ihren Bedürfnissen anzupassen“, sagt Katrin Hodler, Vorstandsvorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung.
„Viele Hürden lassen sich auch ohne große Umbaumaßnahmen abbauen, beispielsweise indem typische Stolperfallen wie Teppiche oder Fußläufer entweder entfernt oder sicher befestigt werden.“ Sturzgefahr herrscht in vielen Wohnungen auch, weil sie zu üppig möbliert sind. Katrin Hodler rät deshalb, nur wirklich standfeste und ausreichend hohe Tische, Schränke und Kommoden in der Wohnung zu lassen, sodass sich die Bewohner bei Bedarf an ihnen abstützen können.
„Hilfreich sind auch Haltegriffe, die überall dort angebracht werden, wo sie gebraucht werden“, sagt Hodler. „Im Flur, um sich die Jacke und die Schuhe anzuziehen, im Bad, um in die Dusche oder aufs WC zu kommen, an der Balkontür, um ohne Stolpern über die Schwelle zu gelangen.“
Für fast alle Bereiche gibt es Lösungen: Fehlt eine Wand für einen Haltegriff, empfiehlt sich eine Stange, die einfach zwischen Boden und Decke geklemmt wird. Wenn die Dusche nicht barrierefrei umgebaut werden kann, sorgt ein Duschrollsitz für einen sicheren Einstieg in die Dusche.
Und in der Küche kann schon Umräumen das Leben erheblich erleichtern. Kühlschrank, Backofen und Geschirrspülmaschine sind ohne tiefes Bücken zu bedienen, wenn sie auf einem Unterschrank stehen. Töpfe, Schüsseln und alles andere in den unteren Schränken lässt sich über großzügige Schübe besser erreichen. Kleinkram ist in Körben gut aufgehoben, die sich einfach herausziehen lassen.
Wohnberatung gibt Tipps
Wie Mieter und Eigenheimer ihre eigenen vier Wände an altersgerechte Wohnbedürfnisse anpassen können , erfahren sie in einer der Wohnberatungsstellen, die es in vielen Städten und Gemeinden gibt. Hier bekommen sie Ideen für die Planung und Hilfe bei der Suche nach Handwerkern – meist kostenlos. Auch wertvolle Hinweise über Finanzierungsmöglichkeiten gehören in der Regel zur Beratung.
Je nach Bundesland ist die Wohnberatung unterschiedlich organisiert. In einigen Ländern wie in Berlin oder Rheinland-Pfalz sind die Wohnberatungsstellen in allgemeine Beratungsangebote für ältere Menschen integriert, in anderen Städten wie in Hamburg und Bremen gibt es zentrale, mit Ausstellungsräumen gekoppelte Wohnberatungsstellen.
In einigen Bundesländern wird die Wohnberatung von kommunalen Trägern angeboten, anderenorts helfen ehrenamtliche Mitarbeiter. Einen noch beinah vollständig weißen Fleck in Sachen Wohnberatung gibt es in den östlichen Ländern. Über Adressen und Ansprechpartner informiert die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung (siehe Tipps).
Hilfsmittel von der Krankenkasse
Je nachdem, wer wann und wie seine Wohnung oder sein Haus an die Bedürfnisse im Alter anpasst, kann dafür finanzielle Unterstützung bekommen.
Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt die Kosten für die sogenannten Hilfsmittel, vorausgesetzt, ein Arzt hat sie verordnet. Klassische Hilfsmittel sind zum Beispiel Haltegriffe, Badehilfen oder Toilettensitzerhöhungen. Für ein Hilfsmittel muss der Versicherte mindestens 5 Euro und höchstens 10 Euro zuzahlen.
Bei den privaten Krankenkassen ist die Höhe des Eigenanteils bei Hilfsmitteln unterschiedlich geregelt (siehe Artikel Medizinische Hilfsmittel: Was die Kasse zahlt aus Finanztest 8/2010).
Zuschüsse von der Pflegekasse
Kosten für sogenannte Pflegehilfsmittel übernimmt die Pflegekasse – zumindest im begrenzten Umfang. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller pflegebedürftig ist. Pflegehilfsmittel sind beispielsweise ein Pflegebett oder die Kosten für den Hausnotruf (siehe Tipps). Die Eigenbeteiligung beträgt 10 Prozent, höchstens 25 Euro.
