31.05.2023 Rechtsanwältin Sandra Mader von Wawra & Gaibler Rechtsanwälte berichtet: Das Oberlandesgericht Dresden hat es der Besitzerin und dem Hersteller eines erstmals im November 2015 zugelassenen Opel Astra Sports Tourer mit 1.6 Liter CTDi-Motor angesichts des EuGH-Urteils zum Abgasskandal (s. u. unter 21.03.2023) nahegelegt, sich auf einen Vergleich zu einigen. Sie wertet das als Anzeichen für eine Trendwende, nachdem die Gerichte in Deutschland Schadenersatzklagen bei bloß fahrlässiger Verletzung der EU-Typzulassungsregeln zuvor in fast allen Fällen abgewiesen hatten.
Der Bundesgerichtshof werde im Abgasskandal wohl so ähnlich argumentieren wie bei Kartellrechtsfällen und in seinen Caroline von Monaco-Urteilen, vermutet Zivilrechtsprofessor Hans-Peter Schwintowski in einer Analyse und Einordnung der Äußerungen von BGH-Richterin Eva Menges in der Verhandlung Anfang Mai in der Legal Tribune Online (LTO). Der Schadenersatz müsse so bemessen sein, dass Autohersteller künftig die EU-Typzulassungsregeln strikt beachten. Er schlägt vor, die Hersteller zu verurteilen, pauschal 30 bis 35 Prozent des Neupreises zu erstatten.
Am Montag, 26. Juni, um 12 Uhr verkündet Eva Menges das wohl letzte wichtige Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs zum Abgasskandal. Es zeichnet sich ab, dass auch die Besitzer von Autos Schadenersatz bekommen sollen, bei denen die Motorsteuerung die Abgasreinigung nicht wie bei den VW-Skandalautos bei normalen Fahrten im Straßenverkehr vollständig abschaltet, sondern sie je nach Temperatur, Luftdruck, Kühlmitteltemperatur und anderen Faktoren illegal häufig reduziert. Die Deutsche Umwelthilfe DUH, Verbraucherschützer und -anwälte gehen davon aus: Das betrifft fast alle Autos mit Dieselmotoren bis einschließlich Euro 6c. Unklar ist vor allem noch, wie viel Geld die Besitzer solcher Autos erhalten sollen.
Fest steht schon jetzt: Viele Besitzer von Skandalautos werden trotzdem leer ausgehen. Durchsetzbar sind ihre Schadenersatzansprüche nur, so lange ab Ende des Jahres, indem sie von der womöglich illegalen Steuerung ihres Wagens erfahren haben, nicht mehr als drei Jahre vergangen sind. Kein Geld bekommt auch, wessen Schadenersatzklage deutsche Gerichte rechtskräftig abgewiesen haben, auch wenn das dem verbraucherfreundlichen Grundsatzurteil des Europäische Gerichtshofs vom 21. März widerspricht und das gleiche Gericht den Autohersteller jetzt zu Schadenersatz verurteilen würde.
17.05.2023 Wie erwartet: Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts in Schleswig, mit dem das Gericht die Genehmigung der von VW nach Bekanntwerden des Abgasskandals neu entwickelten Motorsteuerung als rechtswidrig aufhebt, haben sowohl das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg als auch der VW-Konzern Berufung eingelegt. Zuständig ist jetzt der 5. Senat am Oberverwaltungsgericht in Schleswig. Folge: Das Verfahren wird noch Jahre dauern. Schon normale Berufungsverfahren dauern in Schleswig über zwei Jahre im Durchschnitt. Der 5. Senat dort ist unter anderem zuständig fürs Straßenverkehrs- und Umweltrecht und besonders stark belastet.
09.05.2023 Das wohl letzte grundlegende Urteil zum Abgasskandal verkündet der Bundesgerichtshof am Montag, 26. Juni, um 12 Uhr. Den ganzen Tag lang verhandelten Gericht und Anwälte gestern. Die Richter in Karlsruhe erklärten ausdrücklich, dass sie sich an die verbraucherfreundlichen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg gebunden sehen. Klar damit: Auch Besitzer von Autos, bei denen die Motorsteuerung die Abgasreinigung nicht nur im Prüfstand aktiviert wie bei den ursprünglichen VW-Skandalmodellen, bekommen Schadenersatz. Es reicht aus, wenn die Autohersteller fahrlässig illegale Mechanismen eingesetzt haben. Es entlastet sie nicht, dass das Kraftfahrtbundesamt die meisten Tricks ausdrücklich erlaubt hatte. Unklar ist allerdings, worin genau der Schaden zu sehen ist und wie viel Geld Besitzern von solchen Skandalautos 2.0 jetzt zusteht. Laut Legal Tribune Online (LTO) neigen die Richter in Karlsruhe dazu, am enttäuschten Vertrauen der Käufer auf ein vorschriftsmäßiges und umweltfreundliches Auto anzusetzen und damit rechtliches Neuland zu betreten. Was das genau heißt, blieb noch offen. Einzelheiten zur Verhandlung gestern im ausführlichen Bericht der LTO.
04.05.2023 Klare Ansagen: Wenn VW es nicht schafft, Motoren so zu konstruieren, dass sie unter in Europa gängigen Bedingungen sauber sind, dann darf es keine Autos damit verkaufen. So begründen die Verwaltungsrichter in Schleswig ihr bereits im Februar verkündetes Urteil gegen das Kraftfahrtbundesamt (siehe unten unter 20.02.2023). Die Behörde habe die von VW nach Bekanntwerden des Abgasskandals neu entwickelte Motorsteuerung zu Unrecht genehmigt.
In insgesamt 454 Absätzen erklären die Richter, wie sie die Rechtslage sehen. Letztlich kaschiere VW, dass die seinerzeit eingesetzte Technik der Abgasrückführung nicht geeignet war, um die Dieselmotoren ausreichend sauber zu machen. Die Motorsteuerung für die Prüfstand-Bedingungen zur Messung des Schadstoffausstoßes zu optimieren, sei keine legale Lösung.
Kraftfahrtbundesamt und VW haben sich zur Urteilsbegründung bisher nicht geäußert. Es läuft jetzt die Frist, in der sie Berufung oder Revision einlegen können. Unsere Rechtsexperten halten für sicher: Sie werden in Berufung gehen. Die Folge: Es wird noch Jahre dauern, bis das Verfahren abgeschlossen ist.
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 20.02.2023
Aktenzeichen: 3 A 113/18
Verbraucheranwälte: Rechtsanwälte Remo Klinger und David Krebs, Berlin
25.04.2023 Die Sicherungsabtretung aller Rechte gegen den Hersteller an die Bank bei Kreditfinanzierung schließt Schadenersatzansprüche nicht aus. Der Bundesgerichtshof urteilte: Die Regelung zur Sicherungsabtretung in Mercedes-Bank-Kreditverträgen ist unwirksam. Die Begründung ist kompliziert. Die Mercedes-Abtretungsklausel weiche von zugunsten des Klägers zwingenden gesetzlichen Vorgaben ab. Sie führe entgegen einer der Regelung zu den Folgen eines Widerrufs im Bürgerlichen Gesetzbuch dazu, dass der Kreditkäufer seine Anzahlung auch dann nicht sofort zurückfordern kann, wenn er den Wagen zurückgegeben hat.
Es ging um einen Mercedes GLC 250 GLC (Euro 6), den der Kläger 2019 für genau 55 335,89 Euro erworben hatte. Er kann jetzt weiter auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsersatz hoffen. Das Oberlandesgericht Stuttgart muss den Fall neu aufrollen.
D-Day für Autohersteller und Abgasskandalopfer: Am Montag, 8. Mail 2023, verhandelt und entscheidet der Bundesgerichtshof erneut grundlegend über Schadenersatzansprüche wegen des Abgasskandals. Der Europäische Gerichtshof hat inzwischen geurteilt: Schadenersatz steht Skandalautobesitzern nicht erst zu, wenn der Einsatz einer illegalen Motorsteuerung als vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung erscheint (siehe dazu unten unter 21.03.2023). Schon die fahrlässige Verletzung der EU-Vorschriften zur Abgasreinigung begründet die Pflicht, Schäden zu ersetzen. Der Bundesgerichtshof hatte seinen Verhandlungstermin mehrfach verschoben, um die Verkündung des Urteils in Luxemburg abzuwarten. Die Urteile aus Karlsruhe werden mit Spannung erwartet, nachdem einzelne Oberlandesgerichte Klagen trotz der Ansagen der EU-Richter in Luxemburg abgewiesen hatten. Ihrer Meinung nach schützen die EU-Regeln jedenfalls nicht die wirtschaftlichen Interessen der Autobesitzer schützen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.04.2023
Aktenzeichen: VIa ZR 1517/22
Pressemitteilung des Gerichts zum Urteil
Klägervertreter: Noch unbekannt, bitte melden
31.03.2023 Rechtsanwalt Sebastian Schlote berichtet: Das Landgericht Stuttgart hat Mercedes erstmals auch gestützt auf das neue Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Schadenersatz verurteilt. Allerdings: Richter Andreas Köhler, gleichzeitig auch renommierter Rechtswissenschaftler und Ausbilder von Referendaren, sieht auch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, obwohl es um einen nach der Euro 6-Norm zugelassenen Wagen ging. Er meint auf der Grundlage der strengen Auslegung der Typzulassungsregeln durch den Europäischen Gerichtshof: Mercedes wusste, dass der Wagen im normalen Fahrbetrieb ganz oft viel mehr giftiges Stickoxid ausstößt als zulässig. Die Autos trotzdem zu verkaufen, sei sittenwidrig. Die Mercedesanwälte hatten vorgetragen: Nur unter den Prüfstand-Bedingungen sei der Grenzwert für den Stickoxid einzuhalten. Sie bestritten nicht, dass Wagen bei normalen Fahrten im Straßenverkehr oft Schadstoffe über die Grenzwerte hinaus ausstößt.
