Abgasskandal: Chronik der Ereignisse
08.04.2021 Das Landgericht Gießen urteilt: Auch beim VW-Bus T6 mit 2.0 TDI-Motor vom Typ EA288, Euro 6, hat VW Käufer des Wagens vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt. Die Motorsteuerung enthalte eine illegale Prüfstandserkennung und reduziere bei Bedingungen jenseits der Prüfstandversuche zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes die Abgasreinigung.
Landgericht Gießen, Urteil vom 25.03.2021
Aktenzeichen: 5 O 450/20 (nicht rechtskräftig)
Klägeranwälte: Gansel Rechtsanwälte, Berlin
06.04.2021 Laut Kraftfahrtbundesamt ruft Iveco oft als Grundlage für Wohnmobile eingesetzte Transporter vom Typ Daily zurück. „Durch eine ungeeignete Software können Störungen auftreten, durch die sich die Verringerung von Stickoxiden ggf. verschlechtert“, heißt es in der Rückrufdatenbank der Behörde. Iveco entwickelt eine neue Motorsteuerung für die betroffenen Daily-Modelle der Baujahre 2015 bis 2019. Die Behörde prüft noch, ob es den bisher freiwilligen Rückruf verbindlich anordnet. Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer vermuten: Die Motorsteuerung schaltet die Abgasreinigung illegal ab. Es droht dann die Zwangsstilllegung, wenn Besitzer der Transporter keine neue legale Motorsteuerung nachrüsten. Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung der Kanzlei.
22.03.2021 Hahn Rechtsanwälte berichten: Das Oberlandesgericht Köln sieht entsprechend der Argumentation der Anwälte eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, soweit Daimler bei Motoren vom Typ OM642 (Euro 6) die Einspritzung von AdBlue einige Zeit nach dem Start reduziere und sie erst nach einem Neustart wieder voll funktioniere. Auch das Kraftfahrtbundesamt hatte das als illegal bewertet und einen Rückruf angeordnet. Das Gericht wies darauf hin: Es sei entsprechend des Vortrags der Klägeranwälte auch davon auszugehen, dass dies absichtlich erfolgte und deshalb eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung vorliege. Es ging um einen Mercedes-Benz ML 350 Bluetec 4matic. Jetzt sind die Daimler-Anwälte in der Pflicht. Wenn es Ihnen nicht gelingt, den Verdacht der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zu entkräften, wird das Gericht den Konzern dazu verurteilen, den Wagen den Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung zurückzunehmen. Im Gegenzug bekommt Daimler das Auto zurück. Weitere Einzelheiten im Bericht auf der Homepage der Rechtsanwälte.
Oberlandesgericht Köln, (Hinweis-)Beschluss vom 22.02.2021
Aktenzeichen: I 14 U 56/20
Klägervertreter: Hahn Rechtsanwälte, Bremen/Hamburg/München/Stuttgart
22.03.2021 Trotz Verurteilung zur Herausgabe von Abgasskandal-Akten hat das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg weder der Deutschen Umwelthilfe (DUH) noch dem ZDF-Journalisten Hans Koberstein die Prüfung aller angeforderten Akten ermöglicht. Das Verwaltungsgericht Schleswig hat der Behörde gerade auf Antrag der Deutschen Umwelthilfe angedroht, ein Zwangsgeld zu verhängen, wenn sie die Akten zum Abgasskandal nicht binnen zwei Wochen vorlegt. ZDF-Journalist Hans Koberstein hatte nach Androhung der Vollstreckung bereits Akten zu den auf Geheiß der Behörde von VW entwickelten neuen Motorsteuerung für die Skandalmotoren erhalten. Sie seien aber unvollständig, berichtet er. Laut der ihm vorliegenden Akten habe das Kraftfahrtbundesamt alle Abschalteinrichtungen in dieser Motorsteuerung mit nur einer einzigen Ausnahme anstandslos genehmigt. Es sei nicht erkennbar, dass die Beamten sich mit dem Text der EU-Verordnung über die Typzulassungen genauer auseinandergesetzt haben, berichtet Koberstein. Nach dieser Verordnung sind die Schadstoffgrenzwerte im normalen Fahrbetrieb einzuhalten und ist die Abschaltung der Abgasreinigung nur ausnahmsweise zulässig, um Motorschäden und Unfälle zu verhindern. Fazit von Hans Koberstein: „Das Kraftfahrtbundesamt erscheint als der Wackeldackel im Heck der Autoindustrie“.
18.03.2021 Eine weitere Etappe in der juristischen Aufarbeitung des Abgasskandals: Das Verwaltungsgericht Schleswig muss jetzt prüfen, ob das Kraftfahrtbundesamt in Schleswig die Daimler AG zu Recht dazu verpflichtet hat, für etliche Modelle eine neue Motorsteuerung zu entwickeln. Der Konzern hat inzwischen gegen drei Rückrufbescheide Klage erhoben. Eine weitere Klage folgt wahrscheinlich noch. Daimler meint nach wie vor: Die Motorsteuerungen waren rechtmäßig. Dabei hat der Europäische Gerichtshof inzwischen entschieden: Die EU-Regeln für die Typzulassung von Autos sind noch viel strenger auszulegen, als es das Kraftfahrtbundesamt getan hat. Auf Schadenersatzforderungen von Autobesitzern hat die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Rückrufaktionen keine direkten Auswirkungen. Ohnehin ist mit Urteilen frühestens 2022 und wahrscheinlich sogar erst später zu rechnen. Bisher liegen den Richtern in Schleswig weder Klagebegründungen noch die Akten des Kraftfahrtbundesamts zu den Rückrufaktionen vor.
17.03.2021 Rechtsanwalt Dr. Marcus Hoffmann berichtet: Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat VW zu vollem Schadenersatz wegen des Abgasskandals verurteilt, obwohl Ansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung bei Klageerhebung bereits verjährt waren. Das Gericht stützte sein Urteil auf den so genannten Restschadenersatzanspruch. Danach können Geschädigte auch über die Verjährung hinaus Schadenersatzansprüche durchsetzen, soweit der Schädiger durch seine Tat auf Kosten des Opfers etwas erlangt hat. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat das bereits für einen Autobesitzer anerkannt, der seinen Wagen direkt von VW gekauft hatte (s. u. unter 05.03.2021). Doch der Fall beim Landgericht Nürnberg-Fürth lag – wie die meisten AbgasskaRechtsanwalt Dr. Marcus Hoffmannstammte von einem Händler, der ihn seinerseits bei VW gekauft haben dürfte. Dennoch habe VW den Kaufpreis abzüglich Händlermarge auf Kosten des Autobesitzers erhalten, meint das Landgericht Nürnberg-Fürth. So sehen es auch viele Rechtswissenschaftler und Verbraucheranwälte (s. u. unter 22.06.2020). Ob ein Händler das Geld des Kunden an VW weiterleite oder den Wagen bei VW zunächst selbst bezahle, könne keinen Unterschied machen. Manche Juristen meinen allerdings: VW ist zwar bereichert, aber nur um den Gewinn. Das Unternehmen dürfte den Aufwand für die Herstellung des Wagens gegenrechnen. Nach Verjährung von Schadenersatzansprüchen hafte das Unternehmen nur noch, soweit es beim Verkauf des Skandalautos einen Gewinn gemacht hat. Der Bundesgerichtshof hat bisher nur geäußert: Gerichte müssen den Restschadenersatzanspruch nicht von sich aus berücksichtigen, so lange der Kläger nichts dazu vorgetragen hat, ob und inwieweit das Unternehmen auf seine Kosten bereichert ist. Weitere Einzelheiten zum Fall und zum Thema auf der Homepage der Rechtsanwälte.
Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 09.03.2021
Aktenzeichen: 9 0 7845/20 (nicht rechtskräftig)
Klägeranwälte: Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte, Nürnberg
16.03.2021 Der Abgasskandal belastet den Bundesgerichtshof (BGH) nach wie vor stark. Gerichtssprecherin Dietlind Weinland erklärte auf Anfrage von test.de zu den Abgasskandalfällen: „Eine Verfahrensstatistik nach Verfahrensinhalten führen wir nicht. Daher kann ich nur ein grobe Schätzung vornehmen. Beim VI. Zivilsenat waren etwa 1 000 Dieselverfahren anhängig, von denen circa zwei Drittel erledigt sind.“ Knapp 350 Fälle sind danach immer noch anhängig, obwohl bereits seit 1. November 2020 der VII. Senat für alle neu beim BGH eingehenden Abgasskandalfälle zuständig ist. 350 Fälle sind viel. Beim VI. Senat landeten im Jahr 2017 nur insgesamt gut 500 Verfahren, bevor dann ab 2018 der Abgasskandal über ihn hereinbrach.
Jetzt setzt der Senat Verbraucheranwälte unter Druck. Die verstehen die Presseerklärung von vergangenem Donnerstag (s. u. unter 11.03. und 12.03.2021) jedenfalls als Signal an die Abgasskandal-Kanzleien, ihre Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren schleunigst zu überprüfen und alle nach den bisherigen Entscheidungen zum Abgasskandal klaren Fälle jetzt schleunigst zu erledigen. Sowohl die Abweisung der Nichtzulassungsbeschwerde eines Skandalautobesitzers als auch die Presseerklärung dazu kamen überraschend. Das Verfahren hatte aktuell niemand auf dem Zettel und der Sache nach sind die Ansagen der Richter nicht wirklich neu, so dass es eigentlich keinen Anlass für eine Presseerklärung gab.
Irreführender und für die Abgasskandal-Kanzleien verheerender Tenor der Presse-Berichterstattung auf der Grundlage der BGH-Pressemitteilung: Die von VW auf Geheiß des Kraftfahrtbundesamts entwickelte neue Motorsteuerung für die Skandalmotoren ist keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Noch schwierig für Verbraucheranwälte: Sie sind tatsächlich in der Pflicht, BGH-Verfahren so schnell und kostengünstig wie möglich zu beenden, wenn in einem Parallelverfahren eine Grundsatzentscheidung ergeht. Sie müssen jetzt befürchten, dass der BGH weitere Nichtzulassungsbeschwerden abweist und sie für die dadurch zusätzlich entstehenden Kosten gerade stehen müssen.
12.03.2021 Landauf landab heißt es wie hier bei Spiegel Online zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs von gestern (s. u., 11.03.2021): „Kein Schadensersatz wegen Software-Update (...) VW habe sich dabei nicht sittenwidrig verhalten, teilte der Bundesgerichtshof (BGH) (...) mit.“ Das ist schlicht falsch. Der BGH hat das nicht mitgeteilt. Er hat gar nicht geprüft, ob sich VW bei der Entwicklung der neuen Motorsteuerung sittenwidrig verhalten hat. Er hat den Fall nur so beurteilt, wie die Parteien ihn dargestellt haben. Entscheidend: Der Klägeranwalt hatte aus Sicht der BGH-Richter nichts vorgetragen, was das Verhalten von VW als sittenwidrig erscheinen lässt. Dass auch die neue von VW auf Geheiß des Kraftfahrtbundesamts entwickelte Motorsteuerung nach seiner Ansicht ebenfalls illegal war, reicht dafür laut BGH nicht aus, siehe weitere Einzelheiten unten unter 11.03.2021.
Zum Schwur kommt es, wenn der Bundesgerichtshof über die von VW eingelegte Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 18.12.2020, Aktenzeichen: 20 U 288/19 (s. u., 22.12.2020) entscheidet. Die Richter dort hatten nämlich geurteilt : Auch beim Software-Update verhielt VW sich sittenwidrig und muss betroffene Autobesitzer deshalb entschädigen. Rogert & Ulbrich-Rechtsanwälte hatten dort vorgetragen: Beim Software-Update hat VW eine neue illegale Abschalteinrichtung implementiert. Auch mit der neuen Motorsteuerung werden die Grenzwerte nicht eingehalten. Auch sonst hat das Software-Update negative Auswirkungen. VW hat dies alles bewusst und wahrheitswidrig verschwiegen, um die Käufer zur Durchführung des Software-Updates zu bewegen.
Beim Bundesgerichtshof hat das Verfahren das Aktenzeichen VII ZR 70/21. Wann die Verhandlung und Entscheidung dieses Falls in Karlsruhe ansteht, steht noch in den Sternen. Die VW-Anwälte haben ihre Revision gegen das Urteil bisher noch nicht einmal begründet. Sie haben stattdessen beantragt, ihnen dafür noch mehr Zeit zu geben.
Noch interessant: Alles bisherigen Entscheidungen zum Abgasskandal kamen vom VI. Senat des Bundesgerichtshofs. Der ist eigentlich fürs Recht der unerlaubten Handlungen zuständig. Doch das Präsidium des höchsten deutschen Zivilgerichts hat die Geschäftsverteilung geändert. Jetzt hat der VII. Senat Abgasskandal-Fälle zu beurteilen. Der ist sonst eigentlich vor allem fürs Werkvertrags- , Architekten- und Handelsvertreterrecht zuständig.
Ob die Richter im VII. Senat mit dem Fall aus Köln viel Arbeit haben werden, bleibt abzuwarten. VW kann die Revision jederzeit zurücknehmen oder sich mit dem Kläger einigen. In der Vergangenheit war der Konzern immer wieder so verfahren. Er verhinderte damit verbraucherfreundliche Urteile und die mit ihnen verbundene Signalwirkung.
11.03.2021 Noch eine Ansage des Bundesgerichtshofs zum Abgasskandal: Bei Kauf von Skandalautos gibt es wegen der auf Geheiß des Kraftfahrtbundesamts erneuerten Motorsteuerungssoftware nicht ohne weiteres Schadenersatz, auch wenn auch die neue Motorsteuerung wegen der Abschaltung oder Reduktion der Abgasreinigung oberhalb und unterhalb bestimmter Lufttemperaturen („Thermofenster“) vielleicht rechtswidrig war. O-Ton aus der Pressemitteilung des Gerichts: „Der darin liegende – unterstellte – Gesetzesverstoß reicht (...) nicht aus, um das Gesamtverhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren. Die Applikation eines solchen Thermofensters ist nicht mit der Verwendung der Prüfstandserkennungssoftware zu vergleichen, die die Beklagte zunächst zum Einsatz gebracht hatte. Während letztere unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielte und einer (...) Täuschung der Fahrzeugerwerber (...) gleichsteht, ist der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems nicht von vorneherein durch Arglist geprägt. (...) Bei dieser Sachlage hätte sich die Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten durch die Implementation des Thermofensters nur dann fortgesetzt, wenn (...) weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Dies würde jedenfalls voraussetzen, dass diese Personen bei der Entwicklung (...) in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Anhaltspunkte hierfür waren aber nicht dargetan.“
Das heißt aber auch: Kommt wie im vom Oberlandesgericht Köln unter dem Aktenzeichen 19 U 151/20 entschiedenen Fall zu einem Wagen mit EA288-Motor entsprechender Vortrag vom Klägeranwalt und VW bestreitet das, dann müssen die Gerichte klären, wie die neue Motorsteuerung funktioniert, ob sie legal ist und was VW-Manager und Ingenieure sich bei der Entwicklung gedacht haben (s. u., 25.02.2021).
11.03.2021 Per Pressemitteilung rät R+V-Versicherung Besitzern von Skandalautos: Obacht bei der Anwaltswahl. Es kursieren „...irreführende Informationen...“, beklagt der Versicherer. Allein in den ersten zwei Monaten des Jahres hätten 600 Rechtsschutz-Kunden der R + V Schadenersatzansprüche wegen des Abgasskandals angemeldet. Im Jahr 2020 registrierte der Versicherer 5 000 Abgasskandal-Rechtsschutzfälle.
Appell des Versicherers an die Rechtsschutzkunden: Sie sollen sich zunächst von die Spezialisten des Unternehmens halten. „Dabei vermitteln wir gerne auch einen fachkundigen Anwalt“, heißt es weiter.
test.de empfiehlt dagegen: Verlassen Sie sich nicht auf die Beratung Ihres Rechtsschutzversicherers. Den Unternehmen geht es darum, Geld zu sparen. Doch die Unternehmen sind in der Pflicht. Der Abgasskandal berechtigt Millionen von Autobesitzern zur Klage. Wer zur Klage entschlossen ist, sollte selbst nach einem Anwalt suchen. Hauptkriterium: Er hat bereits erfolgreich Schadenersatzansprüche im Abgasskandal durchgesetzt. test.de nennt hier zu jedem verbraucherfreundlichen Urteil die Kanzlei, die es erstritten hat.
Zu beachten allerdings: Die großen im Abgasskandal erfolgreichen Kanzleien arbeiten anders, als Mandanten es von Rechtsanwälten vor Ort gewohnt sind. Kontakt und Informationen gibt es übers Internet oder per Post. Statt individueller Ansprache gibt es aus Textbausteinen hergestellte Schreiben und Schriftsätze. Persönliche Betreuung ist selten. Wichtiger für Mandanten sollte allerdings sein: Die Rechtsanwälte kennen den Abgasskandal und wie die Gerichte ihn beurteilen, so dass sie für ihre Mandanten so viel Schadenersatz wie möglich durchsetzen können.
Richtig allerdings: Auf Skandalautobesitzer zielt reichlich Anwalts- und Prozessfinanzierungswerbung ab, die mehr Aussicht auf Schadenersatz verspricht als auch nach Ansicht der test.de-Experten erreichbar ist. Zwar hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) tatsächlich ein klares und europaweit verbindliches Urteil gefällt, nach dem ein Großteil der Motorsteuerungen für nach den Normen Euro 4 bis Euro 6 zugelassene Dieselmotoren rechtswidrig ist. Das aber berechtigt Besitzer betroffener Autos noch nicht zum Schadenersatz. Den gibt es nach den Ansagen des Bundesgerichtshofs nur, wenn Autohersteller die Behörden bei der Typzulassung getäuscht haben und sie zur Steigerung von Absatz und Gewinn bewusst Autos verkauft haben, die die Einhaltung der Abgasgrenzwerte bloß vortäuschen. So lange die Ingenieure Tricks bei der Motorsteuerung für legal halten durften, liegt keine sittenwidrige Schädigung der Autobesitzer vor, und die Typzulassungsbehörden waren offenbar europaweit viel großzügiger als es laut EuGH jetzt angemessen ist.
test.de und Finanztest fürchten: Die Prozesslawine in Folge des Abgasskandals wird Verkehrsrechtsschutz-Policen noch teurer machen. Den Versicherern bleibt nichts übrig, als ihre Angebote unter Berücksichtigung der zum Teil dramatisch gestiegenen Kosten und Risiken neu zu kalkulieren. Schon die für Rechtsschutzversicherer kostspieligen Streitigkeiten mit Banken und Versicherern wegen des Widerrufs von Kredit- und Kapitallebensversicherung hatte zu steigenden Preisen bei sinkenden Leistungen geführt.
Die Klagewut von Skandalautobesitzern oder die Werbung von Anwälten verantwortlich zu machen, ist nicht angebracht. Ursache für die Misere ist das Unrecht, das nach Banken und Versicherern jetzt auch Autohersteller in Serie produziert haben, ohne betroffene Kunden nach der Aufdeckung von sich aus zu ihrem Recht zu verhelfen.
Rechtsschutzkunden sollten ihren Versicherern bei Prämienerhöhungen zugute halten: Ohne den Rechtsschutz gehen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit leer aus, wenn ein Unternehmen sie nach Art des Abgasskandals schädigt. Ohne die Finanzierung der Versicherer hätten Kanzleien wie allen voran Dr. Stoll & Sauer oder Rogert & Ullbrich kaum einem Skandalautobesitzer zu Schadenersatz verhelfen können.
10.03.2021 Noch ein Hinweis von Michael Heese aus der Arbeit am Projekt Dieselskandal der Uni Regensburg: Das Landgericht Braunschweig hat VW wegen eines von Audi entwickelten nach der Norm Euro 6 zugelassenen 3.0 TDI-Motors zu Schadenersatz verurteilt. Es sei davon auszugehen, „...dass die Entscheidung bei der Motorentwicklung, eine illegale Abschalteinrichtung zu verwenden, von der Beklagten als Konzernentscheidung entweder selbst getroffen, mindestens aber bewusst mitgetragen wurde. Dies ist vorliegend als unstreitig anzusehen, da der Kläger die Kenntnis des Konzernvorstandes behauptet und die Beklagte dies – obwohl es ihr im Rahmen einer sekundären Darlegungslast obliegt – trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises nicht erheblich bestritten hat“, begründen die Richter ihr Urteil.
Für Klagen gegen Audi wegen der von VW entwickelten Dieselmotoren mit illegaler Steuerung hatte der Bundesgerichtshof gerade noch entscheiden: Es sei nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass die Verantwortlichen bei Audi an der Entwicklung beteiligt waren oder sie zumindest kannten und mittrugen. Das müssen die Berufungsgerichte in diesen Fällen jetzt noch klären und dann erneut entscheiden.
Noch interessant: Die Klägeranwälte hatten den Rückruf-Bescheid für den SUV des Klägers mit seinem 6 Zylinder Diesel-Motor mit drei Litern Hubraum und 204 PS vorgelegt. Das Kraftfahrtbundesamt hatte fünf verdächtige Mechanismen entdeckt, darunter vor allem die so genannte „Aufheizstrategie A“. Die aktivierte die Motorsteuerung bei Bedingungen, wie sie für die Prüfstandversuche zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes für die Typzulassung vorgeschrieben sind. Bei abweichenden Bedingungen schaltete die Motorsteuerung auf eine andere Strategie um, bei der der Motor viel mehr Stickoxid ausstieß. Dies sei eindeutig illegal. Einen solchen Mechanismus einzusetzen, erscheine als sittenwidrig, begründeten die Richter in Braunschweig ihr Urteil.
Die Verringerung der Abgasreinigung unterhalb und oberhalb bestimmter Temperaturen dagegen bewerteten die Richter in Braunschweig nicht als sittenwidrig. Nicht mal die Beamten im Kraftfahrtbundesamt hatten das als eindeutig illegale Abschaltung der Abgasreinigung bewertet. „Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorschriften aber kann nicht als verwerfliches Tun (...) angesehen werden“, heißt es in der Urteilsbegründung wörtlich.
Landgericht Braunschweig, Urteil vom 29.01.2021
Aktenzeichen: 11 O 2136/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: 21legal Rechtsanwaltsgesellschaft, München
05.03.2021 Michael Heese, Zivilrechtsprofessor und Leiter des Projekts Dieselskandal an der Uni Regensburg, berichtet: Der 12. Senat am Oberlandesgericht Oldenburg hat VW zu Restschadensersatz wegen der verjährten Entschädigungs-Forderung eines Skandalautobesitzers verurteilt. Zumindest bei direkt von VW erworbenen Autos sei das Unternehmen bereichert und müsse jedenfalls einen großen Teil des Kaufpreises herausgeben, auch wenn der eigentliche Schadenersatzanspruch bereits verjährt ist. Ob und welche Aufwendungen VW anrechnen darf, blieb offen. Der Konzern hatte sich dazu nicht geäußert, obwohl ihn die Darlegungs- und Beweislast trifft. Die Autobesitzerin aus dem Emsland erhält jetzt vollen Schadenersatz. Kern des Restschadensersatzanspruch: Soweit einem Schädiger eine Bereicherung verbleibt, soll er diese auch über die Verjährung hinaus an die Opfer herausgeben müssen.
Aus dem gleichen Grund könnte der Restschadensersatzanspruch auch dazu führen, dass VW in Fällen, in denen Autobesitzern wegen der Nutzung des Wagens über dessen normale Lebenserwartung von je nach Gericht und Modell 250 000 oder 300 000 Kilometern hinaus kein Schadenersatz mehr zusteht, wenigstens noch den Gewinn herauszugeben hat, den das Unternehmen beim Verkauf des Wagens jeweils erzielt hat. Doch so lesen nur einzelne Verbraucherschützer und Rechtswissenschaftler die Regelung über den Restschadensersatz im Bürgerlichen Gesetzbuch. Die Gerichte gehen bisher davon aus: Was Opfer direkt an Schadenersatz fordern können, ist die Obergrenze. Der Restschadensersatzanspruch spielt nur eine Rolle, soweit sie den wegen Verjährung nicht mehr durchsetzen können.
Wahrscheinlich muss sich jetzt der Bundesgerichtshof mit dem Fall und dem Restschadensersatzanspruch befassen. Jedenfalls hat der 12. Senat in Oldenburg die Revision zugelassen. Der 2. Senat des Gerichts hatte geurteilt: Der Restschadensersatzanspruch hilft Skandalautobesitzern nicht weiter. In solchen Fällen ist Bundesgerichtshof dafür zuständig, für eine einheitliche Rechtsprechung zu sorgen.
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 02.03.2021
Aktenzeichen: 12 U 161/20 (nicht rechtskräftig)
Klägerinvertreter: Wintermann Rechtsanwälte, Lingen
04.03.2021 Myright.de-Anwalt Dr. Stefan Zimmermann berichtet: VW hat eine Abgasskandal-Klägerin ausgezahlt, deren Fall beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg lag. Das Landgericht Erfurt wollte dort klären lassen, ob der Abzug einer Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer rechtmäßig ist. So sieht es der Bundesgerichtshof. Der Richter in Erfurt und viele Rechtswissenschaftler wie Michael Heese halten das für falsch. VW dürfe durch die Anrechnung trotz der vorsätzlichen und sittenwidrigen Schädigung der Autobesitzer einen guten Teil der Gewinne behalten. Sie hofften darauf, dass der EuGH ein Machtwort spricht. Doch daraus wird jetzt nicht. VW hat die Klage anerkannt. Das Verfahren endet dadurch, ohne dass sich der EuGH noch dazu äußern kann. Myright will weiter versuchen, ein Votum aus Luxemburg zu bekommen. Weitere Einzelheiten in der Myright.de-Pressemitteilung.
03.03.2021 Soweit bekannt erstmals überhaupt hat ein Gericht Fiat dazu verurteilt, den Besitzer eines Wagens aus dem italienischen Konzern wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu entschädigen. Allerdings: Das Unternehmen hatte sich nicht gegen die Klage verteidigt. Das Gerichte urteilte deshalb allein auf der Grundlage der Darstellung des Falls durch Klägeranwalt Marco Manes. Versäumnisurteil heißen solche Entscheidungen. Marco Manes und seine Kollegen hatten vorgetragen: Die Motorsteuerung des Ducato 2.2-Turbodiesel mit 150 PS von 2017 schalte die Abgasreinigung nach 22 Minuten völlig ab. So halte das nach der Norm Euro 6 zugelassene Wohnmobil die Grenzwerte während der etwa 20 Minuten langen Messung des Schadstoffausstoßes für die Typzulassung ein. Anschließend steige er allerdings weit darüber hinaus. Zu Vorsatz und Sittenwidrigkeit und der Verantwortung des Unternehmens für die betrügerische Motorsteuerung verliert der für den Fall als Einzelrichter zuständige Thomas Weimer kein Wort. Vermutlich hält er das wegen der laut Klägeranwalt besonders dreisten Umgehung der Abgasgrenzwerte für selbstverständlich. Fiat hat jetzt einen Monat Zeit, gegen das Urteil Einspruch einzulegen. Wenn die Fiat-Anwälte ihn erheben und die Vorwürfe des Klägeranwalts bestreiten, wird das Gericht klären müssen, was es mit den Vorwürfen gegen Fiat auf sich hat.
