Alkohol

Interview: „Suff war mein Hobby“

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Alexander Kohl, 32, physikalisch-technischer Assistent aus Weyhe, rutschte langsam in die Alkoholsucht und fand auf einen Schlag heraus. Er leitet nun eine Selbsthilfegruppe der Guttempler.

Woran denken Sie als Erstes, wenn Sie das Wort Alkohol hören?

An die schlechten, alten Zeiten. Den ersten Alkoholkontakt hatte ich mit 13: Stroh-Rum, 80 Prozent. Danach langte ich bei jeder Gelegenheit zu, soweit das geht, wenn man bei seinen Eltern wohnt. Kaum war ich raus, trank ich immer öfter und immer mehr, zuletzt täglich etwa vier, fünf Liter Bier. Suff war mein Hobby – vom Feierabend bis zum Schlafen. So reichte mein Pegel für den ganzen nächsten Arbeitstag.

Warum gerieten Sie in die Spirale?

Zuerst ging es wohl ums Selbstbewusstsein. Mit Alkohol konnte ich plötzlich offen reden und lustig sein. Nach und nach wurde das Trinken zur Gewohnheit. Ich entspannte dabei, immer lieber allein vorm Fernseher. Denn alle, Freunde, Familie, begannen zu nerven: „Trink mal weniger!“

Was brachte Sie zum Umdenken?

Da kam alles Mögliche zusammen. Meine Beziehung ging in die Brüche. Ich verlor nach einem Unfall den Führerschein, aß nicht mehr richtig, weil ich jede freie Minute zum Trinken brauchte. Dann sagte mir mein Chef auf die väterliche Schiene, dass es so nicht weitergeht. Den letzten Ausschlag gab eine Ärztin. Sie sah mich, wusste Bescheid, meinte: „Wenn Sie nicht aufhören, leben Sie nicht mehr lange.“ Da machte es irgendwie Klick.

Was haben Sie dann getan?

Noch eine Weile gezögert, im Netz herumgesucht und die Guttempler angerufen. Zwei kamen zu mir, machten mir klar, dass ich einen Entzug brauche, nannten mir eine Klinik. Am 29. Juni 2006 bin ich für 16 Tage hinein.

Was passierte beim Entzug?

Es gab auf einen Schlag keinen Alkohol mehr. Ich hatte vorher noch ein Bier getrunken – bis heute mein letztes.

War das schwer auszuhalten?

Körperlich war das meiste nach ein paar Tagen überstanden. Das andere ist Kopfsache. Daher lernen viele in einer Therapie, ein Leben ohne Alkohol zu führen. Sehr wichtig sind dabei die Tipps, Tricks und Ermutigungen anderer Betroffener. Deshalb rate ich jedem, eine Gesprächsgruppe zu besuchen.

Vermissen Sie Alkohol manchmal?

Selten. Silvester ist so ein Tag. Aber ich will keinen Rückfall riskieren.

Haben Sie sich Ersatz geschaffen?

Bald nach dem Entzug spürte ich wieder Freude über Kleinigkeiten, die ich gar nicht mehr wahrgenommen hatte: die Sonne etwa oder ein schönes Essen. Inzwischen habe ich wieder eine Beziehung. Meine Hobbys heute sind Sport und Heimkino. Beides entspannt mich, bringt mich raus aus dem Alltag. Alkohol brauche ich nicht mehr dafür.

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