
Während Strippenzieher Rainer v. H. sich in die USA abgesetzt hat, stehen seine drei Kinder Antonia, Alexander und Anne v.H. in Augsburg vor Gericht. © Composing Finanztest
Drei erwachsene Kinder von Rainer v. H. sowie ein ehemaliger Vertriebsleiter stehen seit Anfang Mai in Augsburg wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrugs vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Augsburg wirft ihnen vor, Privatanleger mit dubiosen Anlagegeschäften in Millionenhöhe geschädigt zu haben. Finanztest hatte bereits Anfang 2018 berichtet, wie Rainer v. H. mithilfe seiner Kinder Anleger hereinlegte. Trotzdem steht der Chef des rund 200 Firmen umfassenden Abzockernetzwerks, Rainer v. H., nicht vor Gericht. Er hat sich in die USA abgesetzt und ist aktuell für die deutsche Justiz nicht greifbar.
Anklage lautet auf gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrug
Wie berichtet, haben die drei erwachsenen Kinder die Geschäfte ihres 64jährigen Vaters nach dessen Flucht in Deutschland fortgeführt. Im August 2018 wurden alle drei Kinder verhaftet. Während die 31jährige Antonia v. H. wenig später wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, sitzen die 39jährige Anne v. H. und der 35jährige Alexander v. H. seither in Untersuchungshaft. Welche Rolle sie bei den verschiedenen Firmen spielten und wie sie Anleger mit Beteiligungen an Unternehmen schädigten, die angeblich über 50 Prozent stromsparende Geräte herstellten und verkaufen sollten, steht im Artikel über Rainer v. H. und der Gerlachreport.
Anlegern wurden hohe Zinsen versprochen
Meist wurden Anlegern gewinnbringende, angeblich risikolose Beteiligungsmodelle angeboten, für die bis zu 20 Prozent Zinsen für 180 Tage garantiert wurden.Vor allem Anne v. H., die Vorstand der Firmenwelten AG in Bielefeld war, soll häufiger Instruktionen ihres Vaters aus den USA erhalten haben. Sie muss sich vor Gericht wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrugs in 275 Fällen, Bruder Alexander wegen über 100 Fällen verantworten. Alexander v. H. wird darüber hinaus auch Steuerhinterziehung vorgeworfen.
Staatsanwaltschaft spricht von Schneeballsystem
Nachdem immer mehr Anleger Anzeige erstatteten, weil sie weder ihr Geld noch die dafür versprochenen Zinsen erhielten, brach das Firmenimperium ab Mitte 2016 nach und nach zusammen. Anfangs hatten einige Anleger noch Zinszahlungen erhalten, die nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft aus neu zufließendem Anlegergeld gezahlt wurden. Vater Rainer und Tochter Anne hätten das Anlegergeld bewusst in Form eines Schneeballsystems für die Zinszahlungen an Anleger sowie als Einnahmequelle für eigene private Zwecke verwendet. Eine Rückführung des Kapitals sei von vornherein nicht beabsichtigt gewesen. Gegenüber Anlegern seien bewusst irreführende und teilweise falsche Angaben etwa zur Halbstrom-Technologie und ihren Einsatzgebieten gemacht worden, heißt es laut Anklage. Um die fehlenden Geschäftstätigkeiten zu verschleiern, wurden Vermittlern beispielsweise gefälschte, wertlose Garantien etwa über die Bestellung von 250 000 Geräten der sogenannten Halbstrom-Technologie für einen amerikanischen Konzern in den USA übergeben, mit denen die Vermittler dann Anleger zum Abschluss von neuen Beteiligungen überredeten.
Prozess soll bis Ende September dauern
Der Prozess in Augsburg soll in 18 Verhandlungstagen bis zum 25. September 2019 klären, wie sich die mutmaßlichen Betrügereien genau abgespielt haben. Dabei wird offenbar nur ein Teil der unsauberen Geschäfte mit einem Schaden in Höhe von bis zu 9 Millionen Euro verhandelt. Sie betreffen Gesellschaften in Deutschland wie die Firmenwelten-Gruppe aus Bielefeld sowie mehrere Briefkastenfirmen in Birmingham in Großbritannien – Firmenwelten Group PLC, Black Rock Advanced LLP, Summi Viri PLC, Halbstrom Partners LLP, Intelligent Food PLC, Partnerpool One Ltd., Partnerpool Two LTD, Integra Collection PLC, Enercrox PLL (alle Birmingham) und Enercrox Inc., (Montana, USA).
Bankhaus von Holst als Absicherung für Anlagegeschäfte genannt
Direktoren der Firmen waren meist Rainer v. H. und Tochter Anne, bei der Integra auch Sohn Alexander, bei den Partner-Pool-Firmen und Halbstrom-Partner auch der frühere Vertriebsleiter Cosimo T. Betroffen ist auch das Bankhaus von Holst (BHVH), das Vertriebsleiter Cosimo T. gegenüber Anlegern gerne als Absicherung für die Anlagegeschäfte nannte, weil es über 100 Millionen Pfund Eigenkapital habe. Laut Staatsanwaltschaft existierte dieses allerdings nur auf dem Papier. Die Staatsanwaltschaft wirft Cosimo T. Beihilfe zum gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrug in 107 Fällen vor.