Landgericht Koblenz, (Versäumnis-)Urteil vom 01.03.2021
Aktenzeichen: 12 O 316/20 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwalt Marco Manes, Bonn
26.02.2021 Das kann für Kläger-Anwälte teuer werden: Allein beim Bundesgerichtshof haben sie inzwischen etliche Abgasskandal-Klagen zurückgenommen, nachdem der Bundesgerichtshof wenig überraschend geurteilt hatte: Schadenersatz ist nicht für jedes Auto mit illegaler Motorsteuerung fällig. Hersteller müssen nur zahlen, wenn, O-Ton Bundesgerichtshof: „...die handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung (...) des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen.“
Folge des Urteils: Ob Klagen Aussicht auf Erfolg haben, hängt zunächst davon ab, wie die Klägeranwälte den Fall dargestellt und sie sie begründet haben. Wo sie sich darauf beschränkt haben, Schadenersatz-Klagen mit dem Einbau einer illegalen Motorsteuerung zu begründen, gibt es nach den Ansagen des Bundesgerichtshofs keine Chance mehr auf Schadenersatz. Stellt sich in anderen Fällen mit besser begründeten Klagen am Ende heraus, dass einem Autohersteller wegen des gleichen Autos doch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zur Last fällt, könnten gescheiterte Kläger von ihren Anwälten Schadenersatz verlangen. Anwälte haften für jeden Fehler. Wenn Rechtsanwälte sich weigern, Schäden zu ersetzen, können Mandanten sich ohne Kostenrisiko an die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft wenden.
Misslich für Rechtsanwälte: Was genau sie zusätzlich vortragen mussten, damit eine Schadenersatzklage Aussicht auf Erfolg hat, wird erst jetzt erkennbar. Danach muss den verantwortlichen Managern bewusst gewesen sein, dass ihre Motorsteuerung illegal ist und sie den Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben. Das wäre nach Ansicht der Juristen bei test.de schon ausgeschlossen, wenn sie die Motorsteuerung im Typzulassungsantrag vollständig und korrekt dargestellt und die zuständige Behörde sie in Kenntnis aller Einzelheiten zugelassen hat. Dann ist Autoherstellern allenfalls dann noch vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung vorzuwerfen, wenn sie gewusst haben sollten, dass die vor Verkündung der Ansagen des Europäischen Gerichtshofs zum Thema (s. u., 17.12.2020 und 18.12.2020) sehr großzügige Rechtsauffassung des Kraftfahrtbundesamts zur Zulässigkeit der Abschaltung oder Verringerung der Abgasreinigung mit den EU-Richtlinien nicht vereinbar ist. Allerdings: Soweit bisher bekannt nannten die Hersteller in den Typzulassungsanträgen oft längst nicht alle Einzelheiten zur Motorsteuerung. Soweit sie den Behörden Mechanismen des Emmissionskontrollsystems verschwiegen haben, liegt nahe: Sie hielten es für illegal und sahen die Typzulassung in Gefahr. So sah es jedenfalls das Oberlandesgericht Hamm (s. u., 03.02.2021).
Fest steht außerdem: Der Verweis auf ein internes Papier, nachdem die Motorsteuerung die Abgasreinigung für Bedingungen, wie sie bei den Prüfstandversuchen für die Ermittlung des Schadstoffausstoß herrschen, ohne Kenntnis der Zulassungsbehörde anders regelt als sonst, reicht jedenfalls nach Ansicht der Richter am Oberlandesgericht Köln aus, um eine Klage wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu begründen. Es liege dann indirekt auch eine verwerfliche Täuschung der Autokäufer vor. (s. u. 25.02.2021).
25.02.2021 Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer berichten: Das Oberlandesgericht Köln hat VW wegen eines Autos mit EA288-Motor zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Allerdings: Die VW-Anwälte waren nicht zur Verhandlung erschienen. Einwände von VW waren daher nach den Regeln in der Zivilprozessordnung nicht zu berücksichtigen. Gleichwohl sei das Urteil ein Meilenstein, kommentierten Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälte die Entscheidung. Das Gericht hielt den auf ein internes VW-Papier gestützten Vortrag, wonach VW auch bei dem Nachfolgemodell des als Skandalmodell bekannten EA189 bewusst eine illegale Abschaltung oder Reduktion der Abgasreinigung eingesetzt habe, für schlüssig. Wenn VW Einspruch gegen das Urteil eingelegt und dies – wie gegenüber der Öffentlichkeit und in anderen Verfahren bisher stets – bestreitet, wird das Gericht Beweis darüber erheben erheben müssen, wie die EA288-Motorsteuerung wirklich funktioniert.
Oberlandesgericht Köln, (Versäumnis-)Urteil vom 19.02.2021
Aktenzeichen: 19 U 151/20
Klägeranwälte: Dr. Sincar & Basun Rechtsanwälte, Düsseldorf
22.02.2021 Der Bundesgerichtshof will offenbar eine Verurteilung von Audi wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung des Käufers eines Audi A6 aufheben und das Oberlandesgericht Naumburg den Fall neu aufrollen lassen. Das berichtet Rechtsanwalt Claus Goldenstein aus der Verhandlung heute in Karlsruhe. Die Richter im fürs Schadenersatzrecht zuständigen VI. Senat haben ihr Urteil allerdings noch nicht verkündet. Den Motor und die Motorsteuerung für den Wagen hatte VW geliefert. Die Äußerungen der Richter in der Verhandlung ließen erkennen: Ihnen fehlten in den Prozessakten ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Verantwortlichen bei Audi Bescheid wussten. Die Frage hat bisher nur für wenige Fälle Bedeutung. Die allermeisten Klagen wegen des Abgasskandals richten sich gegen VW als wichtigstem Hersteller von Motoren mit illegaler Motorsteuerung.
Eine weitere für heute anberaumte Verhandlung hatte der Bundesgerichtshof abgesagt. Dort sollte es darum gehen, ob auch die von VW auf Geheiß des Kraftfahrtbundesamts entwickelte neue Motorsteuerung für Skandalautos die Abgasreinigung illegal unter- und oberhalb bestimmter Lufttemperaturen abschaltet und der Konzern deshalb Schadenersatz zu zahlen hat. Der Besitzer eines VW Touran 2.0 TDI hatte seine Revision gegen die Abweisung der Schadenersatzklage durchs Oberlandesgericht Stuttgart kurz vor der Verhandlung zurückgenommen. Die Hintergründe sind unklar.
06.02.2021 Das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg bleibt dabei: Auch Daimler hat zahlreiche Autos mit illegaler Motorsteuerung ausgeliefert. Bei Fahrten im normalen Straßenverkehr wird die Abgasreinigung unzulässig reduziert oder abgeschaltet. Die Behörde hatte angeordnet, dass Daimler für gut eine halbe Million Autos in Deutschland eine neue Motorsteuerung ohne illegale Abschaltung der Abgasreinigung entwickeln und verbreiten muss. Daimler hatte dagegen jeweils Widerspruch eingelegt. Diese Widersprüche hat die Behörde jetzt übereinstimmenden Medienberichten zufolge zurückgewiesen. Daimler hat ab Zustellung der Widerspruchsbescheide einen Monat Zeit, Klage zum Verwaltungsgericht Schleswig zu erheben.
Einzelheiten sind – noch jedenfalls – nicht bekannt. Unklar bleibt vor allem, welchen Maßstab das Kraftfahrtbundesamt anlegt, um die Rechtmäßigkeit einer Motorsteuerung zu beurteilen. Die Beamten in Flensburg urteilten ursprünglich viel weniger streng als zuletzt der Europäische Gerichtshof. Der gab zur Auslegung der EU-Richtlinien über die Typzulassung von Kraftfahrzeugen verbindlich vor: Die Abgasreinigung darf nur vermindert oder herabgesetzt werden, wenn dadurch unmittelbar bevorstehende Motorschäden oder Unfälle verhindert werden. Die Hersteller hatten es auch zur Verringerung von Verschleiß und Wartungsbedarf für zulässig gehalten, die Abgasrückführung zur Verringerung des Ausstoßes giftiger Stickoxide in Abhängigkeit von Faktoren wie Lufttemperatur, Drehzahl und Geschwindigkeit variabel zu regeln. Wo genau sie jeweils die Grenzen des Zulässigen sahen, ist nach wie vor weitgehend unbekannt.
Das Kraftfahrtbundesamt hielt es jedenfalls in einem vor gut einem Jahr vorgelegten ausführlichen Bericht zur Wirksamkeit von Software-Updates für ausreichend, wenn die von den Herstellern entwickelten neuen Motorsteuerungen den Ausstoß von Stickoxid im normalen Fahrbetrieb gegenüber der ursprünglichen Software mehr oder weniger deutlich verringern. Dabei lag der Stickoxid-Ausstoß, den die Beamten in Flensburg bei zahlreichen Fahrten mit neuer Motorsteuerung nachgerüsteter Autos maßen, meist immer noch weit über den Grenzwerten, die die Autos bei den Prüfstandversuchen im Typzulassungsverfahren einhalten mussten.
Besitzer von Autos mit illegaler Motorsteuerung müssen mit Sanktionen bis hin zur Stilllegung ihres Wagens rechnen. Schadenersatz können sie nur verlangen, wenn der Hersteller sie vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt hat. Sittenwidrig handelten die Autohersteller nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn sie illegale Mechanismen zur Verringerung der Abgasreinigung im Typzulassungsverfahren bewusst verschwiegen oder verschleierten, um ihre Autos günstiger anbieten und dadurch mehr davon verkaufen zu können.
04.02.2021 Check24 wird BMW-Besitzern gegenüber nicht mehr für Schadenersatzklagen wegen des Abgasskandals werben. Das Unternehmen verpflichtete sich dem Wettbewerbszentrale e. V. gegenüber, nicht mehr zu behaupten, „immer mehr Gerichte sprechen BMW-Kunden ... eine Entschädigung zu“. Wettbewerbszentrale-Anwalt Dr. Andreas Ottofülling hatte das als unlauteren Wettbewerb beanstandet. Tatsächlich ist BMW soweit bekannt bisher in keinem einzigen Fall wegen des Abgasskandals rechtskräftig zu Schadenersatz verurteilt worden. Check24-Sprecherin Dagmar Ginzel erklärte test.de gegenüber: Das Unternehmen habe bereits über 10 000 Kunden im Abgasskandal zu Schadensersatz verholfen und sei weiterhin davon überzeugt, dass es grundsätzlich richtig und berechtigt war, ausgewählte Kunden auf das Thema anzusprechen. Die Werbung habe sich ausschließlich an Kunden gerichtet, bei deren Fahrzeug konkrete Anhaltspunkte für Abgasmanipulation vorlagen – entweder durch Rückrufe des Kraftfahrtbundesamts oder Messergebnisse von Umweltorganisationen wie der Deutschen Umwelthilfe. Nur wegen einzelner Formulierungen in Bezug auf BMW als Hersteller habe sich Check24 zur Unterlassung verpflichtet.
03.02.2021 Das klingt nach Sensation und ganz neuen Erkenntnissen: „Wenn die Beklagte zu 1 (= Volkswagen AG, Anm. d. Red.) das Software-Update erneut bewusst mit Manipulationsvorrichtungen (...) versehen hat, fallen die entscheidenden Gesichtspunkte, die in der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhaltskonstellation zur Beseitigung des Sittenwidrigkeitsvorwurfs geführt haben, weg. Eine Zusammenarbeit der Beklagten zu 1 mit dem Kraftfahrt-Bundesamt ist auf der Grundlage dieses Sachverhalts nur zum Schein erfolgt. Das Software-Update hat sie in Wirklichkeit nicht entwickelt, um den rechtswidrigen Zustand der Fahrzeuge zu beseitigen, sondern um ihn durch einen gleichermaßen rechtswidrigen Zustand zu ersetzen, diesen Umstand erneut zu verheimlichen und so zu Unrecht die drohende Stilllegung der Fahrzeuge zu vermeiden. Ihre strategische unternehmerische Entscheidung, im eigenen Kosten- und Gewinninteresse das Kraftfahrt-Bundesamt und letztlich die Fahrzeugkäufer zu täuschen, hat sie nicht aufgegeben, sondern fortgesetzt. Ihre bislang gleichgültige Gesinnung im Hinblick auf etwaige Folgen und Schäden für Käufer ihrer Fahrzeuge und auf die die Umwelt und Gesundheit der Bevölkerung schützenden Rechtsvorschriften hat sie nicht aufgegeben, sondern beibehalten“, urteilt der 19. Senat des Oberlandesgericht Hamm zu einem Skoda Rapid Spaceback Ambition 1.6 TDI, den der Kläger erst knapp ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des VW-Skandals im September 2015 gebraucht gekauft hatte.
Allerdings: „In diesem Verfahren ist uns ein Fehler unterlaufen. Trotz Nachfrage des Senats haben wir nicht mehr Stellung genommen. Normalerweise entspricht es ständiger Rechtsprechung des 19. Senats, Ansprüche bei Kauf nach der ad hoc-Mitteilung im September 2015 abzulehnen.“, erklärt VW-Sprecher Christopher Hauss das denkwürdige Urteil.
Rechtlicher Hintergrund: Zivilrichter ermitteln nicht von sich aus, was geschehen ist. Sie beurteilen den Fall so, wie die Rechtsanwälte der Parteien ihn vor Gericht darstellen. Das gilt selbst dann, wenn das Gericht aus zahlreichen anderen Verfahren viel mehr über den Fall weiß. Nachdem die VW-Anwälte sich nicht äußerten, musste das Gericht deshalb nach den Regeln in der Zivilprozessordnung davon ausgehen: Der Fall liegt so, wie die Klägeranwälte ihn dargestellt haben.
Die VW-Anwälte können ihren Fehler auch nicht mehr korrigieren. Das Gericht ließ kein Revision zu und eine Beschwerde dagegen, mit dem VW den Fall trotzdem noch zum Bundesgerichtshof hätte bringen können, ist nicht zulässig, weil es um weniger als 20 000 Euro ging.
Wie das Gericht geurteilt hätte, wenn VW sich nach allen Regeln der Kunst verteidigt hätte, lässt allerdings nicht sagen. Der 19. Senat des Oberlandesgerichts Hamm hat Klagen von VW-Besitzern, die ihre Wagen erst nach September 2015 erworben haben, bisher regelmäßig abgewiesen, so wie es zuletzt auch der Bundesgerichtshof bestätigte. Es ist aber unklar, ob die Klägeranwälte ihre Fälle genau so geschickt dargestellt haben, wie es die Klägeranwälte jetzt getan haben. Weitere Einzelheiten dazu auf deren Homepage.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 19.01.2021
Aktenzeichen: 19 U 1304/19
Klägervertreter: Gunkel, Kunzenbacher & Partner Rechtsanwälte, Bielefeld
02.02.2021 Der Bundesgerichtshof hat heute die Begründung zu seinem Thermofenster-Beschluss vom 19.01.2021 (s. u., 26.01.2021) veröffentlicht. Er lässt deutlicher als die Presseerklärung erkennen, worauf es den höchsten deutschen Richtern im Abgasskandal ankommt. Soweit Autohersteller es im Typzulassungsverfahren verschleiert haben, dass die Abgasreinigung entgegen der EU-Richtlinien zum Beispiel von der Lufttemperatur abhängt, deute das auf ein sittenwidriges Verhalten hin. Laut Klägeranwälten hatte Daimler nur angegeben: Die Abgasrückführung zur Senkung des Stickoxidanteils im Abgas sei kennfeldabhängig. Den unzulässigen Einfluss der Lufttemperatur habe Daimler nicht offengelegt.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.01.2021
Aktenzeichen: VI ZR 433/19
Klägervertreter: Von Rueden Rechtsanwälte, Berlin
26.01.2021 Sowohl Daimler als auch Verbraucheranwälte fühlen sich durch die Entscheidung des Bundesgerichtshof zu so genannten „Thermofenstern“ gestern bestätigt. Daimler verbucht für sich: Die von der Lufttemperatur abhängige Reduzierung der Abgasreinigung allein löst laut Bundesgerichtshof keine Pflicht zum Schadenersatz aus. Verbraucheranwälte wie Dr. Ralf Stoll heben hervor: Auch ohne Rückruf vom Kraftfahrtbundesamt ist Schadenersatz möglich. Die Gerichte müssen klären, was die Manager der Autohersteller sich wohl gedacht haben, als sie Motoren entwickelten, die auf dem Prüfstand sauber waren und im Straßenverkehr allenfalls sehr selten.
Wie die Autohersteller dachten, lässt die Äußerung eines Daimler-Sprechers gestern gut erkennen: „Aus unserer Sicht sind Thermofenster technisch notwendig und haben nichts mit einer Täuschungsaktion zu tun“, erklärte er den Medien gestern. Hintergrund: Laut EU-Verordnung darf die Abgasreinigung abgeschaltet werden, um Motorschäden zu verhindern. Für die Ingenieure ist erhöhter Verschleiß die Vorstufe zu einem Motorschaden. Da die Abgasreinigung häufig zu erhöhtem Verschleiß führt, haben sie sie häufig reduziert oder abgeschaltet.
Die EU-Regelungen sagen allerdings: Unter normalen Bedingungen müssen die Motoren sauber sein. Nur in Extremsituationen darf die Abgasreinigung abgeschaltet werden, um einen unmittelbar bevorstehenden Motorschaden zu verhindern. So hat es inzwischen der Europäische Gerichtshof entschieden und hält seine Auslegung der Regelungen für eindeutig.
Daimler und die übrigen Autohersteller müssen die Gerichte jetzt davon überzeugen, dass sie sich trotzdem für berechtigt halten durften, die Abgasreinigung viel häufiger abzuschalten als das tatsächlich zulässig ist.
Ob und für welche Motorsteuerungen das gelingt, ist nicht absehbar. Allerdings: Soweit eine Motorsteuerung die Abgasreinigung unter normalen Bedingungen häufiger reduziert oder abschaltet, als sie in Betrieb ist, erscheint ausgeschlossen, dass Autohersteller das ernsthaft für legal halten durften. Dabei kommt es nicht nur auf in offenbar allen nach den Normen EU4 bis EU6 zugelassenen Dieselmotoren enthaltene Thermofenster, sondern die Motorsteuerung insgesamt an.
Daimler und anderen Autoherstellern hätte helfen können, dass das Kraftfahrtbundesamt Motorsteuerungen offenbar auch viel großzügiger beurteilt hat als das nach den Ansagen des Europäischen Gerichtshofs zulässig war. Wenn die Beamten dort etwas ausdrücklich für zulässig halten, kann das nicht sittenwidrig sein. Dazu allerdings hätten die Autohersteller den Beamten genau erklären müssen, wie ihre Motorsteuerung funktioniert. Das hat soweit bekannt keiner getan, sondern Einzelheiten als Betriebsgeheimnis für sich behalten. Die Behörde erfuhr, bis der Abgasskandal ruchbar wurde, offenbar kaum mehr als die Messwerte aus den für den normalen Fahrbetrieb wenig aussagekräftigen Prüfstandsversuchen zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes.
26.01.2021 Klare Ansage vom Bundesgerichtshof: Auch wegen vom Kraftfahrtbundesamt nicht beanstandeter Autos können Besitzer Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung haben. Wenn Autobesitzer behaupten, dass der Hersteller die Behörde bewusst nicht korrekt über die Motorsteuerung und darin enthaltene illegale Mechanismen informiert hat, müssen die Gerichte dem nachgehen. Voraussetzung für die Verurteilung laut Bundesgerichtshof: Die Mitarbeiter des Autoherstellers handelten in dem Bewusstsein, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und nahmen den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf. Das Landgericht und das Oberlandesgericht Köln hatten die Klage des Besitzers eines Mercedes 220 CDI von 2012 abgewiesen, weil es keine Anhaltspunkte für eine Schädigung durch Daimler gebe. Das Oberlandesgericht muss den Fall jetzt neu aufrollen. Weitere Einzelheiten zum Verfahren in der Pressemitteilung des Bundesgerichtshof.
Daimler hatte sogar für vom Kraftfahrtbundesamt zurückgerufene Autos stets behauptet: Die Motorsteuerung ist legal. Der Konzern ist gegen die Behörde vors Verwaltungsgericht gezogen. Für die Zivilklage auf Schadenersatz gilt: Die Beweislast dafür, dass Daimler sittenwidrig handelte, hat der Kläger. Soweit aber nach den strengen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (s. u., 17.12.2020 und 18.12.2020) feststeht, dass die Motorsteuerung eine illegale Abschaltung der Abgasreinigung enthält, ist Daimler aber in der Pflicht überzeugend zu erklären, wieso das Unternehmen das seinerzeit für legal halten durfte.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.01.2021
Aktenzeichen: VI ZR 433/19
Klägervertreter: Von Rueden Rechtsanwälte, Berlin
22.01.2021 Das Landgericht Münster hat beschlossen, einen Sachverständigen damit zu beauftragen, einen Mercedes Benz C 220 BC Avantgarde mit einem Turbodiesel-Motor vom OM 651 zu untersuchen. Der Sachverständige soll klären, ob die Motorsteuerung die Abgasreinigung regelmäßig dann abschaltet, wenn der Wagen jenseits der Bedingungen der Prüfstandversuche im Straßenverkehr unterwegs ist. Ausführlicher Hinweis von Richter Dr. Oliver Laubinger zu seinem Beschluss: Wie die Mechanismen zur Regelung der Abgasreinigung genau funktionieren und ob es sich wie bei den EA189-Motoren von VW um eine regelrechte Prüfstandserkennung handelt, spielt angesichts der Ansagen des Europäischen Gerichtshof zum Abgasskandal keine Rolle. Wenn im Ergebnis die Abgasreinigung praktisch nur auf dem Prüfstand korrekt funktioniert, dann sei das illegal und sei auch regelmäßig davon auszugehen, dass der Hersteller dies absichtlich so gestaltet habe, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und er Kunden dadurch sittenwidrig geschädigt. Ausnahme allerdings: Soweit das Kraftfahrtbundesamt den betroffenen Mechanismus ausdrücklich gebilligt hat, handele der Hersteller nicht sittenwidrig.
Noch interessant: Der Kläger oder vielmehr seine Rechtsschutzversicherung muss nach dem Gerichtsbeschluss 30 000 Euro und Daimler 20 000 Euro Vorschuss auf das Honorar des Sachverständigen einzahlen. Begründung des Richters: Der Kläger müsse die Voraussetzungen für Schadenersatz und Daimler die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung nachweisen. Es sei deshalb gerecht, wenn beide gemeinsam das Sachverständigengutachten vorfinanzieren.
Landgericht Münster, (Hinweis- und Beweis-)Beschluss vom 18.12.2020
Aktenzeichen: 011 O 45/20
Klägervertreter: Gunkel, Kunzenbacher & Partner Rechtsanwälte, Bielefeld
21.01.2021 Auch wegen eines nicht vom Kraftfahrtbundesamt beanstandeten VW Touareg 3.0 TDI von 2009 muss VW Schadenersatz zahlen, urteilte das Landgericht Köln. Andere Autos mit Motoren des gleichen Typs hatte das Kraftfahrtbundesamt beanstandet. Im Prozess hatte VW nicht bestritten, dass der umstrittene Wagen eine vergleichbare Motorsteuerung hat. Ob und welche Unterschiede es gibt, blieb offen. Unter diesen Umständen gDr. Sincar & Basun Rechtsanwaltskanzlei, Düsseldorfg schaltet die Abgasreinigung illegal ab und sei VW eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung vorzuwerfen.
Landgericht Köln, Urteil vom 14.01.2021
Aktenzeichen: 14 O 411/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Dr. Sincar & BDr. Sincar & Basun Rechtsanwaltskanzlei, Düsseldorf
06.01.2021 Neue Musterfeststellungsklage gegen VW: Die Verbraucherzentrale Südtirol will festgestellt wissen, dass VW auch für in Italien erworbene Autos mit illegaler Motorsteuerung Schadenersatz zahlen muss. Die italienischen Verbraucherschützer haben die Klage erhoben, nachdem die Einigung über eine Entschädigung für die Teilnehmer an der Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands nur in Deutschland erworbene Autos erfasste. Einzelheiten zur Klage sind auf der Homepage der Verbraucherzentrale Südtirol nachzulesen. Die amtlichen Informationen zur Musterfeststellungsklage finden sich im Klageregister des Bundesamts für Justiz.
22.12.2020 Spektakuläres Urteil des Oberlandesgerichts Köln: VW hat auch den Käufer eines bereits mit der auf Anordnung des Kraftfahrtbundesamts neu entwickelten Motorsteuerung versehenen Euro 5-VW Tiguan vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt. Der Bundesgerichtshof hatte geurteilt: Nach Bekanntwerden des Skandals handelte VW nicht mehr sittenwidrig. Dabei ging der Bundesgerichtshof allerdings davon aus, dass VW auf Geheiß des Kraftfahrtbundesamts eine legale Motorsteuerung entwickelt und installiert habe. Der Kläger beim Oberlandesgericht Köln trug jedoch vor: Auch die neue Motorsteuerung enthalte eine illegale Abschaltung der Abgasreinigung, wenn die Lufttemperatur - so wie hierzulande häufig - unter 10 Grad Celsius lag. Außerdem habe VW das System zur Onboard-Diagnose (OBD) so manipuliert, dass es die Abschaltung der Abgasreinigung nicht als Fehler speicherte und nicht die dafür vorgesehene Warnlampe im Tacho aktivierte. Im September 2020 habe das Kraftfahrtbundesamt VWs vom Typ Eos wegen dieser illegaler Mechanismen in der neu entwickelten Motorsteuerung erneut zurückgerufen. VW hatte sich zu den Vorwürfen nicht geäußert, obwohl das Gericht den Anwälten des Konzerns dafür eigens Zeit gegeben hatte.
Das Gericht ging deshalb davon aus: Die neue Motorsteuerung enthält tatsächlich wie vom Kläger vorgetragen mindestens eine illegale Abschalteinrichtung und sei zudem das Diagnosesystem so manipuliert, dass Besitzer des Wagens die unzureichende Abgasreinigung nicht erkennen können. Das sei VW auch bewusst gewesen und sei dem Konzern deshalb weiterhin vorsätzliches und sittenwidriges Verhalten vorzuwerfen.
Das Gericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu. Weitere Einzelheiten zum Urteil in der Pressemitteilung von Rechtsanwälten Rogert & Ulrich.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 18.12.2020
Aktenzeichen: 20 U 288/19
Klägervertreter: Rechtsanwälte Rogert & Ulbrich, Düsseldorf
18.12.2020 Nach Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshof gestern besonders brisant: Ein vom Landgericht Stuttgart in einem Rechtsstreit um einen 2013 erstmals zugelassenen Mercedes E 250 CDI eingeschalteter Software-Gutachter kommt zum Ergebnis, dass die Motorsteuerung des Wagens die Abgasreinigung gezielt verbessert, wenn er unter Prüfstandsbedingungen unterwegs ist.
So beschreibt Dr. Markus Heitz von der 43IT GmbH in Stuttgart den Mechanismus: Zunächst liegt die Kühlmittelsolltemperatur bei 70 Grad. Bei so geringer Temperatur entsteht weniger Stickoxid. Sobald Drehzahl und Luftstrom im Ansaugtrakt für fünf Sekunden über denen liegen, die für die Prüfstandversuche zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes für die Typzulassung vorgeschrieben ist, schaltet der Motor die Kühlmittelsolltemperatur auf 100 Grad. Der Motor funktioniert dann effizienter und mit geringerem Verschleiß - und stößt mehr Stickoxid aus.
