Altenheim Einblick uner­wünscht – Pfle­geheim-Verträge im Check

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Sie gelten als Neben­sache, sind im Streitfall aber entscheidend – Verträge zwischen Pfle­geheim und Bewohner. Eine Recherche der Stiftung Warentest zeigt: Die meisten Heime halten ihr Klein­gedrucktes lieber unter Verschluss. Das ist das ernüchternde Ergebnis einer Stich­probe bei 30 Heimen von wichtigen Betreibern wie Pro Seniore, Arbeiter Samariter Bund und Deutsches Rotes Kreuz. Nur 7 Senioren­heime ließen sich in die Karten schauen. Ein Heim­betreiber erwies sich als besonders trans­parent.

Altenheim

  • Testergebnisse für 7 Pfle­geheime 06/2018 - Die Trans­parenten Anzeigen
  • Testergebnisse für 23 Pfle­geheime 06/2018 - Die Ver­weigerer Anzeigen
Liste der 30 getesteten Produkte
Pfle­geheime 06/2018 - Die Trans­parenten
  • Arbeiterwohlfahrt Rudi-Tonn-Altenzentrum (Hürth bei Köln)
  • Caritas Seniorenheim St. Josef (Berlin)
  • Diakonie Seniorenzentrum Martha-Maria (München)
  • Korian Haus Phönix Neuperlach (München)
  • Korian Seniorenpflegezentrum Curanum Jungfernstieg (Berlin)
  • Korian Zentrum für Betreuung und Pflege Phönix (Köln)
  • Volkssolidarität Altenpflegeheim Sonnenschein (Leipzig)
Pfle­geheime 06/2018 - Die Ver­weigerer
  • Alloheim Senioren-Residenz An der Weißen Elster (Leipzig)
  • Alloheim Senioren-Residenz Frechen (Frechen bei Köln)
  • Alloheim Senioren-Residenz Schwyzer Straße (Berlin)
  • Arbeiter-Samariter-Bund Norbert Burger Seniorenzentrum (Köln)
  • Arbeiter-Samariter-Bund Seniorenhaus am Hain (Hohen Neuendorf bei Berlin)
  • Arbeiter-Samariter-Bund Seniorenzentrum Marie-Anne Clauss (München)
  • Arbeiterwohlfahrt Pflegeeinrichtung Käthe Kollwitz (Berlin)
  • Arbeiterwohlfahrt Sozialzentrum Giesing (München)
  • Caritas Alten- und Pflegeheim St. Michael (München)
  • Caritas Seniorenhaus St. Maria (Köln)
  • Diakonie Haus Rüsternallee (Berlin)
  • Diakonie Johanniter-Stift Köln-Ehrenfeld (Köln)
  • DRK Pflege & Wohnen Mariendorf (Berlin)
  • DRK Seniorenhaus Steinbach (Bonn)
  • DRK SeniorenWohnen Kieferngarten (München)
  • Orpea Comunita Seniorenhaus Vinzenz (Dortmund)
  • Orpea Fürsorge im Alter Seniorenresidenz Haus Steglitz (Berlin)
  • Orpea Vitalis Senioren-Zentr. Maria-Magdalena (Germering b. München)
  • Pro Seniore Residenz Hansa Park (Magdeburg)
  • Pro Seniore Residenz Kurfürstendamm (Berlin)
  • Pro Seniore Wohnpark Ebersbach (Weichs-Ebersbach bei München)
  • Volkssolidarität Seniorenheim Alfred Jung (Berlin)
  • Volkssolidarität Seniorenresidenz Am Eiskellerplatz (Magdeburg)

Mauer des Schweigens

Den Austausch mit zehn der wichtigsten Heim­betreiber dieses Landes hatten wir uns anders vorgestellt. Wir rechneten damit, auf geballte Kompetenz zu treffen – geschätzt bringen sie es zusammen auf über 450 000 Plätze in rund 6 000 Pfle­geheimen. Doch es baute sich eine Mauer des Schweigens auf. Wir hatten um Einblick in Verträge gebeten, die sie mit Bewohnern schließen.

