Kennen sich nun selbst die Finanzämter und Finanzministerien nicht mehr mit Steuern aus? Einige haben damit offenbar Probleme.
Ungläubiges Staunen herrschte bei einigen Lesern, nachdem test im September berichtet hatte, dass Sparer im Rentenalter Steuern sparen können, wenn sie den Altersentlastungsbetrag nutzen. „Das wurde bei mir abgelehnt“, schrieben einige empört. „Das Finanzamt meint, der Entlastungsbetrag greife bei Zinseinnahmen nur noch, wenn der persönliche Steuersatz unter 25 Prozent liegt.“ So steht es sinngemäß auch in Informationsheften einiger Bundesländer, zum Beispiel in der „Informationsbroschüre für Senioren“ des Finanzministeriums Niedersachsen.
Beim Finanzministerium Baden-Württemberg steht: „Der Antrag auf die Günstigerprüfung empfiehlt sich nur dann, wenn der persönliche Steuersatz unter Einbeziehung der Kapitaleinkünfte niedriger ist als 25 Prozent.“ Das ist falsch. Die Günstigerprüfung wirkt sich auch bei einem Steuersatz über 25 Prozent aus, wenn der Bürger den Altersentlastungsbetrag nutzen kann. „Darüber kann er erheblich Steuern sparen“, weiß Uwe Rauhöft, Geschäftsführer des Neuen Verbandes der Lohnsteuerhilfevereine. Das Einkommensteuergesetz sieht in Paragraf 32 d Absatz 6 die Günstigerprüfung vor. Zunächst werden Kapitaleinkünfte mit der Abgeltungsteuer besteuert. Später können sie in der Steuererklärung zum Einkommen addiert und mit dem persönlichen Steuersatz belegt werden. Nur bei dieser Variante greift der Altersentlastungsbetrag. So sind bis zu 40 Prozent der Kapitaleinkünfte steuerfrei. Es gilt die Variante, die für den Bürger besser ist.
Doch es kommt vor, dass Finanzämter den Altersentlastungsbetrag nicht berücksichtigen, wenn der Grenzsteuersatz über 25 Prozent liegt. Dabei legt ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums in Textziffer 150 die Günstigerprüfung unter Berücksichtigung des Altersentlastungsbetrags fest (IV C 1 – S 2252/08/10004). Betroffene sollten Einspruch einlegen. Das geht aber meist nur innerhalb eines Monats. Der Altersentlastungsbetrag steht im Jahr 2010 Steuerzahlern zu, die vor dem 2. Januar 1946 geboren wurden. Außer auf Renten und Pensionen ist dieser Freibetrag auf alle Einkünfte anwendbar, etwa aus Zinsen, Mieten, Honoraren, gewerblicher Tätigkeit oder aus dem Brutto-Arbeitslohn. Für alle, die 2005 schon 65 Jahre oder älter waren, beläuft er sich auf 40 Prozent dieser Einkünfte, maximal aber auf 1 900 Euro. Für jüngere Steuerzahler sinkt er jedes Jahr:
- Wer 2006 den 65. Geburtstag feierte, bekommt 38,4 Prozent, maximal 1 824 Euro,
- wer 2007 65 Jahre alt wurde, erhält 36,8 Prozent, maximal 1 748 Euro,
- 2008 dann 35,2 Prozent, bis 1 672 Euro,
- 2009 sind es 33,6 Prozent, bis 1 596 Euro,
- 2010: 32 Prozent, bis 1 520 Euro,
- 2011: 30,4 Prozent, bis 1 444 Euro.
- Für alle, die erst im Jahr 2040 oder später 65 Jahre alt werden, gibt es nichts mehr.
Der einmal zugesprochene Altersentlastungsbetrag gilt ein Leben lang. Für Ehepaare verdoppelt er sich nicht automatisch, sondern nur, wenn beide mindestens 65 Jahre alt sind und oben genannte begünstigte Einkünfte haben. Vermögen sollte daher auf beide verteilt werden.
Unbedingt ankreuzen
Für Zinsen gilt seit 2009 die Abgeltungsteuer, auch für Dividenden, Kursgewinne und andere Kapitalerträge. Der Sparerpauschbetrag von 801 Euro (Ehepaare 1 602 Euro) bleibt steuerfrei – aber nur, wenn der Sparer der Bank einen Freistellungsauftrag erteilt hat. Der Altersentlastungsbetrag kommt hinzu. Damit können weitere 1 900 Euro pro Person steuerfrei bleiben – inklusive Sparerpauschbetrag bis zu 2 701 Euro.
Zunächst aber behält die Bank auf Kapitalerträge über 801 Euro (Ehepaare 1 602 Euro) 25 Prozent Abgeltungsteuer ein, zusätzlich den Solidaritätszuschlag, sodass es 26,375 Prozent sind, mit Kirchensteuer bis 27,99 Prozent – in Bayern und Baden-Württemberg etwas weniger wegen niedrigerer Kirchensteuer. Das ist mehr als der persönliche Grenzsteuersatz der meisten Rentner. Die Bank knöpft ihnen also mehr ab, als sie dem Finanzamt schulden. Deshalb können sie einen Teil zurückholen – aber nur per Steuererklärung. Dafür ist seit 2009 in Anlage KAP, Zeile 4, die Günstigerprüfung zu beantragen und die Bescheinigung der Bank über die Abgeltungsteuer beizulegen. Ehepaare müssen zwei Anlagen KAP abgeben, auch wenn nur ein Partner Kapitalerträge hat. Wird das Kästchen für die Günstigerprüfung nicht angekreuzt, berücksichtigt das Finanzamt den Altersentlastungsbetrag bei Kapitalerträgen nicht.
Als Faustregel gilt: Liegt der persönliche Grenzsteuersatz ohne Kapitaleinkünfte unter 25 Prozent, lohnt sich eine Günstigerprüfung auf jeden Fall. Ein Grenzsteuersatz von 25 Prozent ergibt sich erst bei einem zu versteuernden Einkommen von etwa 15 700 Euro, bei Ehepaaren 31 400 Euro.
Der Grenzsteuersatz ist der Satz auf den letzten zu versteuernden Euro. Er hat nichts zu tun mit dem Durchschnittssteuersatz, der auf jeden Euro entfällt. Eine Günstigerprüfung kann selbst bei fast40 Prozent Grenzsteuersatz noch Vorteile bringen. Finanzämter, die das von vornherein ausschließen, liegen falsch.
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Als Spätheimkehrer aus Frankreich bin ich erst vor einigen Tagen mit diesem Konstrukt in Kontakt gekommen, das aus der Entfernung für etwa ein Drittel meiner Einkünfte, die als Kapitaleinkünfte mit 25 % versteuert werden, interessant erschien. Kapitaleinkünfte werden neben meinen anderen Einkünften aus steuerbegünstigten Renten versteuert, nachdem vorher der Sparerpauschbetrag abgezogen worden ist, und das Ergebnis dieser Maßnahme wird später mit der Versteuerung der übrigen Einkünfte zusammengeführt. Unser - wir sind ein Paar - mit 3800 EUR angekündigter Altersentlastungsbetrag lässt sich in dieses System jetzt nicht mehr einbauen, es sei denn, man kastriert ihn dabei bis zur Unkenntlichkeit, d. h. bis in die Nähe von Null.
Meine Frage, warum man die 3800 EUR nicht zusammen mit dem Sparerpauschbetrag von den Kapitaleinkünften, die einzig betroffen waren, abgezogen hat, wurde bisher nicht befriedigend beantwortet. Ich denke deshalb ein bisschen an das Trojanische Pferd.
mfG