Gleichzeitig bleibe bei einer Kühlmittelsolltemperatur von 70 Grad die Jalousie vor dem Kühler durchgängig geöffnet. Das verbessert die Kühlung. Nebeneffekt: Der Luftwiderstand des Wagens und damit auch Spritverbrauch und Kohlendioxidausstoß sinken.
Danach erscheint die Motorsteuerung gemessen an den Ansagen des Europäischen Gerichtshofs von gestern als eindeutig illegal. Rechtsanwalt Thorsten Krause von der KAP Rechtsanwaltsgesellschaft glaubt: Nach dem Gutachten werden die Gerichte nicht daran vorbeikommen, Daimler wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu verurteilen.
Daimler allerdings hält das Gutachten für fehlerhaft. Es stelle Zusammenhänge falsch dar und komme zu nicht zutreffenden Schlussfolgerungen, erklärte Daimler-Sprecher Johannes Leifert test.de gegenüber. So habe der Wagen, um den vor dem Landgericht Stuttgart gestritten werde, überhaupt keine Kühlerjalousie. Nach seiner Darstellung werde die Kühlmittelsolltemperatur nicht schon bei Leistungsanforderungen wie im Prüfstand, sondern erst bei erheblich mehr Drehzahl erhöht. Die tatsächliche Schwelle stehen in keiner Verbindung zum amtlichen Prüfzyklus.
Er räumte ein: Auch das Kraftfahrtbundesamt hat die Kühlmitteltemperaturregelung in diesem und rund 100 000 weiteren Mercedes-Modellen beanstandet und eine Änderung der Motorsteuerung erzwungen. Dagegen habe Daimler Widerspruch eingelegt. Das Unternehmen halte die Kühlmitteltemperatursollregelung nach wie vor für zulässig.
17.12.2020 Die erwartet klare Ansage vom Europäischen Gerichtshof: Es ist egal, ob es um Soft- oder Hardware geht, die Abgasreinigung für Prüfstandbedingungen verbessert oder umgekehrt für Fahrten jenseits des Prüfstands verringert wird, es handelt sich um eine Abschalteinrichtung. Sie ist nur gerechtfertigt, wenn sie unmittelbar bevorstehende Schäden verhindern soll. So wie über Jahre hinweg branchenweit üblich die Abgasreinigung zur Verringerung von Verschleiß oder Wartungsaufwand zum Teil mit ausdrücklicher Billigung des Kraftfahrtbundesamtes zu reduzieren, ist stets eine illegale Abschaltung der Abgasreinigung.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17.12.2020
Aktenzeichen: C-693/18
Pressemitteilung des Gerichts zum Urteil
Die Rechtsexperten bei test.de meinen: Das Urteil ist streng. Nach seinem Maßstab erscheinen alle Mechanismen als rechtswidrig, nach denen die Abgasrückführung oder die Einspritzung von Adblue-Zusatz zum Abbau von Stickoxid im Abgas mit Rücksicht auf Leistung, Spritverbrauch, Verschleiß und Wartung verringert wird. Das beträfe wohl sogar auch die von VW nach Bekanntwerden des Abgasskandals neu entwickelte Motorsteuerung, die die Abgasrückführung offenbar zum Beispiel auch abhängig von der Lufttemperatur reduziert.
Ganz anders wertet das Bundesverkehrsministerium die Ansagen aus Luxemburg: „Die Auslegung des EuGH entspricht der deutschen Rechtsauffassung. Sie bestätigt die bisherige Anwendung der europäischen Vorschriften durch das KBA und das Vorgehen der Untersuchungskommission Volkswagen“, erklärte Ministeriumssprecherin Julie Heinl auf Anfrage von test.de zur Überraschung unserer Juristen wörtlich.
15.12.2020 Heute hat der Bundesgerichtshof mitgeteilt: Am kommenden Donnerstag, 17. Dezember 2020, um 14.30 Uhr wird der das Verjährungsurteil zur Verhandlung gestern (s. u. , 14.12.2020) verkünden.
14.12.2020 Noch kein höchstrichterliches Urteil zur Verjährung von Schadenersatzforderungen im VW-Skandal. Der Bundesgerichtshof hat heute über eine erst 2019 erhobene Klage verhandelt, will aber das Urteil erst später verkünden. Anwälte, die die Verhandlung beobachtet hatten, berichteten aber: Die Richter sehen den Verjährungsbeginn regelmäßig bereits Ende 2015, so dass viele Schadenersatzforderungen am 1. Januar 2019 bereits verjährt waren. Es bleibe aber der so genannte Restschadenersatzanspruch. Wegen der Einzelheiten bleibt abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof urteilt und seine Entscheidung begründet.
Das Verfahren um den Schadenersatz wegen eines Mercedes endete erneut unter unklaren Umständen. Der Bundesgerichtshof hatte mitgeteilt, dass der vor dem Oberlandesgericht unterlegene Kläger die Revision zurückgenommen hat, so dass die Abweisung seiner Klage jetzt rechtskräftig ist. So war bereits der erste Anlauf des Bundesgerichtshofs gescheitert, sich mit Forderungen auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen Daimler zu befassen. Auch in diesem Fall hatte der Kläger seine Klage zurückgenommen, ohne dafür Gründe zu nennen.
Unterdessen hat der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) Zahlen zum VW-Skandal genannt. Der Streitwert aller Klagen summiere sich inzwischen auf über sieben Milliarden Euro. Bis Ende Oktober nahmen über 290 000 Kunden im Streit mit Autoherstellern wegen mutmaßlich manipulierter Abgaswerte ihre Rechtsschutzversicherung in Anspruch. Die Versicherer wendeten bislang 805,6 Millionen Euro für Anwalts-, Gerichts- und Gutachterkosten auf, berichtete der GDV. „Wir rechnen damit, dass in den nächsten Monaten noch weitere Fälle dazu kommen werden, denn mittlerweile werden auch zahlreiche Verfahren gegen andere Hersteller geführt“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Seit der Zählung im Oktober 2019 sind damit innerhalb eines Jahres rund 86 000 Rechtsschutzfälle und weitere Ausgaben von 257 Millionen Euro hinzugekommen. Der durchschnittliche Streitwert pro Dieselfall liegt bei rund 24 000 Euro. Insgesamt bearbeiten die Rechtsschutzversicherer jährlich über vier Millionen Fälle und leisten dafür rund drei Milliarden Euro.
01.12.2020 Das ARD-Magazin Report berichtet heute Abend in der Sendung ab 21.45 Uhr: Bei Messungen der Schadstoffe im Abgas eines Golf VII mit EA288-Dieselmotor hat ein Ingenieur neue Belege für illegale Mechanismen in der Motorsteuerung gefunden. Die Abgasreinigung werde bei Lufttemperaturen unterhalb bestimmter Werte verringert. VW und Kraftfahrtbundesamt beteuerten stets: Bei EA288-Motoren gebe es keine illegale Abschaltung der Abgasreinigung. Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung des Senders.
24.11.2020 Die erste Runde im Streit um Staatshaftungsansprüche wegen mangelhafter Überprüfung der Abgasreinigung geht an die Behörden. Das Landgericht Frankfurt am Main wies vier Staatshaftungsklagen ab. Die Bundesrepublik Deutschland habe die EU-Vorgaben für Zulassungsregeln korrekt in deutsches Recht umgesetzt, heißt in der Pressemitteilung zu den Urteilen zunächst. Auch seien die Sanktionen bei Verstoß gegen die Regeln ausreichend. Für völlig schuldlos am Skandal halten die Richter die Behörden allerdings nicht. Wörtlich heißt es in den Urteilsbegründungen: „Dass das Kraftfahrzeugbundesamt offenbar den Herstellerangaben zu Laufstandmessungen vertraute, ist nicht so verwerflich, dass darin der für die Staatshaftung erforderliche qualifizierte Verstoß zu sehen ist. Dass der namhafte Hersteller des Fahrzeugs, an dessen Konzernmutter das Land Niedersachsen aktienrechtlich erheblich beteiligt ist, Messungen mithilfe der Abschalteinrichtung manipulierte, war bis Herbst 2015 wohl eher als abwegig anzusehen.“ Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung des Gerichts.
Die vollständigen Urteilsbegründungen liegen noch nicht vor. test.de vermutet, dass es den Klägern nicht gelang, ausreichend belastbare Hinweise dafür zu liefern, dass die Beamten im für die Typzulassung zuständigen Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg genügend Anhaltspunkte für den Verdacht auf illegale Mechanismen in der Motorsteuerung hatten, um von sich aus zu ermitteln und so den Skandal früher aufzudecken. „Die Beamten schauten systematisch weg“, hatte der Spiegel im Jahr 2017 berichtet. Sowohl die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als auch das Umweltbundesamt hätten die Behörden Jahre vor Bekanntwerden des VW-Skandals darauf hingewiesen, dass viele Dieselmotoren bei Fahrten im Straßenverkehr viel mehr Stickoxid ausstoßen als bei den für die Typzulassung entscheidenden Prüfstandversuchen. Die DUH legte bereits im Jahr 2011 Messergebnisse vor, die einen überhöhten Schadstoffausstoß von VW-Dieselmotoren belegen.
18.11.2020 Der Bundesgerichtshof will im Februar darüber entscheiden, ob VW auch wegen der nach Bekanntwerden neu entwickelten Motorsteuerung Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zahlen muss. Die meisten Juristen glauben: Auch die neu entwickelte Motorsteuerung ist rechtswidrig, weil die Abgasreinigung bei einer Lufttemperatur unterhalb von fünf Grad Celsius nicht so funktioniert wie bei den Prüfstandversuchen zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes. Derartige Temperaturfenster seien illegale Abschalteinrichtungen. So sieht es auch Eleanor Sharpston, die Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof (s. u., 30.04.2020).
Allerdings: Das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg hat die nach dem Skandal neu entwickelte Motorsteuerung gebilligt und hält sie für legal. Das schließe eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung von Autokäufern durch VW auch dann aus, wenn sich die Genehmigung der Motorsteuerung als rechtswidrig erweisen sollte, urteilten die Oberlandesgerichte Stuttgart und Celle in den beiden Fällen, über die der Bundesgerichtshof am Dienstag, 23. Februar, verhandelt. Weitere Einzelheiten zu den Fällen in der Ankündigung der Verhandlungen beim Bundesgerichtshof.
12.11.2020 Schlappe für Daimler vor dem Oberlandesgericht Köln: Der Hersteller muss den Besitzer eines Wohnmobils vom Typ Mercedes Benz 250 Marco Polo entschädigen. Er hatte den nach der Norm Euro 6 zugelassenen Wagen 2017 erhalten. Es liege wie bei VW eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vor, urteilten die Kölner Richter. Das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg hatte die Motorsteuerung wegen verschiedener Mechanismen zur Verringerung der Abgasreinigung als illegal beanstandet und es sei davon auszugehen, dass der Hersteller sie bewusst und gewollt eingesetzt und Käufer der Autos damit sittenwidrig geschädigt habe, begründeten die Richter ihr Urteil. Die Daimler-Anwälte hatten argumentiert: Der Bescheid aus Flensburg sei rechtswidrig. Das Unternehmen habe Widerspruch eingelegt. Die Motorsteuerung sei nicht zu beanstanden. Allerdings: Daimler legte nur eine mit umfangreichen Schwärzungen versehene Version des Bescheids ohne Anlagen vor und berief sich auf Betriebsgeheimnisse. Das reiche nicht, um die Vorwürfe zu entkräften, erklärten die Richter in Köln zur Begründung ihres Urteils. Weitere Einzelheiten und Hintergründe zum Fall im Bericht auf der Homepage der Rechtsanwälte.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 05.11.2020
Aktenzeichen: 7 U 35/20 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälte, Lahr
Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll hofft nach dem Erfolg seiner Kanzlei in Köln, dass auch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe Daimler in der Pflicht sieht, Mercedes-Käufer zu entschädigen. Der verhandelt am Montag, 14. Dezember 2020, über die Klage eines Autokäufers auf Schadenersatz. Es handelt sich allerdings um einen älteren nach Euro 5 zugelassenen Wagen, für den das Kraftfahrtbundesamt keinen Rückruf angeordnet hat.
30.09.2020 Erstmals hat das nur wenige Kilometer von der VW-Konzernzentrale entfernte Oberlandesgerichts Braunschweig VW gestern zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Das berichtet Rechtsanwalt Claus Goldenstein.“Das ist ein symbolträchtiges Urteil. Der Dieselskandal holt Volkswagen nach fünf Jahren endlich auch zu Hause juristisch ein. Das macht den Weg frei für Verbraucherklagen aus ganz Europa”, kommentiert er das Urteil.
Das Urteil ist bereits rechtskräftig. Das Oberlandesgericht sah nach den bisherigen Grundsatzurteilen des Bundesgerichtshof keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf mehr und ließen die Revision nicht zu. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht zulässig, da es um einen bereits 2009 gebauten VW Passat ging und das Urteil VW daher weniger als 20 000 Euro kostet.
Bis zum Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs im Mai 2020 hatten die Gerichte in Braunschweig Abgasskandal-Klagen gegen VW regelmäßig abgewiesen. Goldenstein vermutet: Grund dafür könnte auch die Furcht vor einer Prozesslawine gewesen sein.
Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 29.09.2020
Aktenzeichen: 7 U 337/18
Klägervertreter: Goldenstein & Partner Rechtsanwälte, Potsdam
25.09.2020 Richter, die selbst ein Skandalauto fahren und darüber nachdenken, ob sie vom Hersteller Schadenersatz fordern, sind in Abgasskandalstreitigkeiten befangen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Es ging um Johannes Gode, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf. Bei seinem dritten Zivilsenat landete die Berufung eines Mercedes-Besitzers gegen ein Urteil des Landgerichts Duisburg, wonach ihm kein Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Steuerung zusteht. Gode selbst fährt ebenfalls einen Mercedes mit Dieselmotor, für den das Kraftfahrtbundesamt die Installation einer neuen Motorsteuerung angeordnet hat. Er denkt darüber nach, Daimler als Hersteller ebenfalls auf Schadenersatz zu verklagen und lässt sich von einem Vertragsanwalt des ADAC beraten. Als das Verfahren bei seinem Senat landete, zeigte er das als möglichen Befangenheitsgrund selbst an. Seine Kollegen entschieden: Gode ist nicht befangen.
Doch der Bundesgerichtshof kassierte die Entscheidung auf die Beschwerde von Daimler hin. Gode ist doch befangen, meinen die Bundesrichter in Karlsruhe. Das Oberlandesgericht muss über die Mercedes-Klage jetzt ohne ihn entscheiden. Es komme nicht darauf an, ob ein Richter tatsächlich voreingenommen ist. Befangenheit liegt schon vor, wenn aus Sicht der Parteien die Besorgnis besteht, er könne wegen eigener Betroffenheit nicht vollkommen unparteiisch sein.
Sobald ein Richter ernsthaft in Betracht zieht, wegen einer dem zu entscheidenden Fall gleich gelagerten Sache Schadenersatz zu fordern, liege die Vermutung nahe: Eigene Interessen beeinflussen das Verfahren. test.de kommentiert: Im Umkehrschluss folgt daraus: Der bloße Besitz eines Autos mit illegaler Motorsteuerung führt nicht zur Befangenheit. Vorteil also für die Autoindustrie: Sie kann Richter, die selbst Schadenersatz fordern, als befangen ablehnen. Abgasskandalopfer dagegen müssen es sich gefallen lassen, wenn über ihre Klage Richter entscheiden, die selbst in der gleichen Situation wie der Kläger keinen Schadenersatz fordern.
Sowohl VW als auch Daimler haben bereits mehrere verbraucherfreundliche Richter mit Befangenheitsanträgen aus Abgasskandalverfahren herausgedrängt. Demgegenüber kennt test.de keinen einzigen Fall, in dem ein industriefreundlicher Richter für befangen erklärt worden ist. Informationen zu weiteren Fällen auf der Homepage von Stoll & Sauer Rechtsanwälte.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.07.2020
Aktenzeichen: VI ZB 95/19
Klägervertreter: Rechtsanwälte Steinebach & Kollegen, Oberhausen
23.09.2020 Erstmals hat ein Oberlandesgericht Daimler zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Es ging um einen Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4Matic von 2013, den der Kläger im September 2014 gebraucht in einer Niederlassung der Daimler AG erworben hatte. Es war mit einem Motor des Typs OM651, Schadstoffklasse Euro 5, ausgestattet. Das Kraftfahrtbundesamt hat 2019 angeordnet, dass Daimler eine neue Motorsteuerung entwickeln muss. Springender Punkt in dem Verfahren: Unter Bedingungen, wie sie bei den Prüfstandversuchen für die Ermittlung des Schadstoffausstoßes für die Typzulassung herrschen, bleibt die Kühlmitteltemperatur gering. Dadurch erwärmt sich das Motoröl langsam und sorgt die Abgasreinigung für einen Stickoxid-Ausstoß unterhalb der damals gültigen Grenzwerte. Im Fahrbetrieb dagegen heizt sich das Kühlmittel schneller auf und stoßen Motoren mit dieser Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung meist erheblich mehr giftiges Stickoxid aus. Daimler hatte das bestritten. Es gebe keine Prüfstandserkennung. Das Gericht war der Meinung: Daimler habe nicht überzeugend erklärt, wieso die Motorsteuerung aus Sicht des Unternehmens legal war oder zumindest, warum es sie für legal halten durfte. Der Konzern hatte ein Schreiben des Kraftfahrtbundesamt unter Berufung auf Betriebsgeheimnisse gar nicht und ein weiteres nur mit Schwärzung wesentlicher Passagen vorgelegt. Es sei daher davon auszugehen, dass die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung eine illegale Abschaltung der Abgasreinigung darstelle.
Allerdings: Das ausführlich und sorgfältig begründete Urteil ist direkt nur auf gut 50 000 Autos übertragbar. Das Gericht lässt in der Urteilsbegründung erkennen, dass für Autos mit verschiedenen anderen Varianten der Daimler-Motorsteuerung mit Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung, die das Kraftfahrtbundesamt wegen der Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte auch bei höheren Kühlmitteltemperaturen ausdrücklich als legal beurteilt hatte, anders zu entscheiden sein dürfte.
Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 18.09.2020
Aktenzeichen: 8 U 8/20 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Von Rüden Partnerschaft von Rechtsanwälten, Berlin
22.09.2020 Heute vor genau fünf Jahren erklärte VW: „Volkswagen treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran. (...) Volkswagen duldet keinerlei Gesetzesverstöße. Oberstes Ziel des Vorstands bleibt es, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und Schaden von unseren Kunden abzuwenden.“
Unterdessen ist die juristische Aufarbeitung des Skandals immer noch nicht abgeschlossen. Gerade kamen zwei Verwaltungsgerichte entgegen der Ansicht des Kraftfahrtbundesamts zum Ergebnis: Autos mit illegaler Motorsteuerung hätten sofort aus dem Verkehr gezogen werden müssen.
Es ging jeweils um Autos der Marke Skoda. Deren Typgenehmigung hatte die britische Vehicle Certification Agency erteilt. Anders als das für VW zuständige deutsche Kraftfahrtbundesamt hat die britische Behörde keinen Rückruf angeordnet und auch nicht die Genehmigung geändert.
Vor beiden Verwaltungsgerichten forderten Skoda-Besitzer per Eil-Verfahren eine neue Tüv-Plakette. Die verweigerten ihnen die Prüfer, weil sie die von VW neu entwickelte Motorsteuerung nicht hatten installieren lassen. Auch bei den Verwaltungsrichtern blitzten sie ab. Begründung der Verwaltungsrichter in Mainz: Die illegale Abschaltung der Abgasreinigung sei unabhängig von der Typgenehmigung ein Mangel. Es dürfe deshalb keine Prüfplakette erteilt werden.
Verwaltungsgericht Mainz, Beschluss vom 10.09.2020
Aktenzeichen: 3 L 513/20MZ (nicht rechtskräftig)
Zum gleichen Ergebnis kommt das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht – mit jedoch ganz anderer Begründung: Die britische Typgenehmigung sei grundsätzlich weiter wirksam und legalisiere eigentlich den Betrieb des Skoda Yeti, um dessen Prüfplakette es in Schleswig ging. Allerdings wusste die Typzulassungsbehörde nichts von der illegalen Abschaltung der Abgasreinigung. Die Typzulassung erfasse sie daher nicht und erscheine sie wiederum als erheblicher Mangel, der die Erteilung einer Tüv-Plakette ausschließe.
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 07.09.2020
Aktenzeichen: 3 B 92/20 (nicht rechtskräftig)
Im Streit um die Stilllegung von nicht nachgerüsteten Skandalautos hatten die Verwaltungsgerichte bisher einhellig die Auffassung des Kraftfahrtbundesamts bestätigt: Die Typgenehmigung blieb danach trotz der illegalen Abschaltung der Abgasreinigung wirksam. Erst durch die Änderung des Bescheids wurden die Skandalautos illegal und blieben es, wenn die Besitzer nicht die von VW entwickelte neue Motorsteuerung installieren ließen.
Außerdem interessant am Skandaljahrestag: Soweit bekannt erstmals urteilte ein Gericht über Hemmung der Verjährung durch die Anmeldung von Rechten zur Musterfeststellungsklage: Die Verjährung stoppte mit der Erhebung der Klage am 1. November 2018 durch den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und nicht erst mit der Anmeldung der Rechte, entschied das Landgericht Limburg. So legt es der Gesetzeswortlaut nahe und so hatten es praktisch alle Rechtswissenschaftler gesehen. Die VW-Anwälte waren allerdings anderer Meinung.
Landgericht Limburg an der Lahn, Urteil vom 08.09.2020
Aktenzeichen: 2 O 284/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Wietbrok Rechtsanwälte, Hamburg
Noch ein verbraucherfreundliches Urteil zur Verjährung: Das Landgericht Stuttgart hielt die Schadenersatzforderung eines Tiguan-Besitzers für noch nicht verjährt, obwohl er erst im Jahr 2020 Klage erhoben und nicht an der Musterfeststellungsklage teilgenommen hatte. Der Verjährung begann nach Auffassung von Vorsitzendem Richter am Landgericht Andreas Patschke erst, als der Kläger im Jahre 2017 erfuhr, dass die Behörden seinen Wagen stillegen und er keinen neuen Tüv bekommt, wenn der Kläger nicht die von VW auf Geheiß des Kraftfahrtbundesamts neu entwickelte Motorsteuerung („Update“) installieren lässt. VW habe nicht dargelegt, dass der Kläger bereits vorher von allen wesentlichen Umständen erfuhr oder hätte erfahren müssen. Die Sittenwidrigkeit beruhe nicht allein auf dem 2015 bekannt gewordenen erhöhten Ausstoß an Stickoxid gegenüber den Prüfstandsversuchen, sondern auf der Gefahr, dass die Behörden den Wagen aus dem Verkehr ziehen. Einzelheiten zum Fall auf der Homepage der Rechtsanwälte.
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 14.09.2020
Aktenzeichen: 3 O 238/20 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwälte Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann, Stuttgart
14.09.2020 Das Landgericht Gera hat sein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (s. u., 06.09.2019) ohne Zustimmung des Klägers gestoppt. Rechtsanwalt Torsten Schutte berichtet: VW zahlte alles, was der Kläger gefordert hatte, und teilte dies dem Landgericht Gera mit. Damit sei alles erledigt, einschließlich des Verfahrens in Luxemburg, meinte der Konzern. Am Landgericht Gera hatte inzwischen die Besetzung der für den Fall zuständigen 7. Kammer gewechselt. Die jetzt dort tätigen Richter beschlossen daraufhin sofort, das Vorabentscheidungsersuchen in Luxemburg zurückzunehmen. Dagegen legte der Kläger sofortige Beschwerde ein. Gleichzeitig beantragte er beim Oberlandesgericht in Thüringen, den Vollzug des Beschluss auszusetzen. Trotzdem übermittelte das Landgericht seinen Beschluss nach Luxemburg. „Das ist aus meiner Sicht ein Justizskandal“, schimpfte Rechtsanwalt Torsten Schutte. Gerichte dürfen Verfahren nur als erledigt behandeln, wenn beide Parteien einverstanden sind.
Der Europäische Gerichtshof sollte klären, ob Autohersteller wegen der Lieferung von Autos mit illegaler Motorsteuerung nicht nur wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, sondern auch wegen der Verletzung der EU-Zulassungsregeln Schadenersatz zahlen müssen. Die Autoindustrie müsste dann wegen zahlreicher weiterer Modelle Schadenersatz zahlen. Kläger hätten gute Chancen, Schadenersatz ohne Abzug einer Entschädigung wegen der mit dem Wagen gefahrenen Kilometer zu bekommen.
Auch ein weiteres, vom Landgericht Frankenthal in Luxemburg vorgelegtes Verfahren zum gleichen Thema (s. u., 06.09.2019) ist gestoppt. Der Hintergrund dort ist unklar. test.de hat beim Klägervertreter nachgefragt, aber bisher keine Antwort erhalten. Wahrscheinlich hat VW den Kläger dort ebenfalls ausgezahlt und ist dieser einverstanden damit, das Verfahren zu beenden.
11.09.2020 Myright.de bietet Kunden an, von den Sammelklagen des Unternehmens zu einer Individualklage zu wechseln. Das bestätigte Financialright-Geschäftsführer Sven Bode test.de gegenüber. Es sei klar geworden, dass sich die Myright.de-Klagen, denen das Unternehmen die Forderungen von insgesamt rund 45 000 VW-Skandalopern gesammelt geltend macht, wegen Verzögerung der Verfahren beim überlasteten Landgericht Braunschweig sowie des fortdauernden Widerstands von VW noch etliche Jahre hinziehen können, bis sie rechtskräftig entschieden sind. Empfehlenswert ist der Ausstieg aber nur für Myright-Kunden, deren Wagen noch nicht zu viele Kilometer gefahren sind. Außerdem sollten sie die Verjährung etwa durch von Myright.de seinerzeit empfohlene Anmeldung der Rechte zur Musterfeststellungsklage gestoppt haben. Solchen Kunden bietet Myright zusätzlich an, die Individualklage zu finanzieren. Dafür sind am Ende 20 Prozent Provision auf das fällig, was VW gegen Rückgabe des Wagens zahlt, oder 30 Prozent der Summe, die VW zahlt, ohne dass der Wagen zurückgegeben werden muss.
Zu beachten: Myright-Kunden gehen beim Ausstieg aus den Sammelklagen auch die bisher aufgelaufenen Prozesszinsen auf ihre Forderung verloren. Allein das macht je 10 000 Euro Forderung und seit Klageerhebung vergangenem Jahr 412 Euro aus.
