Laut Werbung sind Algenpräparate gesunde Vitalstoffpakete. Doch drei der getesteten Produkte enthalten riskante Substanzen.
Die Werbung im Internet verheißt Wundersames: Die Blaualge Aphanizomenon flos-aquae (Afa) sei „das vitalstoffreichste Lebensmittel der Welt“, „die ideale Nahrung für Körper, Seele und Geist“, heißt es auf einer von unzähligen Websites zum Thema. Eine andere schwärmt über die „große Vielzahl an Mineralien, Spurenelementen und Vitaminen“ in Afa-Tabletten und ähnlichen Präparaten und empfiehlt die Einnahme für „mentale Klarheit, Energie und Konzentration“ sowie „eine starke Immunabwehr, Gesundheit und langes Leben“.
Doch die Wirklichkeit sieht bei den drei Afa-Algenpräparaten, die wir getestet haben, ganz anders aus. Sie enthalten Spuren giftiger Microcystine. Ab und zu sorgen diese für Schlagzeilen: wenn sich davon in Seen oder der Ostsee so hohe Konzentrationen finden, dass die Behörden Badeverbote verhängen.Studien zeigen, dass Microcystine Leber, Niere und Gehirn schädigen können. Zudem stuft sie die Weltgesundheitsorganisation als möglicherweise krebserregend ein. Daher gelten selbst Spuren bei langfristiger Einnahme als gefährlich – vom Verzehr aller drei getesten Afa-Präparate ist also abzuraten.
Und die meisten übrigen Produkte – Kapseln und Tabletten mit den Süßwasseralgen Chlorella oder Spirulina – sind „wenig geeignet“, um die auf der Packung geweckten Erwartungen zu erfüllen.
Gemüse aus dem Wasser
Dass es einen Markt für solche Präparate gibt, liegt vor allem am hohen Nährstoffgehalt mancher Algen. Insbesondere bieten sie viel Eiweiß in ausgewogener Zusammensetzung. Solch nahrhafte Sorten kommen in den Herkunftsregionen seit Jahrhunderten auf den Tisch: etwa Meeresalgen wie Wakame, Kombu und Nori in Ostasien oder Spirulina (siehe „Süßwasseralgen“) am afrikanischen Tschadsee. Forschungsreisende machten diese Esskultur auch in der westlichen Welt bekannt.
Blühender Markt

Afa-Algen bestehen aus winzigen Bakterien, die sich zu sichtbaren Fasern zusammenlagern. Auch Chlorella und Spirulina enthalten viele mikroskopisch kleine Strukturen.
Afa-Algen bestehen aus winzigen Bakterien, die sich zu sichtbaren Fasern zusammenlagern. Auch Chlorella und Spirulina enthalten viele mikroskopisch kleine Strukturen.
Als Pluspunkt der Süßwasseralgen gilt vor allem, dass sie weit weniger Jod enthalten als ihre Verwandten aus dem Meer und somit die Schilddrüsenfunktionen nicht durcheinanderbringen. Ab 1960 begann die Massenproduktion von Chlorella und Spirulina in Zuchtbecken, unter anderem für Tierfutter, Kraftstoff und den Gesundheitsmarkt. Dort tummeln sich seit etwa 1980 auch Afa-Algenpräparate, vor allem Wildwuchs aus dem Klamath-See im US-Bundesstaat Oregon.
Verarbeitet werden die drei Algen ähnlich: abschöpfen oder -filtern, (gefrier)trocknen, zu Kapseln und Co. verwandeln. Der Handel läuft in Deutschland zum Beispiel über Reformhäuser, Apotheken und das Internet. Die Werbung, zu finden auf hunderten von Websites, verspricht unter anderem, dass Spirulina, Chlorella und Afa den Körper mit Eiweißen, Mineralien und Vitaminen versorgen.
Bruchteil des Bedarfs
Doch dabei gibt es – das zeigt der erste Blick auf die Packung der getesteten Präparate – ein Problem: Sie decken nur einen Bruchteil des menschlichen Eiweißbedarfs. So liefern sie in der empfohlenen Höchstdosis (entsprechend etwa 1,5 Gramm bis 9 Gramm) täglich 1,1 bis 5,4 Gramm Protein – ein 70 Kilo schwerer Mann braucht aber etwa 56 Gramm. Was die Algen gar bei erhöhter Belastung, etwa bei Sportlern, Schwangeren oder Stressgeplagten, bringen sollen, ist nicht ersichtlich. Doch manches getestete Produkt wirbt auf der Packung mit derlei Aussagen.
