
Jetzt haben möglicherweise auch junge Beamte wertvolle Nachzahlungsansprüche wegen Altersdiskriminierung. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat verschiedene Dienststellen verurteilt, jüngeren Beamten genau so viel zu zahlen wie älteren Kollegen. Bis zu 23 000 Euro mehr kann es pro Jahr geben. test.de sagt, wie sich junge Beamte Nachzahlungsansprüche sichern.
[Update 03.06.2013]
Beamte mit gleichen Rechten wie Angestellte
Für Angestellte hatten der Europäische Gerichtshof (EuGH) und das Bundesarbeitsgericht bereits rechtskräftig entschieden, dass die Differenzierung der Verdiensthöhe nach Lebensalter diskriminierend und unzulässig ist. Die betroffenen Arbeitgeber mussten den jungen Mitarbeitern viele Millionen Euro Gehalt nachzahlen. Bei Beamten sind die Verwaltungsgerichte zuständig. Und sie hatten Klagen auf höhere Besoldung wegen Altersdiskriminierung bisher abgewiesen. Sie argumentierten: Die Besoldung sei gesetzlich geregelt – und stehe nicht wie bei Angestellten bloß im Tarifvertrag. Doch die Verwaltungsrichter in Frankfurt am Main und Halle sehen das jetzt anders. Sie meinen: Die direkt vom Alter abhängige Bezahlung verstößt auch bei Beamten gegen das Europarecht. Junge Beamte müssen genau so viel Geld erhalten wie ältere Mitarbeiter.
Richter als Kläger vor Gericht
Geklagt hatten mehrere Richter und ein Polizeioberkommissar. Nach dem Urteil müssen sie jetzt zwischen 2 500 und 23 000 Euro pro Jahr mehr bekommen. Das Hessische Innenministerium als Klagegegner prüft allerdings noch, ob es die Zulassung der Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof beantragt.
Zahlreiche Beamte betroffen
Betroffen sind Beamte, die noch nicht die höchste für ihre Besoldungsgruppe vorgesehene Stufe erreicht haben und bei denen die Besoldung noch direkt vom Dienstalter abhängig ist. Bei einem Teil der Beamten richtet sich das Gehalt nach Erfahrungsstufen. Das ist zulässig, soweit nicht die Erfahrung nach den maßgeblichen Regelungen nicht wieder direkt vom Alter abhängt. Wer sich den Anspruch auf höhere Besoldung sichern will, sollte das sofort beim Dienstherrn schriftlich beantragen und sicherheitshalber auch Widerspruch gegen die aktuell schlechtere Bezahlung einlegen. Wenn der Antrag abgelehnt wird, muss der Betroffene rechtzeitig Widerspruch einlegen und gegen Widerspruchsbescheide fristgerecht beim Verwaltungsgericht Klage einlegen. Tipps und Unterstützung gibt es meist beim zuständigen Personalrat und der Gewerkschaft, die ihren Mitgliedern in der Regel auch Rechtsschutz bietet. Hilfreich ist natürlich auch eine eigene Rechtsschutzversicherung.
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, Urteile vom 20.08.2012
Aktenzeichen: 9 K 1175/11.F, 9 K 5034/11. F, 9 K 5036/11.F und 9 K 8/12. F
[Update 31.08.2012] Bereits vor fast einem Jahr hatte das Verwaltungsgericht Halle von der Öffentlichkeit wenig beachtet in acht Verfahren ganz ähnlich entschieden. Dort liegen inzwischen die Urteilsbegründungen vor. Danach gilt: Verbotene Diskriminierung liegt vor, wenn die Höhe der Bezahlung direkt vom Alter abhängt. Erlaubt ist dagegen, auf die Erfahrung abzustellen - so wie es die Besoldungsregeln für viele Beamte inzwischen tun. So hatten es die Arbeitsgerichte auch bei der Bezahlung von Angestellten gesehen. Außerdem interessant: Das Verwaltungsgericht Halle meint, dass die junge Beamte keinen Antrag stellen mussten, um mehr Geld zu erhalten. Es erschwere die Durchsetzung des Diskriminierungsverbots und widerspreche damit dem EU-Recht, Betroffenen zuzumuten, in jedem Einzelfall gegen ihren Dienstherren vorzugehen. Die Richter verurteilten die Behörden daher zu Nachzahlungen ab Januar 2006. Die Kläger hatten im Jahr 2009 beantragt, ihnen das jeweilige Höchstgehalt zu zahlen.
Verwaltungsgericht Halle, Urteile vom 28.09.2011
Aktenzeichen: 5 A 63/10, 5 A 64/10, 5 A 65/10, 5 A 72/10 HAL, 5 A 349/09 und weitere
[Update 26.10.2012] Das Verwaltungsgericht Berlin hat verschiedene Klageverfahren ausgesetzt und holt eine weitere Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg an. Die Richter glauben, dass die bis Ende Juli 2011 geltenden Regeln für die Beamtenbesoldung in Berlin und die Übergangsregeln im ab August 2011 geltenden Gesetz europarechtswidrig sind. Viele Berliner Beamte hätten dann ebenfalls Nachzahlungsansprüche.
Verwaltungsgericht Berlin, Beschlüsse vom 23.10.2012
Aktenzeichen: VG 07 K 343.12, VG K 425.12 und weitere
[Update 03.06.2013] Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt urteilt wie das Verwaltungsgericht Halle: Die altersabhängige Bezahlung der Beamten war verbotene Diskriminierung. Jüngere Beamte haben Nachzahlungsansprüche. Einschränkung: Erst ab Anfang des Jahres, indem sie die Nachzahlung beantragt haben, gibt’s zusätzliches Geld. Nachzahlung für mehrere Jahre schloss das Oberverwaltungsgericht aus.
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11.12.2012
Aktenzeichen: 1 L 188/11
Die Vorgeschichte:
Europäischer Gerichtshof: Rechtswidrige Diskriminierung
Bundesarbeitsgericht: Mehr Gehalt für junge Mitarbeiter