Es ging um einen Mercedes ML 350 Bluetech 4Matic von 2013, den die Klägerin im Jahr 2014 gebraucht gekauft hatte.
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 29.03.2023
Aktenzeichen: 8 O 24/23 (nicht rechtskräftig)
Verbraucheranwälte: Gansel Rechtsanwälte, Berlin
21.03.2023 Jetzt also doch: Die Autohersteller müssen alle Käufer von Autos entschädigen, bei denen die Abgasreinigung häufiger als zulässig verringert oder abgeschaltet wird. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Es ist in viel mehr Fällen Schadenersatz fällig als nach Ansicht des Bundesgerichtshofs. Der hatte Autohersteller wegen des Abgasskandals nur zu Schadenersatz verurteilt, wenn die Unternehmensführung vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt hat. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof reicht aus, wenn den verantwortlichen Managern des jeweiligen Autoherstellers Fahrlässigkeit zur Last fällt. Danach ist nicht einmal sicher, ob Schadenersatz ausgeschlossen ist, wenn das Kraftfahrtbundesamt eine bestimmte Motorsteuerung in Kenntnis aller Umstände ausdrücklich als legal beurteilt hat. Spätestens seit Verkündung des Abgasskandal-Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 17.12.2020, Aktenzeichen: C-693/18, steht fest: Die Behörde hat die EU-Regelungen zur Typzulassung zu Unrecht viel zu lax ausgelegt. Auf die Genehmigungen aus Flensburg durften die Autohersteller sich nicht verlassen. Die Juristen bei test.de denken: Es handelt sich insoweit um einen so genannten vermeidbaren Verbotsirrtum, der den Schuldvorwurf nicht entfallen lässt.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21.03.2023
Aktenzeichen: C-100/21
Verbraucheranwälte: Prorights Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München
20.02.2023 Jubel bei der Deutschen Umwelthilfe: Das Verwaltungsgericht Schleswig hat nach langer Verhandlung geurteilt: Die Thermofenster in den von VW auf Geheiß des Kraftfahrtbundesamts (KBA) neu entwickelten Motorsteuerungen für die rund 2,5 Millionen Skandalautos sind rechtswidrig. Das Gericht hob die Genehmigung der so genannten „Updates“ auf. Danach muss das KBA alle Skandalautos erneut zurückrufen und VW verpflichten, den Schadstoffausstoß noch weiter zu verringern. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als Kläger geht davon aus: VW muss in die Autos wie in den USA damals einen zusätzlichen Katalysator einbauen.
Allerdings: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht ließ sowohl die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht als auch die Berufung zu. test.de ist sicher: Die wird das KBA einlegen. Bis ein rechtskräftiges Urteil fällt, werden wahrscheinlich noch Jahre ins Land gehen. Wie viele Skandalautos das dann noch betrifft, bleibt abzuwarten. Allerdings: Das Urteil ist auf zahlreiche jüngere Autos anderer Hersteller übertragbar. Während VW später die Abgasreinigung nur bei extrem niedrigen und hohen Temperaturen herabsetzte, waren Thermofenster bei anderen Autos mit Dieselmotoren bis einschließlich Schadstoffnorm Euro 6c gang und gäbe. Wie viele Autos das betrifft, lässt sich noch nicht genauer abschätzen. Fest steht: Wenn das Urteil rechtskräftig wird, muss das KBA Millionen Autos entweder erneut zurückrufen oder stillegen.
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 20.02.2023
Aktenzeichen: 3 A 113/18 (nicht rechtskräftig)
Verbraucheranwälte: Rechtsanwälte Remo Klinger und David Krebs, Berlin
20.02.2023 Showdown in Schleswig: Vor der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts dort haben die Anwälte der Deutschen Umwelthilfe und der Volkswagen AG und die Juristen des Kraftfahrtbundesamts (KBA) in Flensburg von 9.30 Uhr an darüber verhandelt, ob die Behörde die Abgasskandalautos zu Recht hat weiterfahren lassen. Wenn die Klage Erfolg hat, muss das KBA die Skandalautos erneut zurückrufen, um den Ausstoß an giftigem Stickoxid weiter zu verringern.
Die Deutsche Umwelthilfe ist der Meinung: Auch die von VW entwickelte und vom KBA genehmigte neue Motorsteuerung für die Skandalautos ist rechtswidrig. Fest steht: Voll wirksam war die Abgasreinigung nur bei Lufttemperaturen ab 10 Grad. Darunter reduzierte die Motorsteuerung die Rückführung von Abgas in den Ansaugtrakt und damit die Reduzierung von Stickoxiden. Zulässig ist eine solche Reduktion der Abgasreinigung nur, wenn Motorschäden und Unfälle drohen, erklärte Vorsitzender Richter Uwe Karstens und verwies auf die strengen Ansagen des Europäischen Gerichtshofs zum Thema (s. u. unter 14.07.2022). Selbst wenn die Abschaltung notwendig ist, darf sie nicht genehmigt werden, wenn sie unter gängigen Bedingungen zur Verringerung oder Abschaltung der Abgasreinigung führt und Autos dadurch oft mehr als die nach den EU-Regeln damals zulässigen 180 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen.
Kraftfahrtbundesamt und VW argumentierten unisono: Bei niedrigen Lufttemperaturen droht wegen dramatisch erhöhter Russbildung und Versottung ein Verklemmen des Ventils für die Abgasrückführung und die könne innerhalb weniger Minuten zu Motorschäden und Bränden führen. DUH-Anwalt Remo Klinger und Axel Friedrich hielten dagegen: Es hätte technische Alternativen wie andere Formen der Abgasrückführung und Katalysatoren gegeben. Die habe VW nur nicht gewollt, weil die Autos dadurch teurer geworden wären. Klinger monierte zahlreiche geschwärzte Seiten in den von VW und dem KBA vorgelegten Gutachten und stellte noch sieben so genannte Hilfsbeweisanträge. Mit ihnen muss sich das Gericht noch befassen, wenn es die Klage abweisen will.
Die Richter äußerten sich zunächst zurückhaltend und äußerten Verständnis für die Argumente beider Parteien. Es gehe immer um eine Abwägung zwischen dem Interesse an gesunder Umwelt einerseits und effizientem und preiswerten Individualverkehr andererseits. Sie neigten zunächst dazu, die Abschaltung der Abgasreinigung bei Lufttemperaturen unterhalb von 10 Grad für zulässig zu halten.
Das Urteil steht noch aus. Die drei Berufsrichter und die beiden Schöffen zogen sich gegen 14.40 Uhr zur Beratung zurück. Ihre Entscheidung – entweder der Beschluss, weitere Beweise zu erheben oder ein abschließendes Urteil – wollen sie noch heute verkünden.
Am Rande der Verhandlung interessant: KBA-Justitiar Frank Liebhart erklärte, dass die Behörde inzwischen auch der Meinung ist, dass die Skandalautos seinerzeit nicht der an sich rechtmäßigen Typgenehmigung entsprachen. Auf test.de-Nachfrage erklärte er allerdings: Trotzdem war es richtig, dass die Autos damals weiterfahren durften. Die test.de-Juristen sind anderer Meinung. Die Skandalautos hätten ihrer Ansicht nach sofort aus dem Verkehr gezogen werden müssen.
09.01.2023 Rechtsanwältin Sandra Mader aus der Kanzlei Wawra & Gaibler in Augsburg berichtet: Das Landgericht Ravensburg hat Opel auf ihre Klage hin zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Es ging um einen Opel Insignia Sports Tourer 2,0 l Diesel mit einem Motor vom Typ „B20“, der die Euro 6 Norm erfüllen soll. Nach den Feststellungen des Gerichts reduzierte die Motorsteuerung die Abgasreinigung unterhalb von 16 Grad Lufttemperatur, bei einer Geschwindigkeit von 140 und mehr Stundenkilometern, einer Motordrehzahl von 2 900 und mehr Umdrehungen pro Minute sowie bei einem Luftdruck von 91,5 Kilopascal entsprechend 915 Millibar und weniger, wie er bei normalem Wetter bei einer Höhe von rund 800 und mehr Metern über dem Meeresspiegel herrscht. Bei einer solchen Kombination von Parametern sei wie bei VWs Abschaltung der Abgasreinigung bei anderen als den für die Prüfstandsversuche zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes vorgeschriebenen Bedingungen von Vorsatz und Sittenwidrigkeit auszugehen, begründet Richter Harald Göller sein Urteil. Das Urteil ist auf Opel Cascada und Zafira mit dem gleichen 2.0 Dieselmotor vom Typ B20 übertragbar. Es ist aber noch nicht rechtskräftig.
