Akustische Täuschung Laurel oder Yanny?

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Akustische Täuschung - Laurel oder Yanny?

Ich höre was, was Du nicht hörst. Christian van de Sand (links) aus dem Multimedia-Team der Stiftung Warentest versteht „Yanny“, Kollege Markus Bautsch (rechts) hört „Laurel“. Gewalt­same Auseinander­setzungen aufgrund dieser Meinungs­verschiedenheit konnten nur mit Mühe verhindert werden. © Stiftung Warentest

Ehepartner zanken sich, Freunde bezichtigen einander der Lüge, in Büros bleibt die Arbeit liegen. Alles nur wegen einer scheinbar simplen Frage: Laurel oder Yanny? Auslöser ist eine akustische Täuschung aus dem Internet, die on- und offline gerade heiß diskutiert wird. Was hören Sie? Und warum hören Sie, was Sie hören? test.de klärt auf.

Hört, hört!

Gold-Weiß oder Blau-Schwarz? Das war die Frage, als vor drei Jahren eine optische Täuschung in Form eines rätselhaften Kleides die Gemüter in den sozialen Medien erhitzte. Nun geistert eine akustische Täuschung durch‘s Netz: Es handelt sich um eine zunächst unscheinbar wirkende Tonaufnahme, in der eine Computer­stimme den Namen „Laurel“ ausspricht – oder doch eher „Yanny“?
Hören Sie selbst!

Umfrage Akustische Täuschung Was hören Sie?

Die Umfrage ist bereits beendet.

Laurel
57.50% 920
Yanny
35.56% 569
Dinatriumdihydrogendiphosphat
6.94% 111
Gesamtbeteiligung:
1600
Info:
Die Umfrage ist nicht repräsentativ.

Spinnen die anderen?

Laurel oder Yanny? Junge oder Mädchen? Für so ziemlich jeden Zuhörer ist die Antwort glasklar – nur unterscheidet sie sich frustrierender­weise von der des Kollegen, Nach­barn oder Ehegatten. Bevor Sie sich zerstreiten: Es gibt eine Möglich­keit, die Perspektive der anderen Seite nach­zuvoll­ziehen. Twitter-Nutzer Steve Pomeroy hat die Aufnahme manipuliert – und zwar in fünf verschiedenen Varianten. Das kann dazu führen, dass Sie mal den einen Namen und mal den anderen hören.

Die Wahr­heit ist unerhört

Endgültig entscheiden lässt sich die „Laurelfrage“, ähm, die „Yannyfrage“ bislang nicht. Die Indizien deuten aber wohl in Richtung „Laurel“ – das zumindest hat der Sprach- und Hörwissenschaftler Brad Story, Professor an der University of Arizona, nach einer Analyse des Sound­clips dem Portal National Geographic mitgeteilt.

Ein „Y“ für ein „L“ vormachen

„Dass aus dem vermutlichen „Laurel“ für viele Zuhörer eine „Yanny“ wird, liegt unter anderem daran, dass sich die Laute „L“ und „Y“ leicht verwechseln lassen. Das ist gerade dann der Fall, wenn entweder kaum hohe Frequenzen in der Aufnahme vorkommen oder wenn sie von hoch­frequenten Stör­geräuschen beein­trächtigt wird“, erklärt Physiker Markus Bautsch, der bei der Stiftung Warentest häufig Akustikgeräte wie Lautsprecher, Kopfhörer und Soundbars prüft.

Akustische Täuschung - Laurel oder Yanny?

Frequenz­analyse. Das linke Diagramm zeigt die typischen Klang­frequenzen bei der Aussprache von „Laurel“, das rechte die Situation bei „Yanny“. Gut zu erkennen sind insbesondere die Unterschiede in hohen Frequenz­bereichen (mehr als 5 Kilohertz). Durch den „i“-Laut kommen in „Yanny“ deutlich mehr hohe Frequenzen vor als bei „Laurel“. © Stiftung Warentest

Gehör und Gehirn im Zusammen­spiel

Was Sie hören – und was Ihr Kollege hört – kann von zahlreichen Faktoren abhängen. Vom Alter etwa: Viele ältere Menschen können hohe Frequenzen nicht mehr wahr­nehmen. „Das Gehirn kompensiert das mental und ergänzt beim Hören imaginäre Frequenzen aus dem hohen Tonbereich“, so Markus Bautsch. „Das führt dazu, dass ältere Menschen eher „Yanny“ als „Laurel“ verstehen dürften.“ Manche Shopping-Center machen sich die Alters­abhängig­keit des Hörvermögens übrigens zunutze, indem sie herum­lungernde Jugend­liche mit dem Abspielen hoher Frequenzen vertreiben, die für ältere Kunden gar nicht mehr wahr­nehm­bar sind.

Sprach­liche Vorkennt­nisse können das Ergebnis beein­flussen

Auch Vorerfahrungen spielen mitunter eine wichtige Rolle: „Möglicher­weise kennen Sie drei Menschen namens Laurel, haben aber noch nie eine Yanny getroffen – das erhöht die Wahr­scheinlich­keit, dass Sie den Männer­namen hören“, erläutert Physiker Bautsch. Auch Ihre sprach­lichen Vorkennt­nisse können das Ergebnis beein­flussen: je nachdem, ob Sie eher an amerikanisches, britisches oder australisches Eng­lisch gewöhnt sind. Und nicht zuletzt kommt auch Ihrer Erwartungs­haltung eine Bedeutung zu: Haben all Ihre Kollegen berichtet, dass sie „Yanny“ verstehen, mag Sie das beim erst­maligen Hören in dieselbe Richtung lenken.

