
Ich höre was, was Du nicht hörst. Christian van de Sand (links) aus dem Multimedia-Team der Stiftung Warentest versteht „Yanny“, Kollege Markus Bautsch (rechts) hört „Laurel“. Gewaltsame Auseinandersetzungen aufgrund dieser Meinungsverschiedenheit konnten nur mit Mühe verhindert werden. © Stiftung Warentest
Ehepartner zanken sich, Freunde bezichtigen einander der Lüge, in Büros bleibt die Arbeit liegen. Alles nur wegen einer scheinbar simplen Frage: Laurel oder Yanny? Auslöser ist eine akustische Täuschung aus dem Internet, die on- und offline gerade heiß diskutiert wird. Was hören Sie? Und warum hören Sie, was Sie hören? test.de klärt auf.
Hört, hört!
Gold-Weiß oder Blau-Schwarz? Das war die Frage, als vor drei Jahren eine optische Täuschung in Form eines rätselhaften Kleides die Gemüter in den sozialen Medien erhitzte. Nun geistert eine akustische Täuschung durch‘s Netz: Es handelt sich um eine zunächst unscheinbar wirkende Tonaufnahme, in der eine Computerstimme den Namen „Laurel“ ausspricht – oder doch eher „Yanny“?
Hören Sie selbst!
Was hören Sie?
Die Umfrage ist bereits beendet.
- Gesamtbeteiligung:
- 1600
- Info:
- Die Umfrage ist nicht repräsentativ.
Spinnen die anderen?
Laurel oder Yanny? Junge oder Mädchen? Für so ziemlich jeden Zuhörer ist die Antwort glasklar – nur unterscheidet sie sich frustrierenderweise von der des Kollegen, Nachbarn oder Ehegatten. Bevor Sie sich zerstreiten: Es gibt eine Möglichkeit, die Perspektive der anderen Seite nachzuvollziehen. Twitter-Nutzer Steve Pomeroy hat die Aufnahme manipuliert – und zwar in fünf verschiedenen Varianten. Das kann dazu führen, dass Sie mal den einen Namen und mal den anderen hören.
Die Wahrheit ist unerhört
Endgültig entscheiden lässt sich die „Laurelfrage“, ähm, die „Yannyfrage“ bislang nicht. Die Indizien deuten aber wohl in Richtung „Laurel“ – das zumindest hat der Sprach- und Hörwissenschaftler Brad Story, Professor an der University of Arizona, nach einer Analyse des Soundclips dem Portal National Geographic mitgeteilt.
Ein „Y“ für ein „L“ vormachen
„Dass aus dem vermutlichen „Laurel“ für viele Zuhörer eine „Yanny“ wird, liegt unter anderem daran, dass sich die Laute „L“ und „Y“ leicht verwechseln lassen. Das ist gerade dann der Fall, wenn entweder kaum hohe Frequenzen in der Aufnahme vorkommen oder wenn sie von hochfrequenten Störgeräuschen beeinträchtigt wird“, erklärt Physiker Markus Bautsch, der bei der Stiftung Warentest häufig Akustikgeräte wie Lautsprecher, Kopfhörer und Soundbars prüft.

Frequenzanalyse. Das linke Diagramm zeigt die typischen Klangfrequenzen bei der Aussprache von „Laurel“, das rechte die Situation bei „Yanny“. Gut zu erkennen sind insbesondere die Unterschiede in hohen Frequenzbereichen (mehr als 5 Kilohertz). Durch den „i“-Laut kommen in „Yanny“ deutlich mehr hohe Frequenzen vor als bei „Laurel“. © Stiftung Warentest
Gehör und Gehirn im Zusammenspiel
Was Sie hören – und was Ihr Kollege hört – kann von zahlreichen Faktoren abhängen. Vom Alter etwa: Viele ältere Menschen können hohe Frequenzen nicht mehr wahrnehmen. „Das Gehirn kompensiert das mental und ergänzt beim Hören imaginäre Frequenzen aus dem hohen Tonbereich“, so Markus Bautsch. „Das führt dazu, dass ältere Menschen eher „Yanny“ als „Laurel“ verstehen dürften.“ Manche Shopping-Center machen sich die Altersabhängigkeit des Hörvermögens übrigens zunutze, indem sie herumlungernde Jugendliche mit dem Abspielen hoher Frequenzen vertreiben, die für ältere Kunden gar nicht mehr wahrnehmbar sind.
Sprachliche Vorkenntnisse können das Ergebnis beeinflussen
Auch Vorerfahrungen spielen mitunter eine wichtige Rolle: „Möglicherweise kennen Sie drei Menschen namens Laurel, haben aber noch nie eine Yanny getroffen – das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Sie den Männernamen hören“, erläutert Physiker Bautsch. Auch Ihre sprachlichen Vorkenntnisse können das Ergebnis beeinflussen: je nachdem, ob Sie eher an amerikanisches, britisches oder australisches Englisch gewöhnt sind. Und nicht zuletzt kommt auch Ihrer Erwartungshaltung eine Bedeutung zu: Haben all Ihre Kollegen berichtet, dass sie „Yanny“ verstehen, mag Sie das beim erstmaligen Hören in dieselbe Richtung lenken.