Wenn die häusliche Pflege dadurch ermöglicht oder erleichtert wird, zahlt die Pflegekasse aber auch einen Zuschuss zu baulichen Verbesserungen, etwa Verbreiterungen von Türen, Umbauten im Bad oder den Einbau eines Treppenliftes. Maximal gibt es 2 557 Euro – pro Maßnahme. Als Maßnahme gilt dabei die Summe aller zu diesem Zeitpunkt notwendigen Veränderungen.
Nur wenn sich der Zustand des Pflegebedürftigen deutlich verschlechtert und weitere Umbauten nötig werden, kann die Kasse einen weiteren Zuschuss zahlen. Um den Zuschuss zu bekommen, reicht ein formloser Antrag bei der Pflegekasse, und zwar vor Beginn der Arbeiten. Eine ärztliche Verordnung ist nicht nötig. Der medizinische Dienst der Kasse kann allerdings prüfen, ob der Umbau nötig ist. Empfehlenswert ist deshalb, dem Antrag ein Foto der Ausgangssituation und eine Skizze der geplanten Maßnahmen mit einer kurzen Begründung anzufügen.
Fördermittel von der KfW
Unabhängig von Alter, Pflegebedürftigkeit oder Einkommen fördert die staatliche KfW-Bank den Umbau von Haus oder Wohnung. Einzige Voraussetzung: Der Umbau ermöglicht das selbstbestimmte Leben im Alter.
Die Liste der förderfähigen Ein- und Umbauten ist lang (siehe Infografik). Beispielsweise unterstützt die KfW Verbesserungen beim Zugang zum Gebäude oder zur Wohnung, etwa mithilfe eines Aufzugs. Wenn der Wohnungsgrundriss verändert werden muss, um mehr Bewegungsfreiheit zu schaffen, oder Bad und WC umgebaut werden sollen, gibt sie ebenfalls Fördergelder. Auch Verbesserungen im Wohnumfeld finanziert die KfW, zum Beispiel wenn Zugangswege verbreitert oder Stellplätze für Rollstühle geschaffen werden sollen.
Attraktiv ist die finanzielle Unterstützung auch für Hausbesitzer, die ihre Wohnfläche durch einen Anbau oder den Ausbau des Dachgeschosses erweitern wollen. Wenn der neue Wohnraum barrierereduziert ist, gibt es auch dafür Geld von der KfW.
„In bestehenden Häusern ist völlige Barrierefreiheit, so wie es die Din-Norm fordert, meist nicht umsetzbar“, sagt Axel Papendieck, Wohnbauexperte bei der staatlichen Förderbank KfW. Für die Förderung von baulichen Veränderungen hat die KfW deshalb eigene technische Mindestanforderungen formuliert. Eine Tür zum Beispiel muss nach der Erweiterung mindestens 80 Zentimeter breit sein, ein Waschtisch mindestens 50 Zentimeter tief, ein Türdrücker in einer Höhe zwischen 85 und 105 Zentimetern angebracht sein.
Die finanzielle Unterstützung der KfW gibt es entweder als zinsvergünstigten Kredit oder als Zuschuss (siehe Tabelle). Pro Wohnung verleiht die Förderbank im Programm „Altersgerecht umbauen“ bis zu 50 000 Euro. Reicht das nicht aus, um den gesamten Umbau zu finanzieren, lässt sich das Darlehen auch mit anderen KfW-Darlehen kombinieren, beispielsweise den Programmen „Wohnraum Modernisieren“ oder „Energieeffizient Sanieren“.
Der Zuschuss ist auf 5 Prozent der Kosten begrenzt, höchstens 2 500 Euro. Für kleine Umbauten ist der Zuschuss allerdings nicht gedacht: Der Bauherr muss mindestens 6 000 Euro investieren, um in den Genuss der Finanzspritze zu kommen.