Landgericht Ravensburg, Urteil vom 30.12.2022
Aktenzeichen: 2 O 200/22 (nicht rechtskräftig)
Verbraucheranwälte: Rechtsanwälte Wawra & Gaibler, Augsburg
23.12.2022 Immer noch: Kein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum möglichen Recht auf Schadenersatz für Autobesitzer bloß wegen Verstößen der Autohersteller gegen die EU-Regeln über die Typzulassung, siehe die Berichte hier unter 13.10.2022 und vor allem 04.07.2022. Auf Anfrage von test.de erklärte ein Gerichtssprecher, es gebe immer noch keinen Termin für die Urteilsverkündung. In einer anderen Sache urteilte der EuGH allerdings: Die EU-Regeln über Grenzwerte giftiger Gase wie Stickoxid in der Luft geben einzelnen Menschen kein Recht auf Schadenersatz. Der EuGH argumentiert darin so ähnlich, wie der Bundesgerichtshof es bei dessen Verweigerung von Schadenersatz nur wegen der Verletzung der EU-Typzulassungsregeln getan hatte. Danach spricht viel dafür, dass der EuGH zum gleichen Ergebnis kommt, auch wenn sein Generalanwalt anderer Meinung war. Das war er beim aktuellen Luftgrenzwerte-Urteil auch.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 22.12.2022
Aktenzeichen: C-61/21
20.12.2022 Soweit uns bekannt erstmals überhaupt kommt ein Gutachter zu dem Ergebnis: Auch ein Auto mit einer bisher nicht vom Kraftfahrtbundesamt beanstandeten Motorsteuerung schaltet die Abgasreinigung illegal ab.
Es ging um einen Audi Q5 3.0 TDI Quattro S tronic mit 176 Kilowatt/239 PS Motorleistung, unter dem Code el*2001/116*0473*09 typzugelassen nach der Norm Euro 5, Erstzulassung des umstrittenen Wagens: März 2012, Laufleistung bis dato: 82 588 Kilometer.
Das Landgericht Mannheim ordnete im Dezember 2020 an: Es ist ein Sachverständigen-Gutachten zur Behauptung des Besitzers des Wagens einzuholen, wonach die Motorsteuerung die Abgasreinigung illegal reduziert oder abschaltet.
Gutachter Hartmut Lehnert findet heraus: Der Ausstoß von Stickoxid erhöht sich bei ein und demselben Norm-Fahrversuch stark, wenn die Lenkung betätigt wird. Steht sie gerade, waren durchschnittlich 227 Milligramm Stickoxid pro simuliertem Kilometer im Abgas – auch schon 26 Prozent mehr als die damals maximal erlaubten 180 Milligramm. Bei 15 und mehr Grad Lenkwinkel stieg der Stickoxidausstoß auf 637 Milligramm. Bei einer weiteren Messung im Prüfstand bei 10 statt der üblichen 20 Grad Lufttemperatur stieg der Stickoxidausstoß sogar auf 1 564 Milligramm – fast das Neunfache des Erlaubten.
Fazit des Gutachters: „Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt über eine sog. Fahrzykluserkennung. Die Software des Motorsteuergeräts erkennt anhand des Lenkwinkeleinschlags, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet. Sobald die Software die Prüffahrt feststellt, schaltet sie die Abgasreinigung in einen optimierten, effektiven Modus. Im Normalbetrieb außerhalb des Prüfstands ist dagegen die Abgasreinigung erheblich reduziert (...). Im normalen Fahrbetrieb kommt zudem ein sog. Thermofenster zum Einsatz. Ab einer Umgebungstemperatur von weniger als 17 °C und mehr als 30 °C wird die Abgasreinigung sehr stark reduziert (...).“
Klarer Fall für Rechtsanwältin Eva Bohle von Gansel Rechtsanwälte: „Außer den Lenkradeinschlägen in den Standphasen wurden keine weiteren Parameter im Gegensatz zum vorgeschriebenen NEFZ-Zyklus verändert. Somit konnte verlässlich die Lenkwinkelerkennung als unzulässige prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung festgestellt werden“, kommentiert sie das Gutachten. Sie sieht jetzt gute Chancen, dass ihr Mandant Schadenersatz bekommt, obwohl das KBA seinen Wagen nicht zurückgerufen hat.
test.de hat sowohl Audi als auch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Audi äußerte sich nicht. KBA-Sprecher Stephan Immen erklärte test.de gegenüber: „Für das hier in Rede stehende Fahrzeug wurde insbesondere die temperaturgeführte Steuerung der Abgasrückführung (AGR), das sog. „Thermofenster“ kritisch hinterfragt. Aufgrund der Informationen des Fahrzeugherstellers und als Ergebnis der durch das KBA durchgeführten Untersuchungen konnte die Argumentation der Audi AG hinsichtlich der Zulässigkeit der gegenständlichen Abschalteinrichtung zum Zwecke des Motorschutzes nach bisherigen Erkenntnissen nicht entkräftigt werden.“ Allerdings: Nach den strengen Ansagen des Europäischen Gerichtshofs führe das KBA zurzeit „...eine weitere technische und verwaltungsrechtliche Prüfung des Sachverhaltes unter Einbeziehung aller aktuellen Erkenntnisse durch“, erklärte Immen weiter.
Womöglich muss die Behörde auch die Entscheidungen wegen zahlreicher anderer Autos revidieren. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach die Deutsche Umwelthilfe (DUH) berechtigt ist, gegen die aus ihrer Sicht rechtswidrige Freigabe der vom VW-Konzern nach Bekanntwerden des Skandals neu entwickelten Motorsteuerungen zu klagen, könnte das Verwaltungsgericht Schleswig die bisherigen Entscheidungen der Behörde zu über 100 Skandalauto-Varianten aufheben. VW müsste dann eine neue Lösung für die Skandalautos entwickeln.
Nach Ansicht der DUH-Juristen einzige legale Möglichkeit: Die Skandalautos bekommen zusätzlich zur Abgasrückführung noch einen Katalysator, um den Ausstoß von giftigem Stickoxid zuverlässig unter den Grenzwert zu halten. Das KBA hatte bisher für die allermeisten Skandalautos für ausreichend gehalten, die Software für die Motorsteuerung zu ändern. Bei einigen Autos gab es zusätzlich nur ein kleine Änderung im Ansaugtrakt.
18.11.2022 Laut Taz-Bericht zu den Bosch-Dokumenten (siehe unten unter 17.11.2022) legen die Unterlagen nahe, dass alle wichtigen Autohersteller offenbar schon vor 2006 begonnen haben, den Abgasbetrug vorzubereiten. Sie hätten die dafür nötigen Mechanismen in den Motorsteuergeräten gezielt in Auftrag gegeben.
17.11.2022 Neue Dokumente von Zulieferer Bosch belegen offenbar: Schon vom Jahr 2006 an planten praktisch alle wichtigen Autohersteller, wie sie die EU-Regelungen zu den Abgasgrenzwerte umgehen können. Spiegel und Bayerischer Rundfunk berichten: Ihnen liegen bisher geheime Unterlagen vor, nach denen Bosch nach eigenen Untersuchungen 44 „sensible Funktionen“ identifiziert hatte, die womöglich illegal sind. Dabei ging es nicht nur um Diesel-Aggregate, sondern auch um Benzin-Motoren.
14.11.2022 Gansel Rechtsanwälte weisen darauf hin: Am 31. Dezember dieses Jahres verjähren Schadenersatzansprüche wegen etlicher Mercedes-Modelle mit Turbodiesel-Motoren und anerkannt illegaler Motorsteuerung (darunter C-Klasse, E-Klasse, S-Klasse, der GLK und der GLE sowie der ML), vieler ebensolcher Audi A4, A5, A6, A7, A8 und Q7 und des VW Multivan T6. Im Normalfall gilt: Die Verjährung beginnt am Ende des Jahres, in dem Besitzer von Skandalautos erfahren, dass ihr Wagen eine illegale Motorsteuerung hat und zur Nachrüstung in die Werkstatt muss. test.de empfiehlt: Wegen der aktuell für viele der betroffenen Modelle unklaren Erfolgsaussicht von Schadenersatzforderungen sollten Besitzer solcher Autos zunächst nicht gleich Rechtsanwälte einschalten, sondern selbst die Verjährung stoppen.
So geht es am einfachsten: Fordern Sie sofort mit Hilfe unserer Mustertexte Schadenersatz. Der Autohersteller wird nicht zahlen. Sie können sich dann bei einer der beiden Universalschlichtungsstellen
beschweren. Damit können Sie den Hersteller Ihres Wagens zwar nicht zur Zahlung von Schadenersatz zwingen, aber die Schlichtung stoppt die Verjährung bis sechs Monate nach Ende des Verfahrens und verschafft Ihnen so genügend Zeit, um das grundlegende Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Schadenersatz wegen des Abgasskandals abzuwarten. Wir erwarten es in den nächsten Wochen. Es geht um die Frage, ob schon die Verletzung der EU-Zulassungsregeln Autobesitzern ein Recht auf Schadenersatz gibt oder ob es entsprechend der bisherigen Ansagen des Bundesgerichtshofs dabei bleibt, dass die Autohersteller nur zahlen müssen, wenn sie vorsätzlich und sittenwidrig handelten.
09.11.2022 Wie wichtig die gestern vom Europäischen Gerichtshof endlich bestätigte (siehe unten unter 08.11.2022) Befugnis von Umweltverbänden zur Klage gegen Typgenehmigungen ist, zeigt schon: Die Bundesregierung und damalige Koalition verhinderten es 2017, dass sie ins Gesetz kam. Dies und weitere Einzelheiten zur Rechtslage beschreibt ein ausführlicher Bericht der Legal Tribune Online.
08.11.2022 Das Kraftfahrtbundesamt muss den Abgasskandal noch mal ganz neu aufrollen: Laut Europäischer Gerichtshof (EuGH) darf die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen die Freigabebescheide klagen, mit denen die Behörde den Autoherstellern und vor allem VW nach Bekanntwerden des Abgasskandals eine neue Motorsteuerung genehmigt hatte. Solche Klagen sind nach deutschem Recht nicht zulässig. Die EU-Regeln zwingen aber zur Zulassung der Klagen, verkündete der EuGH heute in Luxemburg.
