Alten­pflege für Quer­einsteiger Wild­wuchs beim Kurs­angebot

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Alten­pflege für Quer­einsteiger - Wild­wuchs beim Kurs­angebot

In unzäh­ligen Kursen macht die Arbeits­agentur Fach­fremde fit für einen Pflegejob. Doch wer wo was lernt, ist selbst Experten unklar. Die Stiftung Warentest klärt auf.

Umschulung per Bildungs­gutschein

Alte Menschen zu pflegen, ist körperlich anstrengend, emotional belastend und vergleichs­weise schlecht bezahlt. Weil viel zu wenig junge Menschen Alten­pfleger werden wollen, setzt der Staat auf Quer­einsteiger. Arbeits­lose und Ältere, Frauen nach der Familien- oder Pflege­zeit und Migranten – Menschen also, die es sonst auf dem Ausbildungs- und Arbeits­markt eher schwer haben. In diesem Fall bekommen auch sie den begehrten Bildungs­gutschein, den sie bei einem Weiterbildungs­anbieter ihrer Wahl einlösen können. Im Kurs sollen sie das Notwendige lernen, um den harten Job bewältigen zu können. Meistens gilt der Gutschein für den Besuch kürzerer Seminare, manchmal aber auch – über eine Umschulung – für eine Berufs­ausbildung in der Pflege.

Verwirrende Kurs­titel

Weil wir bei Recherchen über immer wieder neue, aber ähnlich klingende Kursnamen im Pflege­bereich gestolpert sind, haben wir uns das Angebot näher angesehen und eine Markt­über­sicht erstellt. Sie beant­wortet folgende Fragen: Wie können Quer­einsteiger in die Pfle­gebranche einsteigen? Welches ist der beste Weg? Wofür stehen Bezeichnungen wie Alltags­betreuer, Alltags­begleiter oder Senioren­betreuer? Welche Abschlüsse sind bundes­weit gleich, landes­recht­lich oder gar nicht geregelt?

Mehr als 200 Experten befragt

Wir haben systematisch Informationen zum Qualifizierungs­angebot in der Alten­pflege aus dem Internet und von Branchen­profis zusammen­getragen (siehe So sind wir vorgegangen) und dafür mehr als 200 Experten befragt. Das Ergebnis ist ernüchternd: Das Angebot ist selbst für Profis nicht durch­schaubar. Es gibt nicht nur unzäh­lige unterschiedlich lange Kurse mit ähnlichen oder denselben Bezeichnungen, die aber anders aufgebaut sind, Anderes vermitteln und unterschiedlich geregelt sind.

Nur die dreijäh­rige Ausbildung ist bundes­weit einheitlich

Erschwerend kommt hinzu: Bundes­einheitlich geregelt ist seit 2003 nur die dreijäh­rige Ausbildung zur Fach­kraft Alten­pflege. Die einjährige Ausbildung zum Alten­pfle­gehelfer wollen die Bundes­länder durch eine zweijäh­rige zum Pfle­geassistenten ersetzen. Die ist jedoch landes­recht­lich geregelt. So gibt es mancher­orts derzeit beide Ausbildungen oder nur eine von beiden. Fast undurch­schaubar wird das Angebot dadurch, dass manche Bildungs­träger die Kurs­zertifikate als Pässe oder Scheine anbieten (siehe Glossar) und damit werben.

Markt­über­sicht schafft Trans­parenz

„Selbst Experten blicken hier kaum durch. Nur wenn der Markt trans­parenter wird und die Qualifikationen durch­lässiger, gewinnen wir mehr Quer­einsteiger für die Pflege“, fasst Stefan Görres, Professor am Bremer Institut für Public Health und Pflege­forschung, die Situation zusammen. Um Trans­parenz zu schaffen, haben wir die von uns recherchierten Berufs­ausbildungen sowie Kurse zwischen 2 und 36 Monaten in einer Über­sicht zusammen­gestellt. Drei Ausbildungen münden in einen Beruf (siehe Beruf Altenpfleger, Beruf Pflegeassistent und Beruf Sozialassistent), drei andere Wege in eine Tätig­keit ohne Berufs­abschluss (siehe Kurse Betreuung, Kurse Betreuung und Pflege und Pflegekurse). Der Schwer­punkt liegt jeweils auf der Pflege oder der Betreuung oder ist eine Kombination aus beidem. Die Kurse qualifizieren für eine Helfer­tätig­keit. Nur in Brandenburg kann sich durch eine Kurz­qualifizierung die Ausbildung zum Alten­pfle­gehelfer verkürzen. Die Markt­über­sicht macht sicht­bar, ob eine Qualifizierung geregelt ist und wie aussagekräftig der Abschluss ist. Vor allem aber zeigt sie, unter welchen Synonymen die Ausbildung oder der Kurs noch zu finden ist.

