
IT-Sicherheitsexperte Marcus Pritsch
Eine Welle der Empörung geht durch Politik und Medien: Sogar das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel soll der US-Geheimdienst NSA abgehört haben. Sicherheitsfirmen brüsten sich gleichzeitig damit, dass die Nachfrage von abhörsicheren Handys steigt. Ob jetzt auch Privatnutzer zu einem so genannten Kryptohandy greifen sollten, klärt test.de im Interview mit Marcus Pritsch, dem IT-Sicherheitsexperten der Stiftung Warentest.
Beide Gesprächspartner müssen ein verschlüsseltes Handy haben
Die Kanzlerin telefoniert unter anderem mit einem abhörsicheren Handy. Trotzdem wurden sie angeblich abgehört. Heißt das, verschlüsselte Handys schützen gar nicht?
Marcus Pritsch: In den Medien wird mittlerweile berichtet, dass wohl nicht das verschlüsselte Handy der Kanzlerin, sondern wahrscheinlich das Parteihandy abgehört wurden. Dieses Telefon benutzt Angela Merkel angeblich nur für Telefonate, die die Parteigeschäfte nicht aber Regierungstätigkeiten betreffen. Der Anbieter des Kryptohandys der Kanzlerin und auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik bestätigen laut Medienberichten, dass das von ihnen angebotene beziehungsweise zertifizierte Handy tatsächlich abhörsicher ist.
Wie genau funktioniert die Verschlüsselung denn und ist dann jedes Gespräch automatisch verschlüsselt?
Marcus Pritsch: Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Aber im wesentlichen basieren alle auf einer verschlüsselten VoIP-Verbindung, also einer Sprachverbindung über das mobile Internet. Die wird dann in Datenpaketen von Telefon zu Telefon übertragen. Die Verschlüsselung setzt allerdings voraus, dass alle Telefonpartner die Gespräche ver- und entschlüsseln können. Telefoniert ein Gesprächspartner mit einem gewöhnlichen Smartphone, nutzt die Verschlüsselung nichts, da sich die Geräte immer auf den technisch niedrigsten Stand einigen. Auch die Verschlüsselung im Telefon muss natürlich sicher sein. Eine einfache App reicht nicht unbedingt aus, wenn man bereits über das Betriebssystem auf ein Smartphone zugreifen kann. Schadprogramme können schon jetzt umfangreiche Informationen aus einem Smartphone gewinnen.
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Kryptohandys sind recht teuer und richten sich weniger an Privatnutzer
Können Nutzer ein abhörsicheres Handy in jedem Handyshop kaufen?
Marcus Pritsch: Nein, Kryptohandys werden von Spezialanbietern entwickelt und vertrieben. Es sind ganz spezielle modifizierte Smartphone-Modelle, die auch nicht immer sehr handhabungsfreundlich zu bedienen sind. In den letzten Monaten hat sich aber im Bezug auf die Bedienfreundlichkeit viel getan, weil gerade die Akzeptanz solcher Geräte sehr wichtig für die Benutzung ist.
Wie teuer ist ein Kryptohandy und ist es für Privatnutzer überhaupt sinnvoll?
Marcus Pritsch: Aufgrund der geringen Stückzahlen und den doch erheblichen Aufwand sind solche Handys extrem teuer. Für Privatanwender lohnt es sich nicht. Zumal mit einem solchen Handy nur der Gesprächsinhalt verschlüsselt ist. Aber schon die Tatsache, mit wem und wann ein Nutzer telefoniert, verrät unter Umständen genug.
Das persönliche Gespräch ist am sichersten
Wie können Nutzer sich denn noch davor schützen, abgehört zu werden?
Marcus Pritsch: Durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorratsdatenspeicherung können Ermittlungsbehörden auch zu einem späteren Zeitpunkt noch nachvollziehen, welche Gespräche zu welchen Zeitpunkt an welchen Orten stattgefunden haben. Dieses Beziehungsgeflecht ist meist ähnlich wertvoll wie die Gesprächsinhalte an sich. Ansonsten gilt: Geheimnisse nicht am Handy besprechen. Das gilt im Besonderen im geschäftlichen Bereich. Bei Privatnutzern dürfte der Großteil der Kommunikation ohnehin nicht interessant für die Geheimdienste sein.
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