Die DUH und zahlreiche Experten sind davon überzeugt: Auch die nach Bekanntwerden des Abgasskandals neu entwickelten Motorsteuerungen sind rechtswidrig. Die Abgasreinigung werde je nach Lufttemperatur, Luftdruck und zahlreichen weiteren Faktoren ganz oft verringert oder sogar ganz abgeschaltet, erklärte DUH-Experte Axel Friedrichs bei einer Pressekonferenz.
DUH-Anwalt Remo Klinger erwartet innerhalb des nächsten Jahres etliche Urteile gegen die Genehmigung der Motorsteuerung von rund 120 verschiedenen Automodellen mit Dieselmotoren, gegen die die DUH Klage erhoben hat. Die Bundesregierung müsse die Autohersteller jetzt zwingen, die rund fünf Millionen betroffenen Autos mit wirksamer Abgasreinigungstechnik nachzurüsten, forderte DUH-Vorsitzender Jürgen Resch. Die Kosten dafür müsse die Industrie tragen. Soweit Autobesitzern durch die rechtswidrige Genehmigung der Nachrüstung für ihre Wagen ein Vermögensnachteil entstanden ist, hat nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz der Staat sie zu entschädigen.
Immerhin: Bei den auf Anordnung des Kraftfahrtbundesamts in Flensburg mit einer neu entwickelten Motorsteuerung nachgerüsteten Skandalautos steht fest: Sie dürfen weiterfahren. Sie entsprechen der geänderten Typgenehmigung. Das gleiche gilt für Autos, für die das Kraftfahrtbundesamt die Reduktion oder Abschaltung der Abgasreinigung nachträglich ohne Änderungen gebilligt hat. Autos allerdings, bei denen die Behörden trotz illegaler Motorsteuerung bisher nichts unternommen haben, droht nach wie vor die Stilllegung. Nach Ansicht von DUH-Anwalt Remo Klinger und den test.de-Juristen entsprechen sie nicht der in Unkenntnis der Motorsteuerung erteilten Typgenehmigung und hätten deshalb nie zugelassen werden dürfen.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 08.11.2022
Aktenzeichen: C-873/19
Klägervertreter: Rechtsanwalt Remo Klinger, Berlin
17.10.2022 Da staunen die Juristen bei test.de: Der Bundesgerichtshof urteilt über den Restschadenersatz, den VW Käufern von Skandalautos auch über die normale dreijährige Verjährung hinaus zu zahlen hat, überraschend verbraucherunfreundlich. So lautet die maßgebliche Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch: „Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs (...) zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet.“ Überraschende Ansage der Bundesrichter dazu: Autobesitzer bekommen doch von vorneherein nicht den Schadenersatz, der ihnen eigentlich zusteht. Das ist: Kaufpreis abzüglich Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrene Kilometer („Nutzungsersatz“). Stattdessen gibt es nur noch: Einkaufspreis (also: Kaufpreis abzüglich Händlermarge) minus Nutzungsersatz. Dabei wird der anhand des vollen Kaufpreises errechnet. Praktische Auswirkung in einem Fall, zu dem der Bundesgerichtshof heute sein Urteilt veröffentlicht hat: Der Besitzer eines VW Beetle 2.0 TDI bekommt jetzt nur noch 13 022,22 Euro. Das Landgericht Trier und das Oberlandesgericht Koblenz hatten ihm noch 16 247,67 Euro zugesprochen. Sie waren – wie die Juristen der Stiftung Warentest es auch für richtig gehalten hatten – davon ausgegangen: Opfern des Abgasskandals steht voller Schadenersatz zu. Nach Ablauf der Verjährungsfrist ist der aber begrenzt durch den Betrag, den VW selbst bei Lieferung des Wagens Anfang 2015 für den Wagen erhalten hatte. Das waren 20 040 Euro, so dass für den Autobesitzer der volle Schadenersatz drin gewesen wäre.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.02.2022
Aktenzeichen: VIa ZR 57/21
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.09.2022
Aktenzeichen: VIa ZR 176/22
13.10.2022 Geschädigte Autofahrer warten weiter auf das nächste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Abgasskandal. Die Richter dort haben zu klären, ob entgegen der Auffassung der deutschen Gerichte jeder Verstoß gegen die EU-Regeln zur Zulassung von Autotypen Käufer betroffener Autos ein Recht auf Schadenersatz gibt. EuGH-Generalanwalt Athanasios Rantos und die EU-Kommission haben sich bereits geäußert. Sie meinen: Autohersteller sind nicht nur gegenüber den Behörden, sondern auch Autofahrern gegenüber verpflichtet, die Typzulassungsregeln einzuhalten (siehe auch unten unter: 04.07.2022).
13.10.2022 Ein weiteres Kapitel des Abgasskandals ist – vorläufig jedenfalls – abgeschlossen: Es bleibt bei der Einigung des VW-Konzerns mit den seinerzeit verantwortlichen Managern, darunter auch die damaligen Chefs von VW und Audi, Martin Winterkorn und Rupert Stadler. Das Landgericht Hannover wies Aktionärsklagen gegen die Beschlüsse zurück, mit der die Hauptversammlung den Vergleich gebilligt hatte. Danach bekommt VW als Ersatz für die Schäden, die dem Unternehmen durch den Einsatz von Motorsteuerungen mit illegaler Abschaltung der Abgasreinigung entstanden sind, insgesamt 288 Millionen Euro, darunter 11,2 Millionen Euro von Martin Winterkorn, 4,1 Millionen Euro von Rupert Stadler und 270 Millionen Euro von einer D&O-Versicherung, einer Berufshaftpflichtversicherung, die für die Schäden von Managementfehlern eintritt. Große Unternehmen schließen solche Versicherungen ab, damit sie gegen die finanziellen Folgen von Managementfehlern zumindest teilweise abgesichert sind. Policen, mit denen verantwortliche Mitarbeiter sich selbst gegen Schadenersatzforderungen schützen können, hat die Stiftung Warentest untersucht. Unter Vermögenshaftpflichtversicherung: D & O-Versicherungen im Test gibt‘s die Ergebnisse.
Landgericht Hannover, Urteil vom 12.10.2022
Aktenzeichen: 23 O 63/21 (nicht rechtskräftig)
Pressemitteilung des Gerichts zum Urteil
Geklagt hatten die beiden Aktionärsvereine Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SDK) und Verbraucherzentrale für Kapitalanleger. Sie sind der Meinung: Die Manager kommen zu billig davon. Es stehe noch gar nicht fest, wie viel Geld der Abgasskandal den VW-Konzern insgesamt koste. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig, die gegen etliche Manager Anklage wegen Betrugs erhoben hat, schätzt: Es geht um insgesamt 78 Milliarden Euro. test.de vermutet: Die Aktionärsvereine werden Berufung einlegen. Die VDK erklärte: Die Anwälte des Vereins prüfen das Urteil noch.
15.07.2022 Inzwischen hat das Kraftfahrtbundesamt zu den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von gestern Stellung genommen. Die Behörde meint: Ihre Entscheidungen entsprachen bereits der strengen Rechtsauffassung des Gerichts. Eine Reduktion der Abgasreinigung bei Temperaturen unterhalb von 15 und oberhalb von 33 Grad Celsius habe die Behörde immer schon für illegal gehalten. Welche Temperaturgrenzen ihrer Auffassung nach stattdessen gelten, sagt sie allerdings nicht. Bei dem Wagen, um den es im Rechtsstreit geht, funktionierte die Abgasreinigung laut Gericht nur zwischen 15 und 33 Grad Celsius und unterhalb von 1 000 Metern Höhe über Normalnull korrekt. Laut VW als Herstellers des Wagens handelt es sich dabei um ein Missverständnis. Diese Temperaturgrenzen beziehen sich auf die Ladeluft, die sich im Motor bereits etwas erwärmt habe. Tatsächlich funktioniere die Abgasreinigung bis zu Temperaturen von 10 Grad Celsius ohne Einschränkungen. Auch das reicht nicht, glauben die Rechtsexperten von test.de. Die Lufttemperatur in Deutschland lag laut statistischem Bundesamt im Jahresdurchschnitt zuletzt bei 9,1 Grad Celsius, so das die Abgasreinigung auch danach die meiste Zeit des Jahres nicht korrekt funktioniert. Der EuGH verlangt ausdrücklich: Die Abgasreinigung darf nur ausnahmsweise wegen unmittelbar drohender Motorschäden oder Unfälle verringert werden und muss die meiste Zeit des Jahres vollständig funktionieren.
Stellungnahme des Kraftfahrtbundesamts zu den EuGH-Urteilen vom 14.07.2022
14.07.2022 Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg bekräftigt in heute verkündeten Urteilen: Wenn die Motorsteuerung die Abgasreinigung bei Temperaturen verringert, wie sie in Europa oft vorkommen, ist das illegal. Nur ausnahmsweise und wenn akut Motorschäden drohen, darf die Abgasreinigung reduziert oder abgeschaltet werden. In dem Verfahren ging es um einen mit der von VW nach Bekanntwerden des Abgasskandals neu entwickelten Motorsteuerung ausgerüsteten Wagen. Auch diese Motorsteuerung halten die Richter in Luxemburg für illegal. Ob und was das Kraftfahrtbundesamt jetzt unternimmt, ist noch unklar. „Das Kraftfahrtbundesamt hat das Urteil zur Kenntnis genommen. Nach Abschluss der aktuell stattfindenden Bewertung werden Sie kurzfristig weitere Informationen erhalten“, schrieb Behörden-Sprecher Stephan Immen an test.de.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 14.07.2022
Aktenzeichen: C-128/20
Pressemitteilung des Gerichts
Offen ist noch, ob Hersteller von Autos mit illegaler Motorsteuerung Käufer auch dann entschädigen müssen, wenn ihnen keine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung zur Last fällt. Lesen Sie dazu den Beitrag unter dem 02.06.2022. Insider rechnen im Spätsommer oder Herbst mit einem Urteil des EuGH zu dieser Frage.