Das bietet unser Check von Pfle­geheim­verträgen

Test­ergeb­nisse.
Die Stiftung Warentest hat die Verträge von 30 ausgewählten voll­stationären Pfle­geheimen in Deutsch­land untersucht, darunter Einrichtungen der großen Anbieter Deutsches Rotes Kreuz, Caritas und Orpea. Zwei Tabellen fassen die Unter­suchungs­ergeb­nisse zusammen. Die erste Tabelle zeigt die 7 transparenten Pflegeanbieter, die zweite nennt die 23 Testverweigerer. Geprüft haben wir, ob die Verträge gegen Gesetze verstoßen oder Rege­lungen enthalten, die für Heimbe­wohner ungünstig sind – oder vorteilhaft.
Tipps.
Die Experten der Stiftung Warentest erklären, wie Sie bei der Auswahl des Pfle­geheims vorgehen sollten, und was bei Pfle­geheim­verträgen zu beachten ist.
Heft-Artikel.
Sie können das PDF zum Artikel aus test 6/2018 kostenlos herunter­laden.
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„Zu wenig Nutzen für das Heim“

23 von 30 Pfle­geheimen lehnten es ab, Verträge offen­zulegen – darunter alle angefragten der Privatkonzerne Alloheim, Orpea und Pro Seniore. Auch gemeinnützige Verbände, die gesell­schaftlich stark verankert sind, ließen uns abblitzen. Vom Arbeiter Samariter Bund und dem Deutschen Roten Kreuz bekamen wir keine konkreten Verträge zu sehen. „Weiteren Über­prüfungen, speziell vor Ort, können wir nicht zustimmen“, hieß es beim DRK-Heim in München. Bei der Arbeiter­wohl­fahrt, Caritas, Diakonie und Volks­solidarität erlaubte nur je eins von drei Häusern eine Über­prüfung. Eine Pflegedirektorin der Volks­solidarität in Berlin sah „zu wenig Nutzen für das Heim“. Etliche sagten ohne Begründung ab oder versprachen Rück­rufe, die nie kamen (Tabelle: Die Verweigerer). Warum so verschlossen?

„Die Qualität der Pflege“ entscheidet

Zeit ist im Pflegesektor ein kost­bares Gut. Die Probleme der Branche sind allseits bekannt: die steigende Zahl an Bedürftigen, der hohe Zeit- und Kosten­druck, die Über­forderung der Helfer. Eine parlamentarische Anfrage der Grünen ergab: Derzeit sind 25 000 Fach­kräfte­stellen deutsch­land­weit unbe­setzt. Unser Besuch hätte die Heimleitung jedoch nur etwa zwei Stunden gekostet. Wir meinen: Geht es um das Wohl­ergehen alter oder kranker Menschen, sollte Trans­parenz nicht auf der Strecke bleiben – erst recht nicht, wenn man zu den Großen der Branche zählt.

Vertrag regelt das Wohn- und Betreuungs­verhältnis

„Entscheidend für uns ... ist letzt­lich die Qualität der Pflege“, schrieb uns die private Kette Orpea. Der Vertrag sei weniger relevant. Eine Lappalie ist ein Heim­vertrag jedoch nicht: Er regelt das Wohn- und Betreuungs­verhältnis, legt unter anderem fest, welche Leistungen das Heim anbietet, wie viel für Unterkunft, Pflege und Verköstigung im Monat zu zahlen ist. Ungeprüft sollte niemand den Vertrag unterzeichnen.

Im Streitfall die Ober­hand behalten

Nur wer die Klauseln versteht, kann sich im Streitfall wehren. Das zeigen die Erfahrungen von Angelika Hauser und Beate Breining, die für ihre Mütter kämpften. Angelika Hauser wehrte sich, als das Heim für ihre Mutter eine höhere Pfle­gestufe beantragen wollte. Sie konnte keine Verschlechterung bei ihrer Mutter erkennen, hätte pro Monat aber fast 300 Euro mehr zahlen müssen. Das Heim setzte sich über Vereinbarungen im Vertrag hinweg und rechnete eigenmächtig die höhere Stufe ab. Es waren die Gutachter des Medizi­nischen Diensts der Krankenkassen, die Angelika Hauser recht gaben: Das Heim musste die Erhöhung zurück­nehmen.

Korian am trans­parentesten

Am trans­parentesten in der Unter­suchung zeigte sich Heim­betreiber Korian: Alle angefragten Häuser der französischen Gruppe machten mit. Korian ist mit rund 25 000 Pfle­geplätzen der größte private Anbieter in Deutsch­land.

Keine Verteuerung ohne Zustimmung

In den Verträgen, die wir einsehen konnten, fanden wir keine bis geringe Rechts­verstöße. Der gröbste: Entgelt­erhöhungen sollen laut den Verträgen dreier Häuser ohne Zustimmung des Bewohners erfolgen können (Tabelle: Die Transparenten). Das ist unzu­lässig, stellte der Bundes­gerichts­hof 2016 klar. Bewohner müssen schriftlich informiert werden, können zustimmen oder kündigen.