„Fach­kraft“ oft nur Helferjob

So ist der Pfle­geassistent sowohl eine zweijäh­rige Ausbildung als auch eine vier- bis siebenmonatige Qualifizierung. Klar wird auch: Was Anbieter gern als „Fach­kraft“ verkaufen, ist oft nicht mehr als die Vorbereitung auf einen Helferjob.

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Profilbild Stiftung_Warentest am 13.11.2015 um 15:50 Uhr
Probleme mit dem Pflegedienst

@Pumukel-Lily: Es ist sicher sinnvoll, im ersten Schritt Probleme offen anzusprechen – etwa der Pflegedienstleitung oder der Geschäftsführung gegenüber. Natürlich ist es Ihr Recht, die Qualifikation der Pflegekräfte zu erfahren. Behandlungspflege gehört in die Hände von Pflegefachkräften. Können die Probleme nicht gelöst werden, können Sie sich etwa an die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA: www.biva.de) wenden, die auch eine telefonische Beratung anbieten. Auch Pflegeberatungsstellen – etwa der Kommune oder Pflegestützpunkte – können Fragen zum Umgang mit dem Pflegedienst beantworten. Wenn aus Ihrer Sicht eindeutige Pflegefehler vorliegen, wenden Sie sich an Ihre Pflegekasse oder direkt an den für das Bundesland zuständigen Landesverband der Pflegekassen. (maa)

Pumukel-Lilly am 08.11.2015 um 11:33 Uhr
Ampulanter Pflegedienst

Ich habe einen Pflegedienst ,wo ich das Gefühl habe das viele Ungelernte die Behandlungspflege machen. Dürfen die das? Habe ich als Kunde das Recht zu erfahren,was für eine Qualifikation die Pfleger/in haben?Auch wird der Punkt "Hygiene" sehr klein geschrieben.Wie sind da meine Rechte? Darf ich auf Handschuh Wechsel und Desinfektion bestehen?

tj121158 am 24.01.2012 um 16:52 Uhr
realitätsferne?

ein bischen schon wie ich meine
die einstiegslöhne geelten NUR für arbeitgeber die freiwillig sich an die tarfife binden arbeitgeberverband pflege gibt es nicht - ergo keinen flächentarifvertrag
pflegen+wohnen in hh machts vor - löhne und arbeitsbedingungen verschlechtern mit betriebsvereinbarung
einstiegstgehälter gut und schön -als erfahrende pflegekraft kannst lange suchen um die euros zu bekommen
beruflichesfortkommen - mau -qualifikationen wurden im rahmen der pflegereformen von altenpflegern zu krankenschwestern iverlagert - versuch mal eine als exam.altenpflegern nefortbildung zur pdl zu bekommen
die schon ende der 80ziger von den berufsverbänden angemahnte gemeinsameausbildungfürpflgeberufe mit der möglichkeit sich nach 2 jahren zuspezialisieren - altenpflege-krankenpflege-kinderkrankenpflege - essig
etc,,,,

Jeanmum am 11.11.2011 um 12:25 Uhr
Spritzen darf nicht jeder

Auch wenn man es gelernt hat oder sogar einen sogenannten Spritzenschein ( ist abgeschafft worden) besitzt, darf ein Pflegehelfer nicht spritzen. Es wird zwar auch in der Praxis von Helfern durch geführt, passiert aber etwas ( wie auch immer) haftet nicht nur er dafür.
Es gab letztes Jahr einen großen Bericht darüber , da ging es um eine Helferin, die hat 20 Jahre lang spritzen dürfen und von einmal durfte sie es nicht mehr. Ich kann mich dunkel daran erinnern , das sie sogar vor Gericht zog. SIe hat die Erlaubnis auch nur erteilt bekommen, weil sie die einzigste Dorfschwester war und sonst keiner mehr die Leute hätte spritzen können.
Diese Fortbildung ist nur Geldschneiderei, mehr nicht.
Bei uns im Haus dürfen nur die Spritzen, die min. eine 1 jährige Ausbildung vorweisen können , die haben dann auch das richtige spritzen gelernt. Die Helfer mit dem 6 Wochenschein dürfen nur Grundpflege machen und ich hoffe das bleibt auch so.

BeaJ66 am 11.11.2011 um 08:04 Uhr
Kann's etwas mehr sein?

Also für Fachkräfte kann's doch wohl etwas mehr sein als ein paar Stunden ungeregelte Fortbildung zum Erlernen des Subkutanspritzens. Während ein z. B. insulinpflichtiger Diabetiker schon gleich bei Insulineinstellung das Selbstinjizieren lernt -lernen muss!- kann es doch wohl nicht sein, dass Pflege-/ Pflegehilfskräfte so unzureichend ausgebildet werden. Grundlagenwissen (Hautaufbau, mögliche Schädigungen, etc) gehört in eine fachgerechte Ausbildung und umfasst einen guten Ausbilder, Übungsmaterial und genügend Zeit inkl Praxiserfahrung, also eben fachgerecht. Bundeseinheitliche Ausbildungsstandards sind weiter zu förden.