Abtretungs­inkasso von Altforderungen Rechts­anwalt im Unrecht

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Abtretungs­inkasso von Altforderungen - Rechts­anwalt im Unrecht

Land­gericht München I: Hier hat Rechts­anwalt Ralf Heyl mal wieder verloren. Er wollte eine alte Post­bank-Forderung durch­setzen. © picture alliance/dpa / Sven Hoppe

Anwälte wie Ralf Heyl kaufen alte Bank­forderungen und setzen Verbraucher unter Druck. Neue Urteile zeigen: Oft zu Unrecht. Wir geben Tipps und bieten einen Musterbrief.

Worum geht es?

Rechts­anwalt Ralf Heyl aus Hürth bei Köln hat im Jahr 2015 Alt-Forderungen von der Post­bank erworben. Seitdem versucht er, die Forderungen zu Geld zu machen, verschickt Briefe, droht mit gericht­lichen Schritten, erhebt zuweilen Klage. Über 300 000 Post­bank-Kunden sind betroffen. Sie sollen angebliche Altschulden aus Krediten oder Konto­über­ziehungen begleichen. Die Forderungen sind ganz oft unbe­rechtigt oder verjährt. Etliche Gerichte haben Heyl-Klagen abge­wiesen oder die Zwangs­voll­stre­ckung einge­stellt. Die Post­bank erklärte auf Nach­frage von test.de, sie habe die Zusammen­arbeit mit Rechts­anwalt Heyl „bereits vor mehreren Jahren voll­umfäng­lich beendet“.

Oft Verjährung

Eigentlich verjähren Forderungen auf Rück­zahlungen von Darlehen erst zehn Jahre nach Eintritt des Verzugs. Das gilt aber nicht, wenn die Bank den Kredit­vertrag oder bei Über­ziehungs­krediten das Konto gekündigt hat. Die Forderung verjährt dann bereits drei Jahre nach Ende des Jahres der Kündigung. Diese Frist ist bei vielen der Post­bank-Altforderungen abge­laufen.

Ein typischer Fall

Eberhard Kunz* soll 23 212,02 Euro zuzüglich 13 368,76 Euro Zinsen zahlen. Er hatte sich im Dezember 2007 bei der Post­bank 23 000 Euro geliehen. Er zahlte zunächst seine Raten. Dann fehlte ihm das Geld und die Rück­zahlung stockte. Die Bank kündigte den Kredit und forderte Rück­zahlung der Rest­schuld. Doch vergebens. Die Post­bank packte den Fall Kunz auf eine lange Liste mit anderen offenen Krediten und über­zogenen Konten.

*Name von der Redak­tion geändert

Streit um zwei Milliarden Euro

Abtretungs­inkasso von Altforderungen - Rechts­anwalt im Unrecht

So sehen Briefe von Rechts­anwalt Ralf Heyl aus. Seine ihm von der Post­bank oder anderen Unternehmen abge­tretenen Forderungen sind oft unbe­rechtigt oder verjährt. © Screenshot Stiftung Warentest

Inzwischen ist bekannt: Es geht um mindestens 304 662 Forderungen der Post­bank. Diese Alt-Forderungen hat die Post­bank laut einer im Jahr 2017 notariell beur­kundeten Abtretungs­ver­einbarung auf Rechts­anwalt Ralf Heyl über­tragen. Bisher gingen Schuldner­anwälte aufgrund älterer Unterlagen davon aus: Es geht um rund 200 000 Fälle mit angeblichen Außen­ständen von jeweils 6 000 Euro durch­schnitt­lich und damit gut eine Milliarde Euro insgesamt. Rechts­anwalt Achim Tiffe aus der Verbraucherkanzlei Juest + Oprecht in Hamburg schätzt jetzt: Heyl fordert insgesamt fast zwei Milliarden Euro.

Was die Post­bank für die Abtretung der Altforderungen an Rechs­anwalt Heyl bekommt, sagt sie nicht. Üblich sind bei Abtretungen entweder ein Verkauf der Forderungen oder die Verpflichtung, einen Teil etwaiger Zahlungen – in diesem Fall an die Post­bank – weiterzuleiten, wenn betroffene Post­bank-Kunden oder -Kundinnen am Ende doch noch zahlen.