Komplexe Materie

Das Heimrecht ist sehr komplex. „Sowohl Landes- als auch Bundes­gesetze können gelten und verschiedene Rechts­gebiete ineinander­greifen“, sagt Anwältin Ulrike Kemp­chen von der Bundes­interes­senvertretung für alte und pflege­betroffene Menschen (Biva). Was in Verträgen steht, die uns nicht zugäng­lich waren, bleibt im Dunkeln.

Extra-Kosten stehen oft im Anhang

„Wir haben häufig etwas zu bean­standen“, sagt Karlheinz Börner. Der stell­vertretende Leiter des Hessischen Amts für Versorgung und Soziales prüft regel­mäßig Heim­verträge. „Unter anderem kommt es vor, dass Regel­leistungen, die jeden Monat zu bezahlen sind, als kosten­pflichtige Zusatz­leistung aufgeführt werden“, weiß er aus Erfahrung. Zusatz­leistungen stehen oft in den Anhängen der Verträge.

Ungüns­tige und güns­tige Rege­lungen

Wir fanden sowohl in den Anhängen als auch in den Verträgen selbst ungüns­tige Rege­lungen. So sollen Bewohner dem Heim etwa ihre Einkommens­verhält­nisse offenlegen, wenn es sie beim Stellen von Anträgen unterstützt. Auch güns­tige Rege­lungen waren darunter wie das Recht, Kleintiere halten zu dürfen.

Begleitung zum Arzt gehört zu den Regel­leistungen

Karlheinz Börner lässt in strittigen Punkten nicht locker. 2015 bestätigte das Bundes­verwaltungs­gericht die Sicht der hessischen Pfle­geaufsicht: Die Begleitung von Heimbe­wohnern zu notwendigen Arzt­besuchen sei eine Regel­leistung und dürfe nicht extra kosten.

Für Bewohner kaum verständlich

Nahezu alle Verträge im Test haben Verbesserungs­potenzial. Ange­fangen bei der Schrift: Sie ist für die ältere Zielgruppe oft zu klein. Der Inhalt ist gespickt mit Verweisen auf Gesetze, die viele Menschen über­fordern dürften. Dagegen werden Informationen dazu, wie Bewohner ihre Rechte wahr­nehmen können, gern weggelassen. Wer den Vertrag verstehen will, muss nach­haken oder sich beraten lassen. „Viele kommen zu spät in die Beratung, wenn es bereits Konflikte gibt“, sagt Anwältin Kemp­chen. Heime beraten oft nicht ausreichend. Es fehlt an Ideen, Vertrags­inhalte einfach zu vermitteln, etwa über Videos.

Heimleitung informiert oft schlecht

Erfahrungen von Angehörigen zeigen: Das Interesse mancher Heimleitung, über Vertrags­inhalte zu informieren und sie einzuhalten, ist begrenzt. Denn im Streitfall machen ihnen aufgeklärte Verbraucher wie Angelika Hauser Stress. Beate Breining wünscht sich heute, sie hätte stärker auf ihr Recht gepocht. Als das Heim ihrer Mutter zum Groß­teil abge­rissen wurde, suchte sie ihr selbst einen neuen Platz. Die Heimleitung hätte schriftlich kündigen, angemessene Umzugs­kosten über­nehmen und gleich­wertigen Ersatz nach­weisen müssen, tat es aber nicht. Breining wurde fündig, jedoch nicht wie gewünscht im Heimat­ort.

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Heim-Mitwirker am 02.09.2019 um 08:47 Uhr
BIVA-Pflegeschutzbund bietet Unterstützung

Der gemeinützige Verein Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA) stellt bei seiner Beratungstätigkeit seit vielen Jahren immer wieder Rechtsverstöße im ambulanten und stationären Bereich zum Nachteil der pflegebedürftigen Menschen fest. Zentraler Dreh- und Angelpunkt sind Heimverträge, die leider immer wieder Grund zur Beanstandung sind.
Der Umzug in ein Pflegeheim oder die Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst kommen für viele Betroffene plötzlich und ungeplant. Man sieht sich dann als Betroffener oder häufig auch Angehöriger plötzlich einem Regelwerk von nicht selten 30 Seiten gegenüber und unterschreibt dieses quasi blind, weil man in der belastenden Situation einfach nur froh ist, eine Versorgung gefunden zu haben. Auf den Internetseiten der BIVA gibt es eine kostenlose Anleitung zum Lesen eines Heimvertrages:
https://www.biva.de/dokumente/broschueren/anleitung-pflegevertrag.pdf
Bei Fragen gibt es eine Hotline https://www.biva.de ...

