
Pommes Frites, Toast, Kaffeebohnen – das sind Lebensmittel, in denen kritisches Acrylamid vorkommt.
Acrylamid bildet sich, wenn stärkehaltige Lebensmittel stark erhitzt werden und dabei bräunen. Die Konzentration sollte aber so niedrig wie möglich sein. Der Schadstoff kann das Erbgut verändern sowie Krebs erzeugen. Während Acrylamid in Lebensmitteln wie Pommes Frites, Kartoffelchips und Kaffee unbeabsichtigt entsteht, setzt die Kunststoff- und Lackindustrie den Stoff bewusst ein. Hier beantworten die Experten der Stiftung Warentest die wichtigsten Fragen zu Acrylamid.
Antworten auf die wichtigsten Fragen zu Acrylamid
Wie entsteht Acrylamid in Lebensmitteln?
Acrylamid entsteht, wenn stärkehaltige Lebensmittel beim Backen, Frittieren oder Braten bräunen. Dieser chemische Vorgang heißt Maillard-Reaktion. Dabei reagieren natürlich enthaltene Zucker wie Glukose mit Aminosäuren, vor allem mit Asparagin. Bei diesem Vorgang entstehen jede Menge erwünschter Aromastoffe – aber auch das schädliche Acrylamid. In hohen Gehalten wiesen schwedische Wissenschaftler den Schadstoff erstmals 2002 in Lebensmitteln nach. Seitdem ist Acrylamid – ebenso wie sein Abbauprodukt Glycidamid – Forschungsgegenstand vieler wissenschaftlicher Untersuchungen. Die Stiftung Warentest hat im März 2019 einen Acrylamid-Check bei 53 Lebensmitteln durchgeführt.
In welchen Lebensmitteln kann viel Acrylamid vorkommen?
Acrylamid bildet sich vor allem in stärkehaltigen Lebensmitteln, die von Natur aus reich an Asparagin sind. Dazu gehören insbesondere Kartoffeln und Getreide, aber auch Kaffeebohnen. Damit Acrylamid entsteht, müssen Temperaturen ab etwa 120 Grad Celsius im Spiel sein – je heißer und trockener, umso mehr Acrylamid bildet sich: zum Beispiel beim Rösten von Kaffee, aber auch beim Zubereiten vieler Kartoffelgerichte wie Pommes Frites, Brat- und Backkartoffeln oder Chips. Auch Knäcke- und Toastbrot, Kekse und Plätzchen, Crunchy-Müsli oder Zwieback sowie Getreidekaffee können betroffen sein.
Wo landet das Acrylamid aus der Nahrung im Körper?
Der Magen-Darm-Trakt nimmt Acrylamid aus der Nahrung auf, es verteilt sich danach in allen Organen. Diese verstoffwechseln es in hohem Maße. Dabei entsteht vor allem Glycidamid.
Wie gefährlich sind Acrylamid und sein Abbauprodukt Glycidamid?
In Langzeitstudien an Ratten und Mäusen haben sich Acrylamid und sein Abbauprodukt Glycidamid als krebserregend erwiesen. Die Tierversuche zeigten zudem, dass beides das Erbgut verändert. 2015 stufte die Efsa Acrylamid in einem Gutachten als möglicherweise krebserregend für den Menschen ein. Es lässt sich nach derzeitigen Kenntnissen kein Schwellenwert festsetzen, bei dessen Unterschreitung ein Risiko für den Verbraucher ausgeschlossen werden kann. Für Stoffe, die wie Acrylamid das Potenzial haben, sowohl das Erbgut zu schädigen als auch Krebs auszulösen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass theoretisch auch geringe Dosen gesundheitliche Risiken auslösen können. Die Risiken nehmen zu, je mehr Acrylamid aufgenommen wird. Die Wissenschaft hat die Wirkung von Acrylamid auf den Menschen noch nicht abschließend geklärt.
Sind Kinder besonders gefährdet?
Eltern sollten sich klarmachen: Im Verhältnis zum Körpergewicht sind Kinder den Risiken durch Acrylamid stärker ausgesetzt als Erwachsene. Kinder nehmen Acrylamid vor allem über Pommes Frites, Reibekuchen, Bratkartoffen und andere frittierte und gebratene Kartoffeln auf, aber auch über Toastbrot, Frühstückscerealien, Kekse, Kräcker und Knäckebrot, teilt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa mit. Deswegen gilt – auch für Erwachsene: Je weniger Acrylamid, desto besser. Unser Acrylamid-Check bei 53 Lebensmitteln hilft, herauszufinden, wie viel Acrylamid wir im Alltag aufnehmen und wie viel wir mit der Wahl wenig belasteter Produkte einsparen können.
Wer schützt Verbraucher vor Acrylamid?
Politik und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland bemühen sich seit 2002 und europaweit seit 2011, die Acrylamid-Belastung in Lebensmitteln zu verringern. Behörden haben verschiedene Warengruppen, die mit Acrylamid belastet sind, erfasst und überwacht. Aus den Daten hat die Europäische Kommission Minimierungsstrategien und Richtwerte abgeleitet, um die Acrylamidgehalte in Lebensmitteln zu senken. Im April 2018 wurden die Richtwerte noch einmal verschärft.
Der Richtwert ist je nach Produktgruppe verschieden. Bei weichem Weizenbrot beträgt er zum Beispiel nur 50 Mikrogramm Acrylamid pro Kilogramm, bei Lebkuchen hingegen 800 Mikrogramm pro Kilogramm und bei Zichorien-Kaffee sogar 4 000 Mikrogramm je Kilogramm. Die Unterschiede ergeben sich aus den technischen Möglichkeiten, die Hersteller haben, um Acrylamid-Gehalte in ihren Produkten zu senken.