Wenn das Abspielgerät den Unterschied ausmacht
Nicht nur das individuelle Gehör entscheidet über die Wahrnehmung, sondern auch das Abspielgerät: Aus schlappen Handyboxen lässt sich leichter „Yanny“ heraushören, während ein hochwertiger Kopfhörer, Bluetooth- oder WLan-Lautsprecher eher zu „Laurel“ führt. So kann jeder Zuhörer, je nach Abspielgerät, gegensätzliche Ergebnisse erzielen: Einer unserer Redakteure etwa hörte eindeutig „Laurel“, als er die Sounddatei über Kopfhörer an seinem PC abspielte – kurz darauf aber erklang dieselbe Datei aus den Computer-Lautsprechern einer Kollegin, woraufhin er „Yanny“ verstand.
Realität ist konstruiert
Unsere Sinneswahrnehmungen erscheinen uns als vermeintlich objektive, eindeutige Realität. Doch das täuscht: Es gibt nicht die Realität. Oder anders: „Realität“ entsteht erst im Kopf. Filter sorgen dafür, dass längst nicht all unsere Sinneseindrücke in unser Bewusstsein vordringen. Ansonsten hätten wir mental so viel zu verarbeiten, dass wir kaum in der Lage wären, uns auf essenzielle Dinge zu konzentrieren. Der Mensch kann nur deshalb effizient „funktionieren“, weil er Teile der Realität ausblendet: ob es das Telefongespräch des Kollegen ist, die blinkenden Werbebanner beim Überqueren einer viel befahrenen Kreuzung oder die prächtigen Farben des Abendhimmels bei der Flucht vor einem wütenden Grizzly-Bären.
Sie haben sich wohl verhört
Selbst das, was wir bewusst wahrnehmen, ist oft weniger eindeutig als gedacht: Die Musikpsychologin Diana Deutsch entdeckte 1986 das sogenannte Tritonus-Paradoxon, bei dem zuerst ein Ton und kurz darauf zwei weitere abgespielt werden – die letzten beiden erklingen gleichzeitig. Manche Menschen hören dabei eine aufsteigende und andere eine absteigende Tonfolge. Doch nicht nur das: Die meisten Zuhörer nehmen nur zwei Töne wahr, obwohl drei gespielt werden – der eine überdeckt oder „versteckt“ quasi den anderen, zeitgleich zu hörenden Ton.
Der weiße Neger Wumbaba
Ein anderes Beispiel zeigt, dass im Gehirn unbewusste Kompensationsprozesse ablaufen, die versuchen, ambivalente Wahrnehmungen zu vereindeutigen und Verständnislücken zu stopfen. So berichtet der Journalist Axel Hacke von einem Leser, der sich als Kind beim Schlaflied „Der Mond ist aufgegangen“ verhörte. Den Vers „Der weiße Nebel wunderbar“ nahm er ganz anders wahr. Aus seinem Missverständnis resultierte der Titel von Hackes Textsammlung „Der weiße Neger Wumbaba. Kleines Handbuch des Verhörens“.
Der (Sonnen-)Schein trügt
Auch im Alltag treten immer wieder Phänomene auf, die die Unzuverlässigkeit unserer Sinne unter Beweis stellen: Die weiße Farbe auf der Hauswand wirkt in der Mittagssonne gelblich, am Abend bläulich. Linien, die mit bloßem Auge gerade erscheinen, biegen sich nach dem Aufsetzen einer Brille plötzlich. Der 900 Stundenkilometer schnelle Jumbojet fliegt in den Augen der Passagiere wie im Schneckentempo über Felder und Wiesen. Die Schokolade schmeckt direkt nach dem Zähneputzen anders als davor. Eine Erkältung sorgt dafür, dass das fröhliche Geplapper aus dem Kinderzimmer scheinbar aus einer anderen Richtung kommt als sonst – und dass der Geruch des nassen Hundefells von heute auf morgen verschwindet.
Viel Spaß: In dieser optischen Illusion erscheint ein grüner Punkt, der gar nicht da ist.
Und in diesem Illusionsbild verschwinden vorhandene Farben.
Geisterhörer
Wenn sich die Wahrheit schon nicht objektiv messen lässt, kann man sie vielleicht zumindest demokratisch definieren. Eine interne – völlig unrepräsentative und total unwissenschaftliche – Umfrage unter Mitarbeitern der Stiftung Warentest ergab, dass rund 80 Prozent der Befragten „Yanny“ verstehen. Ein Redakteur aus der „Laurel“-Minderheit fasst dieses Ergebnis jedoch etwas anders zusammen: „Vier von fünf Kollegen haben einen Hörfehler.“
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Ich musste spontan an die ganzen "misheard lyrics" denken, wie zB Agathe Bauer und die Starbucks Lovers.
Ich höre so etwas wie Jeanie (Je-ani). Muss ich mich jetzt bei den Hörgerätetests umschauen?
Also ich finde es spannend und auch passend hier darüber zu berichten. Der Artikel zeigt nämlich wieder ein mal, wie subjektiv unsere Wahrnehmung ist, und wie leicht sie getäuscht werden kann. Und daher sind auch objektive Tests, bzw. Tests mit mehreren geschulten Testern so wichtig, um repräsentative Ergebnisse zu liefern.
Anscheinend sind die hochbezahlten Mitarbeiter bei Stiftung Warentest nicht ausgelastet. Sonst könnten sie sich nicht um solchen Unsinn kümmern.