Angebliche Geschäfte mit Blackfeet-Indianern
Die Partnerschaftsverträge, die Rainer v. H. und Tochter Anne unter anderem mit dem Bankhaus von Holst (BHVH) anboten, waren besonders absurd. Laut Anklage wurde Anlegern vorgegaukelt, dass ihr Kapital bei Banken, Finanzinstitutionen und Unternehmen investiert werde und Anleger aus den erwirtschafteten Gewinnen Zinserträge von 15 Prozent für eine Vertragslaufzeit von nur 180 Tagen erhalten. Daneben sollte die Rendite über Geschäfte mit Indianern des Blackfeet-Stammes, der Aufzucht und Vermarktung von Bisons sowie mit Geschäften im Bereich Graphit erwirtschaftet werden. Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft wurde aber keines der angegebenen Geschäfte tatsächlich getätigt. Es gab mehrere Bankhäuser von Holst, bei denen es sich um Briefkastenfirmen in Großbritannien handelte. Rainer v. H. und seine Tochter Anne firmierten als Direktoren.
So funktionierte die Zusammenarbeit zwischen Vater und Kindern
Außerdem geht es im Prozess auch um die Wurstwelten GmbH in Augsburg, die ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Rainer v. H. und seinen Kindern ist. Laut Prospekt wollte die Firma mit Anlegergeld bis zu 50 Wurstfilialen mit „einer einzigartigen Produkt- und Sortimentmarke“ in Deutschland aufbauen. Anlegern wurden für Beteiligungen in Form von Darlehen jährliche Renditen von 15 Prozent versprochen. Auch hier soll Rainer v. H. das Anlagekonzept entwickelt haben und sich um den Aufbau des Vertriebs über die Sachwert Kontor Basar GmbH gekümmert haben, deren Geschäftsführung wiederum Sohn Alexander übernahm. Um die Darlehensverträge sowie die Korrespondenz mit den Anlegern kümmerte sich Tochter Anne, die als Vorstand/Liquidatorin der Firmenwelten AG, Geschäftsführerin der Firmenwelten Treuhand GmbH und Direktorin der Firmenwelten Group PLC über die Konten der Wurstwelten GmbH verfügen konnte.
Schwester und Bruder schädigten Anleger gemeinsam
Bis 2016 sollen Anleger laut Anklage über 3 Millionen Euro an die Wurstwelten GmbH gezahlt haben. Das Geld soll allerdings nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft – anders als versprochen – kaum zum Aufbau von Filialen verwendet, sondern zur Deckung laufender Kosten der wenigen existierenden unrentablen Filialen sowie für private Zwecke ausgegeben worden sein. Geschäftsführer der Wurstwelten waren nacheinander zunächst Alexander v. H. und später Antonia v. H.. Als Antonia 2015 die Geschäftsführung von ihrem Bruder übernahm, wurden Anleger bezüglich fälliger Rückzahlungen von Anne v. H. wegen angeblicher Hackerangriffe auf Firmencomputer vertröstet. Antonia, die als Geschäftsführerin laut Staatsanwaltschaft von den finanziellen Problemen hätte wissen müssen, habe durch ihre Geschäftsführertätigkeit den Schein eines funktionierenden Unternehmens aufrecht erhalten. Laut Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai werden ihr Pflichtverletzungen bei Zahlungsunfähigkeit, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und Bankrott vorgeworfen. Zudem soll sie in 21 Fällen Beihilfe zum gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrug geleistet haben.
Die Tochter fühlt sich vom Vater hintergangen
In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den dubiosen Anlagegeschäften wird der gerichtsbekannte Rainer v. H. als „Spiritus Rector“ vieler Unternehmungen genannt. Vor Gericht stellten Tochter Anne und Sohn Alexander sich als Opfer ihres Vaters dar. Anne erklärte nach Angaben der Zeitung „Augsburger Allgemeine“, sie habe ihrem Vater, der alle Entscheidungen getroffen habe, blind vertraut und nichts von den illegalen Geschäften gewusst. Sie fühle sich von ihrem Vater hintergangen, den es nicht zu interessieren scheine, dass sie in Untersuchungshaft sitze. Auch Sohn Alexander, der als Geschäftsführer der Wurstwelten tätig war sowie Vertriebsleiter Cosimo T. wussten angeblich nichts von den dubiosen Geschäften. Vertriebsleiter Cosimo T. gab an, dass er das Tun von Rainer v. H. für „sehr schlüssig“ gehalten habe, schreibt die „Augsburger Allgemeine“. Alle drei Angeklagten hätten vor Gericht bedauert, dass Anleger Geld verloren hätten, schreibt die Zeitung weiter.
Strippenzieher für Justiz offenbar nicht greifbar
An den Strippenzieher Rainer v. H. kommt die deutsche Justiz offenbar nicht ran. So kann er bis heute ungestraft von den USA aus weiter Anleger abzocken. Das tut er auch mit einem deutschsprachigen Onlinedienst namens Gerlachreport, mit dem er Unternehmen erpresst. Er kassiert dafür, dass er keine rufschädigenden Artikel mehr über sie im Gerlachreport veröffentlicht. So sollte die Autark-Gruppe aus Liechtenstein monatlich rund 80 000 Euro zahlen, um aus den Negativschlagzeilen der Gerlachreports entfernt zu werden. Da die Firmen den Gerlachreport mangels einer ladungsfähigen Adresse nicht auf Unterlassung verklagen können, müssen sie zahlen, wenn sie ihren guten Ruf nicht verlieren wollen. Der Onlinedienst wird von einer Domain aus den USA gesendet und gab in der Vergangenheit wechselnde Briefkastenfirmen als Herausgeberfirma an. Zuletzt wurde im Impressum eine nicht eingetragene „Gerlachreport Verlagsgenossenschaft“ mit Sitz in Washington und Berlin angegeben, die allerdings im Genossenschaftsregister nicht eingetragen ist.
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