Nach vier Jahren hat Finanztest seinen Dauertest von Aktienstrategien beendet. Monat für Monat haben die Finanzexperten untersucht, wie drei gängige Methoden zur Auswahl von Einzelaktien in der Praxis funktionieren. Beendet wird die Dauer-Untersuchung mit einem Abschlussbericht. „Mehr Ertrag durch gezielte Aktienauswahl?“ Der Test zeigt: Das funktioniert selten. Privatanleger halten sich besser an Fonds.
So sind die Tester vorgegangen
Vier Jahre lang hat Finanztest Monat für Monat drei Strategien zur Aktienauswahl getestet und mit neun Testdepots begleitet. Das verheerende Ergebnis: Nur eins brachte eine etwas bessere Wertentwicklung gegenüber dem Vergleichsindex. In allen anderen Fällen hätten sich Anleger die Mühe sparen können und statt Einzelaktien besser Indexfonds gekauft. Für unseren Strategievergleich haben wir die Aktien aus drei Indizes genutzt: aus dem Dax 30, dem Euro Stoxx 50 als wichtigstem Index der Eurozone und dem bekannten Wall-Street-Index Dow Jones Industrial 30. Jedem Index wurden drei Depots zugeordnet, die wir mit drei einfachen Verfahren bestückt haben. Die Strategien sind leicht zu verstehen und umzusetzen.
- Dividendenstrategie. Für die Dividendenstrategie wählten wir jeden Monat jeweils die drei Indexmitglieder mit der höchsten Dividendenrendite aus.
- Trendfolgestrategie. In den Trendfolgedepots landeten die drei Aktien, die in den vergangenen zwölf Monaten am besten abgeschnitten hatten.
- Umkehrstrategie. In den Umkehrdepots landeten die drei Titel mit der schlechtesten Wertentwicklung.
Inhaltlich sind die Strategien plausibel. Auf dividendenstarke Aktien zu setzen, wirkt vernünftig, um sich hohe regelmäßige Erträge zu sichern. Die aktuellen Börsenlieblinge zu kaufen, ist ebenfalls naheliegend, denn Markttrends sind meist beständig. Und bei der Umkehrstrategie kommen die Schnäppchenjäger zu ihrem Recht. Wer kann schon widerstehen, wenn die Aktie eines bekannten Unternehmens gerade spottbillig zu haben ist?
Autorallye viel zu früh gestoppt
Die Voraussetzungen schienen also nicht schlecht – und dennoch scheiterten die Strategien auf der ganzen Linie. Speziell die Umkehrstrategie lief so miserabel, dass es einer systematischen Geldvernichtung nahekam. Damit können sich jene Finanzexperten bestätigt fühlen, die Aktienstrategien für Mumpitz halten. Ihr wichtigstes Argument: Eine Strategie auf Basis von Informationen, die jedem zur Verfügung stehen, kann nicht funktionieren. Denn wenn alle sie befolgen, ist sie entwertet. So weit würden die Finanztest-Experten nicht gehen. Es stimmt aber, dass mit standardisierten Auswahlverfahren kein Staat zu machen ist. Allenfalls mit deutlich verfeinerten Kriterien haben Anleger Erfolgschancen.
Chancen mit verfeinerten Kriterien
Zum Beispiel müssen Anleger bei der Umkehrstrategie die Gründe für den Kursverfall der Aktie analysieren und daraus ihre Schlüsse ziehen. Wenn die Ursachen der Krise noch nicht behoben sind, hat ein Kauf der abgestürzten Werte keinen Sinn, weil ein Aufschwung nicht in Sicht ist. In unsere Umkehrdepots wurden nach unseren strengen Auswahlregeln immer wieder Bankaktien gespült. Die Finanz- und später die Eurokrise ließen die Kurse aber stets aufs Neue abstürzen. Von Entwarnung kann bis heute keine Rede sein. Einen mustergültigen Wandel legte dagegen seit Anfang 2009 die deutsche Automobilbranche hin. Die Wandlung vom Problemfall zum Erfolgsmodell dauerte nicht einmal zwei Jahre. Zeitweise lagen Autoaktien auch in den Umkehrdepots. Doch sie flogen schnell wieder raus, weil sich die Tester streng nach den Regeln Monat für Monat unerbittlich die jeweils größten Verlierer herauspickten. So verpasste das Depot die Kursrallye der Autoaktien.