97Susanna97 am 01.08.2019 um 12:54 Uhr
Schwammig formulierte Leistungen

Den Vertrag bestimmt das Heim: "Hilfe bei ..." bei Pflegegrad 4?
Wenn eine Demente auf die Toilette will und keiner da ist, wenn sie nach stundenlangem Sitzen oder nach dem Essen aufstehen will, fällt sie, bis sie nicht mehr aufstehen kann. Fazit: 9 Stürze, 4 Kopfverletzungen, Prellungen, blaue Flecken usw. in 6 Wochen.>>Protektoren, Kopfhelm (zahlt Bewohner) Schlaftabletten evtl. Fixierung. Dann mit Fieber und Husten in den Durchzug gestellt - Krankenhaus und Tod.
Welcher Vertrag soll da helfen? Ordentlich anziehen, Gebiss reinigen, mal ansprechen und reden?>>Das garantiert kein Vertrag - sollte aber drinstehen.
Wem es dann zu schlecht geht, der muss leider raus.
Hätte DANA Pfl.H. Neustadt i.H. gern bewertet, ist aber alles gekauft.

Willi10.1943 am 22.03.2019 um 02:47 Uhr
Pflegezentrum Holtland Niedersachsen Umgang

Eine Vorstellung der Heimleitung fand nie statt. Wir stellten uns der Verwaltung vor. Mehr hielt man nicht für nötig. Der Vertrag wurde zugesendet, Rücksprache und Fragen unerwünscht, es foolgte Telefonmonolog bis ich auflegte und bei Neuanruf fragte ob ich denn auch zu Wort käme diesmal.
Ich wollte und werde nicht unterschreiben daß ein Demenzpatient für ein Schließsystem verantwortlich haftbar sein soll Zudem könne man solang nicht grob fahrlässig nicht haften - hat aber schon über zwölf Kleidungsstücke verbummelt.
Man wollte dann Druck ausüben ich müssen den patienten abholen wenn kein Vertrag zustande käme.....falsch!
Ein Mietvertrag kann §§145 ff BGB mündlich geschlossen werden wenn Objekt also Zimmer, Miethöhe und Vetragsbeginn bei beidseitiger Absicht feststehen. Das ist gegeben da Rechnungen erhalten, Patient eingezogen. Mündliche Mietverträge können frühestens 1 Jahr nach Einzug gekündigt werden vom Vermieter. § 574 Sozialklausel schliesst Rauswurf eh aus. Also keine Ang

Harald.Klemm am 23.08.2018 um 09:51 Uhr
Geheimniskrämerei?

Ich finde es schon erstaunlich, dass hier so wenig Bereitschaft zur Transparenz herrscht. Immerhin geht es für viele Betroffene und Angehörige um eine der letzten wesentlichen Entscheidungen im Lebensverlauf, die oft auch relativ kurzfristig getroffen werden muss.
Nachdem gemäß politischer Mehrheit mit der Pflege sehr wohl Gewinn erwirtschaftet werden soll ist der Inhalt eines Vertrages wichtig, um den Umfang der Leistungen, Vorgehen bei Differenzen, gegenseitige Ansprüche etc. genau zu kennen. Ein Fall für die Sozialpolitik und den Gesetzgeber, hier Transparenz zu schaffen z. B. durch einheitliche Regelwerke und Vorgaben! Zumindest von den karitativen Trägern bin ich wieder mal tief enttäuscht... und erstaunlich, dass ein privatwirtschaftliches Unternehmen hier viel offener ist...

WoKurt am 25.05.2018 um 18:41 Uhr
Arbeit für Herrn Spahn

Hier wäre doch sinnvolle Arbeit für das Gesundheits- u. Justizministerium in Form eines rechtlich einwandfreien Heimvertrages für alle Heime u. für beide Seiten von Nöten! Warum darf jedes Heim sein eigenes Süppchen kochen?
Aber die Lobby hat ja daran kein Interesse u. die Herren Politiker/innen haben ja nach kurzer Dienstzeit (wenn ich richtig informiert bin eine Legislaturperiode) mehr Geld zur Verfügung als nötig für Ihren Ruhestand u. können sich so ein Luxusheim leisten. Ich hätte für eine Politikerrente etwa 170 Jahre arbeiten müssen.
Ich empfehle das Buch (wenn auch etwas älter): Der Staat als Beute, von Herrn von Arnim!