11.09.2020 Dr. Marcus Hoffmann und Mirko Göpfert von Hoffmann & Partner Rechtsanwälte in Nürnberg berichten: VW hat in einem Verfahren vor dem Landgericht Kiel die Einrede der Verjährung fallen gelassen, nachdem das Gericht in der mündlichen Verhandlung signalisiert hatte: Das Unternehmen hafte jedenfalls auf den so genannten Restschadenersatz nach § 852 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der unabhängig von der normalen Verjährung zehn Jahre lang durchsetzbar ist (s. u. unter 20.07.2020). test.de vermutet: Der Konzern will eine solche Verurteilung verhindern, damit nicht VW-Skandalopfer, die bisher noch nichts unternommen haben, doch noch wieder Mut schöpfen und jetzt noch vor Gericht ziehen. Rechtlicher Hintergrund: Verjährung ist nur Thema, wenn sich ein Beklagter darauf beruft. Wird die Einrede der Verjährung nicht erhoben oder wieder fallengelassen, beurteilt das Gericht den Fall ohne Berücksichtigung der Verjährung, so dass VW in dem Kieler Fall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entsprechend der Vorgaben des Bundesgerichthof verurteilt werden wird, obwohl die Klage erst im Jahr 2020 eingereicht wurde. Weitere Einzelheiten auf der Homepage der Kanzlei.
09.09.2020 Ex-VW-Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn und vier weitere damals bei VW-Verantwortliche stehen jetzt unter Anklage. Das Landgericht Braunschweig hat das Hauptverfahren wegen des Verdachts auf zahlreiche Straftaten, darunter das Verbrechen des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs, eröffnet. Allein darauf stehen Freiheitsstrafen zwischen einem und zehn Jahren. Hinzu kommen womöglich noch Steuerhinterziehung und strafbare Werbung. Das Gericht hat damit die Anklage noch verschärft. Die Staatsanwälte sahen nur den Verdacht auf einen besonders schweren Fall des Betrugs. Das ist anders als der gewerbs- und bandenmäßige Diebstahl ein Vergehen und kein Verbrechen. Wann die öffentliche Hauptverhandlung beginnt, steht noch nicht fest. Das Landgericht hatte bereits weitere Ermittlungen angeordnet, die noch nicht abgeschlossen sind. Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung des Landgerichts.
09.09.2020 Rechtsanwälte Dr. Sincar & Basun berichten: Die Audi AG hat soweit bekannt erstmals eine Verurteilung zu Schadenersatz wegen eines Wagens mit 3.0-TDI-Motor vom Typ EA896 rechtskräftig werden lassen. Es ging um einen Audi A5 Sportback 3.0. Laut Landgericht Wuppertal ist die Motorsteuerung illegal und durfte Audi die illegale Verringerung der Abgasreinigung nicht verschweigen. Über die Hintergründe ist nichts bekannt. test.de hält für unwahrscheinlich, dass die Audi AG sich mit entsprechenden Urteilen abgefunden hat und Besitzer der Autos nun entschädigt, ohne Rechtsmittel einzulegen.
Landgericht Wuppertal, Urteil vom 16.07.2020
Aktenzeichen: 4 O 31/20 (rechtskräftig)
Klägervertreter: Kanzlei Dr. Sincar & Basun, Düsseldorf
07.09.2020 Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer berichten: Erstmals hat ein Gericht die auf Geheiß des Kraftfahrtbundesamt entwickelte neue Motorsteuerung für Skandalautos ebenfalls als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung beurteilt. Die Richter am Landgericht Dortmund urteilten: VW muss den Besitzer eines Audi A4 entschädigen. Er hatte den Wagen im Juli 2016 gebraucht gekauft. Auch die neue Motorsteuerung („Software-Update“) enthalte ein so genanntes „Temperaturfenster“. Sie reduziere die Abgasreinigung unterhalb von 17 und oberhalb von 33 Grad Lufttemperatur. Das sei illegal. Weitere Einzelheiten zum Urteil in der Pressemitteilung der Rechtsanwälte.
Tatsächlich spricht auch aus Sicht der Juristen bei test.de viel dafür, dass auch die neue VW-Steuerung – genau wie die anderer Hersteller – nicht den EU-Vorgaben genügt. Allerdings: Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung ist Autoherstellern nur vorzuwerfen, wenn sie korrekte Abgasreinigung nur vortäuschten und bewusst illegale Autos lieferten. Soweit sie ihre Motorsteuerung dem Kraftfahrtbundesamt im Typzulassungsverfahren korrekt beschrieben haben und die Behörde sie billigte, durften sich Hersteller nach Ansicht der Juristen bei test.de darauf verlassen, auch wenn sich das nun als rechtswidrig herausstellt.
Allerdings dürfte die erneut illegale Motorsteuerung wiederum ein Sachmangel sein und Käufer der Autos zum Rücktritt berechtigen. Das bringt Skandalautobesitzern aber nur selten was. Die Sachmangelrechte verjähren nämlich bereits zwei Jahre ab Kauf. Das gilt auch für Rechte wegen zunächst unbekannter Mängel.
Landgericht Dortmund, Urteil vom 28.08.2020
Aktenzeichen: 4 0 53/20 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwälte Stoll & Sauer, Lahr
31.08.2020 Der VW-Skandal beschert dem fürs Schadenersatzrecht zuständigen VI. Senat eine gewaltige Anzahl von Verfahren. Dietlind Weinland, Pressesprecherin beim Bundesgerichtshof, berichtet auf Anfrage von test.de: Ende Juli 2020 waren beim VI. Senat insgesamt rund 1 200 Verfahren anhängig. Seit August und verstärkt November 2019 landeten allein 900 bis 1 000 Schadenersatzklagen gegen VW in der Geschäftsstelle. Aktuell seien davon noch rund 800 anhängig. Rund 120 Verfahren erledigten sich bereits nach dem ersten VW-Grundsatzurteil von 25. Mai 2020. Vermutlich müssen die insgesamt neun Richter im VI. Senat nur in einem kleinen Teil der Verfahren noch aufwendige Urteile oder Beschlüsse erarbeiten. Verfahren, in denen es um Rechtsfragen geht, zu denen sich die Richter bereits geäußert haben, enden oft durch die Rücknahme der Revision, ein Anerkenntnis oder einen Vergleich auf Grundlage der bisherigen Ansagen der Bundesrichter. Gleichwohl steckt auch in solchen Verfahren noch viel Arbeit für die Richter, die wissenschaftlichen Mitarbeiter und die Beamten in der Geschäftsstelle. Jedes einzelne Verfahren müsse einer sorgfältigen Prüfung unterzogen werden, um allein schon beurteilen zu können, welche rechtliche Problematik im Vordergrund steht, erklärt Weinland.
31.08.2020 Rechtsanwälte Dr. Sincar & Basun berichten: Das Landgericht Krefeld hat – soweit bekannt erstmals seit Verkündung des Bundesgerichtshofsurteils von 30. Juli 2020 – VW verurteilt, wegen eines nach Bekanntwerden des Abgasskandals im September 2015 erworbenen VW Tiguan 2.0 TDI Schadenersatz an einen Mandanten der Kanzlei zu zahlen. Er hatte den Wagen etwa ein Jahr später als Neuwagen direkt bei VW gekauft.
Zu diesem Zeitpunkt, so das Landgericht Krefeld, konnte und durfte der Verbraucher darauf vertrauen, zumindest direkt bei der Volkswagen AG ein Fahrzeug mit legaler Motorsteuerung zu erhalten. Die „Arglosigkeit“ des Verbrauchers war aus Sicht der Richter in Krefeld zum Zeitpunkt des Erwerbs wiederhergestellt.
Landgericht Krefeld, Urteil vom 19.08.2020
Aktenzeichen: 2 O 541/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Kanzlei Dr. Sincar & Basun, Düsseldorf
Von Rueden Rechtsanwälte ergänzen: Bereits am 14. August 2020 hat das Landgericht Mönchengladbach VW dazu verurteilt, Schadenersatz wegen eines Seat mit illegaler Motorsteuerung zu zahlen, der ebenfalls erst nach September 2015 erworben worden war. Zwar ist Seat eine Tochtergesellschaft des Volkswagenkonzerns, aber es sei nicht naheliegend, dass die gleichen Motorentypen verbaut wurden. Zudem sei einem durchschnittlichen Verbraucher die Motorbezeichnung EA 189 zu Beginn des Abgasskandals unbekannt gewesen. Es ließen sich keine Rückschlüsse auf die Betroffenheit der Marke Seat ziehen, erklärte die Richter in Mönchengladbach. Anders als im vom Bundesgerichtshof am 30. Juli 2020 entschiedenen Fall sei der Käufer arglos gewesen. Weitere Einzelheiten auf der Homepage der Rechtsanwälte.
Landgericht Mönchengladbach, Urteil vom 14.08.2020
Aktenzeichen: 11 O 432/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Von Rueden Rechtsanwälte, Berlin
21.08.2020 VW-Skandal-Klägern stehen mehr Verzugs- und/oder Prozesszinsen zu, als die Instanzgerichte ihnen bisher zugesprochen haben. Das ergibt sich aus der heute veröffentlichten Begründung zu einem der Urteile von 30.07.2020, Nachweis siehe unten. Die Gerichte müssen anhand des jeweiligen Kilometerstands für jeden Tag einzeln ermitteln, wie viel Geld VW zusätzlich zahlen muss. Bisher haben die Gerichte Verzugs- oder Prozesszinsen in der Regel nur auf die Entschädigung bewilligt, die mit dem Kilometerstand ganz am Ende des Verfahrens errechnet worden ist. Es geht im Einzelfall um etliche Tausend Euro. Einzelheiten zu den Verzugs- oder Prozesszinsen und ihrer Berechnung in der Antwort auf die Frage „Wie viele Zinsen muss mit der Hersteller eines Autos mit illegaler Motorsteuerung zahlen, wenn er am Ende verurteilt wird, mich zu entschädigen?“.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.07.2020
Aktenzeichen: VI ZR 397/19
Klägerinvertreter: Hahn Rechtsanwälte, Bremen
19.08.2020 Auch bei Benzin-Motoren mit Direkteinspritzung („TFSI“) trickste der VW-Konzern offenbar illegal. tagesschau.de berichtet: In einem Rechtsstreit wegen eines Audi Q5 von 2015 mit Zwei-Liter-TFSI-Motor, angeblich schadstoffarm nach der Norm Euro 6 fand der vom Gericht bestellte Gutachter heraus: Der Ausstoß an Stickoxid und Kohlenmonoxid steigt, wenn der Fahrer des Wagens am Lenkrad dreht. Experten sehen das als eindeutigen Hinweis auf eine so genannte Prüfstandserkennung. Bei den Prüfstandsversuchen zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes für die Typzulassung wird das Lenkrad nicht bewegt. Sobald das Lenkrad bewegt wird, steht also fest: Der Wagen ist nicht im Prüfstand. Offenbar trimmten die Audi-Ingenieure die Motorsteuerung für diesen Fall auf Leistung und Effizienz und verringerten die Abgasreinigung – genau wie bei den Diesel-Motoren vom Typ EA189, die im Mittelpunkt des Abgasskandals stehen.
Laut tagesschau.de erhärten interne VW-Unterlagen, die Reportern des Südwestrundfunks (SWR) zugespielt wurden, den Verdacht auf illegale Manipulationen auch bei Benzin-Motoren. Weder der VW-Konzern noch Verkehrsministerium und Kraftfahrtbundesamt äußerten sich bisher zu den Unterlagen und den auffälligen Messwerten des Gerichtsgutachters.
Ausführlich bei tagesschau.de: Manipulation auch bei Audi-Benzinern?
13.08.2020 Der Abgasskandal geht in die nächste Runde. Jetzt geht es um die VW-Motoren vom Typ EA288. Sie sind die Nachfolger des Skandalmotors EA189. Das Kraftfahrtbundesamt hat sie bisher nicht zurückgerufen, obwohl sicher ist, dass die Motorsteuerung verschiedene Mechanismen zur Abschaltung oder Verringerung der Abgasreinigung enthält. Rechtsanwalt Andreas Schwering berichtet jetzt: Das Oberlandesgericht Celle hat beschlossen, umfangreich Beweis zu erheben über die Reichweite der vom Kraftfahrtbundesamt erteilten Typgenehmigung. Das Gericht will wissen, welche Mechanismen VW der Behörde gegenüber überhaupt offengelegt hat.
Rechtlicher Hintergrund: Soweit VW illegale Mechanismen zur Verringerung der Stickoxidreduktion im Genehmigungsantrag erneut nicht genannt hat, liegt der Verdacht nahe: Der Konzern hat auch Käufer von Autos mit EA288-Motoren vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt. Wussten dagegen die Beamten in Flensburg Bescheid und haben gleichwohl die Typgenehmigung erteilt, dann muss VW wohl nicht erneut Schadenersatz zahlen.
Das gilt auch dann, wenn sich die Motorsteuerung trotz des Plazet aus Flensburg als illegal erweist. Nach dem strengen Votum von EU-Generalanwältin Sharpston zum Abgasskandal (s. u., 30.04.2020) ist sehr wahrscheinlich: Auch die Motorsteuerungen für Euro 6-Diesel - sowohl von VW als auch allen anderen Herstellern - dürften fast ausnahmslos illegal sein.
Weitere Einzelheiten in dem Original-Bericht von Rechtsanwalt Andreas Schwering.
Oberlandesgericht Celle, (Beweis-)Beschluss vom 14.07.2020
Aktenzeichen: 7 U 532/18
10.08.2020 Schadenersatzansprüche von Teilnehmern der Musterfestellungsklage verjähren womöglich bereits im November oder Dezember. Details in der Antwort auf die Frage: „Wie lange habe ich Zeit für die Schadenersatzforderung?“ auf der Seite zur VW-Klage in test.de/musterklagen
07.08.2020 Rechtsanwälte Stoll & Sauer haben beim Landgericht Freiburg die soweit bekannt erste Schadenersatzklage wegen illegaler Motorsteuerung gegen Fiat Chrysler Automobiles (FCA) erhoben. Es geht um ein „Adria Twin“-Wohnmobil auf Basis eines Fiat Ducato 2.3 Diesel von 2012. Bei ihm schalte die Motorsteuerung die Abgasreinigung immer nach genau 22 Minuten vollständig ab, heißt es in der Klageschrift. Hintergrund: Die Prüfstandversuche zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes dauern rund 20 Minuten und sind nach 22 Minuten in jedem Fall beendet. Der amerikanisch italienische Autokonzern soll Besitzern von betroffenen Autos genau wie VW Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zahlen. Möglich wurde die Klage in Deutschland, nachdem der Europäische Gerichtshof entschieden hatte: Besitzer von ausländischen Skandalautos können vor heimischen Gerichten klagen. Einzelheiten zur Verstrickung von Fiat in den Abgasskandal und zur ersten Klage in Deutschland auf der Homepage der Rechtsanwälte.
31.07.2020 Nach den gestern verkündeten neuen Grundsatzurteilen des Bundesgerichtshofs zum Abgasskandal steht fest: Es hat sich für VW gelohnt, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und so fast fünf Jahre Zeit zu gewinnen. Jeder mit Skandalautos gefahrene Kilometer reduziert den Schadenersatz und sichert dem Unternehmen trotz der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Verbraucher seinen Gewinn.
„Die VW-Strategie ist aufgegangen“, kommentiert die Legal Tribune Online den vorläufigen Abschluss des Abgasskandals dementsprechend.
Professor Michael Heese, Leiter des Projekts Abgasskandal im Fachbereich Jura der Universität Regensburg, übt scharfe Kritik am Bundesgerichtshof. Er hält vor allem die Verweigerung der Verzinsung des Kaufpreises und die Anrechnung des Nutzungsvorteils für falsch.
Immerhin: An Verjährung werden wohl nur wenige Abgasskandalopfer scheitern. Zwar sind die meisten Schadenersatzansprüche inzwischen verjährt. Es bleibt aber nach Auffassung einiger Gerichte und vieler Verbraucheranwälte der so genannte „Restschadensersatzanspruch“ nach § 852 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der erst nach zehn Jahren verjährt und der jedenfalls einem großen Teil der Geschädigten alles bringt, was sie laut Bundesgerichtshof ohne Verjährung zu erhalten haben.
30.07.2020 So hatte es sich bereits abgezeichnet: VW-Skandal-Opfer gehen leer aus, wenn ihr Wagen die insgesamt von ihm zu erwartende Laufleistung bereits absolviert hat. So hat es der Bundesgerichtshof entschieden. Welche Laufleistung von dem jeweiligen Wagen zu erwarten ist, entscheiden die Instanzgerichte. Sie gehen meist von 250 000 Kilometern aus. Vor allem bei größeren Autos setzen sie auch schon mal 300 000 Kilometer an.
Gleichzeitig urteilten die Richter in Karlsruhe: Opfer des VW-Skandals erhalten keine Zinsen auf den Kaufpreis zusätzlich. Es bleibt bei der Erstattung des Kaufpreises abzüglich Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer. Etliche Oberlandesgerichte hatten das anders gesehen und in dieser Frage verbraucherfreundlich geurteilt.
Bundesgerichtshof, Urteile vom 30.07.2020
Aktenzeichen: VI ZR 354/19 und VI ZR 397/19
Ebenfalls nicht mehr überraschend: Auch Skandalauto-Besitzer, die ihren Wagen erst nach Bekanntwerden des Skandals am 22. September 2015 erworben haben, gehen leer aus. Begründung der Bundesrichter: Die Informationen von VW waren zumindest dazu geeignet, Verbraucher Verdacht schöpfen zu lassen. Sie waren deshalb bei Kauf nicht mehr arglos und relativieren sich die Vorwürfe gegen VW soweit, dass dem Unternehmen keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung mehr vorzuwerfen ist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.07.2020
Aktenzeichen: VI ZR 5/20
28.07.2020 Schlechte Nachrichten für viele VW-Skandal-Opfer: Die Richter am Bundesgerichtshof haben bei den beiden Verhandlungen heute übereinstimmenden Berichten zufolge durchblicken lassen, dass aus ihrer Sicht weder VW-Besitzer, die ihren Wagen erst nach September 2015 erworben haben, Anspruch auf Schadenersatz haben, noch VW-Skandalopfer auf die Verzinsung des Kaufpreises hoffen können.
21.07.2020 Rechtsanwalt Claus J. Goldenstein berichtet: Keine Überraschung in Karlsruhe. Der VI. Senat bestätigte in zwei mündlichen Verhandlungen heute seine Rechtsauffassung, dass VW Käufer von Skandalautos vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt hat. Er wird Urteile des Land- und des Oberlandesgerichts Braunschweig aufheben, mit denen die Richter dort Klagen gegen VW abwiesen. Der Bundesgerichtshof bleibt dabei: Der Konzern muss den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung erstatten. Im Gegenzug müssen Käufer den Wagen zurückgeben. Urteile fielen heute noch nicht. Die wird der Bundesgerichtshof erst in den nächsten Wochen verkünden. Weitere Einzelheiten im Bericht des RWS-Verlags.
20.07.2020 Rechtsanwalt Dr. Marcus Hoffmann berichtet: Das Landgericht Kiel glaubt auch, dass VW-Skandalopfern über die normale Verjährung hinaus der so genannten Restschadensersatzanspruch zusteht. VW-Reaktion auf den entsprechenden Hinweis in der mündlichen Verhandlung: Die VW-Anwälte ließen die Einrede der Verjährung fallen. Rechtliche Folge: Die Verjährung ist dem Verfahren kein Thema mehr. test.de vermutet: Sinn und Zweck des Manövers ist es zu verhindern, dass das Landgericht sich in der Urteilsbegründung verbraucherfreundlich zum Restschadenersatzanspruch äußert. Damit erhöht sich für den Autokonzern auch die Chance, dass der Bundesgerichtshof sich nicht so bald verbraucherfreundlich äußert und so Betroffene dazu motiviert, ihre Rechte doch noch geltend zu machen. Denn immer noch haben schätzungsweise deutlich über eine Million Autobesitzer nicht den Schadenersatz gefordert, der ihnen nach den Ansagen des Bundesgerichtshof zusteht.
Landgericht Kiel, Hinweis vom 02.07.2020
Aktenzeichen: 17 O 124/20
Klägervertreter: Rechtsanwalt Dr. Marcus Hoffmann, Nürnberg
09.07.2020 Klare Ansage des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg: Ein Autohersteller, dessen widerrechtlich manipulierte Fahrzeuge in anderen Mitgliedstaaten verkauft werden, kann vor den Gerichten dieser Staaten verklagt werden. Der jeweilige Schaden verwirkliche sich in dem Mitgliedstaat, in dem der Wagen mit der illegalen Motorsteuerung erworben wird, argumentierte das Gericht. Der österreichische Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagt vor dem Landesgericht Klagenfurt gegen VW. Der Konzern soll 3 611 806 Euro an 574 österreichische Opfer des VW-Skandals zahlen, durch schnittlich also knapp 6 300 Euro pro Fall. VW war der Meinung: Verbraucher müssen nach den EU-Regeln über den allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland klagen. Für Ersatzansprüche wegen unerlaubter Handlungen gelte nach EU-Recht ein besonderer Gerichtsstand, urteilte jetzt allerdings der EuGH. Solche Forderungen können auch dort geltend gemacht werden, wo der Schaden eingetreten ist, urteilte jetzt der EuGH. Mehr noch: Ein Autohersteller, der illegal manipulierte Autos in andere Mitgliedstaaten liefere, dürfe vernünftigerweise erwarten, dass er vor den dortigen Gerichten verklagt werde, schrieben die EU-Richter dem VW-Konzern ins Stammbuch. Er hat im vergangenen Jahr in Deutschland 1 364 000, in Europa 4 552 800 und weltweit 10 974 600 Autos ausgeliefert. Ausführlich: Die Pressemitteilung des Gerichts zum Urteil.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 09.07.2020
Aktenzeichen: C-343/19
01.07.2020 Erste Erfahrungen mit Schadenersatzforderungen mit den test.de-Mustertexten: VW reagiert freundlich, aber unbestimmt, berichtet uns eine Leserin. Bei ihr habe das Unternehmen darauf verwiesen, dass die Forderung verjährt sein dürfte. Sie hatte ihre Schadenersatzforderung nicht zur Musterfeststellungsklage angemeldet. Nachdem Gerichte und Rechtswissenschaftler trotz Verjährung noch einen so genannten Restschadenersatzanspruch sehen (Details unter 22.06.2020) empfiehlt test.de in solchen Fällen, auf Schadenersatzforderungen zu bestehen und erneut an VW zu schreiben. Möglicherweise entscheidet der Bundesgerichtshof bereits in einem der VW-Skandal-Fälle, die am 21. und 28. Juli zur Verhandlung anstehen, über die Verjährung.
22.06.2020 Verbraucheranwälte, Rechtswissenschaftler und jedenfalls einzelne Gerichte sind der Meinung: VW ist auch bei Klageerhebung nach Ablauf der Verjährungsfrist zum Schadenersatz zu verurteilen. Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer berichten: Das Amtsgericht Marburg hält die Regelung über den so genannten Restschadensersatz in § 852 des Bürgerlichen Gesetzbuches für anwendbar. Danach haften Schädiger auch über die Verjährung hinaus, soweit sie durch ihre Tat etwas erlangt haben.
Die Berliner Zivilrechtsprofessorin Susanne Augenhofer meint in der Zeitschrift Verbraucher und Recht: Das erfasst auch indirekt erworbenes Geld und damit die Beträge, die Händler für Skandalautos an VW gezahlt haben. Wenn sich die Rechtsauffassung durchsetzt, dann können Skandalautobesitzer Schadenersatzforderungen gegen VW durchsetzen, auch wenn sie noch nichts unternommen haben, um die Verjährung zu stoppen. Begrenzt ist der Restschadensersatzanspruch durch das Geld, das VW beim Verkauf des Wagens tatsächlich vom Händler erhalten hat. Das dürfte aber in den allermeisten Fällen ausreichen, um die Kaufpreiserstattung abzüglich Nutzungsersatz abzudecken.
Weitere Einzelheiten und rechtliche Hintergründe auf der Homepage der Rechtsanwälte. test.de vermutet: Prozessfinanzierer werden zügig Angebote entwickeln, wie VW-Skandalopfer ihre Forderungen trotz Verjährung noch bequem und ohne Prozesskostenrisiko durchsetzen können.
Amtsgericht Marburg, (Hinweis-)Beschluss vom 16.06.2020
Aktenzeichen: 9 C 891/19
Klägervertreter: Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer, Lahr
19.06.2020 Der Streit um die ursprünglichen Skandalautos mit EA189-Motoren von VW neigt sich nach dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs dem Ende zu. Vor den Gerichten geht es jetzt auch um später zugelassene Autos mit anderen Motoren. Soweit test.de bekannt hat jetzt erstmals ein Oberlandesgericht Audi wegen eines Wagens mit EA897evo-6 Zylinder-V-Motors mit 3.0 Litern Hubraum und Euro 6 zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Mehr zum Fall auf der Homepage der Rechtsanwälte.
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 05.06.2020
Aktenzeichen: 8 U 1803/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Hahn Rechtsanwälte, Bremen/Hamburg/Stuttgart
16.06.2020 Daimler muss weitere 170 000 Autos, 60 000 davon in Deutschland mit einer neuen Motorsteuerung ausrüsten. Das berichtet die Zeit. Es geht um von Dieselmotoren angetriebene Autos der A-, B-, C-, E- und S-Klasse, die nach der Norm Euro 5 als schadstoffarm gelten. Die Motorsteuerung funktioniert wie bei GLK-Modellen, die das Kraftfahrtbundesamt bereits im März beanstandet hatte (siehe Eintrag vom 24.06.2019). Daimler hält den Zwangsrückruf weiter für rechtswidrig und will sich juristisch wehren, aber die Autos gleichwohl mit einer neuen Motorsteuerung ausrüsten.
16.06.2020 Auch an das Land Rheinland-Pfalz muss VW Schadenersatz zahlen. Das Landgericht Mainz verurteilte VW in zunächst drei Fällen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Eine weitere Klage wegen eines zunächst geleasten und erst später endgültig erworbenen Wagens wies das Gericht ab. Das Land hatte wegen insgesamt 121 Autos Klage erhoben (siehe Eintrag vom 24.01.2019). Die Einzelfälle jetzt hatte das Gericht vom Verfahren insgesamt abgetrennt, um die wichtigsten Rechtsfragen exemplarisch zu klären. Wie viel Geld VW an das Land zahlen soll, ist – noch jedenfalls – nicht bekannt.
Landgericht Mainz, Urteile vom 24.04.2020
Aktenzeichen: 2 O 22/19, 2 O 24/19 und 2 O 25/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Hahn Rechtsanwälte, Bremen
Einige weitere Einzelheiten im Bericht der Kanzlei.
08.06.2020 Das Landgericht Bonn hat geurteilt: VW muss genau 469 120,79 Euro Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung an die Stadt Bonn zahlen. Im Gegenzug muss die Stadt 27 Skandal-Autos an den VW-Konzern zurückgeben. Sie erhält allerdings zusätzlich vier Prozent Zinsen auf die Beträge jeweils ab Bezahlung der Autos vor fünf bis sieben Jahren, so dass VW deutlich über 100 000 Euro zusätzlich zahlen muss, wenn der Bundesgerichtshof im Juli die Pflicht zur Verzinsung des Kaufpreises bestätigt und das Urteil aus Bonn rechtskräftig wird. Die Kosten für die Umrüstung der Autos für die Zwecke der Stadt muss VW allerdings nicht bezahlen. Die wären auch entstanden, wenn die Stadt Autos mit legaler Motorsteuerung erhalten hätte, argumentierte das Gericht.
Das Handelsblatt schreibt dazu: „Bundesländer ließen im Dieselskandal Millionen liegen“. Die allermeisten der 20 größten Kommunen und aller 16 Länder hätten darauf verzichtet, Schadenersatzansprüche gegen VW durchzusetzen. Knapp 70 Millionen Euro hätte VW nach Schätzungen des Handelsblatts für die rund 4 000 Skandal-Dienstwagen aus dem VW-Konzern zahlen müssen.
