
Der Fluggesellschaft Air Berlin droht eine doppelte Insolvenz. Der zum Sachverwalter bestellte Rechtsanwalt Lucas Flöther teilte mit, die Erlöse aus dem geplanten Verkauf an Lufthansa und Easy Jet könnten eventuell nicht einmal ausreichen, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Für Kunden und Anleger gibt es damit kaum Hoffnung auf Zahlungen aus der Insolvenzmasse. Das betrifft auch frühere Passagiere, die eigentlich Ansprüche auf Entschädigungszahlungen haben, weil ihr Flug verspätet war oder annulliert wurde. Wer einen Air Berlin-Rückflug bis 15. November hat, kann bei einigen Airlines ein vergünstigtes Ersatzticket buchen.
Der Flugbetrieb ist eingestellt
Am Freitag, 27. Oktober 2017 hat Air Berlin den Flugbetrieb endgültig eingestellt. Kurz vor Mitternacht landete die letzte Maschine in Berlin-Tegel. Am folgenden Mittwoch, 1. November, eröffnete das Amtsgericht Charlottenburg das Insolvenzverfahren. Am selben Tag erklärte der Sachverwalter Lucas Flöther, dass die noch vorhandenen Gelder eventuell nicht ausreichen werden, um die so genannten Masseverbindlichkeiten zu decken. Dazu gehören beispielsweise Lohnkosten oder die Kosten des Insolvenzverfahrens, aber auch der Überbrückungskredit über 150 Millionen Euro, den die Bundesregierung bereit gestellt hat um sicherzustellen, dass Air Berlin den Flugbetrieb vorläufig aufrecht erhalten konnte.
Erlöse aus Verkäufen reichen nicht
Diese Masseverbindlichkeiten werden bei Insolvenzen vorrangig behandelt. Die Gläubiger, die Masseverbindlichkeiten anmelden können, gehen im Insolvenzverfahren vor. Der Sachverwalter bezahlt aus den Vermögenswerten, die noch im Unternehmen sind, zunächst diese Schulden. Bei Air Berlin sollen dafür die geschätzten 250 Millionen Euro zur Verfügung stehen, die man aus dem Verkauf von Flugzeugen und Rechten an Lufthansa und Easy Jet einnehmen will. Unter die Masseverbindlichkeiten fallen vor allem die Schulden, die nach dem 15. August aufgelaufen sind. An diesem Tag hatte Air Berlin den Insolvenzantrag gestellt. Wenn schon diese privilegierten Außenstände voraussichtlich nicht zu bedienen sind, dürften Forderungen aus der Zeit davor wohl wertlos sein.
Was ist mit Ansprüchen nach Verspätung und Flugausfall?
Das gilt auch für Entschädigungen an Kunden. Die Fluglinie schließt Schadenersatzansprüche wegen Flugausfall oder Verspätung aus. Für betroffene Passagiere bestehe aber die Möglichkeit, ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden. Hierzu werde man den Betroffenen unaufgefordert ein Formblatt mit weiterführenden Informationen zuschicken, teilt Air Berlin mit.
Verbraucher müssen ihre Forderungen bis 1. Februar 2018 beim Insolvenzverwalter einreichen, erklärt das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland. Folgende Angaben sind nötig:
- Höhe des Flugpreises,
- Begründung der Forderung (zum Beispiel Stornierung),
- Buchungsnummer,
- Flugdatum,
- falls vorhanden die Air Berlin-Beschwerdenummer.
Die Aussicht, eines Tages Geld zu erhalten, dürfte allerdings gering sein. Für Flüge, die nach dem Insolvenzantrag vom 15. August gebucht und bezahlt wurden, soll es ein Treuhand-Konto geben, das die Zahlungen erstattet.
Günstige Ersatzflüge für Kunden mit gestrichenem Rückflug
Kunden, deren Rückflug gestrichen wurde, können in bestimmten Fällen bei Lufthansa, Austrian Airlines, Swiss und Eurowings ein Ersatzticket buchen. Die Fluglinien erstatten den halben Preis. Wer seinen Air Berlin Rückflug vor dem 15. August gebucht und eine Stornierung erhalten hat, kann bei diesen Airlines buchen. Das gilt für Rückflüge zwischen 28. Oktober und 15. November 2017. Die Ersatzflüge müssen eine OS, LH oder LX Flugnummer haben. Kunden erhalten für diese Rückflüge nachträglich die Hälfte des Brutto-Flugpreises erstattet. Das gilt aber nicht für innerdeutsche Flüge. Kunden müssen ihre Ansprüche bis 15. Dezember 2017 einreichen. Informationen dazu gibt es bei der Lufthansa und bei Eurowings.
Was ist mit Gutscheinen?
In der Vergangenheit hat Air Berlin Kunden, die zum Beispiel über Verspätungen verärgert waren, Reisegutscheine als Entschädigung angeboten. Nun löst Air Berlin sie nicht mehr ein. Besitzer können auch diese Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden. Doch auch hier dürfte es wenig Aussicht geben, Geld zu erhalten.
Was ist mit meinen Bonusmeilen?
Frühere Air Berlin-Kunden können ihre Bonusmeilen wieder einlösen, verspricht Topbonus, das Vielfliegerprogramm von Air Berlin. Die Firma hatte am Freitag, 25. August, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt. Der Insolvenzantrag sei „die Folge aus dem Insolvenzantrag der Air Berlin“, erklärte Topbonus auf seiner Website. Schon unmittelbar nach der Insolvenz von Air Berlin hatte Topbonus das Sammeln und Einlösen von Meilen ausgesetzt. Die Teilnahme an dem Vielfliegerprogramm bestand aber fort, ein Zugriff auf das Konto und die Abfrage des Meilenstandes waren weiterhin möglich. Nun verspricht Topbonus, dass die Meilen wieder eingelöst werden können – für Prämienflüge mit Etihad Airways auf allen Flügen ab Deutschland und der Schweiz für das weltweite Streckennetz von Etihad. Hinzu kommen die Einlöseangebote im online Pop-up Shop.
