Penicillin Vermeintliche Allergie ist oft keine

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Penicillin - Vermeintliche Allergie ist oft keine

Häufig verordnet. Amoxicillin aus der Gruppe der Penicilline ist das am häufigsten verordnete Antibiotikum in Deutsch­land. © imago/Science Photo Library

Viele Menschen glauben, allergisch gegen Penicillin zu sein. Doch in etwa 90 Prozent der Fälle stimmt das nicht. Warum bei Verdacht ein Allergie-Test sinn­voll ist.

Lange zurück­liegende Erfahrungen sind kein Beweis

Penicilline, fach­sprach­lich auch als Beta-Laktam-Antibiotika bekannt, gehören zu den am längsten erprobten Antibiotika und werden bei schweren Infektionen schon Klein­kindern verabreicht.

Doch viele Menschen glauben irrtümlich, sie seien gegen Penicilline allergisch. Sie schluss­folgern etwa aus teils lange zurück­liegenden Erfahrungen, dass sie das Medikament nicht vertragen – denn sie haben zum Beispiel mit Durch­fall, Hautrötungen oder Juck­reiz reagiert. Doch das ist noch kein Beweis für eine allergische Reaktion.

Allergie­vermutungen oft unbe­gründet

Der bloße Verdacht, gegen Penicillin allergisch zu sein, bleibt im Gedächt­nis hängen. Doch nur bei etwa zehn Prozent der Verdachts­fälle liegt eine echte Penicillin-Allergie vor. Darauf weist der Ärzte­verband Deutscher Allergologen hin.

Zu einer ähnlichen Einschät­zung gelangte eine 2019 in der Fach­publikation Jama veröffent­lichte Unter­suchung.

Beschwerden können andere Ursachen haben

Verdächtige Symptome wie Ausschlag sind oft keine echte allergische Reaktion auf Penicillin, sondern können durch den zugrunde liegenden Infekt selbst verursacht sein. Auch andere verabreichte Medikamente oder eine gleich­zeitig vorliegende Virus­infektion können der Auslöser sein. Bei Magen-Darm-Beschwerden kann es sich auch einfach um übliche Reaktionen auf Antibiotika handeln, da letztere auch nützliche Darmbakterien angreifen.

Das Risiko, selbst betroffen zu sein, nur weil ein naher Verwandter nach­weislich eine Penicillin-Allergie hat, ist gering.

Andere Antibiotika sind oft nicht so wirk­sam

Die Folge einer falsch vermuteten Allergie: Viele Betroffene bekommen sicher­heits­halber keine Penicilline, sondern andere Antibiotika verordnet. Das wiederum kann Nachteile haben, denn Alternativen wirken oft nicht so gut. Außerdem können sie mehr Neben­wirkungen haben und das Risiko für Resistenzen erhöhen.

Vorteile der Penicilline: Obwohl sie schon lange genutzt werden, sind sie immer noch sehr gut wirk­sam – und erstaunlich wenige Bakterien sind dagegen resistent, also unempfindlich geworden. Das hängt damit zusammen, dass die Mittel oft zielge­richtet nur schädliche Bakterien­arten abtöten und die übrigen verschonen.

Tipp: Wunderwaffe oder riskante Chemiekeule? Wir klären zu Mythen über Antibiotika auf.

Die Verträglich­keit vom Allergologen abklären lassen

Ob tatsäch­lich eine Allergie vorliegt, lässt sich in der Regel von einer allergologischen Praxis abklären – etwa durch einen Hauttest, Prick­test genannt. Die Krankenkasse zahlt den Allergietest. Am besten sollte der Test inner­halb eines Jahres nach der vermeintlichen allergischen Reaktion auf das Penicillin statt­finden. Im Infektions­fall und akuten Situationen wie Unfällen oder Operationen kann das Test­ergebnis wichtig sein.

Penicillin-Allergie muss nicht von Dauer sein

Treten allergische Reaktionen auf bestimmte Penicillin-Präparate auf, ist es möglich zu prüfen, ob Betroffene auf andere Penicilline mit abge­wandelter chemischer Struktur ausweichen können.

Grund­sätzlich können die Tests nach ein paar Jahren wieder­holt werden. Denn eine Arznei­mittel­allergie kann nach Jahren auch wieder verschwinden. Immerhin 80 Prozent der Betroffenen werden nach einem Jahr­zehnt wieder tolerant: Ihnen macht das All­ergen, das einst die Reaktion auslöste, nichts mehr aus.

Allergische Reaktionen: Von Ausschlag bis Schock

Liegt tatsäch­lich eine Penicillin-Allergie vor, können die Symptome unterschiedlich schnell auftreten – je nachdem, ob es sich um eine allergische Sofort- oder Spätre­aktion handelt:

Die allergische Sofortreaktion

Die allergische Spätre­aktion

Sie wird unmittel­bar nach dem Kontakt mit Penicillin inner­halb von Sekunden oder Minuten, spätestens nach einer Stunde ausgelöst. Schwere allergische Reaktionen treten vor allem nach intraven­öser Gabe auf. Auslöser ist unter anderem das Gewebehormon Histamin.

Sie tritt 24 bis 48 Stunden, mitunter auch erst ein bis zwei Wochen nach dem Kontakt mit dem All­ergen auf. Sie kommt durch die sogenannten T-Lymphozyten (aus dem Knochenmark stammende Immun­zellen) zustande, die sich nach dem Kontakt mit dem All­ergen über­mäßig vermehren.

Typische Symptome

  • Haut­ausschlag (z.B. Quaddeln oder Pusteln, Nesselsucht) und Hautrötung
  • Juck­reiz
  • Schwel­lungen der Schleimhäute
  • Schwel­lungen im Gesicht
  • Übel­keit, Erbrechen
  • Herz­rasen
  • Blut­druck­abfall (Schwäche, Schwindel)
  • Atemnot (z.B. Keuchen)
  • Haut­erscheinungen
  • Fieber
  • Blut­bildungs­störungen
  • Schädigung der Niere

Im schwersten Fall treten mehrere der oben genannten Symptome gebündelt auf; es droht ein lebens­bedrohlicher anaphylaktischer Schock. Bei Warnzeichen wie Schwel­lungen im Gesicht und an den Schleimhäuten, Herz­rasen, kaltem Schweiß, Atemnot, Schwindel oder einem Kreis­lauf­zusammenbruch muss sofort der Notarzt (Telefon 112) gerufen werden.

Bei allergischen Reaktionen wird das Penicillin abge­setzt. Der Arzt entscheidet dann, wie die Weiterbe­hand­lung verläuft.

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halsbandschnaepper am 01.08.2019 um 05:18 Uhr
Nicht nur Penicilin

Viele Menschen vertragen "gefühlt" keine Lactose, kein Gluten oder ähnliches. Dabei ist eher ungesund sich als gesunder Mensch unnötig glutenfrei zu ernähren etc.