Rechtlich ist das heikel für die verantwortlichen Justiziare und Minister. Laut Haushaltsrecht dürfen sie nicht einfach auf Einnahmen verzichten. Allerdings: Zumindest einzelne Kommunen und Länder klagten gegen VW, ohne das bekannt zu machen. Einzelne Rechtsanwälte berichteten test.de, dass ihre Mandanten sie angewiesen haben, nichts über die Fälle verlauten zu lassen.
Landgericht Bonn, Urteil vom 20.05.2020
Aktenzeichen: 1 O 481/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
03.06.2020 Der Bundesgerichtshof befasst sich weiter mit dem Abgasskandal. Er kündigt an: Am Dienstag, 27. Oktober, verhandelt der fürs Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Senat über eine Klage auf Schadenersatz gegen die Daimler AG. Der Käufer eines angeblich nach der Norm Euro 5 schadstoffarmen Mercedes C 220 CDI von 2011 sieht sich vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt, weil die Abgasreinigung nur bei einer Lufttemperatur von mehr als sieben Grad Celsius funktioniert.
Das Landgericht Mainz und das Oberlandesgericht Koblenz hatten seine Klage abgewiesen. Es könne nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass den Verantwortlichen bei Daimler bewusst war, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Gesetzeslage sei hinsichtlich der Zulässigkeit von so genannten „Thermofenstern“ – anders als hinsichtlich der Prüfstandserkennung im VW-Motor EA189 – nicht eindeutig.
03.06.2020 Der Bundesgerichtshof teilt mit: Er verhandelt am Dienstag, 28. Juli, über eine weitere VW-Skandal-Schadenersatzklage. Es geht um einen erst im August 2016 fast ein Jahr nach Bekanntwerden des Skandals gekauften Wagen. Die Bundesrichter werden klären, ob VW die Öffentlichkeit und potenzielle Käufer von Skandal-Autos von September 2015 an ausreichend genau informiert hat, so dass der spätere Erwerb nicht mehr als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung erscheint.
02.06.2020 Inzwischen liegt auch die Urteilsbegründung zum Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs zu Schadenersatzansprüchen von Skandalautobesitzern vor. Die Richter kommen darin auch zum Ergebnis: Die Skandalautos entsprachen nicht der Typgenehmigung. Sie hätten niemals zugelassen werden dürfen. Kritik an den Verwaltungsgerichtsentscheidungen, wonach die Zulassung der Skandalautos trotz der Abweichung von der Typgenehmigung jeweils wirksam blieb, üben die Zivilrichter allerdings nicht.
25.05.2020 Mit seinem Grundsatzurteil heute hat der fürs Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Senat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe die vorherrschende Linie der Land- und Oberlandesgerichte bestätigt und endgültig Klarheit geschaffen: VW muss Käufern von Skandalautos Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zahlen. VW hat den Kaufpreis zu erstatten, darf aber eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer abziehen.
Senatsvorsitzender Stephan Seiters formulierte in der kurzen mündlichen Begründung fürs Urteil sehr deutlich: VW habe das Kraftfahrtbundesamt bei der Typzulassung der Autos mit EA 189-Motoren arglistig getäuscht, um sich den Aufwand für korrekte Abgasreinigung zu sparen und seine Autos kostengünstiger und damit gewinnbringender verkaufen zu können. Es habe sich um eine strategische Entscheidung gehandelt und der Konzern sie über Jahre planmäßig verfolgt.
Ebenso deutlich sagte er allerdings: Die volle Erstattung des Kaufpreises ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung würde VW-Skandalopfern einen unverdienten und unangemessenen Vorteil bringen und so zu einer Art Strafschadensersatz führen, wie er im deutschen Recht – anders als in den USA – eben nicht vorgesehen sei.
In einem Punkt halten die Rechtsexperten der Stiftung Warentest die Ansagen des Bundesgerichtshofs für zweifelhaft: Einen Anspruch auf Schadenersatz wegen der Verletzung der EU-Regeln über die Typzulassung stehe Skandalautobesitzern nicht zu, hatte Seiters erklärt. Diese Regeln sollen der Allgemeinheit dienen und nicht einzelnen Autofahrern Rechte geben. Dies halte der Senat eindeutig. Es sei nicht erforderlich, beim Europäischen Gerichtshof in Brüssel nachzufragen. Dabei hat der Europäische Gerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen bereits mehrfach verbraucherfreundlich entschieden und waren sogar einzelne deutsche Gerichte zum Ergebnis gekommen: Die EU-Regeln über die Typzulassung von Kraftfahrzeugen sollen auch Verbraucher schützen.
Noch zu berücksichtigen: Für die Mehrzahl der VW-Skandalopfer kommt das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs fast sechs Monate zu spät. Die meisten Schadenersatzansprüche sind am 31. Dezember 2019 verjährt. Immerhin: Wegen der Einführung der Musterfeststellungsklage, des Einsatzes des Verbraucherzentrale Bundesverbands, zahlreicher Verbraucheranwälte und Prozessfinanzierer wie Myright.de dürften nach unserer Schätzung rund 500 000 der rund 2,5 Millionen Skandalautobesitzer eine Entschädigung erhalten. Das ist gemessen an der geschätzt einstelligen Quote der Erstattung von Banken, Sparkassen und Versicherungen rechtswidrig kassierter Leistungen ziemlich viel. Gleichwohl: Rund zwei Millionen Autobesitzer werden leer ausgehen. Und vom eigentlichen Skandal, nämlich den durch das illegal ausgestoßene Stickoxid verursachten Gesundheits- und Umweltschäden, war noch gar nicht die Rede.
Die ausführliche schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Allerdings hat der Bundesgerichtshof eine Pressererklärung zur Urteilsverkündung veröffentlicht und erklärt darin die zentralen Gründe für das Urteil.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.05.2020
Aktenzeichen: VI ZR 252/19
Klägervertreter: Rechtsanwälte Goldenstein & Partner finanziert von: Myright.de
19.05.2020 Niederlage für die Bundesregierung und VW vor dem Oberverwaltungsgericht in Schleswig: Das Gericht wies den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen die Verurteilung zur Herausgabe von Behördeninformationen zur Freigabe der neuen Motorsteuerung für die VW-Skandal-Autos (s. u. 10.05.2019 und 22.08.2019) zurück. Die Verurteilung durch das Verwaltungsgericht Schleswig ist damit rechtskräftig. Geklagt hatte Hans Koberstein aus der Redaktion Frontal 21. test.de vermutet. Das ZDF wird demnächst ausführlich berichten. Koberstein vermutet: Die Akten des Kraftfahrtbundesamts werden belegen, dass auch die neue Motorsteuerung illegale Abschalteinrichtungen enthält.
Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27.04.2020
Aktenzeichen: 4 LA 251/19
07.05.2020 Rechtsanwälte Dr. Marcus Hoffmann und Mirko Göpfert berichten in einer Pressemitteilung ausführlich über die Äußerungen des Bundesgerichtshofs zum VW-Skandal und wie die aus ihrer Sicht zu verstehen sind. Die beiden vertreten zahlreiche Skandalautobesitzer und hatten die Verhandlung persönlich beobachtet.
05.05.2020 17.44 Uhr Die Süddeutsche Zeitung schreibt: „Ein verheerender Verhandlungstag für VW“.
05.05.2020 17.33 Uhr Auch Michael Heese, Jura-Professor und Leiter des Projekts Dieselskandal an der Uni Regensburg, meint: Am Bundesgerichtshof ist die Entscheidung über Schadenersatzansprüche im Abgasskandal der Sache nach bereits gefallen. Die Bundesrichter werden VW zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilen, schreibt Heese auf der Website des Projekts. Weiter schreibt er: „Dagegen findet der VI. Zivilsenat offenbar nicht den Mut zur Rechtsfortbildung, soweit es um die Frage des Nutzungsersatzes geht. Damit ist eine historische Chance verpasst, die Gestaltungskraft des Privatrechts gegen vorsätzlich schädigendes Verhalten effektiv zur Geltung zu bringen“, kommentierte er. Er hatte stets argumentiert: Es könne nicht richtig sein, dass VW mit dem Recht auf Nutzungsentschädigung vor allem bei Autos, die schon einen Großteil ihrer Lebenserwartung hinter sich haben, trotz der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung einen Großteil seines mit dem Wagen erwirtschafteten Gewinns behalten dürfe.
05.05.2020 17.04 Uhr Der Bundesgerichtshof gab soeben bekannt: Er wird das Urteil im heute verhandelten Fall am Montag, 25. Mai, um 11 Uhr verkünden. Die Verhandlung heute ist trotz der recht klaren Ansagen der Richter kaum Thema in den Nachrichten. Die ARD etwa hatte ihren Rechtsexperten Frank Bräutigam, der wiederholt auch schon über den VW-Skandal berichtet hatte, zum Bundesverfassungsgericht geschickt, um über dessen spektakuläre Entscheidung zum Europäischen Gerichtshof zu berichten. Da war keine Zeit mehr für den VW-Skandal. Noch einige weitere Reaktionen: Rechtsanwalt Ralph Sauer und Myright-Geschäftsführer Jan-Eike Andresen begrüßten die verbraucherfreundlichen Ansagen des Bundesgerichtshofs. „Dieselgate 2.0 geht jetzt richtig los“, sagte Sauer. Andresen sagte der Neuen Presse: „Das sind Super-Vorzeichen für Verbraucher“.
05.05.2020 12.15 Uhr Auch Rechtsanwalt Claus Goldenstein berichtet: „Der BGH hat sich heute im Zusammenhang mit dem VW-Dieselskandal in aller Ausführlichkeit verbraucherfreundlich positioniert und scheint unserer Argumentation weitestgehend zu folgen.” Goldenstein vertritt den Kläger. Finanziert hatte die Klage Myright.de, die auch eine Art Sammelklage gegen VW initiiert haben und für fast 50 000 Skandalautobesitzer mit VW um Schadenersatz streiten. Im Schnelltest hatte test.de das Angebot als geeignet beurteilt.
05.05.2020 12.05 Uhr Peter Kolba, Obmann des österreichischen Verbraucherschutzvereins mit Vermittlung von Prozessfinanzierung für VW-Skandal-Klagen in Österreich, ist in Karlsruhe vor Ort. Er ist bereits sicher: Der Bundesgerichtshof (BGH) wird VW zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung von Käufern der Skandalautos verurteilen. Allerdings müssen sie sich eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Von welcher Gesamtlaufleistung Gerichte bei der Berechnung ausgehen, sei Tatfrage und nicht vom BGH als Revisionsgericht zu prüfen, äußerten sie laut Kolba in der mündlichen Verhandlung. Kolba kommentiert: „Damit steht endlich nach Jahren fest, dass VW haftet und wie man den Schadenersatz zu berechnen hat. Damit ist der Weg frei, in Individualklagen mit Erfolg gegen VW vorzugehen.“
05.05.2020 11.35 Uhr Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet: Zum Auftakt der Verhandlung um Schadenersatzansprüche von Abgasskandalopfern vor dem Bundesgerichtshof wies Richter Stephan Seiters zentrale Argumente der VW-Anwälte zurück.
04.05.2020 Showdown vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe morgen: Der fürs Schadenersatzrecht zuständige VI. Senat verhandelt über die Klage eines Skandalautobesitzers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Zur Entscheidung stehen zwei zentrale Fragen an: Hat VW Schadenersatz zu zahlen? Falls ja: Muss es sich der Autobesitzer gefallen lassen, dass davon eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer abzogen wird?
Die Richter haben schon erkennen lassen: Sie werden wohl nicht schon morgen ihr Urteil verkünden. Das deutet darauf hin, dass sie auch innerhalb des Senats noch Diskussionsbedarf sehen. Die Juristen bei test.de halten für sicher, dass der BGH VW zu Schadenersatz verurteilen wird (Hintergrund s. u. unter 30.04.2020). Sie vermuten: Ob und in welchem Umfang Autobesitzer für die Nutzung der Skandalautos zahlen müssen, ist noch offen. Die Frage ist kompliziert. Anerkannt ist einerseits: Geschädigte sollen nicht mehr bekommen, als sie durch die Schädigung an Einbuße zu verzeichnen haben. Zu berücksichtigen ist andererseits: Bei Autos, die bereits viele Kilometer gefahren sind, muss VW unter dem Strich trotz der vorsätzlichen Lieferung von Autos mit illegal hohem Ausstoß giftiger Stickoxide je nach Laufleistung wenig bis gar nichts zahlen.
VW selbst ist sogar der Meinung: Der Bundesgerichtshof könnte die Klage vollständig abweisen. Der Kläger habe keinen Schaden erlitten, weil er den Wagen ohne Einschränkungen und genau so schnell und sparsam wie versprochen habe benutzen können.
04.05.2020 Verbraucheranwälte jubeln nach dem Votum von Eleanor Sharpston, Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH, s. u. unter 30.04.2020): VW und die übrigen Autohersteller werden noch viel mehr Autobesitzer entschädigen müssen, als bisher vermutet, glauben sie.
Für ziemlich sicher halten die Rechtsexperten bei test.de: Gemessen an den Maßstäben der Generalanwältin dürften allerdings noch viel mehr Motorsteuerungen als bisher von den für die Typzulassung zuständigen Behörden als illegal zu beurteilen sein. Wahrscheinlich enthält danach auch die von VW neu entwickelte und vom Kraftfahrtbundesamt in Flensburg gebilligte neue Motorsteuerung für die Skandalautos illegale Abschaltmechanismen und bedarf der erneuten Überarbeitung, sofern nicht sogar eine Hardwarenachrüstung nötig ist, um die Motoren legal zu machen. So vertritt es die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und hat vor dem Verwaltungsgericht Schleswig gegen das Kraftfahrtbundesamt geklagt. Dieser Fall liegt ebenfalls beim EuGH in Luxemburg.
test.de hat bereits am Donnerstag beim Kraftfahrtbundesamt und beim Bundesverkehrsministerium nachgefragt, ob erneut mit der Änderung von Typgenehmigungen und Rückrufaktionen zu rechnen ist. Bisher hat keine der Behörden geantwortet; vermutlich werden die Beamten abwarten wollen, ob der Europäische Gerichtshof tatsächlich wie von der Generalanwältin vorgeschlagen urteilt.
Allerdings zu beachten: Autobesitzer erhalten nicht automatisch Schadenersatz, wenn sich herausstellt, dass die Motorsteuerung in ihrem Wagen illegal ist. Voraussetzung ist zusätzlich, dass der Hersteller sie vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt hat. Wo die Beamten im Kraftfahrtbundesamt die Motorsteuerung – anders als bei den Skandalautos allerdings in Kenntnis aller wesentlichen Umstände – als legal beurteilt haben, lässt sich den Autoherstellern ein solcher Vorwurf kaum machen.
30.04.2020 Mit Spannung erwartet: Eleanor Sharpston, Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH), hat heute ihren Antrag zum zentralen Verfahren zum Abgasskandal verlesen. Wie von den meisten Juristen erwartet: Sie hält die Abschaltung der Abgasrückführung unter anderem bei den VW-Turbodieselmotoren vom Typ EA189 für illegal. Direkte Folge der Entscheidung: Die französische Justiz hat freie Bahn für die Fortsetzung des Strafverfahrens gegen VW und drei weitere Autohersteller.
Die Verteidiger der Autoindustrie hatten vor dem Juge d’instruction du tribunal de grande instance de Paris – stark vereinfacht ausgedrückt – argumentiert: Die Abgasrückführung sei schon kein „Emissionskontrollsystem“ im Sinne der EU-Richtlinie über den höchstzulässigen Schadstoffausstoß von Kraftfahrzeugen. Im übrigen werde die Abgasrückführung unter den für sie vorgesehenen Bedingungen auch gar nicht abgeschaltet, sondern sie sei stets aktiv.
Der Ermittlungsrichter in Paris fragte deshalb beim EuGH in Luxemburg nach, ob Motorsteuerungen wie im VW-Diesel EA189 eine verbotene Abschalteinrichtung im Sinne der EU-Regeln darstellen. Klare Antwort von Eleanor Sharpston: Die Reduktion der Abgasreinigung unter Bedingungen jenseits der für die Prüfstandversuche zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes für die Typzulassung sei eine illegale Abschalteinrichtung. Genauer noch: Eine Vorrichtung, die Prüfstandbedingungen ermittelt, um einen beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren oder zu verstärken, sei als illegal zu bewerten. Solche Mechanismen dürften nur unter engen Voraussetzungen zum Schutz vor Unfällen oder Motorschäden genehmigt werden. Das Ziel, den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verzögern, rechtfertigen nach Ansicht der Generalanwältin nicht den Einsatz einer Abschalteinrichtung.
Der Antrag von Eleanor Sharpston bindet den EuGH nicht. In der Regel entscheidet der EuGH allerdings so, wie seine Generalanwälte es empfehlen. Wann das endgültige Urteil fällt, ist noch nicht klar. Zumindest einige Wochen werden in jedem Fall noch vergehen.
Deutsche Juristen überrascht die Entscheidung der Generalanwältin nicht. Sie sind ohnehin fast geschlossen davon ausgegangen: Die fast vollständige Abschaltung der Abgasreinigung ist illegal.
Über die Rechtsfolgen der illegalen Motorsteuerung in Frankreich, Deutschland und den übrigen EU-Mitgliedsländern sagt der Schlussantrag von Eleanor Sharpston direkt nichts aus. In Deutschland gehen die Verwaltungsgerichte davon aus: Die Typzulassung der Skandalautos blieb trotz der illegalen Abschaltung der Abgasreinigung wirksam. Erst die Änderung der Typzulassung durch das Kraftfahrtbundesamt nach Bekanntwerden des Abgasskandals machte die Autos illegal, so lange nicht die neu entwickelte und von der Behörde genehmigte Motorsteuerung installiert war. Die Zivilgericht gehen demgegenüber überwiegend davon aus, dass Käufer eines Skandalautos wegen der illegalen Motorsteuerung von Anfang an damit rechnen mussten, dass ihren Wagen die Zulassung entzogen wird.
Auch Eleanor Sharpston neigt wohl eher zu der Ansicht: Die Typzulassung war unwirksam. Jedenfalls ist sie der Meinung: Eine Abschaltung oder Verringerung der Abgasreinigung zum Schutz vor Unfällen oder Motorschäden bedarf der ausdrücklichen Genehmigung. Die Hersteller hatten jedoch die unterschiedliche Arbeitsweise der Abgasreinigung je nach Bedingungen nicht offengelegt. Die Typgenehmigung dürfte sich also nach Ansicht der Generalanwältin wohl nur auf die Motorsteuerung im Prüfstandmodus bezogen haben. Folge nach deutschem Recht wäre: Die nicht offengelegte Arbeitsweise der Abgasreinigung unter vom Prüfstand abweichenden Bedingungen erscheint als Veränderung des Fahrzeugs gegenüber der Typgenehmigung, die zum sofortigen Erlöschen der Zulassung führt.
EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston, Schlussantrag vom 30.04.2020
Aktenzeichen: C-693/18
20.04.2020 Was test.de für unwahrscheinlich gehalten hatte: VW verschickt bereits seit gestern E-Mail-Vergleichsbestätigungen. Bis heute soll der Versand von rund 200 000 Mails abgeschlossen sein. Übrig sind nach Darstellung des Konzerns 21 000 Fälle, in denen die Prüfung noch nicht abgeschlossen ist. Weitere Einzelheiten in derVW-Pressemitteilung zum Thema.
Folge des Versands schon heute: Die Widerrufsfrist läuft bereits am Montag, 4. Mai, ab. Vergleichspartner können nicht mehr reagieren, wenn der Bundesgerichtshof am Dienstag, 5. Mai, verbraucherfreundlich urteilt.
Voraussetzung allerdings: VW hat die vergleichswilligen Abgasskandalopfer korrekt über das Widerrufsrecht informiert. Sollte sich die Information als fehlerhaft oder unzureichend erweisen, dann beginnt die Widerrufsfrist nicht und können Verbraucher den Vergleich weiterhin widerrufen. test.de wird bei den wichtigen VW-Kanzleien nachfragen, wie die Anwälte dort die Rechtslage einschätzen.
17.04.2020 Das Handelsblatt berichtet: Auch Daimler bietet Abgaskandal-Klägern jetzt Vergleiche an. Für einzelne Fälle bestätigte der Autobauer das. Zu Gründen wollte er sich dem Handelsblatt gegenüber nicht äußern. Das Unternehmen halte die Mercedes-Motorsteuerungen nach wie vor für legal und Schadenersatzforderungen für unbegründet.
17.04.2020 Prof. Heese und sein Team beim Projekt Dieselskandal der Uni Regensburg weisen darauf hin: Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) und das Umweltbundesamt (UBA) bewerten die von VW neu entwickelte Motorsteuerung komplett unterschiedlich. Das KBA sieht nach seinen Untersuchungen eine entscheidende Verringerung des Stickoxid-Ausstoß gegenüber der ursprünglichen illegalen Motorsteuerung. Das UBA betonte demgegenüber, dass die nach der Norm Euro 5 schadstoffarmen VW-Dieselmotoren auch mit der neuen Motorsteuerung im Straßenverkehr durchschnittlich mehr als dreimal so viel der giftigen Gase ausstoßen, als bei den Prüfstandversuchen bei Typzulassung der Fahrzeuge zulässig war. Hinzu komme noch: Der Kohlendioxidausstoß und damit der Kraftstoffverbrauch steige durch die neuen Motorsteuerung.
09.04.2020 Zum Urteil des High Court of Justice in London liegt inzwischen auch die vollständige Begründung vor. Sie ist 97 Seiten lang und setzt sich mit jedem einzelnen Argument der VW-Anwälte auseinander.
07.04.2020 Der High Court of Justice in London hat festgestellt: VW muss gut 90 000 Besitzern von Skandalautos in England und Wales Schadenersatz zahlen. Die Richter hielten es für erwiesen, dass VW in Großbritannien Autos mit illegaler Motorsteuerung und weit überhöhtem Schadstoffausstoß verkaufte. Wie hoch die Entschädigung der Betroffenen jeweils zu sein hat, steht noch nicht fest. Das klärt die britische Justiz in einem separaten Verfahren. VW prüft, ob das Unternehmen Berufung einlegt. Weitere Einzelheiten im Bericht der Legal Tribune Online.
31.03.2020 Prof. Dr. Michael Heese, Initiator und Leiter des Abgasskandal-Projekts an der Uni Regensburg ist anders als die Juristen bei test.de der Meinung: Die gestern vom Bundesgerichtshof veröffentlichen Verhandlungstermine (s. u., 30.03.2020) lassen noch keinen Rückschluss darüber zu, wie die Richter dort die Rechtslage sehen. Die Fälle müssten ja so oder so abgearbeitet werden, argumentiert er. Revisionsverfahren enden aber oft durch eine Rücknahme, ein Anerkenntnis oder eine Einigung der Parteien, nachdem der Bundesgerichtshof in einem anderen Fall ein Grundsatzurteil gefällt hat und klar ist, wie er den aktuell noch anhängigen Fall beurteilen wird. Das ist schon aus Kostengründen naheliegend. Die Fortsetzung des Revisionsverfahrens trotz inzwischen klarer Ansagen führt bei einem Streitwert von wie in Abgasskandalfällen häufig 25 000 Euro zu zusätzlichen Kosten von 3 555 Euro. Rechtsschutzversicherer bestehen in solchen Fällen darauf, das Verfahren sofort zu beenden und die Kosten zu vermeiden. Die arbeitsaufwendige Vorbereitung eines Verhandlungstermins ersparen sich Richter gern, wenn dieser Termin mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr stattfinden wird. Die Juristen bei test.de glauben deshalb weiterhin: Der Bundesgerichtshof wird die Schadenersatzklage, über die am 5. Mai verhandelt wird (s. u. unter 19.12.2019 und 09.03.2020), nicht abweisen.
Grundsätzlich ist Prof. Heese selbst auch sehr optimistisch: VW sei vor Gericht letztlich chancenlos und werde Schadenersatz zahlen müssen, sagte er bereits im November dem Norddeutschen Rundfunk.
30.03.2020 Der Bundesgerichtshof (BGH) will VW offenbar dazu verurteilen, Abgasskandalopfer zu entschädigen. Das halten die Rechtsexperten bei test.de für an sicher grenzend wahrscheinlich. Die für Schadenersatzklagen zuständigen Richter des VI. Senats in Karlsruhe haben nämlich in drei weiteren Abgasskandalfällen Verhandlungstermine anberaumt. Das hat nur Sinn, wenn sie vorläufig der Meinung sind: VW schuldet Schadenersatz. Sonst wäre es nämlich bei der bereits vor Monaten angekündigten Verhandlung am Dienstag, 5. Mai, geblieben (s. u. unter 19.12.2019 und unter 09.03.2020). Hier Einzelheiten zu den zusätzlichen Terminen:
Um zwei bei den Gerichten in Braunschweig gescheiterte Schadenersatzklagen gegen VW geht es am Dienstag, 21. Juli. Der 7. Senat dort hatte die Klagen der Skandalautobesitzer abgewiesen, weil nicht klar ist, er ob Organe der VW AG – also Vorstandsmitglieder – verantwortlich sind, und weil er keinen Betrug von VW-Verantwortlichen zu erkennen vermochte. Besonderheit noch: Der Besitzer einer der beiden Wagen hatte sich geweigert, die neu von VW entwickelte Motorsteuerung installieren zu lassen. Sein Wagen ist seit 2018 stillgelegt. Weitere Einzelheiten in der Ankündigung der Termine.
Am Dienstag, 28. Juli, will der fürs Schadenersatzrecht zuständige VI. Senat klären, ob und wie viel Schadenersatz einer Frau aus dem Raum Oldenburg zusteht. Sie hatte im August 2014 einen gebrauchten Golf VI 1.6 TDI. Er bekam im Jahr 2017 die neue, angeblich legale Motorsteuerung. Das Oberlandesgericht Oldenburg verurteilte VW zur Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung. Die berechnete es mit einer Gesamtfahrleistung von nur 200 000 Kilometern. Die meistern anderen Gerichte rechnen mit 250 000 Kilometern. Danach darf VW nur eine geringere Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer vom Kaufpreis abziehen. Verbraucherfreundlich allerdings: Laut Oberlandesgericht Oldenburg hat VW der Frau zum Stichtag heute rund 3 600 Euro Zinsen auf den Kaufpreis zu zahlen. Weitere Einzelheiten in der Ankündigung des Termins.
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 02.10.2019
Aktenzeichen: 5 U 47/19
Klägervertreter: Hahn Rechtsanwälte, Bremen/Hamburg/Stuttgart
Klar: Ob die Termine wirklich stattfinden, bleibt abzuwarten. Die Verhandlung Anfang Mai könnte noch an der Corona-Krise scheitern. Und: Möglicherweise bietet VW den jeweiligen Klägern so viel Geld, dass die sich dazu bereit erklären, die Verfahren jeweils ohne Urteil zu beenden. Hintergrund: VW will mit möglichst vielen von rund 260 000 Teilnehmern der Musterfeststellungsklage zum Abgasskandal Vergleiche abschließen, wonach diese zwischen 1 350 und 6 257 Euro erhalten sollen. Die haben jedoch 14 Tage Zeit, ihren Vergleich zu widerrufen. Diese 14 Tage werden jedenfalls in einem Teil der Fälle noch nicht abgelaufen sein, wenn der BGH am 5. Mai verhandelt. Urteilt der BGH an dem Tag verbraucherfreundlich, werden von diesem Recht wohl viele Gebrauch machen, um mehr Schadenersatz zu fordern, als VW ihnen jetzt von sich aus anbietet.