Zahlungs­aufforderung: So verhalten Sie sich richtig

  • Wenn Sie ein Schreiben von Rechts­anwalt Ralf Heyl mit einer Zahlungs­aufforderung erhalten, sollten Sie sofort mit unserem Musterbrief antworten. Das reicht oft schon aus, um die Forderung endgültig abzu­wehren.
  • Auf weitere Schreiben von Heyl direkt sollten Sie nicht antworten und auch nicht versuchen, mit Heyls Kanzlei Kontakt aufzunehmen.
  • Lassen Sie sich nicht auf eine Ratenzahlung ein, auch wenn Heyl sich zunächst mit geringen Beträgen zufrieden gibt. Das kann als Anerkennung der Forderung gewertet werden.
  • Lassen Sie sich von einem Rechts­anwalt mit Erfahrung bei der Verteidigung gegen abge­tretene Forderungen beraten.
  • Schickt ein Gericht einen von Heyl beantragten Mahn- oder Voll­stre­ckungs­bescheid oder eine Klageschrift, sollten Sie sich sofort von einer Verbraucherzentrale oder einem Rechts­anwalt – möglichst mit Erfahrung bei der Abwehr von Heyl-Forderungen – beraten lassen. Wenn Sie sich nicht sofort darum kümmern können, legen Sie vorsorglich Wider­spruch (Mahn­bescheid) oder Einspruch (Voll­stre­ckungs­bescheid) ein. Dafür brauchen Sie keinen Anwalt. Dem Schreiben des Gerichts liegt ein entsprechendes Formular bei. Sollte die Beratung ergeben, dass die Heyl-Forderung doch berechtigt und durch­setz­bar ist, können Sie Ihren Wider­spruch oder Einspruch immer noch zurück­nehmen.
  • Zahlen Sie auch nicht aus Angst vor Schufa-Einträgen. Solche Einträge sind ebenfalls rechts­widrig, wenn die Forderung nicht berechtigt oder verjährt ist. Gibt es trotzdem einen Eintrag bei der Schufa, fordern Sie Heyl mithilfe unseres Musterbriefs auf, seine Meldung gegen­über der Schufa zu korrigieren und so den Eintrag rück­gängig zu machen. Wenn Heyl ablehnend oder gar nicht reagiert, schalten Sie einen Rechts­anwalt ein, möglichst mit Inkasso-Erfahrung. Haben Sie kein Geld, um einen Rechts­anwalt zu bezahlen, haben Sie Anspruch auf Beratungs­hilfe und bei Bedarf auch Prozess­kosten­hilfe. Sie können bei Ihrem Amts­gericht Unterstüt­zung beantragen. Die Rechts­pfleger und Rechts­pfegerinnen dort helfen Ihnen weiter.
  • Selbst wenn gegen Sie bereits ein Voll­stre­ckungs­bescheid oder ein Urteil ergangen ist, lässt sich die Forderung zuweilen noch aus der Welt schaffen. Suchen Sie nach einem Rechts­anwalt mit Erfahrung bei der Verteidigung gegen abge­tretene Unter­nehmens­forderungen und lassen Sie ihn Ihre Unterlagen prüfen. Gegebenenfalls bleibt Ihnen noch die Privat­insolvenz (siehe auch unser Special Privatinsolvenz: So werden Sie in drei Jahren schuldenfrei).

Heyl vor Gericht

Kreditkündigung unwirk­sam. Im Fall von Eberhard Kunz erhob Rechts­anwalt Heyl Klage, als Kunz auf die Schreiben des Rechts­anwalts hin nicht zahlte. Doch das Land­gericht in München wies die Klage nach nur wenigen Monaten ab. Die Post­bank habe den Kredit seiner­zeit schon nicht wirk­sam gekündigt. Kunz war deshalb nicht in der Pflicht, den gesamten Betrag zu zahlen, argumentierte das Gericht. Und: Selbst mit wirk­samer Kündigung wäre die Klage wegen Verjährung abzu­weisen, ergänzte die Richterin noch.
Land­gericht München I, Urteil vom 24.06.2021
Aktenzeichen: 29 O 205/21
Schuldner­anwälte: Rechtsanwälte Juest + Oprecht, Hamburg

Aus dem gleichen Grund wies inzwischen das Amts­gericht Bochum eine Heyl-Klage gegen einen anderen früheren Post­bank-Kunden ab.
Amts­gericht Bochum, Urteil vom 10.03.2022
Aktenzeichen: 63 C 126/21
Schuldner­anwälte: Rechtsanwälte Juest + Oprecht, Hamburg

Frist abge­laufen. Heyl ist auch mit anderen Klagen gescheitert, oft wegen Verjährung, zuweilen zusätzlich auch wegen eines Verstoßes gegen den Grund­satz von Treu und Glauben. Weitere Einzel­heiten unter anderen auf der Homepage der Kanzlei Juest + Oprecht in Hamburg-Altona.