04.07.2022 Die juristische Aufarbeitung des Abgasskandals geht in den Endspurt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat angekündigt, Ende November erneut über Schadenersatzansprüche wegen des Abgasskandals zu verhandeln. Es geht um einen VW mit nach der Abgasnorm Euro 6 zugelassenen VW mit EA288-Turbodieselmotor, den das Kraftfahrtbundesamt nicht beanstandet hat. Bis dahin dürfte das Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu Entschädigungen wegen des Abgasskandals vorliegen. Die Richter dort haben darüber zu entscheiden, ob auch der fahrlässige Verstoß gegen die EU-Regeln über die Typzulassung Besitzern solcher Autos ein Recht auf Schadenersatz gibt. Der Bundesgerichtshof urteilte bisher: Nur, wenn verantwortlichen Mitarbeitern des Autoherstellers Vorsatz und Sittenwidrigkeit vorzuwerfen ist, haftet das Unternehmen auf Schadenersatz. EuGH-Generalanwalts Athanasios Rantos und die EU-Kommission haben sich bereits geäußert. Sie meinen: Jede Verletzung der EU-Regeln muss zur Entschädigung führen.
Thema beim BGH laut Pressemitteilung vor allem: Können Autohersteller sich darauf berufen, dass das Kraftfahrtbundesamt Typengenehmigungen erteilt und zum Teil in Kenntnis der Einzelheiten der Motorsteuerung bestätigt hat? Die Juristen der Stiftung Warentest glauben: Wo die Typzulassungsbehörden in Kenntnis aller Einzelheiten ihren Segen gegeben haben und dies nicht erkennbar falsch war, ist eine Haftung der Autohersteller kaum zu begründen. Wo umgekehrt die Autohersteller beim Antrag auf Typzulassung – wie soweit bekannt die Regel – die Motorsteuerung nicht offengelegt haben, müssen Sie sich den Vorwurf zumindest fahrlässiger Verstöße gegen die EU-Zulassungsregeln gefallen lassen, wenn die Abgasreinigung im Fahrbetrieb schlechter funktioniert als bei den Prüfstandversuchen zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes.
Pressemitteilung des BGH zur Verhandlung am Montag, 21. November 2022
24.06.2022 Nach dem von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs deutlich abweichenden Votum des Generalanwalts Athanasios Rantos beim Europäischen Gerichtshofs (EuGH, s. u. unter 02.06.2022) hat der VII. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) die für kommenden Donnerstag geplante Verhandlung über Schadenersatzforderungen wegen eines VW mit jüngerem EA288-Motor abgesagt und will erst einmal abwarten. Das teilte BGH-Sprecher Kai Hamdorf test.de auf Anfrage mit. Wie die übrigen BGH-Senate mit Abgasskandalfällen weiter verfahren, könne er derzeit noch nicht sagen, erklärte er weiter. Der eigens wegen der VW-Klagewelle eingerichtete VIa. Sondersenat hat zwar in der vergangenen Woche zwei Urteile zum Abgasskandal verkündet (s. u. unter 14.06.2022). In diesen Fällen spielten die Ansagen des EuGH-Anwalts zu den EU-Zulassungsregeln allerdings keine Rolle. Urteilt der EuGH wie von Rantos empfohlen, wird der Bundesgerichtshof die Autohersteller wegen Autos mit illegaler Motorsteuerung anders als bisher auch zu Schadenersatz verurteilen müssen, wenn ihnen Vorsatz und Sittenwidrigkeit nicht nachzuweisen ist. Ausgeschlossen ist Schadenersatz nur noch, wenn Autohersteller davon ausgehen durften, dass die jeweilige Motorsteuerung rechtmäßig ist.
14.06.2022 Zwei weitere Ansagen des Bundesgerichtshofs zum Abgasskandal: Myright.de darf nicht nur deutsche, sondern auch ausländischen Abgasskandal-Schadenersatzforderungen gesammelt einklagen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.06.2022
Aktenzeichen: VIa ZR 418/21
Und: Auch bei aus anderen EU-Ländern reimportierten Autos können die Käufer unter Umständen noch über die Verjährung hinaus Schadenersatz gegen VW durchsetzen. Voraussetzung für diesen so genannte Restschadenersatzanspruch ist allerdings: Die Lieferung des Wagens an den Händler beruht auf ihrer Bestellung. Das gilt auch, wenn noch Zwischenhändler im Einsatz waren. Wo Händler auf eigene Rechnung und eigenes Risiko Autos eingekauft und sie später weiterverkauft haben, liegt keine Zahlung des Käufers an VW vor und sind über die normale Verjährung hinaus keine Schadenersatzansprüche mehr durchsetzbar.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.06.2022
Aktenzeichen: VIa ZR 680/21
02.06.2022 Gerade hat der Bundesgerichtshof einmal mehr verkündet: Eine illegale Abschaltung der Abgasreinigung allein berechtigt Autobesitzer nicht zum Schadenersatz (Aktenzeichen: VI ZR 435/20). Da kommt die Nachricht aus Luxemburg: Generalanwalt Athanasios Rantos beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) sieht ein Recht auf Schadenersatz bei jedem Verstoß gegen die EU-Regeln über die Typzulassung. Anlass ist eine Klage gegen Daimler wegen eines im März 2013 neu zugelassenen Mercedes C 220 CDI, bei dem die Motorsteuerung die Abgasreinigung unterhalb bestimmter Temperaturen reduziert. Auf der Grundlage der Ansagen des Bundesgerichtshof war die Klage gleichwohl abzuweisen, da Daimler nicht vorsätzlich und sittenwidrig handelte. Doch die Richter in Ravensburg setzten das Verfahren aus und fragten beim EuGH nach, ob nicht schon bei fahrlässigen Verstößen gegen die Regeln über die EU-Typzulassung Schadenersatz fällig ist. Das hatte der Bundesgerichtshof bisher stets abgelehnt. Die Regeln dienten der Allgemeinheit und nicht dem Schutz von Autokäufern, argumentierten sie. Ganz anders der hohe EU-Jurist in seinem Plädoyer: „Die Richtlinie 2007/46 (...) ist dahin auszulegen, dass (...) ein Erwerber eines Fahrzeugs einen Ersatzanspruch gegen den Fahrzeughersteller hat, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung (...) ausgestattet ist“, erklärt er. Jetzt müssen die Richter in Luxemburg beraten und entscheiden. Sie halten sich oft, aber nicht immer an das Votum des Generalanwalts. Wenn Sie es tun, dann dürfte so ziemlich jedem Besitzer von Autos mit Dieselmotoren bis einschließlich Euro 6c Schadenersatz zustehen, wenn ihre Rechte nicht inzwischen verjährt oder ihre Klagen rechtskräftig abgewiesen sind. Erst nach Euro 6d zugelassene Dieselmotoren sind Messungen der Deutschen Umwelthilfe zu Folge halbwegs zuverlässig so sauber, wie es die EU-Regeln vorschreiben. Die zuvor zugelassenen Autos stießen bei Fahrten im Straßenverkehr aber viel mehr Stickoxid aus als im Prüfstand und wie es nach den EU-Regeln zulässig war.
Landgericht Ravensburg, Beschluss vom 12.02.2021
Aktenzeichen: 2 O 393/20
Verbraucheranwälte: Prorights Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München
Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof Athanasios Rantos, Schlussanträge vom 02.06.2022
Aktenzeichen: C-100/21
Verbraucheranwälte: Prorights Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München
06.04.2022 Über sechs Jahre nach Bekanntwerden des Abgasskandals ist immer noch unklar: Durften die Behörden die Autos mit der illegalen Motorsteuerung damals einfach weiter fahren lassen oder hätten sie sie sofort aus dem Verkehr ziehen müssen? Über die Frage muss jetzt das Oberverwaltungsgericht Sachsen nachdenken. Die Besitzerin eines Skandal-Skoda klagt gegen die Stilllegung des Wagens. Sie meint: Die britische Typgenehmigung legalisiert den Betrieb des Wagens auch ohne das von VW entwickelte Software-Update. Anders als das Kraftfahrtbundesamt hat die britische Behörde die Typgenehmigung für Skandalautos nicht nachträglich geändert. Sie hatte allerdings später erklärt: Autos wie der Wagen der Klägerin entsprachen nicht den Anforderungen der EU-Regeln. Das Verwaltungsgericht in Chemnitz hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen und die Stilllegung des Wagens bestätigt. Das Oberverwaltungsgericht in Bautzen bezweifelt, dass das richtig ist, und hat die Berufung zugelassen. Es muss jetzt klären, ob die Typgenehmigung den Betrieb des Wagens trotz der illegalen Motorsteuerung legalisierte. Mögliche Entscheidungen: Die Autos entsprachen wegen der den Behörden verschwiegenen Abschaltung der Abgasreinigung gar nicht der Typgenehmigung und hätten nie zugelassen werden dürfen. Oder: Die Typgenehmigung legalisierte den Betrieb der Autos trotz der illegalen Abschaltung der Abgasreinigung, so lange die Behörden sie nicht ändern, widerrufen oder aufheben.
Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.03.2022
Aktenzeichen: 6 A 607/20
Klägerinanwälte: Rechtsanwälte Schulze & Greif, Chemnitz
22.03.2022 Das Oberlandesgericht Brandenburg muss klären, ob die von VW nach Bekanntwerden des Abgasskandals auf Geheiß des Kraftfahrtbundesamts neu entwickelte Motorsteuerung ebenfalls illegal ist und eine sittenwidrige Schädigung der Autobesitzer darstellt. Laut der Anwälte des Klägers enthielt auch die neue Motorsteuerung eine illegalen Prüfstanderkennung. Nach dem Anlassen erhöhe der Motor die Abgasreinigung zunächst, fahre sie aber nach einem bestimmten Spritverbrauch wieder herunter. Auf diese Weise seien Autos für die Dauer des behördlichen Testverfahrens sauber unterwegs, danach aber nicht mehr. VW habe somit im Ergebnis nur eine Betrugssoftware durch eine andere ersetzt. Diese Darstellung hatte das Oberlandesgericht übergangen und die Klage abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verwies den Fall zurück nach Brandenburg.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.02.2022
Aktenzeichen: VI ZR 934/20
Klägeranwälte: Rechtsanwälte Hillmann und Partner, Oldenburg
Weiteres spektakuläres Abgasskandal-Urteil: Laut Oberlandesgericht Köln hat VW auch den Besitzer eines Skoda Superb mit nach der Euro 6-Norm zugelassenen EA288-Motor vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt. Die Motorsteuerung enthalte eine nach den Ansagen des Europäischen Gerichtshof illegale Abschalteinrichtung, die VW nicht gerechtfertigt habe und für die auch keine Rechtfertigung erkennbar sei, argumentierten die Richter in Köln. Weitere Einzelheiten zum Fall auf der Homepage der Klägeranwälte.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 10.03.2022
Aktenzeichen: 24 U 112/21
Klägeranwälte: Gansel Rechtsanwälte, Berlin
17.03.2022 Keine Überraschung mehr: Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte die Abweisung einer Staatshaftungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen des Abgasskandals. Der Besitzer eines Audi mit Skandalmotor von 2014 hatte argumentiert: Das Kraftbundesamt habe die Einhaltung der EU-Regeln über die Typzulassung nicht ausreichend überwacht und es dem VW-Konzern damit ermöglicht, ihn durch Lieferung eines nicht der Typgenehmigung entsprechenden Wagens zu schädigen. Die EU-Regeln, so der BGH, schützen den Autobesitzer aber nur davor, dass er einen Wagen erhält, mit dem er dann nicht fahren darf. Das durfte der Audi-Besitzer aber. Sein Vermögen schützen die EU-Regeln aber nicht, so dass die womöglich mangelnde Beaufsichtigung der Autohersteller nicht dazu führen würde, dass der Staat für die Autokäufern entstehenden finanziellen Nachteile einstehen muss.
Einfacher ausgedrückt: Nach den EU-Regeln sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, ausreichend hohe Strafen gegen Hersteller zu verhängen, die die Zulassungsregeln verletzen. Für Autofahrer müssen sie danach aber erst etwas tun, wenn die tatsächlich mit ihrem illegalen Auto nicht mehr fahren dürfen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.02.2022
Aktenzeichen: III ZR 87/21
Der dritte Senat schließt damit an die Urteile der anderen mit Abgasskandal-Fällen befassten Senate an, wonach die Verletzung der EU-Zulassungsregeln als solche Autobesitzer nicht zum Schadenersatz berechtigt. Die schützen in erster Linie die Allgemeinheit und die Umwelt. Bei Klagen gegen Autohersteller spielte das praktisch keine Rolle, weil die ja wegen der Reglen zur vorsätzlichen und sittenwidriger Schädigung im deutschen Recht hafteten und es deshalb auf die EU-Regeln direkt in der Regel nicht ankam.
09.03.2022 In einer Feinheit lag test.de beim Bericht über das Urteil des Bundesgerichtshof zum so genannten „kleinen Schadenersatz“ vom 25.01.2022 um die dritte Stelle hinter dem Komma falsch: Der Wert der Nutzungen richtet sich anders als von test.de auf Grund der Pressemitteilung zum Urteil angenommen auch in dieser Konstellation nicht nach dem Wert des Wagens beim Kauf, sondern nach dem Kaufpreis einschließlich Umsatzsteuer. So ergibt es aus der seit gestern öffentlich vorliegenden Begründung zum Urteil.
Der Wert der Nutzungen je Kilometer ist also: Kaufpreis / Restlaufleistung. Für den vom BGH entschiedenen Fall (gebrauchter Seat Ibiza für 12 999 Euro mit 60 400 Kilometern auf dem Tacho) heißt das: Wenn von einer Lebenserwartung des Wagens von 250 000 Kilometern auszugehen ist, dann liegt der Nutzungsersatz bei (12 999 Euro ./. (250 000 Kilometer - 60 400 Kilometer =) 0,063 Euro/Kilometer. Bei einem Kilometerstand von 275 000 Kilometern ist dann der Wert der 25 000 Kilometer über die normale Lebenserwartung des Wagens hinaus gefahrenen Kilometer auf den Anspruch des Klägers auf Ersatz des Minderwerts anzurechnen. Er bekommt also nur noch dann Geld, wenn ihm ursprünglich mehr als 1 582 Euro zustanden.
03.03.2022 Im Abgasskandal wirds noch mal spannend. Athanasios Rantos, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshofs (EuGH), meint: Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) dürfen gegen rechtswidrige Typgenehmigungen klagen. Jetzt muss der EuGH entscheiden. Urteilt der, wie von Rantos vorgeschlagen, könnten mittelfristig Hunderttausende von Autos mit Euro 4, 5 und 6-Dieselmotoren stillzulegen sein.
Das Verwaltungsgericht in Schleswig hat beim EuGH in Luxemburg nachgefragt, ob Umweltverbände nach EU-Regeln befugt sind, gegen Typgenehmigungen für Autos zu klagen. Nach deutschem Recht seien solche Klagen nicht zu lässig.
Klare Ansage des EuGH-Generalanwalt: Umweltverbände müssen gerichtlich prüfen lassen können, ob eine Typgenehmigung rechtmäßig ist. Er ergänzte gleich noch: Mechanismen zur Reduktion der Abgasreinigung sind allenfalls in seltenen Ausnahmesituationen zum Schutz des Motors vor akuten Schäden oder zur Verhinderung von Unfällen zulässig und ansonsten stets illegal.
Wenn der EuGH sich dem Votum des Anwalts anschließt, muss das Verwaltungsgericht in Schleswig auf die Klagen des DUH hin darüber urteilen, ob die Genehmigung für verschiedene Dieselmotoren rechtmäßig ist, darunter auch die von VW nach Bekanntwerden des Abgasskandals auf Geheiß des Kraftfahrtbundesamts entwickelte neue Motorsteuerung („Update“).
Dazu hatte der EuGH schon sehr streng geurteilt (s. u., 17.12.2020). Rechtsexperten glauben: Gemessen an diesem Maßstab dürfte kaum eine Steuerung für Dieselmotoren bis einschließlich Schadstoffnorm Euro 6 rechtmäßig sein. Folge für Besitzer solcher Autos: Wenn Verwaltungsgerichte die Typgenehmigungen aufheben, ist auch die Zulassung rechtswidrig. Immerhin: Wenn die Behörden sie kassieren und die Autos stillegen, dürfte den Besitzern der Autos eine Entschädigung zustehen.
21.02.2022 Der Aktienkurs von VW sinkt, die Stimmung bei VW-Skandal-Opfern steigt: Der Autokonzern muss auch über die normale Verjährung hinaus Schadenersatz zahlen, wenn der Besitzer den Wagen mit der illegalen Motorsteuerung neu gekauft hat. Das hat der Bundesgerichtshof heute entschieden. Geschädigten steht der so genannte Restschadenersatz zu. Nach § 852 des Bürgerlichen Gesetzbuchs haftet der Schädiger auch über die Verjährung hinaus, soweit er durch seine Tat noch bereichert ist. Entscheidend ist laut den Richtern in Karlsruhe, was VW beim Verkauf des Autos entweder direkt vom jetzigen Besitzer oder über einen Händler für den Wagen erhalten hat. Das dürfte in der Regel ausreichen, um Abgasskandalopfer voll zu entschädigen. Wie sonst auch gilt: Der Ersatzanspruch geht auf die Erstattung des Kaufpreises. Sie ist um eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer zu kürzen. Hat der Wagen die insgesamt von ihm zu erwartende Laufleistung erreicht, gehen Abgasskandalopfer ganz leer aus. Davon gehen die Gerichte bei kleineren Autos meist nach 250 000 Kilometern aus und bei größeren nach 300 000 Kilometern. Der Restschadenersatz verjährt erst 10 Jahre nach dem Kauf. Wenn sich der zehnte Jahrestag des Vertragsschlusses nähert, ist allerdings Eile geboten. Nur rechtliche Schritte wie die Klageerhebung oder ein wirksamer Schlichtungsantrag stoppen die Verjährung. Betroffene – also Käufer eines neuen Autos aus dem VW-Konzern mit einem der TDI-Motoren vom Typ EA189, deren illegale Steuerung VW im September 2015 einräumen musste – sollten dafür einen Rechtsanwalt einschalten. Berücksichtigen Sie, dass der Rechtsanwalt auch noch etwas Zeit braucht, um den Fall zu bearbeiten.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.02.2022
Aktenzeichen: VIa ZR 8/21
Klägervertreter: Noch unbekannt, bitte melden!
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.02.2022
Aktenzeichen: VIa ZR 57/21
Klägervertreter: Noch unbekannt, bitte melden!
Weitere Einzelheiten zu den Urteilen in der Pressemitteilung des Gerichts.