Ständiges Umschichten schadet
Die Finanztest-Experten raten dringend davon ab, eine Strategie streng schematisch zu verfolgen. Stattdessen sollten Anleger die Idee dahinter im Auge behalten und flexibel bleiben. Das kann auch bedeuten, auf einen eigentlich fälligen Austausch zu verzichten. Für den Test mussten die Tester ständig umschichten. So flog die McDonald’s-Aktie zwischendurch immer mal wieder aus dem Trendfolgedepot für den Dow Jones, obwohl sie ein Muster an Beständigkeit war. Es gab eben in manchen Monaten US-Aktien mit einer noch höheren Jahresrendite. Auch in den Dividendendepots kam es durch Kursänderungen dauernd zu Umschichtungen. Die kosten Geld und verschlechtern oft die Wertentwicklung.
Stures Festhalten schadet auch
Umschichten sollten Anleger ihre Aktiendepots nur, wenn es dafür triftige Gründe gibt. Ob sie die rechtzeitig erkennen, steht auf einem anderen Blatt. Eine Finanztest-Leserin kann davon ein Lied singen. Sie hat bereits im Jahr 1999 Nokia-Aktien gekauft und sich dabei an der Maxime des amerikanischen Starinvestors Warren Buffett orientiert: Kaufe nur Aktien von Unternehmen, deren Geschäftsmodell du verstehst. Das schien bei Nokia kein Problem. Das Unternehmen war hochprofitabler Weltmarktführer, seine Telefone erfreuten sich um die Jahrtausendwende ähnlicher Beliebtheit wie heute die Handys mit dem Apfel-Symbol. Die Nokia-Aktien besitzt die Leserin bis heute, doch sie sind kaum noch ein Zehntel des damaligen Kaufpreises wert. Dabei hatte sie zwischendurch reichlich Gelegenheit, die Papiere mit riesigem Gewinn und damals sogar steuerfrei zu verkaufen. Jüngst ist der Nokia-Kurs noch weiter abgestürzt, nachdem das Unternehmen miserable Geschäftszahlen veröffentlichte. Allein im April 2012 verlor die Aktie gut ein Drittel ihres Börsenwerts. Zweitgrößter Verlierer dieses Monats im Euro Stoxx 50 war übrigens der spanische Ölkonzern Repsol, dessen argentinischem Tochterunternehmen die Verstaatlichung droht. Das war ebenso wenig vorhersehbar wie der schleichende Niedergang von Nokia. Erst im Rückblick sind alle schlauer und wissen genau, was schiefgelaufen ist.
Tipps für die Zukunft
Anleger können allenfalls für die Zukunft lernen und hohe Gewinne auch einmal mitnehmen – selbst auf die Gefahr hin, noch höhere Renditen zu verpassen. Am besten setzen sich Aktionäre beim Kauf ein Renditeziel, zum Beispiel 8 bis 9 Prozent pro Jahr. Wenn das erreicht ist, können sie die Aktie verkaufen und den Erlös in sichere Zinsprodukte packen. Selbst wenn der Kurs ihrer Aktien anschließend weiter steigt: Ein entgangener Gewinn ist leichter zu verkraften als ein Verlust. Für die meisten sind aber wohl Fonds die bessere Wahl, die ihnen die Entscheidung für Einzeltitel ersparen. Ihnen hilft der Produktfinder Investmentfonds bei der Auswahl empfehlenswerter Fonds.
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Der Markt wird sowie von Spekulanten getrieben. Das Produkt steht schon lange nicht mehr im Vordergrund. Wenn die "Macher" wollen, das eine Aktie ausbricht, dann schaffen die das auch mit ihren Mitteln. Dank Virtualisierung, Leerverkäuft, etc. kann man sich immer wieder über komische Kursverläufe "freuen". Das ist frustrierend für Privatanleger, also sind auf jeden Fall Fonds die bessere Wahl. Weil die als "Spielemacher" mit großen Summen den Markt beeinflussen können.
...ein erstes zaghaftes Abwenden von diesem unseriösen Mumpitz durch Finanztest. "Inhaltlich sind die Strategien plausibel." Sind sie nicht. "Damit können sich jene Finanzexperten bestätigt fühlen, die Aktienstrategien für Mumpitz halten." Das ist keine Frage der Meinung, sondern wissenschaftliche Tatsache. "Eine Strategie auf Basis von Informationen, die jedem zur Verfügung stehen, kann nicht funktionieren." Richtig. "Denn wenn alle sie befolgen, ist sie entwertet. So weit würden die Finanztest-Experten nicht gehen." Warum nicht? Weil sie unbelehrbare "Mumpitz"-Dogmatiker sind? Es hat noch niemandem geschadet, seine Fehler einzugestehen. "Es stimmt aber, dass mit standardisierten Auswahlverfahren kein Staat zu machen ist. Allenfalls mit deutlich verfeinerten Kriterien haben Anleger Erfolgschancen." Hier wird es problematisch, das nennt man Ad-Hoc-Manöver oder Immunisierungsstrategie: Die Behauptung so abzuändern, dass sie, obwohl sie falsch ist, nicht widerlegbar ist.