Klage zurück­gezogen. In anderen Fällen hat Heyl von sich aus die Klage zurück­genommen, nachdem ein erfahrener Verbraucher­anwalt die Verteidigung über­nommen hatte.

Rechts­widriger Schufa-Eintrag. Soweit Heyl bei unbe­rechtigten Forderungen einen Schufa-Eintrag veranlasst, ist das rechts­widrig. Heyl muss dann die Honorare zahlen, wenn ein Schuldner einen Rechts­anwalt einschaltet.

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Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

Profilbild Stiftung_Warentest am 13.09.2022 um 10:56 Uhr
Abtretungsanzeige der Postbank / Musterschreiben

@Kroki_CH: Vielen Dank für den Hinweis!
Richtig ist: Wenn der alte Gläubiger (= die Postbank) dem Schuldner (= Kunden) die Abtretung der Forderung zum Beispiel an einen Inkassodienst oder Rechtsanwalt angezeigt hat, ist dieser nicht berechtigt, die Forderung des neuen Gläubigers (= Rechtsanwalt Heyl) mangels Vorlage einer Original-Abtretungsurkunde zurückzuweisen, § 410 Abs. 2 BGB:
www.gesetze-im-internet.de/bgb/__410.html
Voraussetzung ist aber, dass der alte Gläubiger die Abtretungsanzeige bewirkt hat.
Dokumente, die ein neuer Gläubiger (also Rechtsanwalt Heyl) vorlegt, sind nur dann als Abtretungsanzeige im Sinne von § 410 BGB zu werten, wenn feststeht, dass Sie von der Postbank stammen und sich auf genau die Forderung gegen den jeweiligen Kunden beziehen.
Nicht im Original von nach Handelsregister vertretungsberechtigten Mitarbeitern unterschriebene Erklärungen oder solche mit Verweis auf weitere für Kunden nicht prüfbare Unterlagen reichen dazu nicht aus.
Im Zweifel gibt es keinen Grund dafür, auf die unverzügliche Zurückweisung der Forderung zu verzichten. Wir werden unseren Mustertext so schnell wie möglich entsprechend ergänzen.
Bitte entschuldigen Sie die späte Reaktion. Der für die Berichterstattung zu den Heyl-Forderungen zuständige Redakteur war erst in Urlaub und brauchte dann auch noch einige Tage, um zu recherchieren.

Kroki_CH am 14.08.2022 um 11:47 Uhr
M. E. ist der Mustertext hier nicht mehr aktuell

Wir haben gestern ein Schreiben des Rechtsanwalts Ralf Heyl erhalten, mit dem er eine abgetretene ehemalige Forderung der Postbank uns gegenüber geltend macht. Da den Schreiben des Rechtsanwalts inzwischen eine Abtretungsanzeige der Postbank an den Schuldner beiliegen, würde die Zurückweisung der Forderung mit dem hier bereitgestellten Musterschreiben m. E. nun gemäß § 410 BGB ins Leere laufen.
Da es sich in unserem Falle nur um eine geringe Forderung im unteren dreistelligen Bereich handelt, sind wir unsicher, ob es sich lohnt, sich gegen die Forderung zu wehren, oder ob dadurch nur noch höhere Kosten entstehen. Die Hauptforderung stammt aus dem Jahr 2002 und müsste nach unserer Einschätzung längst verjährt sein.

Profilbild Stiftung_Warentest am 08.08.2022 um 13:09 Uhr
Musterbrief

@Baggl09: Öffnen Sie den Musterbrief nicht direkt im Browser, sondern speichern Sie die Datei erst ab und öffnen Sie sie dann. Wir senden Ihnen den Brief per Mail.

Baggl09 am 07.08.2022 um 20:59 Uhr
Musterbrief

Der Musterbrief-Link ist nicht aktiv bzw sagt mein Browser das ich nicht berechtigt bin die URL zu öffnen. Ist dies mit Absicht so?

Gelöschter Nutzer am 06.09.2021 um 08:18 Uhr
@Stiftung_Warentest

Alles klar, danke für die Erläuterungen.