Wenn das Abspielgerät den Unterschied ausmacht

Nicht nur das individuelle Gehör entscheidet über die Wahr­nehmung, sondern auch das Abspielgerät: Aus schlappen Handyboxen lässt sich leichter „Yanny“ heraus­hören, während ein hoch­wertiger Kopfhörer, Bluetooth- oder WLan-Lautsprecher eher zu „Laurel“ führt. So kann jeder Zuhörer, je nach Abspielgerät, gegen­sätzliche Ergeb­nisse erzielen: Einer unserer Redak­teure etwa hörte eindeutig „Laurel“, als er die Sounddatei über Kopf­hörer an seinem PC abspielte – kurz darauf aber erklang dieselbe Datei aus den Computer-Laut­sprechern einer Kollegin, woraufhin er „Yanny“ verstand.

Realität ist konstruiert

Unsere Sinneswahr­nehmungen erscheinen uns als vermeintlich objektive, eindeutige Realität. Doch das täuscht: Es gibt nicht die Realität. Oder anders: „Realität“ entsteht erst im Kopf. Filter sorgen dafür, dass längst nicht all unsere Sinnes­eindrücke in unser Bewusst­sein vordringen. Ansonsten hätten wir mental so viel zu verarbeiten, dass wir kaum in der Lage wären, uns auf essenzielle Dinge zu konzentrieren. Der Mensch kann nur deshalb effizient „funk­tionieren“, weil er Teile der Realität ausblendet: ob es das Telefon­gespräch des Kollegen ist, die blinkenden Werbebanner beim Über­queren einer viel befahrenen Kreuzung oder die prächtigen Farben des Abend­himmels bei der Flucht vor einem wütenden Grizzly-Bären.

Sie haben sich wohl verhört

Selbst das, was wir bewusst wahr­nehmen, ist oft weniger eindeutig als gedacht: Die Musik­psychologin Diana Deutsch entdeckte 1986 das sogenannte Tritonus-Paradoxon, bei dem zuerst ein Ton und kurz darauf zwei weitere abge­spielt werden – die letzten beiden erklingen gleich­zeitig. Manche Menschen hören dabei eine aufsteigende und andere eine absteigende Tonfolge. Doch nicht nur das: Die meisten Zuhörer nehmen nur zwei Töne wahr, obwohl drei gespielt werden – der eine über­deckt oder „versteckt“ quasi den anderen, zeitgleich zu hörenden Ton.

Der weiße Neger Wumbaba

Ein anderes Beispiel zeigt, dass im Gehirn unbe­wusste Kompensations­prozesse ablaufen, die versuchen, ambivalente Wahr­nehmungen zu vereindeutigen und Verständ­nislücken zu stopfen. So berichtet der Journalist Axel Hacke von einem Leser, der sich als Kind beim Schlaflied „Der Mond ist aufgegangen“ verhörte. Den Vers „Der weiße Nebel wunder­bar“ nahm er ganz anders wahr. Aus seinem Miss­verständnis resultierte der Titel von Hackes Text­samm­lung „Der weiße Neger Wumbaba. Kleines Hand­buch des Verhörens“.

Der (Sonnen-)Schein trügt

Auch im Alltag treten immer wieder Phänomene auf, die die Unzu­verlässig­keit unserer Sinne unter Beweis stellen: Die weiße Farbe auf der Hauswand wirkt in der Mittags­sonne gelb­lich, am Abend bläulich. Linien, die mit bloßem Auge gerade erscheinen, biegen sich nach dem Aufsetzen einer Brille plötzlich. Der 900 Stundenkilo­meter schnelle Jumbojet fliegt in den Augen der Passagiere wie im Schne­ckentempo über Felder und Wiesen. Die Schokolade schmeckt direkt nach dem Zähneputzen anders als davor. Eine Erkältung sorgt dafür, dass das fröhliche Geplapper aus dem Kinder­zimmer scheinbar aus einer anderen Richtung kommt als sonst – und dass der Geruch des nassen Hundefells von heute auf morgen verschwindet.

Viel Spaß: In dieser optischen Illusion erscheint ein grüner Punkt, der gar nicht da ist.
Und in diesem Illusionsbild verschwinden vorhandene Farben.

Geisterhörer

Wenn sich die Wahr­heit schon nicht objektiv messen lässt, kann man sie vielleicht zumindest demokratisch definieren. Eine interne – völlig unre­präsentative und total unwissenschaftliche – Umfrage unter Mitarbeitern der Stiftung Warentest ergab, dass rund 80 Prozent der Befragten „Yanny“ verstehen. Ein Redak­teur aus der „Laurel“-Minderheit fasst dieses Ergebnis jedoch etwas anders zusammen: „Vier von fünf Kollegen haben einen Hörfehler.“

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4 Kommentare Diskutieren Sie mit

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Deee am 17.05.2018 um 22:27 Uhr
Verhörer Songs

Ich musste spontan an die ganzen "misheard lyrics" denken, wie zB Agathe Bauer und die Starbucks Lovers.

ziehel am 17.05.2018 um 17:18 Uhr
?

Ich höre so etwas wie Jeanie (Je-ani). Muss ich mich jetzt bei den Hörgerätetests umschauen?

chiron am 17.05.2018 um 16:36 Uhr
Spannend

Also ich finde es spannend und auch passend hier darüber zu berichten. Der Artikel zeigt nämlich wieder ein mal, wie subjektiv unsere Wahrnehmung ist, und wie leicht sie getäuscht werden kann. Und daher sind auch objektive Tests, bzw. Tests mit mehreren geschulten Testern so wichtig, um repräsentative Ergebnisse zu liefern.

H.Tapk am 17.05.2018 um 16:26 Uhr
Langeweile

Anscheinend sind die hochbezahlten Mitarbeiter bei Stiftung Warentest nicht ausgelastet. Sonst könnten sie sich nicht um solchen Unsinn kümmern.