Bäckereien, Gastronomen und Industrie müssen nun strengere Vorgaben beachten, wenn sie Lebensmittel wie Backwaren oder Pommes frites herstellen. So dürfen etwa Pommes frites aus frischen Kartoffeln nur noch aus zuckerarmen Sorten hergestellt werden. Auf Tiefkühlprodukten müssen genauere Zubereitungsanweisungen stehen – etwa zu Temperatur und Bräunungsgrad. Bäcker müssen allzu dunkle Krusten vermeiden.
Welche Lebensmittel hat die Stiftung Warentest zuletzt auf Acrylamid geprüft?
Stärkehaltige Produkte. Zuletzt haben wir 53 verschiedene Lebensmittel auf Acrylamid untersucht (test 3/2019): Knäckebrot und Zwieback, Kekse und Waffeln, Knuspermüsli und Kaffee-Ersatz, Kinderzwieback und -kekse, Cracker und Kartoffelchips. Böse Überraschungen gab es nicht, aber ganz unterschiedliche Ergebnisse.
Pommes Frites. Beim Test von Heißluftfritteusen (test 1/2019) frittierten wir Pommes Frites. Egal, welches Gerät am Start war – alle Kartoffelstäbchen unterschritten den entsprechenden Richtwert der EU.
Gemüsechips. Im Test von Gemüsechips von 2017 fanden wir in drei Produkten sehr hohe Gehalte an Acrylamid. Wir haben uns bei der Bewertung am Richtwert für Kartoffelchips orientiert, da es für die vergleichsweise neue Produktgruppe von Knabberchips aus Karotten, Rote Beete und Co noch keinen Richtwert gibt. Die festgestellten Acrylamidgehalte in den drei betroffenen Produkten führten zum Gesamturteil Mangelhaft. Dass es technisch möglich ist, Chips mit deutlich niedrigeren Acrylamidgehalten zu produzieren, zeigte die Konkurrenz im Test.
Laugenbrezeln. Im Test von tiefgekühlten Laugenbrezeln im Jahr 2017 prüften wir auf Acrylamid, aber es stellte kein nennenswertes Problem dar.
Espressobohnen. Bei der Untersuchung von Espressobohnen im Dezember 2016 haben wir Acrylamid in allen Produkten gefunden. Bei Kaffee zählt am Ende, wie viel Acrylamid in der Tasse landet – und da konnten wir entwarnen: Alle zubereiteten Espressi unterschritten den Richtwert für Kaffee. Selbst dann noch, wenn man den aktuellen, niedrigeren Richtwert von 400 Mikrogramm pro Kilogramm Lebensmittel ansetzt.
Kartoffelchips. Unser Test von klassischen Kartoffelchips im Jahr 2013 hatte ein erfreuliches Ergebnis in puncto Acrylamid: Mit einer Ausnahme lagen alle Produkte deutlich unter dem Richtwert für Acrylamid in Kartoffelchips.
Wie lassen sich die Gehalte in Lebensmitteln senken, wenn Verbraucher sie selbst zubereiten?
Vollständig vermeiden lässt sich Acrylamid bei bestimmten Gerichten und Zubereitungsarten nicht. Es bildet sich bereits bei Temperaturen ab 120 Grad und steigt bei 170 bis 180 Grad deutlich an. Außerdem gilt: Je stärker frittiert, gebacken oder gegrillt ein Produkt, desto mehr Acrylamid enthält es. Daher gilt die Faustregel „vergolden statt verkohlen“.
In früheren Tests haben wir durch Versuche klar belegen können: Man kann in der Küche selbst dazu beitragen, die Acrylamidgehalte zu reduzieren. Zum Beispiel sollten Toastliebhaber ihre Scheiben nur goldgelb rösten und nicht braun. Auch Pommes Frites und andere Kartoffelerzeugnisse sollten keine allzu dunkle Kruste haben.
Welche anderen Quellen für Acrylamid gibt es?
Die stärkste Quelle ist das Rauchen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung schätzt, dass sich Raucher im Durchschnitt täglich mit 0,5 bis 2 Mikrogramm Acrylamid pro Kilogramm Körpergewicht belasten. Zum Vergleich: Über Lebensmittel nehmen Verbraucher in Deutschland im Schnitt 0,3 Mikrogramm Acrylamid pro Kilogramm Körpergewicht am Tag auf.
Wie sieht es mit Acrylamid in Lacken, Farben und Co aus?
Einige Industriezweige setzen Acrylamid bewusst ein. Es wurde 1949 erstmals synthetisiert und wird seit den 1950er Jahren vor allem zur Herstellung von Polyacrylamid verwendet, etwa als Flockungsmittel zur Aufbereitung von Wasser oder in der Papierindustrie als Bindemittel für Papier und Pappe, erläutert das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Acrylamid ist auch ein Grundstoff, um Kunststoffe und Lacke herzustellen. Arbeiter, die direkt mit Acrylamid zu tun haben, können es einatmen; bei Kontakt mit Acrylamid sind Reizungen von Augen und Haut möglich, und die Haut kann für andere Stoffe sensibilisiert werden. In diesem Arbeitskontext können Menschen deutlich höhere Gehalte aufnehmen als über die Ernährung, Nervenschäden können die Folge sein.
Kommt Acrylamid auch in Kosmetika vor?
„Die Belastung des Verbrauchers mit Acrylamid aus kosmetischen Mitteln wird heute als unerheblich angesehen“, schreibt das BfR. Auf europäischer Ebene seien Regelungen getroffen worden, die den Restgehalt an Acrylamid deutlich beschränken. Früher kam es etwa in Körperpflegemitteln vor.