24.03.2020 Nach Vorstellung der von Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälten vermittelten Prozessfinanzierung gestern (s. u., 23.03.2020) zog heute die Profin Prozessfinanzierungs GmbH alias Lawbutler nach. Geschäftsführer Christoph Rother erklärte in einer Online-Pressekonferenz die Einzelheiten. Danach funktioniert Profin ziemlich genau so wie das Stoll & Sauer-Angebot. Allerdings liegt die Provision bei mindestens 20 statt 17 Prozent, ist bei einer 20 000 Euro-Klage also 600 Euro teurer. Wer bis zu 5 000 Euro schon bei Klageerhebung kassieren will, muss am Ende sogar 30 Prozent der Schadenersatzzahlung von VW ans Unternehmen abtreten, bei besagter 20 000 Euro-Klage also insgesamt 6 000 Euro.
test.de empfiehlt: Niemand sollte jetzt kurz vor Verkündung der Grundsatzurteile zum VW-Skandal durch den Bundesgerichtshof und den Europäischen Gerichtshof einen Prozessfinanzierer einschalten oder sonst rechtliche Schritte gegen VW einleiten, sondern unbedingt abwarten. Teilnehmer der Musterfeststellungsklage sollten zunächst nur entscheiden, ob sie den von VW angebotenen Vergleich annehmen. Kriterien dafür und weitere Einzelheiten finden Sie im test.de-Special Musterfeststellungsklage: Dieselskandal und andere Verfahren – alle Infos. test.de erwartet: Die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen wird nach Verkündung der Grundsatzurteile leichter und auch preiswerter.
23.03.2020 Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälte berichten: Sie können Teilnehmern der VW-Musterfeststellungsklage unter bestimmten Voraussetzungen eine Prozesskostenfinanzierung vermitteln, um mehr Schadenersatz durchzusetzen, als VW bei Annahme des Vergleichsangebots zahlen würde. Hat die Klage auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung Erfolg, zahlen Stoll & Sauer-Mandanten dem Finanzierer eine Provision in Höhe von 17 Prozent dessen, was VW an sie zahlt. Der Wert des Wagens, den der Kläger am Ende an VW zurückzugeben hat, wird dabei nicht berücksichtigt. Mit anderen Worten: Die Erstattung des Kaufpreises abzüglich der Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer und der 17 Prozent Provision für den Prozesskostenfinanzierer sowie abzüglich des mutmaßlichen Erlöses bei Weiterverkauf des Wagens muss höher sein als der Betrag, den VW aktuell ohne Rückgabe des Wagens anbietet. Die Kanzlei glaubt: Aussichtsreich ist die Prozessfinanzierung bei über 25 000 Euro teuren Autos, die noch keine 100 000 Kilometer gelaufen sind.
Noch zu beachten: Auch die Prozesskosten haben Einfluss auf die Provision. Die Erstattung der Prozesskosten von VW an den jeweiligen Kläger erhöht die Provision. Abgezogen wird das Geld, dass der Prozesskostenfinanzierer an Gerichtskosten und Vorschuss auf die Anwaltshonorare ausgelegt hat. Beispiel: VW zahlt am Ende 20 000 Euro. Eingeklagt waren aber 25 000 Euro und der Kläger muss 20 Prozent der Prozesskosten tragen. Er zahlt dann eine Provision von 17 Prozent auf (20 000 Euro zuzüglich 2 088,66 Euro (die VW nach Abzug der eigenen Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren an den Kläger zu zahlen hat) – 3 481,10 Euro (die der Prozessfinanzierer vor Beginn des Verfahrens an Gerichts- und Anwaltskosten ausgelegt hat), also 18 607,56 Euro. Der Kläger erhält am Ende diesen Betrag abzüglich 3 163,29 Euro Provision, also 15 444,27 Euro. Gegenbeispiel: VW zahlt 20 000 Euro. So viel war auch eingeklagt und VW muss alle Kosten tragen. Grundlage für die Provision sind dann diese 20 000 Euro und der Kläger erhält am Ende 83 Prozent davon, also 16 600 Euro.
Klar: Allenfalls ausnahmsweise werden Kläger einen Anteil an den Kosten zu tragen haben. Dr. Stoll & Sauer werden im Gerichtsverfahren natürlich nur beantragen, was dem Kläger nach den Ansagen des Bundesgerichtshof auch wirklich zusteht.
Nicht in der Rechnung berücksichtigt sind Zinsen. Von denen erhält der Kläger am Ende stets 83 Prozent. Sie werden bei der Kostenquote in aller Regel nicht berücksichtigt. Anders ausgedrückt: Wegen der Abweisung von Zinsforderungen muss der Kläger praktisch nie einen Anteil der Verfahrenskosten übernehmen.
19.03.2020 Dr. Axel Friedrich, früher Abteilungsleiter im Umweltbundesamt und jetzt Sachverständiger im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH), berichtet: Die DUH hat inzwischen den Stickoxidausstoß von 142 Diesel-Modellen verschiedener Hersteller vor und nach der Installation einer neuen Motorsteuerung gemessen. Sein Fazit: Bei zahlreichen Modellen bringt das Software-Update wenig bis gar nichts. Nach wie vor funktioniere die Abgasreinigung im wirklichen Leben kaum oder gar nicht. Ihm sei unklar, wieso das Kraftfahrtbundesamt die geänderten Motorsteuerungen genehmigt habe. Ganz viele Fahrzeuge seien aus seiner Sicht nach wie vor eindeutig illegal. Mehr Informationen der DUH zum Abgasskandal.
19.03.2020 VW hat die Entschädigung von VW-Skandalopfern gestartet, die sich an der Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands beteiligt haben. Die Metaclaims Sammelklagen Finanzierungsgesellschaft hat ein Angebot für Teilnehmer der Sammelklage entwickelt, denen VW kein Angebot macht. Voraussetzung nur: Der Kauf erfolgte bis Ende 2015 oder das Schreiben mit der Aufforderung, in der Werkstatt eine neue Motorsteuerung installieren zu lassen, kam erst im Jahr 2017 – wie vor allem bei Besitzern von Skoda-Modellen häufig. Wie sonst auch bei Metaclaims: Die Teilnahme ist kostenlos, solange sie keinen Erfolg hat. Soweit VW schließlich zahlt, erhält Metaclaims eine Provision in Höhe von 33 Prozent.
16.03.2020 Nach dem 19. (s. u., 25.07.2019) ist jetzt auch der 18. Senat am Oberlandesgericht Köln der Meinung: VW muss zusätzlich zum Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auch Zinsen auf den Kaufpreis zahlen. Das berichtet Rechtsanwalt Sven Petermann von Arnold Baller Mathias Rechtsanwälte. Das Urteil stehe zwar noch aus, aber die Ansagen in der mündlichen Verhandlung seien eindeutig gewesen, berichtete Petermann.
Auch der 4. Senat in Köln trägt die verbraucherfreundliche Linie mit. Er hat gerade ein Urteil zum VW-Skandal veröffentlicht. Danach muss VW wegen eines im November 2014 erworbenen Audi Q5 4 786,60 Euro Zinsen auf den Kaufpreis und bis heute weitere 929,13 Euro Prozesszinsen auf die Klageforderung zahlen.
Ebenso verbraucherfreundlich urteilte jüngst auch das Oberlandesgericht Brandenburg. Die Verzinsung des Kaufpreises bringt VW-Skandalopfern viel Geld und gleicht den Abzug der Nutzungsentschädigung zumindest teilweise aus. Bei einem am 16.03.2014 für 30 000 Euro erworbenen Skandalauto macht allein die Verzinsung des Kaufpreises bis heute genau 7 200 Euro aus.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 10.03.2020
Aktenzeichen: 4 U 219/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Noch unbekannt, bitte melden
Oberlandesgericht Köln, Urteil für 26.03.2020 angekündigt
Aktenzeichen: 18 U 177/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Arnold Baller & Mathias Rechtsanwälte, Köln
Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 04.03.2020 (nicht rechtskräftig)
Aktenzeichen: 4 U 65/19
Klägervertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
09.03.2020 Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute Hinweise für Besucher veröffentlicht, die die öffentliche Verhandlung über Schadenersatzansprüche von Skandalautobesitzern am Dienstag, 5. Mai, besuchen wollen. Nur wer sich rechtzeitig anmeldet, bekommt einen Platz. Es zählt die Reihenfolge des Eingangs der Anmeldungen. Hier die Hinweise im Original.
Passend dazu: Der Kläger in dem BGH-Verfahren hat sich öffentlich zu Wort gemeldet. Der Allgemeinen Zeitung in Mainz sagte er: Er werde auf keinen Fall einen Vergleich mit Schweigeverpflichtung akzeptieren. (Unserem Leser „Leseprobe“: Vielen Dank für den Hinweis!)
Gleichwohl: Der Termin kann trotzdem noch platzen. VW kann die eigene Revision gegen die Verurteilung zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung noch bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zurücknehmen. Die vom Kläger eingelegte Revision wegen des Abzugs einer Nutzungsentschädigung beim Oberlandesgericht Koblenz würde gegenstandslos, wenn VW die Forderung des Klägers anerkennt. Es erginge dann nur ein Anerkenntnisurteil ohne Begründung. Allerdings kann der Bundesgerichtshof ausführliche Hinweise zur Rechtslage beschließen. So war er seinerzeit verfahren, als die Verhandlung über die Revision eines VW-Händlers gegen die Verurteilung zur Erstattung des Kaufpreises platzte, siehe unten unter dem 23.02.2019 und dem 25.02.2019.
09.03.2020 Auch das Oberlandesgericht Dresden hat VW jetzt zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Sogar ein Mann, der erst im Dezember 2015 nach Bekanntwerden des Skandals einen VW Passat TDI gekauft hatte, erhält den Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung zurück. Die Informationen von VW im September 2015 reichten aus Sicht der Richter in Dresden nicht aus, um potenzielle Käufer der Wagen korrekt über die technische und rechtliche Reichweite der Manipulationen zu informieren.
Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 05.03.2020
Aktenzeichen: 10a U 1834/19 (nicht rechtskräftig, die Revision ist zugelassen)
Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 05.03.2020
Aktenzeichen: 10a U 1907/19 (nicht rechtskräftig, die Revision ist zugelassen)
Klägervertreter jeweils: BRR Baumeister Rosing Rechtsanwälte, Berlin/Esslingen
02.03.2020 Jetzt also doch: VW und der Verbraucherzentrale Bundesverband besiegeln ihren außergerichtlichen Vergleich im Musterfeststellungsverfahren zwischen den Verbraucherschützern und dem Autokonzern. Alle Teilnehmer sollen je nachdem, welches Automodell sie besitzen und aus welchem Modelljahr es stammt, eine Entschädigung zwischen 1 350 und 6 257 Euro erhalten. Klar: Der Vergleich ist freiwillig. Wer ihn wie manche unserer Leser in den Kommentaren nicht für fair hält, kann noch bis mindestens Oktober seine Rechte selbst in die Hand nehmen. So lange ist die Verjährung noch mindestens gehemmt. Alle Details zum Vergleich im Special Musterfeststellungsklage auf der Seite Klage gegen Volkswagen.
27.02.2020 Ein weiteres Oberlandesgericht hält für möglich, dass Käufer von Skandalautos auch wegen erst nach Bekanntwerden des Skandals erworbener Autos Schadenersatzansprüche gegen VW haben. Der Käufer muss das Gericht dann allerdings davon überzeugen, dass er nichts von der illegalen Motorsteuerung seines Wagens wusste. Hilfsargument: VW habe nicht genug unternommen, um potenzielle Käufer der Wagen aufzuklären. „Jedenfalls nach dem im hiesigen Verfahren maßgeblichen Sach- und Streitstand waren (...) die Pressemitteilung vom 22.09.2015, die Freischaltung der Internet-Abfragemöglichkeit Anfang Oktober 2015, die Information ihrer Vertriebspartner und die öffentliche Berichterstattung – nicht geeignet, (...) den Sittenwidrigkeitsvorwurf abzuwenden. Mit diesen Maßnahmen allein hat die Beklagte nicht die Schritte unternommen, die erforderlich sind, um weitere Schäden für potenzielle Käufer zu vermeiden und so eine Bewertung ihres Verhaltens als sittenwidrig entfallen lassen zu können“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 11.02.2020
Aktenzeichen: 3 U 89/19
Klägervertreter: Rechtsanwälte Hillmann und Partner, Oldenburg
20.02.2020 Neue Wendung im Streit zwischen Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und VW: Die Parteien der Musterfeststellungsklage wollen doch weiter über einen Vergleich verhandeln. Dazu hätten sie sich auf das dringende Anraten des Oberlandesgerichts Braunschweig entschlossen. Das teilt das Gericht per Pressemitteilung mit. Die Verhandlungsführung übernehme jetzt auf Antrag beider Parteien der Präsident des Oberlandesgerichts, Wolfgang Scheibel.
20.02.2020 Rechtsanwalt Ralph Sauer, einer der Parner der vzbv-Musterklagekanzlei R.U.S.S.-Litigation, hat sich gegenüber dem Juve-Verlag ausführlich zum Scheitern der Verhandlungen über einen Vergleich zwischen VW und Verbraucherschützern geäußert. Danach war das Hauptproblem: VW wollte einen schnellen Vergleich vor Verkündung des ersten BGH-Urteils Anfang Mai 2020 und war ein solcher nach den dafür in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Regeln nicht schnell genug zu erreichen. VW- und vzbv-Anwälte hätten deshalb über einen außergerichtlichen Vergleich verhandelt. Die Abwicklung eines solchen Vergleichs für 120 Euro pro Fall wäre für die Anwälte ein erhebliches Risiko gewesen.
17.02.2020 Die Vergleichsverhandlungen im Musterfeststellungsstreit zwischen VW und Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sind geplatzt. VW behauptet, die Verbraucherschutzanwälte hätten zu viel Geld verlangt. Der vzbv hält das für einen Vorwand. VW habe die Verhandlungen platzen lassen. „Ein zweiter Betrug“, schimpfte vzbv-Chef Klaus Müller gegenüber Redakteuren des Handelsblatts sogar. VW will Musterklage-Teilnehmer jetzt am vzbv vorbei entschädigen. Weitere Einzelheiten in den Fragen & Antworten zur VW-Musterklage im Musterklagen-Special.
31.01.2020 Rechtsanwalt Ehssan Khazaelivon Rüden Rechtsanwälte in Berlin berichtet: Das Oberlandesgericht in Oldenburg hat soweit bekannt als bundesweit erstes geurteilt: Erst 2019 erhobene VW-Abgasskandal-Klagen sind nicht verjährt. Außerdem verbraucherfreundlich: VW muss vier Prozent Zinsen auf den Kaufpreis zahlen – von der Zahlung an. Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor, nur der Tenor ist bekannt. Die Revision zum Bundesgerichtshof ist zugelassen.
Landgericht Osnabrück, Urteil vom 16.08.2019
Aktenzeichen: 5 O 1462/19 (nicht rechtskräftig)
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 30.01.2020
Aktenzeichen: 1 U 131/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: von Rüden Rechtsanwälte, Berlin
24.01.2020 Das Verbraucherinkasso- und Prozessfinanzierungsunternehmen Myright.de berichtet: Das Oberlandesgericht Hamm hat VW auf eine Klage des Unternehmens hin zu Schadenersatz wegen eines VW Tiguan 2.0 TDI verurteilt. Der Käufer des Wagens hatte seine Ersatzansprüche gegen VW an das Unternehmen abgetreten und dieses erhob Klage. VW muss den Kaufpreis abzüglich einer Entschädigung für die damit gefahrenen Kilometer erstatten. Die berechnet das Gericht verbraucherfreundlich mit einer Gesamtlaufleistung von 300 000 Kilometern. Myright.de erhält knapp 28 000 Euro. Der Wagen hat rund 84 000 Kilometer gelaufen und kostete im Jahr 2007 rund 39 000 Euro. Hinzu kommen noch rund 3 000 Euro Zinsen für die Zeit ab Klageerhebung. Myright.de selbst hat eine ausführliche Pressemitteilung zum Fall veröffentlicht. Wie viel Provision Myright.de abzieht, bevor es das Geld an den Kläger weiterleitet, ist nicht bekannt. Maßgeblich war seinerzeit ein Satz von 35 Prozent der VW-Zahlung abzüglich des Restwerts des Wagens, den der Kläger ja an VW zurückzugeben hat.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 20.01.2020
Aktenzeichen: I-13 U 40/18 (nicht rechtskräftig, die Revision ist zugelassen)
Klägervertreter: Hausfeld Rechtsanwälte, Berlin
23.01.2020 Womöglich bahnbrechend: Das Oberlandesgericht Oldenburg hat VW mit ausführlicher und aus Sicht von test.de sehr überzeugender Begründung wegen eines erst nach Bekanntwerden des Abgasskandals erworbenen Wagens zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Nur wenn VW potenziellen Käufern klar mitgeteilt hätte, dass die Motorsteuerung der Autos illegal ist und ihnen deshalb die Zulassung entzogen werden kann, wäre die Schädigung von Käufern der Autos entfallen. VW habe aber nur von „Auffälligkeiten“ und „Unregelmäßigkeiten“ gesprochen. Die Mehrzahl der Gerichte geht bisher davon aus: Wegen nach Bekanntwerden des Skandals erworbener Autos muss VW keine Entschädigung zahlen. Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, die das Urteil erstritten haben, kommentieren es in einer Pressemitteilung ausführlich selbst.
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 16.01.2020
Aktenzeichen: 14 U 166/19 (nicht rechtskräftig, die Revision ist zugelassen)
Klägervertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
20.01.2020 Mit Abschluss eines Vergleichs ist der Rechtsstreit um ein Skandalauto noch nicht unbedingt zu Ende. Spiegel online berichtet unter Berufung auf einen nicht genannten Rechtsanwalt, der trotz der stets mit Vergleichsschluss verbundenen Pflicht zum Stillschweigen einige Einzelheiten berichtet: Immer wieder gibt es bei der Rückabwicklung Streit. Den Gegenwert von Kratzern und Beulen zieht VW von der Zahlung ab, wenn es um mehr als bis 250 Euro teure Bagatellschäden geht. Porsche verpflichtet sich in Vergleichen sogar nur zum Ankauf des Skandalautos im Gegenzug zur Erstattung des ursprünglichen Kaufpreises abzüglich einer Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer. Folge für den Besitzer des Wagens: Er haftet für Mängel bis hin zum völligen Ausschluss der Rückabwicklung. Zuweilen stocke die per Vergleich vereinbarte Rückabwicklung, weil der Händler, über den sie abgewickelt wird, den so genannten „Abrechnungsbogen“, mit dem Zustand und Besonderheiten des zurückgegebenen Wagens erfasst werden, nicht oder nicht rechtzeitig ausfüllt und an VW schickt.
17.01.2020 Rechtsanwalt Frederik Wietbrok aus Hamburg teilt mit: Auch das Oberlandesgericht Hamburg sieht VW in der Pflicht, an Käufer von Skandalautos Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu zahlen. Besonders interessant: Die hanseatischen Oberlandesrichter halten in einem Hinweisbeschluss weder den vollständigen Abzug einer Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer noch die vollständige Erstattung des Kaufpreises für fair. Sie wollen die Erstattung des Kaufpreises nur um eine Entschädigung für bis zur Klageerhebung gefahrene Kilometer kürzen.
Hanseatisches Oberlandesgericht (Hamburg), (Hinweis-)Beschluss vom 13.01.2020
Aktenzeichen: 15 U 190/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Wietbrok Rechtsanwälte, Hamburg
16.01.2020 Das Landgericht Braunschweig teilt mit: Die Anklage gegen sechs weitere führende Mitarbeiter des VW-Konzerns ist bei Gericht eingegangen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen wegen der Entwicklung der illegalen Motorsteuerung mit Prüfstanderkennung und Abschaltung der Abgasreinigung im Normalbetrieb vor allem Betrug im besonders schweren Fall vor.
Rechtlich interessant: Die Staatsanwälte glauben außerdem, dass die VW-Mitarbeiter sich der mittelbaren Falschbeurkundung schuldig gemacht haben. Sie hätten die Ausstellung falscher Übereinstimmungserklärungen für die neun Millionen Skandalautos veranlasst. Das heißt: Sie sind – wie einzelne Zivilgerichte, aber anders als das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg, das Bundesverkehrsministerium und alle Verwaltungsgerichte, die sich bisher mit dem Thema befasst haben – der Meinung, dass sämtliche Skandalautos sofort nach Bekanntwerden des Skandals hätten aus dem Verkehr gezogen werden müssen.
Außerdem haben die Strafverfolger die für den VW-Skandal-Verantwortlichen im Verdacht, eine Steuerhinterziehung begangen zu haben, da ein Teil der Autos zu Unrecht als schadstoffarm nach der Norm „Euro 6“ eingestuft und zeitweise von der Kraftfahrzeugsteuer befreit war.
Umweltstraftaten wie Luftverunreinigung sind in der Anklage allerdings offenbar nicht Thema.
Die Anklageschrift ist fast 900 Seiten stark. Allein die Hauptakte umfasst 121 Bände. Hinzu kommen 114 Beweismittelordner und 70 Sonderbände.
Das Landgericht stellt die Anklage zunächst den Angeklagten zu und gibt ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme. Es prüft dann, ob es eine Verurteilung für ausreichend wahrscheinlich hält oder ob sie die Vorwürfe auf der Grundlage der Darstellung des Falls durch die Staatsanwälte nicht für stichhaltig hält und entscheidet dann über die Zulassung der Anklage zur Hauptversammlung. Wie lange das dauert, ist unklar. Zumindest werden Monate ins Land gehen, bevor feststeht, ob und wegen welcher Vorwürfe VW-Manager auf der Anklagebank Platz nehmen müssen.
Insgesamt stehen jetzt elf Mitarbeiter des VW-Konzern, darunter auch Vorstandschef Herbert Diess, Ex-Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn sowie Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch, unter Anklage. Gegen 32 weitere wird noch ermittelt.
Der Berliner Rechtsanwalt Johannes von Rüden hat für eine nicht genannte Zahl von Mandanten beantragt, sie als Nebenkläger zum Strafverfahren gegen Diess, Winterkorn und Pötsch zuzulassen. „Damit würden die Hunderttausenden Verletzten auch im Strafverfahren Gehör finden“, sagte er. Nachdem das Landgericht seine Anträge zurückgewiesen hat, liegt die Sache jetzt beim Oberlandesgericht in Braunschweig. Die Richter dort befürchten nach Darstellung des Rechtsanwalts, dass sich das Verfahren weiter in die Länge zieht und logistisch nicht zu bewältigen ist. Außerdem könnten vertrauliche Informationen zur Presse gelangen. Nun entscheidet das Oberlandesgericht Braunschweig.
10.01.2020 Myright.de berichtet: Das Landgericht Braunschweig hält die Musterklagen des Unternehmens für zulässig. Das Gericht wies die Parteien in dem Rechtsstreit mit ausführlicher Begründung daraufhin, dass nach dem vom Bundesgerichtshof zu Wenigermiete.de (Urteil vom 27.11.2019, Aktenzeichen: VIII ZR 285/18) vertretenen Kriterien die Abtretung der Schadenersatzforderungen gegen VW auf das Unternehmen wirksam sein dürfte. Der Beschluss erging in der zweiten von drei Klagen, mit der das Unternehmen rund 15 000 von Skandalautobesitzern abgetretene Schadenersatzforderungen gegen VW durchsetzen will. „Wir erwarten jetzt in den weiteren Verfahren ähnliche Verfügungen und tragen gerade entsprechend vor“, erklärte Jan-Eike Andresen, Geschäftsführer von Myright.de gegenüber test.de.
Landgericht Braunschweig, Hinweis vom 23.12.2019
Aktenzeichen: 3 O 5657/18 *903*
Klägervertreter: Hausfeld Rechtsanwälte LLP, Berlin
10.01.2020 Hahn Rechtsanwälte melden mit Verweis auf die Rückrufdatenbank beim Kraftfahrtbundesamt (KBA): Mercedes muss weltweit 150 000 weitere Autos mit Dieselmotor mit einer neuen Motorsteuerung ausrüsten. In Deutschland sind etwa ein Drittel der Autos unterwegs. Es geht in Deutschland um verschiedene Modelle der C-, E-, M- und S-Klasse-Mercedes sowie verschiedene CLS, GLE und SLK aus den Baujahren 2012 bis 2018. Weitere Einzelheiten und eine Tabelle mit den betroffenen Modellen auf der Homepage der Kanzlei.
06.01.2020 Im fünften Jahr, nachdem der Abgasskandal ruchbar wurde, wird sich wohl endgültig entscheiden, ob und in welchem Umfang VW Besitzer von Autos mit illegaler Motorsteuerung entschädigen muss. Unmittelbar nach Jahresbeginn verkündeten der Konzern und er Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv): Die Musterfeststellungsklage zu der beim Bundesamt für Justiz fast 500 000 Anmeldungen von Rechten der Skandalautobesitzer vorliegen, verhandeln über einen Vergleich. Wie lange das dauert, ist allerdings unklar. Die Parteien verhandeln zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Branchenexperte Ferdinand Dudenhöfer vermutet allerdings: VW will nach der mutmaßlichen Verjährung der meisten Ersatzansprüche schnell reinen Tisch machen und kommt noch im Frühjahr ein Vergleich mit klaren Vereinbarungen darüber, wer unter welchen Voraussetzungen wie viel Geld zu erhalten hat.
Hinzu kommt: Für Mai hat der Bundesgerichtshof die Verhandlung eines VW-Skandal-Falls anberaumt (s. u., 19.12.2019).
Gleichzeitig liegen diverse Fälle zum Abgasskandal beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Dort ist sogar noch umstritten, aber die Abgasrückführung überhaupt eine Einrichtung zur Abgasreinigung ist, deren Abschaltung durch die EU-Regeln verboten ist. VW hatte stets argumentiert: Die Abgasrückführung reinigt keine Abgase. Durch die Verringerung des Sauerstoffgehalts des Luft-Kraftstoff-Gemischs im Brennraum verringern sich Temperatur und Druck bei Zündung und sinkt dadurch der Stickoxidanteil in den Abgasen.
Umgekehrt ist nach wie vor unklar, ob die Annahme der deutschen Behörden und Verwaltungsgerichte, wonach die Skandalautos aufgrund der Typgenehmigung weiterfahren durften, mit dem EU-Recht vereinbar ist. Manche Juristen - darunter die Rechtsexperten der Stiftung Warentest - und einzelne Zivilgerichte meinen: Die Autos entsprachen nicht der Typgenehmigung gar nicht und hätten deshalb sofort stillgelegt werden müssen.
06.01.2020 Betriebsuntersagungen sind nur für Autos durchsetzbar, für die die jeweils zuständige Behörde die Typgenehmigung geändert und die Hersteller zur Nachrüstung der Autos mit einer neuen Motorsteuerung verpflichtet hat. Das hat das Verwaltungsgericht Mainz entschieden. Ganz ähnlich hatte es bereits das Verwaltungsgericht in Schleswig-Holstein gesehen.