11.02.2022 Ein Fehler des Bundesamts für Justiz (BfJ) könnte Hunderte von VW-Skandalopfern um ihre Entschädigung gebracht haben. Sie hatten ihre Ansprüche erst am 30. September 2019 zur Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen VW angemeldet. An dem Tag hatte die mündliche Verhandlung in der Stadthalle Braunschweig begonnen. Laut Zivilprozessordnung ist die Anmeldung von Rechten aber nur bis zum Tag vor der erst mündlichen Verhandlung zulässig.
Allerdings: Der 30. September 2019 war ein Montag. Grundregel in solchen Fällen: Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages. Die Juristen im BfJ dachten: Die Regel ist auf die Anmeldung von Rechten zu Musterfeststellungsklagen nicht anwendbar, weil sich dann Menschen noch anmelden könnten je nachdem, wie die Ansagen der Richter in der Verhandlung ausfallen. Außerdem war die Anmeldung der Rechte über die Online-Formulare der Behörde auch am Sonntag, 29. September 2019, möglich.
Trotzdem: Anmeldungen zu Musterfeststellungsklagen sind auch am Tag der mündlichen Verhandlung noch zulässig, entschieden Oberlandesgericht Köln und Bundesgerichtshof und korrigierten damit die Entscheidung der Behörde. Die ließ daraufhin nach Auskunft von Sprecherin Pia Figge 352 Anmeldungen zur Musterfeststellungsklage nachträglich zu.
Ob es noch etwas nützt, ist allerdings unklar. VW weigerte sich zumindest einem test.de-Leser gegenüber, ihm nachträglich ein Vergleichsangebot entsprechend der Vereinbarungen mit dem vzbv zu machen. Seine Rechte seien inzwischen verjährt, meint der Konzern.
Tatsächlich: Als der Bundesgerichtshof entschied, dass die Anmeldungen von Montag, 30. September 2019 auch noch gültig sind, war die normale Verjährungsfrist für Teilnehmer an der Musterfeststellungsklage bereits längst abgelaufen. VW-Skandalopfer, die ihren Wagen gebraucht gekauft haben, gehen damit nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs von gestern (s. u.) leer aus, wenn es dabei bleibt. Neuwagenkäufer können noch darauf hoffen, dass Ihnen über die Verjährung hinaus Schadenersatz zusteht und sie damit VW vielleicht doch noch dazu bewegen können, ihnen eine den Musterfeststellungsvereinbarungen entsprechende Entschädigung anzubieten. Darüber entscheidet der Bundesgerichtshof am Montag, 21. Februar 2022.
Wer im Vertrauen auf die rechtswidrige Ablehnung der Anmeldung zur Musterfeststellungsklage einen Vermögensnachteil erleidet, kann nach einer Regelung im Verwaltungsverfahrensgesetz eine Entschädigung beim BfJ beantragen. Ob die Behörde ein Recht auf den Ausgleich von Vermögensnachteilen von erst nachträglich zur Musterfeststellungsklage zugelassenen VW-Skandalopfern sieht, ließ Sprecherin Pia Figge test.de gegenüber offen. Das sei eine Frage des Einzelfalls. Bisher liege kein Antrag auf eine solche Entschädigung vor.
Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 27.04.2020
Aktenzeichen: 7 VA 2/20
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.03.2021
Aktenzeichen: V AR(VZ) 6/20
10.02.2022 Abgasskandalopfer, die ihren Wagen neu erworben hatten, können sich Hoffnung darauf machen, Schadenersatz von VW auch über die Verjährung hinaus durchsetzen zu können. Für Gebrauchtwagenkäufer allerdings hat der Bundesgerichtshof das ausgeschlossen. Die Haftung auf Restschadenersatz über die Verjährung setze voraus, dass VW vom Kauf des jeweiligen Skandalautos profitiert habe. Das sei bei Gebrauchtwagen nicht mehr der Fall. Es reiche allerdings aus, wenn eine indirekte Vermögensverschiebung vom Geschädigten zu VW stattgefunden hat, heißt es in der Presseerklärung des Gerichts. Nach Auffassung der test.de-Rechtsexperten liegt bei Neuwagenkäufen eine solche indirekte Vermögensverschiebung vor, auch wenn VW das Auto nicht selbst verkauft hat, sondern es an einen Händler geliefert hat und der es schließlich an den jetzigen Besitzer verkauft hat. Die endgültige Entscheidung darüber fällt am Montag, 21. Februar. An diesem Tag verhandelt der Bundesgerichtshof über die Klagen einiger Käufer seinerzeit neuer Skandalautos.
Bundesgerichtshof, Urteile vom 10.02.2022
Aktenzeichen: VII ZR 365/21, VII ZR 679/21, VII ZR 692/21 und VII ZR 717/21
Überraschendes Urteil in einem weiteren Fall: Schadenersatzansprüche gegen VW waren bei Klageerhebung vor Ende 2019 noch nicht verjährt, wenn der Besitzer des Wagens nicht noch im Jahr 2015 erfahren hatte, dass sein Wagen ein Skandalauto ist. Es sei zwar davon auszugehen, dass Skandalautobesitzer bereits im Jahr 2015 vom Abgasskandal allgemein erfuhren. Es sei aber nicht grob fahrlässig, wenn sie nicht gleich nach Start der VW-Webseite zur Identifizierung von Autos mit illegaler Motorsteuerung überprüften, ob ihr Auto betroffen ist, entschieden die Bundesrichter. Grob fahrlässig handelte ihrer Ansicht nach nur, wer dies nicht bis spätestens Ende 2016 machte. Schadenersatzansprüche gegen VW verjährten damit in solchen Fällen nicht bereits Ende 2018, sondern erst ein Jahr später.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.02.2022
Aktenzeichen: VII ZR 396/21
Noch ein verbraucherfreundliches Urteil des Bundesgerichtshofs: Skandalautobesitzer haben Anspruch darauf, dass die Gerichte zusätzliche zur Verurteilung von VW zum Schadenersatz feststellen, dass die Konzernverantwortlichen vorsätzlich handelten. VW kann dann nämlich Gegenansprüche etwa im Zusammenhang mit der Rückgabe des Wagens nicht mit dem Schadenersatzanspruch des Autobesitzers verrechnen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.12.2021
Aktenzeichen: VI ZR 457/20
28.01.2022 Nächster kleiner Schritt in der juristischen Aufarbeitung des Abgasskandals: VW kann sich gegenüber Skandalautobesitzern, die an der Musterfeststellungsklage des vzbv teilgenommen, nicht mit Verjährung verteidigen. Das gilt auch, wenn sich Abgasskandalopfer später wieder abgemeldet haben, um doch selbst gegen VW zu klagen. Das sei Rechtsgebrauch und kein -missbrauch, urteilten die Bundesrichter. Zuvor hatten einzelne Gerichte wie das Oberlandesgericht Stuttgart geurteilt: Erst die Anmeldung der Rechte zur Musterfeststellungsklage stoppt die Verjährung. Das hatte vor dem BGH keinen Bestand. Es komme auf den Zeitpunkt der Erhebung der Musterfeststellungsklage bereits im Jahr 2018 an, urteilen die Richter in Karlsruhe, weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung des Gerichts. Damit sind die Rechte von Abgasskandalopfern auch dann nicht verjährt, wenn sie sich erst im Jahr 2019 zur Musterfeststellungsklage angemeldet haben.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.01.2022
Aktenzeichen: VII ZR 303/20
Klägervertreter: Noch unbekannt, bitte melden
Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.07.2021
Aktenzeichen: VI ZR 1118/20
Klägervertreter: Noch unbekannt, bitte melden
25.01.2022 Neue Ansage des Bundesgerichtshofs (BGH): Auch der so genannte „kleine Schadenersatz“, also der Ausgleich der Wertminderung ohne Rückgabe des Wagens, verringert sich, aber erst, wenn Käufer von Skandalautos ihren Wagen weiterfahren können als das ursprünglich zu erwarten war. Es ging um einen Skandalauto, das der Kläger bereits 2013 gebraucht gekauft hatte und inzwischen rund 275 000 Kilometer auf dem Tacho hat. In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es wörtlich: „Damit steht im Raum, dass der Käufer sich im Wege der Vorteilsausgleichung den Wert von Nutzungen (...) in dem Umfang anrechnen lassen muss, in dem der Wert der Nutzungen den Wert des Fahrzeugs bei Vertragsschluss übersteigt.“
Das heißt nach Ansicht von Rechtsanwalt Andree Hübner von Gansel Rechtsanwälte : Der Anspruch auf Ausgleich des mit der illegalen Motorsteuerung verbundenen Minderwerts bleibt zunächst trotz Nutzung des Wagens unverändert. Wenn aber die Nutzungen den Wert des Wagens übersteigen, ist dieser übersteigende Wert auf den Schadenersatzanspruch anzurechnen. Anders formuliert: Wenn der Wagen mehr Kilometer schafft als ursprünglich zu erwarten war, dann mindern zusätzliche Kilometer den Schadenersatzanspruch. Je Kilometer ist dabei der Betrag anzusetzen, der sich bei Division des Wert des Wagens beim Kauf durch die insgesamt noch zu erwartenden Kilometer ergibt.