Topbonus wird von einer eigenen Rechtspersönlichkeit geführt, der britischen Topbonus Limited. 70 Prozent der Anteile an Topbonus Ltd. hält die arabische Airline Etihad Airways, 30 Prozent Air Berlin.
Helfen mir Portale wie Fairplane, Flightright oder EUclaim jetzt noch?
In diesem Stadium des Insolvenzverfahrens sehe man keine wirtschaftlich vertretbare Möglichkeit dazu, teilte Euclaim auf Anfrage von test.de mit. Grundsätzlich helfen diese Portale Passagieren, die eine Entschädigung verlangen. Diese Varianten gibt es:
- Inkasso: Wurde ein Flug annulliert oder erreicht er sein Ziel erst mit erheblicher Verspätung, haben Kunden Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung nach der europäischen Fluggastrechteverordnung (siehe Special Fluggastrechte: Der Weg zur Entschädigung). Die Passagiere können Portale wie Fairplane oder Euclaim beauftragen, diese Forderungen für sie einzutreiben (Inkasso). Zahlt die Airline dann, muss der Kunde an das Portal rund 30 Prozent von der Entschädigung abgeben. Jedoch haben Fairplane und Euclaim gegenüber test.de erklärt, keine Air-Berlin-Fälle mehr anzunehmen.
- Sofortentschädigung: Einige Portale haben in der Vergangenheit neben dem Inkasso eine weitere, schnellere Variante entwickelt: die Sofortentschädigung. Das Portal kauft dem Fluggast seinen Entschädigungsanspruch gegen die Fluggesellschaft ab. Der Kunde bekommt sofort Geld und hat mit dem weiteren Verfahren praktisch und rechtlich nichts mehr zu tun. Nachteil: Ihm werden in der Regel rund 40 Prozent von der Entschädigungssumme abgezogen, nicht wie beim Inkasso üblich rund 30 Prozent. Auch diese Angebote sind nach unserer Kenntnis derzeit auf Eis gelegt.
Was gilt für Pauschalreisende?
Für Urlauber, die bei einem Reiseveranstalter eine Reise gebucht haben, bei der Air Berlin den Transport zum Reiseziel übernehmen soll, ändert die Insolvenz rechtlich nichts. Denn Vertragspartner des Verbrauchers ist nicht Air Berlin, sondern der Veranstalter. Stellt Air Berlin den Betrieb tatsächlich ein, muss er Ersatz besorgen. Kommt es dadurch zu erheblichen Flugzeitverschiebungen, dürfen Urlauber den Reisepreis mindern (siehe Specials Flugänderung und Reisepreis mindern).
Diese Meldung ist am 15. August 2017 auf test.de erschienen und wurde seitdem mehrfach aktualisiert, zuletzt am 06. November 2017.
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@miwitt: Unter dem nachstehenden Link finden Sie eine FAQ-Seite und weitere Informationen zur Insolvenz von Air Berlin sowie Hinweise des Insolvenzverwalters zur weiteren Entwicklung der Insolvenz bzw. des Verkaufs von Niki Airline. Darüber hinausgehende Informationen haben auch wir nicht. (PH)
https://www.airberlin-inso.de/faq
Wir haben im Juli 2017 Flüge mit Niki nach Mallorca gebucht. Aktuell wird ja über den Verkauf von Niki verhandelt. Da unser Flug erst im März 2018 stattfindet, die Frage, ob die Tickets dann (wieder/noch) gültig sind, wenn Niki an einen anderen Käufer verkauft wird. Oder sind mit Anmeldung der Insolvenz die Tickets unwiderruflich ungültig geworden?
Vielen Dank für die Antworten.
@miwitt: Ihr Vertragspartner ist die Airline und nicht das Reisebüro. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht aber lautet (ohne Gewähr, aber so steht es in der Presse): Wer seinen Flug NACH dem Insolvenzantrag von AIR BERLIN Mitte August gebucht hat, bekommt nach Aussage des vorläufigen Insolvenzverwalters Lucas Flöther sein Geld zurück. Der Ratschlag an den Kunden lautet daher: mit dem Reisebüro in Kontakt bleiben. Von dort wird dann (hoffentlich) irgendwann die Nachricht kommen, wie die Rücküberweisung konkret von statten geht. Quelle: http://www.spiegel.de/reise/aktuell/niki-nach-der-insolvenz-kunden-bekommen-offenbar-ticketpreis-zurueck-a-1183411.html
Hallo, wir haben einen Flug mit Air Berlin bzw. Niki gebucht, die jetzt insolvent sind. Die Buchung haben wir im Reisebüro vorgenommen. Wir haben das Geld auch an das Reisebüro überwiesen und nicht direkt an Air Berlin. Haben wir jetzt Anspruch auf Ersatz auf Kosten des Reisebüros? D.h. ist dann das Reisebüro der Vertragspartner und die Fluggesellschaft nur der Veranstalter? Danke für die Antworten.
@miwitt: Für den Abschluss einer Insolvenzversicherung ist es für die Kunden von Air Berlin definitiv zu spät. Wenn Sie den Flug über Air Berlin gebucht haben, ist das Ihr Vertragspartner, auch wenn eine andere Fluggesellschaft auf dem Ticket steht. (maa)