In Mainz ging es um einen Skoda Yeti TDI, den der Besitzer nicht für den Austausch der Software zur Motorsteuerung in die Werkstatt gebraucht hatte. Das Kraftfahrtbundesamt hatte das dem Landkreis Alzey-Worms als Zulassungsbehörde mitgeteilt. Der hatte dem Besitzer daraufhin den Betrieb des Wagens untersagt und die sofortige Vollziehung angeordnet.
Ständige Rechtssprechung soweit bekannt aller Verwaltungsgerichte in Deutschland: Das ist für Autos, deren Typzulassung das dafür in Deutschland zuständige Kraftfahrbundesamt nach Bekanntwerden des Abgasskandals geändert hat, ohne weiteres zulässig. Die Typzulassung für den Skoda Yeti kommt jedoch von der britischen Vehicle Certification Agency (VCA). Die hat zwar festgestellt, dass die Typzulassung rechtswidrig ist, sie jedoch offenbar nicht geändert und die Nachrüstung betroffener Autos angeordnet.
Folge laut der Verwaltungsrichter in Mainz: Der Wagen darf auch ohne Nachrüstung der neuen Motorsteuerung einstweilen weiterfahren. Die unveränderte Typgenehmigung gilt weiter. test.de hält diese Sicht der Dinge für fragwürdig. Soweit bekannt wussten die Behörden bei der Typzulassung nichts davon, dass die VW-Motorsteuerung in Skandalautos die Abgasreinigung bei fast allen Fahrten im Straßenverkehr abschaltet. Das hieße: Die Autos entsprachen der Typgenehmigung gar nicht. Sie hätten sofort aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Auf die Änderung der Typgenehmigung kam es danach gar nicht an.
Bemerkenswert: Das Eilverfahren in Mainz machte seinem Namen alle Ehre. Die Betriebsuntersagung des Landkreises nebst Anordnung des sofortigen Vollzugs erging am Montag, 2. Dezember 2019. Am Freitag, 6. Dezember, legte der Autobesitzer Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht in Mainz, den Vollzug der Betriebsuntersagung zu stoppen. Bereits am Mittwoch, 18. Dezember, entschied das Gericht.
Verwaltungsgericht Mainz, Beschluss vom 18.12.2019
Aktenzeichen: 3 L 1127/19.MZ
Verbrauchervertreter: - (offenbar ist der Besitzer des Skoda Yeti selbst Jurist und zog ohne Anwalt vor Gericht)
19.12.2019 Hoffnung auf Klarheit: Am Dienstag, 5. Mai 2020, verhandelt der VI. Senat am Bundesgerichtshof (BGH) von 9.30 Uhr an über eine Abgasskandal-Schadenersatzklage gegen VW. Es geht um einen Fall, in dem das Landgericht Bad Kreuznach die Klage abgewiesen und das Oberlandesgericht Koblenz VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zur Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer verurteilt hatte. Beide Parteien haben Revision eingelegt. VW will die Klage abgewiesen sehen, der Kläger sich den Abzug einer Nutzungsentschädigung nicht gefallen lassen. Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung des BGH zum Termin.
Vorinstanz: Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 12.06.2019
Aktenzeichen: 5 U 1318/18
Klägervertreter: Goldenstein & Partner, Potsdam
Es handelt sich um die soweit uns bekannt erste Verurteilung von VW zu Schadenersatz wegen des Abgasskandals durch ein Oberlandesgericht. VW habe die Käufer von Autos mit illegaler Motorsteuerung vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt, entschieden die Richter in Koblenz. Es ging um einen VW Sharan 2.0 TDI match von 2012, den der Kläger 2014 für 31 490 Euro gebraucht gekauft hatte. VW muss ihm den Kaufpreis erstatten. Allerdings darf das Unternehmen eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer abziehen. Das Gericht geht für die Berechnung von einer Gesamtlaufleistung von 300 000 Kilometern aus. Der Kläger bekommt nach Auffassung des Gerichts in Koblenz genau 25 616,10 Euro.
Sehr ärgerlich: Von verbraucherfreundlichen Ansagen des Bundesgerichtshofs werden mit einiger Wahrscheinlichkeit nur Skandalautobesitzer profitieren, die spätestens bis Ende dieses Jahres die Verjährung möglicher Rechte gegen VW gestoppt haben. Wer abwartet, wie der BGH entscheidet, wird wohl leer ausgehen.
19.12.2019 Herbe Niederlage für VW und Porsche gegen den Verein für Konsumenteninformation (VKI) in Österreich: Das Handelsgericht Wien untersagte es VW zu behaupten, dass durch das Softwareupdate der Motorsteuerung von Skandalautos die EU-Grenzwerte für Schadstoffe im Abgas ohne Nachteile bei Kraftstoffverbrauch, Leistung und Geräuschimmission eingehalten werden. Insbesondere darf VW nach dem Urteil nicht mehr sagen: „Die Volkswagen AG sichert Ihnen ferner zu, dass mit der Umsetzung der Maßnahme hinsichtlich Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen, Motorleistung und Drehmoment sowie Geräuschemissionen keine Verschlechterungen verbunden sind“. Auch: „Diese Bestätigung gilt auch für die Anforderungen an die Dauerhaltbarkeit der Komponenten des AGR-Systems und des Abgasnachbehandlungs-Systems“ ist verboten.
VW selbst hatte ein Gutachten vorgelegt, wonach ein Golf 1.6 TDI mit der neuen Motorsteuerung etwas lauter ist als mit der ursprünglichen. Das sei dem Konzern hoch anzurechnen, schreibt Richer xc in der Urteilsbegründung. Es zeige aber eindeutig, dass VW zumindest in einem Punkt zu viel verspreche. Das haben VW und Porsche zu unterlassen.
Der VKI war im Auftrag des österreichischen Sozialministeriums gegen VW vor Gericht gezogen, nachdem sich Besitzer von Skandalautos nach dem Software-Update über Verschlechterungen bei Verbrauch, Leistung und Geräusch beschwert hatten. Mehr zum Verfahren und zum Urteil im Bericht des VKI.
Handelsgericht Wien, Urteil vom 26.11.2019
Aktenzeichen: 11 Cg 52/18m - 35 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Koesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte, Wien
19.12.2019 Kaum haben wir gestern hier über das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Minderung des Kaufpreises von Skandalautos berichtet, das wird bekannt: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat VW als bundesweit erstes Oberlandesgericht dem Grund nach zu Schadenersatz verurteilt, ohne dass der Kläger den Wagen zurückgeben muss. Das berichten die Rechtswissenschaftler der Uni Regensburg, die sich beim Dieselskandal-Projekt engagieren. Wie viel Geld der Kläger zu erhalten hat, ist dem Urteil allerdings nicht zu entnehmen. Das Gericht verkündete zunächst ein so genanntes Grundurteil. Das heißt: Das Gericht sieht VW im Grund in der Pflicht, Schadenersatz zu zahlen. Wie viel Geld der Kläger zu erhalten hat, ist im Endurteil zu entscheiden, wenn sich die Parteien nicht einigen können.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 11.12.2019
Aktenzeichen: 9 U 3/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälte, Lahr
18.12.2019 Das Oberlandesgericht Düsseldorf urteilt jetzt auch wie inzwischen fast alle Oberlandesgerichte: Autos mit illegaler Motorsteuerung zu liefern, ist vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. VW muss die Käufer solcher Autos entschädigen. Zinsen auf den Kaufpreis muss VW nach Auffassung der Richter in Düsseldorf allerdings nicht zahlen.
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019
Aktenzeichen: I-18 U 58/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Lehnen & Sinnig Rechtsanwälte, Trier
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2019
Aktenzeichen: I-18 U 16/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
18.12.2019 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stollberichtet: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hält nach dem Kauf von Skandalautos mit illegaler Motorsteuerung eine Minderung von 25 Prozent für angemessen. Es ging um einen Seat Altea XL. Das Fahrzeug des VW-Tochterunternehmens Seat sei mit einem manipulierten Motor ausgerüstet, daher mangelhaft und nicht für die gewöhnliche Verwendung geeignet gewesen, urteilte das Oberlandesgericht. Bedeutung hat das Urteil auch für Klagen direkt gegen VW. Meist verlangen VW-Besitzer den so genannten „großen Schadensersatz“: Erstattung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Wagens. Mit dem Urteil des Oberlandesgerichts im Rücken können sie jetzt auch riskieren, den kleinen Schadenersatz zu fordern und den skandalbedingten Minderwert des Wagens ersetzt verlangen. Bisher waren die meisten Juristen der Auffassung: Um den Minderwert zu ermitteln, müssen kostspielige Sachverständigengutachten eingeholt werden.
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 12.12.2019
Aktenzeichen: I-13 U 84/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälte, Lahr
16.12.2019 Votum gegen Thermo-Fenster auch aus Österreich: Das Oberlandesgericht in Wien hält die Lufttemperatur-abhängige Steuerung der Abgasrückführung für eine unzulässige Abschalteinrichtung, obwohl das Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg sie gebilligt hat. Es ging um einen Audi Q3. Laut VW funktionierte die Abgasreinigung des Wagens nur bei Lufttemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius ohne Einschränkungen. Der Kläger darf den Wagen nach dem Urteil zurückgeben. Die Rechtsauffassung der KBA-Beamten in Deutschland binde den Kläger und das Gericht nicht. Ob eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliege, müssten die Gerichte selbst vollständig überprüfen. Folge des Urteils: Der Kaufpreis abzüglich einer Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer ist zu erstatten. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Das Oberlandesgericht ließ die Revision beim Obersten Gerichtshof ebenfalls in Wien zu.
Oberlandesgericht Wien, (Teil-)Urteil vom 30.10.2019
Aktenzeichen: 4 R 62/19w (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwalt Michael Poduschka, Wien
05.12.2019 Erneut Hausdurchsuchung bei VW wegen des Verdachts auf illegale Tricks bei der Abgasreinigung: Im Zuge von Ermittlungen gegen einzelne VW-Verantwortliche wegen des Verdachts auf Einbau illegaler Mechanismen in die Motorsteuerung für EA 288 Motoren hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig Büros bei VW durchsucht.
Nach Darstellung von VW handelt es sich um Mechanismen in der Abgasreinigung, die das Unternehmen den Behörden bereits offengelegt hat. Es geht offenbar um vor allem um so genannte Thermofenster, bei dem die Motorsteuerung die Abgasreinigung unterhalb und oberhalb bestimmter Lufttemperaturen reduziert oder abschaltet.
Das Kraftfahrtbundesamt hat bisher keine Rückrufaktion angeordnet. Nur etliche VW-Busse vom Typ T6 mussten eine neue Motorsteuerung bekommen, weil die Entstickung der Abgase während der Regeneration des Partikelfilters nicht korrekt funktionierte.
Ob Thermofenster zulässig sind und bei welchen Temperaturen die Abgasreinigung reduziert oder abgeschaltet werden darf, ist umstritten. test.de hält für richtig: bei Lufttemperaturen, wie sie hierzulande regelmäßig vorkommen, muss die Abgasreinigung vollständig funktionieren. Nur bei extremen und seltenen Bedingungen kann eine Reduktion oder Abschaltung erlaubt sein, wenn sie nötig ist, um den Motor vor Schäden zu bewahren.
Der Motor vom Typ EA 288 ist Nachfolger des EA 189. Das ist der Motor, mit dem der Abgasskandal ruchbar wurde. Der EA 288 steckt in Millionen von Autos der Marken Audi, Seat, Skoda und VW. Es gab ihn ab Modelljahr 2012 als 1.4 TDI mit drei Zylindern und als 1.6 und 2.0 TDI mit vier Zylindern.
Ermittlungen wegen des Abgasskandals auch in Frankreich: Ein Untersuchungsgericht in Paris hat unter anderen Renault, Peugeot und Citroen im Verdacht, wie VW Motoren mit illegaler Abschaltung der Abgasreinigung geliefert zu haben. Es hat vorab beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) nachgefragt, wie die EU-Regeln über die Typzulassung zu verstehen sind. Unter anderem wollen die Richter in Paris unter anderem von den Kollegen in Brüssel wissen, ob die Software für die Motorsteuerung auch ein Konstruktionsteil im Sinne der EU-Regeln ist, ob unter Emissionskontrollsystem nur Mechanismen zur nachträglichen Reduktion von Schadstoffen im Abgas meint oder auch Strategien erfasst sind, die die Entstehung von Schadstoffen bremsen. Beispiel dafür ist die Abgasrückführung. Durch den geringeren Sauerstoffgehalt des Luft-Kraftstoffgemischs im Zylinder sinken Temperatur und Druck beim Verbrennungsvorgang und entsteht deshalb weniger Stickoxid. Das Arbeitsdokument des EuGH zum Vorabentscheidungsersuchen ist online auch auf Deutsch abrufbar.
02.12.2019 Über vier Jahre Abgasskandal und es ist immer noch kein Ende in Sicht: Bei Mercedes stehen nach einem Bericht des Spiegel jetzt auch Modelle der A- und B-Klasse mit kleineren, von Renault zugekauften Motoren unter Verdacht. Bei VW steht bereits fest: Weitere rund 65 000 Autos müssen wegen illegaler Abschaltung der Abgasreinigung eine neue Motorsteuerung erhalten. Es geht um Audi A4, A6 und A8 sowie VW-Touareg mit 3.0 TDI-Motoren, die bereits in den Jahren 2003 bis 2009 nach der Norm Euro 4 zugelassen worden waren. Das berichtet der Bayerische Rundfunk (BR). Bereits Anfang November war bekannt geworden: Die Autos mit 2.7 TDI-Motor aus der gleichen Zeit müssen auf Anordnung des Kraftfahrtbundesamts nachgebessert werden (s. u., 12.11.2019).
28.11.2019 Drei weitere interessante Hinweise unseres Lesers "Leseprobe": Die Stadt Bonn fordert von VW wegen 27 Skandalautos im städtischen Fuhrpark 700 000 Euro Schadenersatz. Das berichtet die Bonner Rundschau. Stadtverwaltung und VW verhandeln jetzt über einen Vergleich. Wenn die Parteien sich nicht einigen, entscheidet das Landgericht Bonn Anfang Februar. Einzelheiten im Bericht der Bonner Rundschau.
Und: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat zwei Verurteilungen von VW zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung bestätigt und in einem weiteren Fall eine Klagabweisung aufgehoben. Details in der Pressemitteilung des Gerichts.
Das Oberlandesgericht Koblenz schließlich hat VW zusätzlich zum Schadenersatz zur Zahlung von vier Prozent Zinsen auf den Kaufpreis von seiner Zahlung an verurteilt.
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 25.10.2019
Aktenzeichen: 3 U 819/19
Klägervertreter: Noch unbekannt, bitte melden
27.11.2019 Ein weiterer spektakulärer Zwischenerfolg für die Deutsche Umwelthilfe (DUH): Das Verwaltungsgericht Schleswig legt zentrale Fragen zum Abgasskandal dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) vor. Die Richter dort sollen klären, ob sich aus dem EU-Recht ein Klagerecht für den Verband gegen aus seiner Sicht rechtswidrige Typgenehmigungen ergibt. Ein solches gibt es nach deutschem Recht trotz der eindeutigen Vorgaben aus Brüssel nicht. Außerdem will das Verwaltungsgericht Schleswig vom EuGH geklärt wissen, ob und unter welchen Voraussetzungen so genannte Thermofenster in der Motorsteuerung zulässig sind. Dabei wird die Abgasreinigung unterhalb und oberhalb bestimmter Lufttemperaturen reduziert. Solche Thermofenster enthalten auch die vom Kraftfahrtbundesamt zur Nachrüstung von Skandalautos genehmigten Motorsteuerungen. Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung der DUH.
Verwaltungsgericht Schleswig, Beschluss vom 20.11.2019
Aktenzeichen: 3 A 113/18
Klägervertreter: Geulen & Klinger Rechtsanwälte, Berlin
25.11.2019 Besondere Chance auf Schadenersatz ohne Kostenrisiko: Metaclaims bietet eine VW-Sammelklage. Betroffene können ihre Schadenersatzforderung gegen den Konzern an das Unternehmen abtreten. Besonderheit: Metaclaims will den so genannten „kleinen Schadenersatz“ durchsetzen. VW soll mindestens 10 Prozent des für Skandalautos gezahlten Kaufpreises erstatten, ohne dass Autobesitzer den Wagen zurückgeben müssen. Wenn VW am Ende zahlt, gehen zwei Drittel des Geldes an den Autobesitzer. Ein Drittel behält Metaclaims als Provision. Metaclaims ist Pionier des Verbraucherinkasso. Das Unternehmen setzte seinerzeit Forderungen auf Erstattung überzahlter Gaspreise und rechtswidriger Kreditbearbeitungsgebühren durch. Gründer und Geschäftsführer ist Rechtsanwalt Sven Hezel aus Bremen. Einzelheiten zum Angebot auf der Metaclaims-Homepage.
25.11.2019 Prof. Dr. Heese glaubt: VW wird Skandalautokäufer entschädigen müssen. Der Konzern sei vor Gericht letztlich chancenlos, meint der Rechtswissenschaftler. Unklar seien nur Details wie die Frage, unter welchen Umständen VW auch für nach Bekanntwerten des Skandals verkaufte Autos mit illegaler Motorsteuerung haftet, ob und in welchem Umfang Autobesitzer für mit dem Wagen gefahrenen Kilometer zahlen müssen und ab welchem Zeitpunkt VW Zinsen zahlen muss. Weitere Einzelheiten im Bericht des Norddeutschen Rundfunks (NDR) zum Stand der Dinge im Abgasskandal. Heese und sein Team an der Uni Regensburg analysieren alle Urteile zum Abgasskandal. Mehr dazu auf der Webseite zum Abgasskandal-Projekt.
21.11.2019 Rechtsanwalt Thorsten Krause von KAP-Rechtsanwälteberichtet: Das Landgericht Stuttgart sieht Daimler verpflichtet, zahlreiche Besitzer von Autos aus dem Konzern wegen illegaler Motorsteuerung zu entschädigen. Das habe das Gericht bei einem Verhandlungsmarathon über 21 Fälle erkennen lassen. Es will die entscheidenden Fragen beim EuGH in Luxemburg klären lassen. Einzelheiten dazu im vollständigen Bericht des Anwalts. Ob es dazu kommt, ist unklar. Möglicherweise verhindert Daimler das Verfahren in Luxemburg, in dem es die Kläger der Verfahren großzügig entschädigt. Auf diese Weise hatte auch VW bereits Grundsatzentscheidungen lange hinausgezögert.
21.11.2019 Ratlosigkeit über die Weigerung der bayerischen Behörden, die Urteile der Verwaltungsgerichte zu Dieselfahrverboten zu befolgen, auch in Luxemburg: Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof sieht kein Möglichkeit, Ministerpräsident Marcus Söder oder andere Verantwortliche in Zwanghaft zu nehmen. Die hatten gerichtliche Zwangsgelder gezahlt, sich aber weiter geweigert, die Luftreinhaltepläne wie von der Justiz gefordert zu verschärfen. Einzelheiten dazu im Bericht der Legal Tribune Online.
Kommentar im Verfassungsblog.de dazu: „In letzter Zeit haben Vertreter der Exekutive immer wieder (...) die rote Linie der Gewaltenteilung überschritten und gezeigt, dass die verfassungsmäßige Ordnung nicht in jedem Fall erzwungen werden kann. Nicht in Polen oder der Türkei, auch nicht in Ungarn oder Venezuela, sondern in der Bundesrepublik Deutschland.“ Hier der ganze Kommentar.
21.11.2019 Auch Daimler gerät mehr und mehr in die Mühlen der Justiz. Allein Von Rueden Rechtsanwälte aus Berlin meldete test.de soeben 14 Verurteilungen aus den vergangenen Monaten, meist zu Schadenersatz. Der Konzern muss sogar wegen Autos, die das Kraftfahrbundesamt (noch) gar nicht zurückgerufen hat, Entschädigungen zahlen, wenn die Urteile rechtskräftig werden.
18.11.2019 Zweiter Verhandlungstag in Sachen VW-Musterfeststellungsklage: Das Gericht drängt auf einen Vergleich und verweist auf die fast einhellige Rechtsprechung zur vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Einige weitere Einzelheiten so bald wie möglich in unseren Fragen & Antworten zur Musterklage gegen VW.
14.11.2019 Der Blog FragDenStaat berichtet: Bereits Ende Juni 2017 wusste das Kraftfahrtbundesamt, dass die Motorsteuerung von nach der Euro 4 Norm zugelassenen Audi V6-TDI-Motoren, wie sie die Behörde gerade erst (s. u. 12.11.2019) beanstandet hat, die Abgasreinigung fast immer abschaltet, wenn der Wagen im Straßenverkehr unterwegs ist. Die Open Knowledge Foundation Deutschland (OKFD) veröffentlichte das Gutachten eines Wissenschaftlers der Technischen Universität München. Es liegt dem KBA seit über zwei Jahren vor. Die Aktivisten erhielten es nach eigener Darstellung aufgrund eines Fehlers. Die Behörde hatte sich bisher stets geweigert, es herauszugeben. Vor einem halben Jahr erhob ein FragDenStaat-Aktivist Klage, aber über die hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden.
12.11.2019 Jetzt steht fest: Auch bestimmte Euro 4-Diesel von Audi sind sogar nach Auffassung des Kraftbundesamts (KBA) in Flensburg illegal gesteuert und stoßen bei Fahrten im Straßenverkehr auch unter ansonsten den Prüfstandsversuchen entsprechenden Bedingungen noch mehr Stickoxid aus als seinerzeit ohnehin zulässigen 250 Milligramm je Kilometer. Audi teilte mit, dass in Deutschland rund 40 000 Autos der Modelle A4 und A6 mit 2.7-TDI-Motor aus den Jahren 2004 bis 2009 auf Geheiß des KBA eine neue Motorsteuerung bekommen müssen.
12.11.2019 Rechtsanwalt Thomas Schmidt aus Kleinmachnow berichtet: Das Urteil des Kammergerichts in Berlin (s. u. unter 27.09.2019), wonach VW statt des 2015 gelieferten Wagens mit illegaler Motorsteuerung einen fabrikneuen VW Touran Comfortline Bluemotion Technology 1.6 TDI neu zu liefern hat, ist rechtskräftig. VW verzichtete darauf, den Fall nach Karlsruhe zu bringen. Weitere Einzelheiten in derPresseerklärung des Anwalts.
12.11.2019 Opel ist endgültig mit dem Versuch gescheitert, den vom Kraftfahrtbundesamt angeordneten Rückruf von knapp 100 000 Zafira 1.6 und 2.0 CDTi, Cascada 2.0 CDTi und Insignia 2.0 CDTi aus den Jahren 2013 bis 2016 zu stoppen. Das Oberverwaltungsgericht in Schleswig bestätigte den Beschluss des Verwaltungsgerichts im Ergebnis. Es sei zwar offen, ob die beanstandete Motorsteuerung mit einem Thermofenster wirklich illegal und der Rückruf damit rechtmäßig sei. Das Interesse des Kraftfahrbundesamtes an der Luftreinhaltung überwiege jedoch die Sorge von Opel wegen eines Reputationsschadens. Es stehe fest, dass durch das von der Behörde geforderte Software-Update die Stickoxid-Emissionen der bisher auf den freiwilligen Rückruf hin nicht nachgerüsteten Autos erheblich sinken. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar. Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung des Gerichts.
Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.11.2018
Aktenzeichen: 3 B 127/18
Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.11.2019
Aktenzeichen: 5 MB 3/19
08.11.2019 Rechtsanwalt Karim Scharifi berichtet: Das Landgericht Krefeld hat soweit bekannt VW erstmals auch wegen eines Geländewagen vom Typ Touareg mit 3.0 TDI-Motor zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Die Motorsteuerung aktiviere ein den Schadstoffausstoß minderndes Aufheizverfahren nur unter einer Reihe von Voraussetzungen, die praktisch nur bei Prüfstandversuchen zur Prüfung des Schadstoffausstoßes vorliegen, begründete das Gericht sein Urteil.
Landgericht Krefeld, Urteil vom 06.11.2019
Aktenzeichen: 2 O 370/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwalt Karim Scharifi, Kempen
Ebenfalls bereits am Mittwoch hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe fünf Verurteilungen von VW zu Schadenersatz bestätigt. Zinsen von der Zahlung des Kaufpreises an stehe den Klägern aber nicht zu. Einzelheiten in der Pressemitteilung des Gerichts.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019
Aktenzeichen: 13 U 12/19
Klägervertreter: Noch unbekannt, bitte melden
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019
Aktenzeichen: 13 U 37/19
Klägervertreter: Noch unbekannt, bitte melden
31.10.2019 Rechtsanwalt Ulrich Poppelbaum berichtet: Das Landgericht Nürnberg-Fürth urteilt originell. Zwar muss sich der Besitzer eines VW Tiguan mit zumindest ursprünglich illegaler Motorsteuerung eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Aber es zählen dafür nur die ab Zugang des Schreibens mit der Information über den Rückruf gefahrenen Kilometer. Außerdem hat VW einen Teil der Ersatzsumme zu verzinsen. Zehn Prozent des vom Kläger gezahlten Kaufpreises entfalle auf den täuschungsbedingten Minderwert des Wagens. Auf diesen Teil des Kaufpreises müsse VW von der Zahlung an Zinsen in Höhe von vier Prozent zahlen. Allein das macht per 01.11.2019 genau 1 013,40 Euro aus, die der Kläger jetzt zusätzlich zum Schadenersatz erhält, wenn das Urteil rechtskräftig wird.
Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 29.10.2019
Aktenzeichen: 9 O 2719/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Poppelbaum Geigenmüller Rechtsanwälte, Berlin
31.10.2019 Hinweis von Rechtsanwalt Johannes von Rüden: Das Oberlandesgericht Köln sieht ein Recht von Mercedes-Besitzern auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, sofern sich nachweisen lässt, dass die Motorsteuerung des Autos die Abgasreinigung illegal reduziert oder abschaltet. Das Landgericht Aachen hatte die Klage abgewiesen. Es muss den Fall jetzt neu aufrollen und auf Antrag des Klägers ein Sachverständigengutachten zu einem Mercedes C 220 CDI von 2014 einholen.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 06.09.2019
Aktenzeichen: 19 U 51/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
24.10.2019 Rechtsanwalt Markus Klamert berichtet: Jetzt hat auch das Oberlandesgericht München VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Es ging um einen Audi Q3 2.0 TDI. Das Landgericht Memmingen hatte die Klage noch abgewiesen, weil es Audi und nicht VW für verantwortlich hielt. Als Hersteller des Motors sei VW entscheidend mitverantwortlich, entschied demgegenüber das Oberlandesgericht in München. Es habe sich die Typgenehmigung für das eigentlich nicht genehmigungsfähige Fahrzeug durch Verschweigen der Abschaltung der Abgasreinigung erschlichen. Es verurteilte VW zur Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer. Die berechnet das Gericht anhand einer Gesamtfahrleistung von 250 000 Kilometern. Das Gericht ließ die Revision zu. Sowohl der Kläger als auch VW können noch vor den Bundesgerichtshof nach Karlsruhe ziehen
Oberlandesgericht München, Urteil vom 15.10.2019
Aktenzeichen: 24 U 797/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Klamert & Partner Rechtsanwälte, München
24.10.2019 Rechtsanwalt Dirk Sinnig warnt: Mercedes-Fahrer sollten sich trotz des 100 Euro-Gutscheins von Daimler nicht dazu verleiten lassen, vorschnell eine neue Software für die Motorsteuerung aufspielen zu lassen. Autofahrer laufen Gefahr, Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche zu verlieren, wenn sie sich auf der Angebot einlassen. Daimler will mit dem 100 Euro Gutschein einen Anreiz schaffen, schnell die neue Software zu installieren. Das Angebot gilt europaweit für rund 3,8 Millionen Autos.