Für den vom BGH entschiedenen Fall heißt das: Soweit von einer Gesamtlaufleistung von 300 000 Kilometer auszugehen ist, erhält der Kläger noch vollen Ersatz für den skandalbedingten Minderwert, den die Gerichte oft auf zehn bis 20 Prozent des Kaufpreises schätzen. Geht das Gericht von der Gesamtlaufleistung von nur 250 000 Kilometern aus, dann ist der Anspruch des Klägers um 25 000 x 0,06 = 1 500 Euro zu kürzen, wenn der Minderwert wegen der illegalen Motorsteuerung bei 15 Prozent liegt. Er würde dann trotz der verstrichenen Zeit und der mit dem Wagen gefahrenen Kilometer noch fast 500 Euro bekommen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.01.2022
Aktenzeichen: VIa ZR 100/21
Klägervertreter: Noch unbekannt, bitte melden
06.01.2022 Am Montag, 21. Februar, wird wohl endgültig feststehen, was Skandalautokäufer noch verlangen können, wenn ihre Schadenersatzforderung als solche bereits verjährt ist. An dem Tag verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) über zwei Fälle, in denen es um den Kauf von Neuwagen geht, Einzelheiten zu den Fällen in der Ankündigung der Verhandlung. Bereits am Donnerstag, 10. Februar, geht es in Karlsruhe um gebraucht gekaufte Autos (s. u. unter 04.01.2022). Die Oberlandesgerichte urteilten bisher unterschiedlich. Die große Mehrheit der Rechtswissenschaftler hält für richtig: Bei neu erworbenen Skandalautos können Käufer vom Hersteller über die Verjährung hinaus zumindest die Herausgabe des mit dem Verkauf des Wagens erzielten Erlöses verlangen. Erst zehn Jahre nach Kauf verjährt auch diese Forderung. Bei Kauf eines Skandalautos als Gebrauchtwagen ist umstritten, ob VW noch zum so genannten Restschadensersatz verpflichtet ist.
04.01.2022 Der Bundesgerichtshof (BGH) kämpft immer noch mit dem Abgasskandal. Die Legal Tribune Online (LTO) berichtet: Am Jahresende waren 1 200 Abgasskandal-Streitigkeiten an verschiedenen BGH-Senaten anhängig. Das höchste deutsche Zivilgericht hat wegen des Abgasskandals mehrfach die Geschäftsverteilung geändert und inzwischen eigens für die Streitigkeiten um Autos mit womöglich illegal gesteuerten Dieselmotoren einen Hilfssenat eingerichtet. Einzelheiten im ausführlichen Bericht der LTO.
Offen ist vor allem noch, wovon genau der Beginn der Verjährung der Schadenersatzforderungen von Autobesitzern beginnt. Bisher gingen die Richter in Karlsruhe davon aus: Die Pressemitteilung im September 2015, in der der VW-Konzern einräumte, eine beschönigend „Umschaltlogik“ genannte Abschaltung der Abgasreinigung eingesetzt zu haben, reichte aus, um den Beginn der Verjährung auszulösen. Offen ist noch, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall die Verjährung erst später beginnt, wenn Autokäufer davon nichts mitbekommen haben oder sie nicht wussten, dass ihr Wagen betroffen ist.
Noch wichtiger: Der Bundesgerichtshof muss noch klären, unter welchen Voraussetzungen Skandalautobesitzern über den Ablauf der normalen Verjährungsfrist hinaus der so genannte Restschadensersatzanspruch zusteht. Verbraucheranwälte gehen davon aus: Zumindest Neuwagenkäufer können sich auf diese Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch berufen und bekommen dann vollen Schadenersatz, wenn sie spätestens zehn Jahre nach Kauf des Wagens gerichtliche Schritte eingeleitet haben.
Offen ist außerdem noch, ob VW in bestimmten Leasing-Fällen nicht doch noch Schadenersatz zahlen muss. Im Ansatz klar: Soweit Autobesitzer den Wagen nutzen konnten und nur dafür gezahlt haben, dann ist ihnen kein Schaden entstanden und muss VW nicht zahlen. Soweit die mit der illegalen Motorsteuerung verbundene Wertminderung zum Tragen kommt, ist Schadenersatz fällig.
Die wichtigen noch offenen Rechtsfragen wird der Bundesgerichtshof noch im Frühjahr klären. Er hat in etlichen Fällen bereits Verhandlungstermine anberaumt. Die Entscheidung um den Restschadensersatz dürfte laut dieser BGH-Ankündigung am Donnerstag, 10. Februar, fallen.
Klar ist: Autohersteller haben Käufern von Autos mit illegaler Motorsteuerung Schadenersatz wegen vorsätzlicher Schädigung zu zahlen. Sie müssen den Kaufpreis abzüglich einer Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer zahlen. Voraussetzung ist, dass der Autohersteller bewusst eine illegale Motorsteuerung einsetzt, um Kosten- und Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Fest steht das für insgesamt rund drei Millionen Autos aus dem VW-Konzern. Umstritten ist, ob und für welche Modelle von Daimler, BMW und anderen Herstellern Schadenersatz fällig ist. Daimler etwa ist anders als VW gegen das Kraftfahrtbundesamt vors Verwaltungsgericht gezogen, als die Behörde Motorsteuerungen des Konzerns als illegal bewertete und die Entwicklung und Nachrüstung neuer Software anordnete. Eine rechtskräftige Entscheidung wird wohl noch Jahre auf sich warten lassen.
Ältere Einträge:
Chronik des Abgasskandals (2021-2019)
Chronik des Abgasskandals (2018-2016)
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- EuGH-Urteil: Alle bis September 2021 aufgenommenen Kredite sind widerruflich. Chance für Autokäufer: Sie sparen Tausende Euro. Aber nur, wenn sie das Auto noch haben.
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- So kommen Verbraucher zu ihrem Recht. Wir nennen alle Verfahren. Der vzbv verklagt jetzt auch die Sparkasse Altenburger Land auf einen Zinsnachschlag.
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- Der Rechtsdienstleister Myright.de will europäischen Käufern von VW-Skandalautos zu Schadenersatz verhelfen. Myright.de hat wegen der Forderungen von 40 000...
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@ulrich.barthel: Da hatte sich ein technischer Fehler eingeschlichen. Die Links zu der Musterbrief-Datei sollten genau an der Stelle sein, wo Sie sie gesucht haben. Wir haben den Fehler korrigiert. Sie sollten die Musterbrief-Datei jetzt problemlos aufrufen können. Vielen Dank für Ihren Hinweis! Bitte entschuldigen Sie den Fehler!
Die Musterbriefe, die im aktuellen Artikel "Hersteller haften auch ohne Vorsatz" mehrfach angekündigt werden, kann ich leider nirgends finden. Die Hinweise wie "Mustertexte samt ausführlicher Hinweise" haben auch keinen Link.
Zu BMW hat das OLG Schleswig Urteil vom 29.03.2023 – 12 U 119/22 ausgeführt:
"Amtliche Leitsätze:
(...) Mangels Schadens (s. Punkte 9 und 10) und aufgrund fehlenden
Fahrlässigkeitsvorwurfs ergibt sich ein Anspruch eines Fahrzeugkäufers nach der
Entscheidung des EuGH vom 21.03.2023 (Rechtssache C 100-21) jedenfalls im
vorliegenden Fall auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EGFGV
oder Art. 5 VO 715/2007/EG. Der Hersteller hat nicht gegen den zivilrechtlichen
Fahrlässigkeitsmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB verstoßen. Das Thermofenster war bei
Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs sog. Industriestandard und
wurde weitreichend von einer Vielzahl von Autoherstellern in Dieselfahrzeugen
eingesetzt, ohne dass dies vom KBA damals oder später – trotz mehrfacher
Untersuchungen – beanstandet worden wäre."
Warten wir den BGH am 08.05.2023 ab...
@pinkepanke: Vielen Dank für den Hinweis!
Wir staunen, dass das Oberlandesgericht Hamm den Irrtum über die Zulässigkeit von Thermofenstern für unvermeidbar hält und dass es keine grundsätzliche Bedeutung sieht. Die Überlegungen des Gerichts zum Schutzzweck der Typgenehmigungsregeln tragen die Entscheidung nicht.
Wir halten es kaum für vorstellbar, dass der Bundesgerichtshof nicht dabei bleibt, dass der Kauf eines nicht den Abgasvorschriften entsprechenden Autos, das jederzeit stillgelegt werden kann, einen Schaden darstellt, für den die Hersteller einzustehen haben. Wir denken allerdings auch, dass der Bundesgerichtshof dabei bleiben wird, mit dem Wagen gefahrene Kilometer der Sache nach als Verringerung des Schadens zu begreifen. Dass der Wagen dabei mehr Schadstoffe ausgestoßen haben mag, als es dem Käufer bewusst und recht war, wird er weiterhin nicht als entschädigungspflichtigen Schaden begreifen, denken wird. Die Richter in Karlsruhe werden aber ihre Ansicht prüfen müssen, ob die Anrechnung der Nutzung des Wagens dazu führen kann, dass der Schaden vollständig kompensiert ist. Auch über die zu erwartende Strecke hinaus gefahrene Autos stellen noch einen Wert da und dieser ist dadurch eingeschränkt, dass das Auto - gerade jetzt nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshof und des Verwaltungsgerichts in Schleswig - wohl entweder aufwändig nachzurüsten oder stillzulegen ist.
Bitte entschuldigen Sie die späte Reaktion, der zuständige Redakteur ist erst jetzt dazu gekommen, sich das Urteil genau anzuschauen.
OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2023 - 7 U 113/22 - openJur :
Auch in Anbetracht der Entscheidung des EuGH vom EUGH 21.3.2023 in der Sache EUGH Aktenzeichen C-100/21 bleibt es dabei, dass § BGB § 823 Abs. BGB § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie sowie mit Art. EWG_VO_715_2007 Artikel 5 Abs. EWG_VO_715_2007 Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 715/2007 als Schutzgesetze in sachlicher Hinsicht das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht umfasst.