Noch weit niedriger sind die Mengen an Kohlenhydraten und Fetten. Und die – laut Internet angeblich so zahlreichen – Vitamine, Mineralstoffe und sonstigen Vitalstoffe sind nur vereinzelt auf den getesteten Packungen ausgelobt – und dann meist auch noch mit Vorsicht zu genießen.
Vitamin B 12 kaum verwertbar
So enthalten einige Chlorella- und Spirulina-Präparate recht viel Eisen, allen voran Ivarsson’s Hawaiian Spirulina. Doch ist nicht abschließend geklärt, ob eine zusätzliche Zufuhr des Minerals das Risiko für Krankheiten erhöht. Deshalb rät das Bundesinstitut für Risikobewertung derzeit davon ab, mit Eisen angereicherte Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel mit Eisen einzunehmen.
Probleme macht auch die Nährwerttabelle auf den Packungen von greenvalley Spirulina und GSE Afa-Alge, wonach beide dem Körper viel Vitamin B 12 zuführen. Denn dieses Vitamin, das vor allem in tierischen Produkten wie zum Beispiel Rinderleber vorkommt, findet sich in Afa und Spirulina überwiegend in einer für Menschen nicht verwertbaren Form.
Und für das auf manchen Produkten ausgelobte Chlorophyll braucht niemand zur Alge zu greifen. Es steckt in allen grünen Pflanzenteilen, also auch in grünen Gemüsesorten, verleiht ihnen sogar ihre Farbe.
Auf manchen Packungen der Algenpräparate finden sich auch undurchsichtige Werbeaussagen. Ivarsson’s Hawaiian Spirulina verheißt „über 50 hochwertige Mikronährstoffe“, Hannes Pharma Blue Green Alge ein „Maximum an Vitalstoffen“ – ohne die angepriesenen Substanzen aber näher zu benennen, geschweige denn mengenmäßig zu beziffern.
Aussagen über Heilkräfte unbelegt

Afa-Algen stammen oft aus dem Klamath-See. Anbieter werben mit seiner idyllischen Erscheinung. Doch gibt es dort überdüngte Böden, was das Algenwachstum fördert.
Afa-Algen stammen oft aus dem Klamath-See. Anbieter werben mit seiner idyllischen Erscheinung. Doch gibt es dort überdüngte Böden, was das Algenwachstum fördert.
Auch andere Behauptungen über Süßwasseralgen, wie vielfach im Internet zu finden, dürften einer strengen Überprüfung meist nicht standhalten. Das gilt besonders für angebliche gesundheitliche Wirkungen. So sollen alle drei Sorten – Afa, Chlorella, Spirulina – Lebensenergie spenden, Gifte ausleiten und beim Abnehmen helfen.
Auch Heilkräfte sprechen ihre Befürworter den Algen zu, besonders Afa. Sie hilft angeblich etwa gegen Virusinfektionen, Krebs, Depressionen, Demenz und kindliches Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS). Doch 2002 warnten die Bundesinstitute für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin: „Für derartige medizinische Wirkungen gibt es keinerlei wissenschaftliche Belege.“ Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Auch zu den Gesundheitseffekten von Chlorella und Spirulina finden sich nur vereinzelt klinische Studien mit geringer Teilnehmerzahl und Aussagekraft.
Keine Zulassung als Arzneimittel
So verfügt auch keines der in Deutschland erhältlichen Algenpräparate über eine Zulassung als Arzneimittel. Stattdessen gelten die meisten rechtlich als Nahrungsergänzungsmittel. Somit müssen sie keine Wirksamkeitsnachweise erbringen und werden längst nicht so streng kontrolliert wie Medikamente. Drei der getesteten Produkte nennen sich sogar „Lebensmittel“, haben also bezüglich der Kennzeichnung noch weniger Anforderungen zu erfüllen.
Lieber abwechslungsreich ernähren
Grundsätzlich gilt: Zusatzpräparate mit Nährstoffen, Mineralien und Vitaminen sind bei uns in der Regel überflüssig. Wie die „Nationale Verzehrsstudie II“ 2008 bestätigte, leiden Bundesbürger daran meist keinen Mangel. Wer, etwa krankheitsbedingt, doch eine Nahrungsergänzung braucht, gehört unter ärztliche Kontrolle.
Tipp: Ernähren Sie sich abwechslungsreich – mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Kartoffeln. Mageres Fleisch liefert Eisen, fetter Seefisch wertvolle Fettsäuren, Milchprodukte spenden Kalzium. So gelangt eine Fülle an Vitalstoffen in den Körper – auch ohne Algen zu schlucken.