Flexible Rückzahlung
Carolina Wodkte hat den KfW-Kredit für das altersgerechte Umbauen mit einem Kredit für das energiesparende Modernisieren kombiniert. „Für mich waren die Darlehen der KfW nicht in erster Linie wegen der günstigen Zinsen interessant. Da wir beide selbstständig sind, ist für uns vor allem die flexible Rückzahlung wichtig. Wenn wir ein Jahr geschäftlich besonders gut abschließen, können wir so Teile des Kredits auch vorzeitig zurückzahlen, ohne dafür zusätzlich Gebühren zahlen zu müssen.“
Wer selber Hand anlegen will, muss auf das KfW-Geld allerdings verzichten. Fördermittel gibt es nur, wenn eine Fachfirma die Arbeiten ausführt. Auch Materialkosten zahlt die KfW nicht, wenn der Bauherr die Arbeiten selbst macht.
Beantragen kann die Fördermittel so gut wie jede Privatperson: Mieter, Eigentümer, Vermieter. Auch wer eine Wohnung kauft, die gerade altersgerecht saniert wurde, kann KfW-Mittel bekommen.
Wo es sonst noch Geld gibt
Auch viele Länder und Kommunen vergeben zinsvergünstigte oder sogar zinslose Darlehen, manchmal auch Zuschüsse für die altersgerechte Anpassung von Wohnungen.
Meist ist die Förderung an Einkommensgrenzen gebunden, oft muss auch bereits eine Behinderung vorliegen. Auskünfte geben die Wohnungsbauförderstellen in den Landkreisen und kreisfreien Städten, aber auch die Wohnberatungsstellen.
Vermieter können den Umbau ebenfalls finanziell unterstützen. „Wir haben sogar einen Fall, in dem die Stiftung einer Wohnungsbaugesellschaft die gesamten Kosten übernommen hat, die nicht durch den Zuschuss der Pflegeversicherung gedeckt waren“, erzählt Sabine Grabow vom Pflegestützpunkt Pankow in Berlin. „Das Bad wurde komplett umgebaut und der Balkon angeglichen. Dank der Stiftung müssen die Bewohner noch nicht einmal eine Modernisierungsumlage zahlen. Auch in anderen Fällen gebe es Stiftungen, die sich an der Finanzierung beteiligen.
Ist kein anderer Kostenträger zu finden und können weder der Betroffene noch seine Angehörigen den Umbau selbst bezahlen, springt das Sozialamt ein.
Recht auf Umbau
Wenn ein Mieter seine Wohnung umbauen möchte, muss der Vermieter zustimmen. Wenn die Arbeiten nötig sind, damit ein behinderter Mieter die Wohnung nutzen kann, darf der Vermieter die Zustimmung in der Regel nicht verweigern. Er kann aber verlangen, dass der Mieter beim Auszug den Umbau rückgängig macht. Für die voraussichtlichen Kosten des Rückbaus darf der Vermieter sogar eine Kaution einfordern.
Auch Besitzer einer Eigentumswohnung können bestimmte Veränderungen nicht ungefragt vornehmen. Wenn sie beispielsweise im Treppenhaus einen Lift oder vor der Tür eine Rampe einbauen wollen, müssen sie vorher die Miteigentümer um Erlaubnis bitten. Die müssen die Maßnahme aber dulden, vorausgesetzt der Eigentümer oder sein Mieter haben ein berechtigtes Interesse an einem behindertengerechten Zugang zur Wohnung.
Die Kosten muss der Eigentümer allerdings alleine tragen. Und ebenso wie der Vermieter können auch die Miteigentümer den Rückbau und sogar eine Sicherheitsleistung dafür verlangen.
Komfortabel für alle Menschen
Klug ist der Rückbau und damit die Errichtung neuer Barrieren im Haus allerdings sicher nicht. Nicht nur weil es in Deutschland viel zu wenig altersgerechten Wohnraum gibt. Sondern auch, weil vor allem ein barrierefreier Zugang zur Wohnung eigentlich für alle Menschen eine Wohltat ist: Für Eltern mit Kinderwagen, für Reisende mit schwerem Gepäck, für Verletzte und frisch Operierte oder für Hausfrauen und -männer mit großen Einkäufen. Wer die Gelegenheit hat, in seinem Wohnumfeld Barrieren abzubauen, sollte sie deshalb nutzen. Auch wenn er wie Carolina Wodtke noch weit entfernt vom Rentenalter ist.
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