24.10.2019 Rechtsanwalt Tobias Ulbrich berichtet: Das Landgericht Stuttgart hat die Daimler AG zu Schadenersatz wegen der Verletzung der EU-Regeln für die Typzulassung verurteilt. Dort heißt es wörtlich: „Die (...) Hersteller (...) müssen (...) sicherstellen, dass die Auspuff- und Verdunstungsemissionen während der gesamten normalen Lebensdauer eines Fahrzeuges bei normalen Nutzungsbedingungen entsprechend dieser Verordnung wirkungsvoll begrenzt werden.“
Es ging um einen angeblich nach Euro 6 schadstoffarmen Mercedes GLC 220d 4Matic, den er Kläger im Dezember 2015 direkt bei Daimler für 51 056,95 Euro erworben und im Juni 2016 erhalten hatte. Seine Anwälte trugen unter Berufungen auf Messungen der Deutschen Umwelthilfe vor: Der Wagen stoße bei Fahrten im normalen Straßenverkehr fast 500 statt der zulässigen 80 Milligramm Stickoxid je Kilometer aus. Der Kläger meldeten den Wagen daraufhin ab und stellte ihn in seine Garage.
Daimler hatte argumentiert: Unter den vorgegebenen Prüfstandbedingungen halte der Wagen den Stickoxid-Grenzwert ein. Es gebe keine Abschalteinrichtung und werde die Abgasreinigung auch nicht ober- oder unterhalb bestimmter Lufttemperaturen abgeschaltet. Allerdings räumte das Unternehmen ein: Wie gut die Abgasreinigung funktioniert, hänge schon unter anderem von der Lufttemperatur ab.
Trotz konkreter Nachfrage des Gerichts bestritt Daimler zunächst nicht, dass der Wagen im realen Fahrbetrieb viel mehr Stickoxid ausstößt als zulässig. Als die Anwälte des Unternehmens dies doch noch taten, wies das Gericht dies als verspätet zurück. Es ging davon aus, dass der Wagen des Klägers Stickoxid weit jenseits der Grenzwerte ausstößt. Die seien aber nach dem klaren Wortlaut der EU-Regeln auch im normalen Fahrbetrieb unter üblichen Bedingungen und nicht bloß bei Prüfstandversuchen einzuhalten, urteilte das Gericht und verwies auf die Entscheidungen des Europäischen Gerichts (Urteil vom 13. Dezember 2018, Aktenzeichen: T-339/16 u. a.) und des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 08.01.2019, Aktenzeichen: VIII ZR 225/17) zum Thema.
Die zumindest fahrlässige Verletzung der EU-Zulassungsregeln berechtige den Kläger zum Schadenersatz. Sie seien nicht nur im Interesse der Allgemeinheit und der Umwelt erlassen worden, sondern sollten auch Verbraucher davor schützen, Autos mit unzulässig hohem Schadstoffausstoß zu kaufen.
Prof. Dr. Marco Rogert, Partner des Klägeranwalts, hält das Urteil für überzeugend. Es handele sich um die stringente Anwendung materiellen Rechts, erklärte er. Eine solche Entscheidung war aus seiner Sicht schon lange überfällig. Bisher haben nur einzelne Landgerichte wie das Landgericht Gera (s. u., 31.03.2017) so geurteilt, obwohl Rechtswissenschaftler wie Jan Dirk Harke dies ebenfalls für richtig halten (s. u., 21.03.2017).
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 17.10.2019
Aktenzeichen: 20 O 9/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
21.10.2019 Erst am Freitag wurde bekannt: Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) weiß seit Jahren ganz genau, dass zahlreiche Autos mit Dieselmotor im Straßenverkehr Schadstoffe weit jenseits der EU-Grenzwerte ausstoßen. Erst nach einem Eilantrag ans Verwaltungsgericht erhielt der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) die Ergebnisse von 189 Messungen, die die Behörde selbst vorgenommen hat. Trauriger Rekord: Ein angeblich nach Euro 5 schadstoffarmer VW Toureg stieß 2 769 Milligramm Stickoxid je Kilometer Fahrt aus. Zulässig sind höchstens 180 Milligramm. Noch schlimmer: Ein Euro 6-Subaru Outback, der selbst dort weiterfahren darf, wo Dieselfahrverbote gelten, stieß bei den Behördenmessfahrten 2 276 statt der höchstzulässigen 80 Milligramm Stickoxid je Kilometer aus. Doch auch kleinere Autos sind oft nicht sauber. So ergaben Messungen des KBA bei einem Fiat 500x einen Wert von 1 220,5 statt 80 Milligramm Stickoxid je Kilometer. Zwei Drittel aller getesteten Modelle stießen mehr Stickoxid aus als nach der jeweiligen Schadstoffklasse zulässig, darunter viele nach Euro 6 zugelassene Wagen, für die die aktuellen Dieselfahrverbote noch gar nicht gelten. Schwacher Trost: Nach Euro 6d und Euro 6d temp zugelassene Autos sind nach den KBA-Messungen tatsächlich sauber. Sie bleiben zum Teil weit unter den Grenzwerten. DerRBB berichtet selbst ausführlichüber die Daten.
Überraschend sind die Ergebnisse nicht. Ähnlich katastrophal waren Messungen des Umweltbundesamtes ausgefallen (s. u., 24.09.2019). Überraschend ist allerdings, dass das KBA die alarmierenden Ergebnisse nicht von sich aus veröffentlichte. Nicht mal der Verkehrsausschuss des Bundestags erfuhr dem RBB-Bericht zufolge von den Messwerten.
21.10.2019 Gut für Unternehmen, die ihre Dienst- und Lieferwagen direkt bei VW gekauft haben: Sie können wegen Autos mit illegaler Motorsteuerung auch beim für ihren Sitz zuständigen Landgericht auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung klagen und nicht nur in Braunschweig. Das meint jedenfalls das Landgericht Bochum auf eine Klage von Hahn Rechtsanwälten hin. Für Verbraucher ist schon lange anerkannt, dass sie auch bei ihrem Heimatgericht klagen können. Für Unternehmen ist die Rechtslage jedoch schwieriger. VW hat in den Verträgen über die Lieferung von Autos an Unternehmen eine Klausel, wonach ausschließlich die Gerichte in Braunschweig zuständig sein sollen. Die Klausel gilt aber nur für vertragliche Ansprüche und nicht für Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung oder Betrugs, urteilte das Landgericht Braunschweig. Für solche sei der Ort der Schädigung maßgebend, und das sei auch der Sitz des geschädigten Unternehmens.
Landgericht Bochum, Urteil vom 02.10.2019
Aktenzeichen: I-5 O 401/18 (nicht rechtskräftig)
Klägerinvertreter: Hahn Rechtsanwälte, Bremen/Hamburg/Stuttgart
17.10.2019 Richter in anderen Ländern haben für die Lieferung von Autos mit illegaler Motorsteuerung noch erheblich weniger Verständnis als die in Deutschland. Einen mit der örtlichen Verbraucherschutzbehörde ausgehandelten Vergleich, wonach VW wegen der rund 100 000 nach Australien gelieferten Skandalautos insgesamt 75 Millionen australische Dollar (knapp 50 Millionen Euro, also rund 750 Dollar pro Wagen) zahlen soll, bezeichnete der australische Bundesrichter Lindsay Forster einem N-TV-Bericht zufolge als „unverschämt“. Das sei bei weitem unzureichend. Normalerweise passieren derartige Vergleiche die Gerichte in Australien anstandslos. Forster allerdings kündigte an, dass er den Vergleich nicht genehmigen werde. Er hielt vor allem auch für empörend, dass VW nicht bereit war, ein Schuldeingeständnis abzugeben. VW hatte geltend gemacht: 75 Millionen australische Dollar seien viel Geld. Außerdem müsse der Konzern für die Autos dort noch einmal ungefähr die gleiche Summe zahlen. Forster hielt dagegen: Der Betrug bei Volkswagen übertreffe jedes Maß bei Umfang, Folgen und Vorsätzlichkeit der Rechtsverletzung. Eine derart große und mächtige Organisation wie Volkswagen dürfe nicht so billig davonkommen.
17.10.2019Hahn Rechtsanwälte melden: Jetzt hat auch das Oberlandesgericht Naumburg VW zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Wichtiger Punkt aus der ungewöhnlich langen und sorgfältig formulierten Begründung: Autokäufer durften erwarten, dass die Autos auch materiell den EU-Vorgaben für die Typzulassung entsprachen. Mit anderen Worten: Die Richter in Naumburg sind – wie viele andere Zivilrichter bundesweit auch – der Auffassung, dass die Skandalautos nicht hätten zugelassen werden dürfen. Die Verwaltungsgerichte, die sich bisher mit dem VW-Skandal zu befassen hatten, sind aus test.de nicht nachvollziehbaren Gründen geschlossen anderer Meinung: Die Autos durften trotz der illegalen Motorsteuerung zugelassen werden und wurden sie erst durch die Rückruf-Bescheide des Kraftfahrbundesamts rechtswidrig, ergibt sich aus ihren Entscheidungen im Streit um die Stilllegung von nicht innerhalb von 18 Monaten ab Aufforderung dazu nachgerüsteten Autos. Die Rechtsanwälte haben einen Bericht zum Verfahren veröffentlicht.
Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 27.09.2019
Aktenzeichen: 7 U 24/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Hahn Rechtsanwälte, Bremen/Hamburg/Stuttgart
14.10.2019 Jetzt ist es amtlich: Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg hat angeordnet, dass Daimler Hunderttausende weiterer Autos, darunter zahlreiche Lieferwagen vom Typ Sprinter, mit einer legalen Motorsteuerung nachrüsten muss. Das hat Daimler am Freitagabend bestätigt. Es gehe um „...eine mittlere sechsstellige Zahl an Mercedes-Benz-Fahrzeugen in Europa...“, hieß es wenig präzise. Wie schon bei bisherigen Daimler-Rückrufen: Der Konzern will Widerspruch einlegen, wird aber gleichwohl die betroffenen Autos mit einer neuen Motorsteuerung ausrüsten. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat auf die Nachricht verärgert reagiert. Das KBA hatte bereits im vergangenen Jahr 740 000 Mercedes wegen illegaler Motorsteuerung beanstandet. Daimler hat ein Bußgeld in Höhe von 870 Millionen Euro gezahlt. Einzelheiten im ausführlichen Bericht von heise.de.
Zwei weitere Landgerichte urteilen: VW muss Autofahrer entschädigen, ohne dass eine Entschädigung für die mit dem Auto gefahrenen Kilometer anzurechnen ist. Besonders verbraucherfreundlich: Die 3. Kammer des Landgerichts Essen spricht einer Autofahrerin zusätzlich noch Zinsen auf den Kaufpreis zu, so dass die Frau jetzt mehr Geld erhalten soll, als sie für ihren Wagen ursprünglich gezahlt hat.
Landgericht Kiel, Urteil vom 01.10.2019
Aktenzeichen: 11 O 243/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer, Lahr
Landgericht Essen, Urteil vom 01.08.2019
Aktenzeichen: 3 O 402/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
Das Landgericht Trier schließlich meint: Die Verjährung möglicher Schadenersatzansprüche gegen VW und andere Autohersteller wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung hat noch gar nicht begonnen. Wegen der unsicheren Rechtslage sei Betroffenen die Klageerhebung nicht zumutbar, so lange nicht der Bundesgerichtshof Grundsatzurteile zur Haftung von Herstellern im Abgasskandal verkündet hat. Weitere Einzelheiten dazu in der Pressemitteilung der erfolgreichen Rechtsanwälte.
Landgericht Trier, Urteil vom 19.09.2019
Aktenzeichen: 5 O 417/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Dr. Lehnen & Sinnig Rechtsanwälte, Trier
10.10.2019 Rechtsanwalt Dr. Stefan Schweersberichtet: Ein weiterer Senat des Oberlandesgerichts Köln will eine Verurteilung von VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung bestätigen. Darauf wies das Gericht in einer Verfügung hin. Termin für die Verhandlung des Falls ist Dienstag, 10. Dezember, 11.30 Uhr, Saal 148 im Gerichtsgebäude am Reichenspergerplatz. Voraussichtliche
Oberlandesgericht Köln, Verfügung vom 24.09.2019
Aktenzeichen: I-4 U 111/19
Klägervertreter: Rechtsanwalt Dr. Stefan Schweers, Berlin
07.10.2019 Bild am Sonntag berichtet hier: Das Kraftfahrtbundesamt hat rund eine Viertelmillion Mercedes-Sprinter-Kastenwagen der Euro 5-Generation, 100 000 davon in Deutschland im Verdacht, mit einer illegalen Motorsteuerung unterwegs zu sein. Es läuft jetzt ein Anhörungsverfahren. Die Daimler AG bleibt dabei: Die Steuerung für Dieselmotoren vom Typ OM651 sei legal. Das Unternehmen hat gegen die bisherigen Bescheide wegen des Rückrufs anderer Wagen mit ähnlichen Motoren Widerspruch einlegt und will vor Gericht ziehen. Parallel läuft aber bereits – freiwillig, wie Daimler betont – die Nachrüstung mit einer Motorsteuerung, die auch das Kraftfahrtbundesamt für legal hält.
07.10.2019 Niederlage für VW vor dem Oberlandesgericht Oldenburg: Die Richter dort bestätigten eine Verurteilung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Besonders verbraucherfreundlich: VW muss unter dem Gesichtspunkt der Verzinsung der Ersatzsumme vier Prozent Zinsen auf den Kaufpreis zahlen. Die Klägerin habe das täuschungsbedingt für den Wagen ausgegebene Geld nicht anderweit nutzen können, begründete den Richter in Oldenburg ihr Urteil. Sie erhält jetzt rund 3 500 Euro Zinsen zusätzlich zum übrigen Schadenersatz. Die Revision ist zugelassen, so dass der Fall wahrscheinlich noch vor den Bundesgerichtshof nach Karlsruhe kommt. Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung des Gerichts.
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 02.10.2019
Aktenzeichen: 5 U 47/19
Klägervertreter: Hahn Rechtsanwälte, Bremen/Hamburg/Stuttgart
Auch das Oberlandesgericht Stuttgart will VW offensichtlich wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilen. Das Gericht wies darauf hin, dass es die Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer mit einer Gesamtfahrleistung von 300 000 Kilometern errechnen will. Eine Verzinsung der Ersatzsumme stehe dem Besitzer des Skandalautos aber nicht zu, meinen die Oberlandesrichter in Stuttgart im Gegensatz zu ihren Kollegen in Oldenburg.
Oberlandesgericht Stuttgart, Hinweis vom 27.09.2019
Aktenzeichen: 12 U 193/19
Klägervertreter: Dr. Kraft & Rudolph Rechtsanwälte, Wangen im Allgäu
04.10.2019 Der Ärger um neuere Dieselmotoren von VW zieht Kreise. In einer Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Köln bestritt VW nicht mehr, dass auch die Motorsteuerung in EA288-Motoren erkennt, ob der Wagen sich im Prüfstand befindet oder ob er ganz normal unterwegs ist. VW müsse genau erklären, wozu diese so genannte Zykluserkennung dient und dass sie keine illegale Abschaltung oder Verminderung der Abgasreinigung auslöse, sagte das Gericht. Rechtsanwalt Marco Rogert ist jetzt optimistisch, dass VW auch wegen Motoren, die das Kraftfahrtbundesamt bisher nicht beanstandet hat, Schadenersatz zahlen muss. Einzelheiten zum Fall in der Pressemitteilung der Rechtsanwälte.
Oberlandesgericht Köln, Verhandlungshinweise vom 12.09.2019
Aktenzeichen: 15 U 234/19
Die mutmaßlich illegale Zykluserkennung auch in aktuellen Dieselmotoren des VW-Konzerns ist inzwischen Thema in einem Bericht des Südwestrundfunks gewesen (s. u., 18.09.2019).
04.10.2019 Das Legaltech-Unternehmen Verbraucherritter meldet: Nachdem die Landgerichte Gera und Frankenthal zwei Fragen zu Schadenersatzklagen gegen VW beim Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat (s. u., 06.09.2019, akzeptierte VW Vergleiche mit 15 Mandanten der Kanzlei Prorights aus München, mit der Verbraucherritter zusammenarbeitet. Die Anwälte hatten Kaufpreiserstattung zuzüglich Zinsen und ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung gefordert. Das Landgericht Gera hält für möglich: Der Verstoß gegen EU-Zulassungsregeln berechtigt Autokäufer zum Schadenersatz. Die Richter in Frankenthal wollen wissen, wann so genannte Thermofenster zulässig sind, außerhalb derer die Abgasreinigung verringert oder abgeschaltet wird.
04.10.2019 Wenig Zuhörer, aber großes Medienecho: Der Beginn der Verhandlung über die Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen VW brachte noch wenig Klarheit. Immerhin: Die meisten Anträge der Verbraucherschützer hielt das Oberlandesgericht Braunschweig für zulässig und der zuständige vierte Senat ging vorsichtig auf Distanz zum siebten Senat, der eine Schadenersatzklage gegen VW bereits im Februar klar und ohne Beweisaufnahme abgewiesen hatte. Schadenersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung seien jedenfalls ernsthaft möglich, sagte der Vorsitzende. test.de berichtet auf VW-Seite unter test.de/musterklagen. Der vzbv selbst berichtet hier ausführlich. Zahlreiche Zeitungen, Radio- und TV-Sender berichteten ausführlich.
27.09.2019 In zwei weiteren Fällen des Kammergerichts haben sich Kläger und VW nicht auf einen Vergleich geeinigt und urteilte das Kammergericht gestern. Es bestätigte seine bereits in der mündlichen Verhandlung der Fälle (s. u., 03.09.2019 und 20.08.2019) geäußerte Linie: VW muss Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zahlen. Anzurechnen ist aber eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer. Das Kammergericht rechnet dabei mit einer Gesamtfahrleistung von 300 000 Kilometern. Zinsen auf den Kaufpreis unter dem Gesichtspunkt der Verzinsung der Ersatzsumme muss VW nach Ansicht des Kammergerichts nicht zahlen. Die Revision ist zugelassen, so dass sowohl Kläger als auch VW noch vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe ziehen können.
Kammergericht Berlin, Urteil vom 26.09.2019
Aktenzeichen: 4 U 77/19
Klägervertreter: Rechtsanwalt Torsten Schutte, Berlin
Kammergericht Berlin, Urteil vom 26.09.2019
Aktenzeichen: 4 U 51/19
Klägervertreter: von Rueden Rechtsanwälte, Berlin
27.09.2019 Wie nach den Ansagen des Bundesgerichtshofs (s. u. unter 23.02.2019) ebenfalls erwartet: Das Kammergericht in Berlin hat die Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts zurückgewiesen, wonach ein VW-Händler statt des 2015 gelieferten Wagens mit illegaler Motorsteuerung einen fabrikneuen VW Touran Comfortline Bluemotion Technology 1.6 TDI neu zu liefern hat. Der Kläger muss keine Entschädigung für die mit dem alten Wagen gefahrenen Kilometer zahlen.
Landgericht Berlin, Urteil vom 19.03.2019
Aktenzeichen: 22 O 135/17 (nicht rechtskräftig)
Kammergericht Berlin, Urteil vom 26.09.2019
Aktenzeichen: 4 U 70/19
Klägervertreter: Rechtsanwalt Thomas Schmidt, Kleinmachnow
26.09.2019 Gleich noch ein Oberlandesgerichtsurteil zum Abgasskandal: Auch das Oberlandesgericht Hamm sieht eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung von Autokäufern durch VW. Selbst bei Kauf über ein Jahr nach Bekanntwerden des Skandals kann VW zum Schadenersatz verpflichtet sein. Das Gericht ist davon überzeugt: Die Käuferin eines VW Beetle 1.6 TDI wusste nichts von der illegalen Motorsteuerung, als sie den Wagen im November 2016 erwarb. Weitere Einzelheiten zum Fall auf der Homepage der Rechtsanwälte.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 10.09.2019
Aktenzeichen: I-13 U 149/18
Klägervertreter: Von Rueden Rechtsanwälte, Berlin
27.09.2019 Auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hält für richtig: VW muss Besitzern von Skandalautos Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zahlen. Allerdings: Sie müssen sich nach Auffassung des Gerichts den hypothetischen Wertverlust anrechnen lassen, den ein Wagen ohne illegale Abschaltung der Abgasreinigung durch die Benutzung davongetragen hätte. Es hat deshalb beschlossen, ein Sachverständigengutachten zum Wertverlust einzuholen. Schon kurz nach Bekanntwerten des Beschluss kam Kritik: VW werde damit genau so gestellt, als hätte es ein einwandfreies Auto geliefert. „Das OLG Frankfurt (Main) vermischt negatives und positives Interesse miteinander – ein Verstoß gegen die Grundsätze des deutschen Schadensrechts“, schreibt der Rechtswissenschaftler Heese auf der Webseite zum Abgasskandal-Projekt der Uni Regensburg.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, (Beweis-)Beschluss vom 25.09.2019
Aktenzeichen: 17 U 45/19
Klägervertreter: Rechtsanwalt Ralf Plück von Doerr & Partner, Wiesbaden
26.09.2019 Aus Anlass der verheerenden Ergebnisse von Messungen des Umweltbundesamts zum Stickoxid-Ausstoß von Autos mit Dieselmotoren (s. u., 24.09.2019) hat test.de bei EU-Kommission und EuGH nach dem Stand des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland gefragt, das die EU-Kommission wegen der Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte eingeleitet hatte. Ergebnis: Es ist noch nichts weiter passiert, obwohl die Klage bereits vor fast einem Jahr beim Gerichtshof einging. Die Kommission wirft Deutschland vor, es habe bereits seit 2010 trotz systematischer und fortdauernder Überschreitung der Stickoxidgrenzwerte keine wirksamen Maßnahmen in die Luftreinhaltepläne aufgenommen.
26.09.2019 Auch die Daimler AG zahlt wegen des Abgasskandals ein hohes Bußgeld. 870 Millionen Euro gehen an die baden-württembergische Staatskasse. Weitere Details in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Die bisherigen Abgasskandal-Bußgelder im Überblick:
- Audi 800
- Bosch 90
- Porsche 535
- VW 1 000
(jeweils Millionen Euro).
24.09.2019 Verheerendes Ergebnis: Autos mit Dieselmotoren bis einschließlich Euronorm 6c stoßen bei Fahrten im Straßenverkehr nach wie vor ein Mehrfaches des Grenzwerts an Stickoxid aus. Das haben Messungen des Umweltbundesamts ergeben. Erst nach der Norm Euro 6d zugelassene Diesel sind wirklich sauber.
Vor allem Euro 5-Diesel stoßen viel zu viel Stickoxid aus. Pflicht sind für solche Motoren laut Norm: Maximal 180 Milligramm Stickoxid je Kilometer. Tatsächlich enthielten die Abgase bei Messfahrten des Umweltbundesamts durchschnittlich etwas über 900 Milligramm je Kilometer. Euro 6a/b/c-Diesel kamen auf etwas über 600 statt 80 Milligramm je Kilometer. Das Umweltbundesamt hat auch acht Skandal-VW vor und nach der Umrüstung gemessen. Das bemerkenswerte Ergebnis: Die Wagen lagen vor der Umrüstung etwas besser als der Euro 5-Durchschnittsdiesel bei rund 750 Milligramm Stickoxid je Kilometer, danach immer noch bei knapp 600 – mehr als das dreifache des bis August 2013 geltenden Euro 5-Grenzwerts, mehr als das sechsfache des seither geltenden Grenzwerts.
Folgerung des Umweltbundesamts: Die Nachrüstung von Euro-5-Diesel-Pkw mit SCR Katalysatoren sei weiterhin „absolut notwendig“. Sie senken den realen Stickoxidausstoß zumindest mal auf deutlich unter 300 Milligramm je Kilometer. test.de denkt: Rund um Messstellen mit besonders hoher Belastung der Luft mit Stickoxid sind Fahrverbote für Diesel bis einschließlich Euro 6c zur Einhaltung der Grenzwerte offensichtlich noch wichtiger als bisher angenommen. Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung des Umweltbundesamts.
Die EU hatte bereits im Mai 2018 unter anderem gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Verfahren wegen der Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte in der Atemluft eingeleitet. Es droht eine Milliarden Euro teure Strafe.
24.09.2019 Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat gegen Ex-VW.-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn, Aufsichtsratvorsitzenden Hans Dieter Pötsch und den aktuellen Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess Anklage wegen Aktienmarktmanipulation erhoben. Nach Ansicht der Staatsanwälte haben sie entgegen der ihnen obliegenden gesetzlichen Pflicht den Kapitalmarkt vorsätzlich zu spät über den Abgasskandal und die darauf beruhenden Zahlungsverpflichtungen des Konzerns in Milliardenhöhe informiert. Quelle: Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Braunschweig.
23.09.2019 Kompromissvorschlag zur Verzinsung des für Skandalautos gezahlten Kaufpreises: Laut Oberlandesgericht Koblenz ist zwar VW zur Verzinsung der Ersatzsumme verpflichtet. Die Verzinsung bezieht sich aber nicht auf den gesamten für das Skandalauto gezahlten Kaufpreis, sondern nur auf den täuschungsbedingt unberechtigten Teil. Der macht nach Auffassung der Richter in Koblenz 10 Prozent des Kaufpreises aus. Das Oberlandesgericht ließ wegen dieser Frage die Revision zu, so dass sich jetzt der Bundesgerichtshof äußern kann.
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 16.09.2019
Aktenzeichen: 12 U 61/19
Klägervertreter: Rechtsanwalt Thomas Schmidt, Kleinmachnow
19.09.2019 Wie dick ist die Luft denn jetzt? Die Antwort in Form der aktuellen Daten der nächst gelegenen Messstation liefert die App des Umweltbundesamts direkt auf den Smartphone-Bildschirm. Die Daten zur Feinstaub-, Ozon- und Stickoxid-Konzentration in der Luft werden stündlich aktualisiert. Die kostenlose App gibts sowohl für Apple-Iphones und -Ipads Geräte als auch für Android-Geräte. Hauptquelle für Feinstaub und Stickoxid ist der Straßenverkehr. Stickoxid stammt zum großen Teil aus Dieselmotoren.
18.09.2019 Der Südwestrundfunk (SWR) berichtet: Auch neuer VW-Dieselmotoren enthalten offenbar eine so genannte Prüfstandserkennung mit Auswirkungen auf die Abgasreinigung. Nach Darstellung der Rundfunkanstalt liegt den Redakteuren ein internes Dokument vor, in dem es wörtlich heißt: „SCR: Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Erkennung des Precon und NEZF, um die Umschaltung der Rohemissionsbedatung (AGR High/low) streckengesteuert auszulösen.“
Anwälte und Experten, die der SWR befragte, werteten das als klaren Beleg dafür, dass auch bei Dieselmotoren des Typs EA288 – wie schon bei den Skandalmotoren vom Typ EA189 – die Abgasreinigung davon abhängt, ob gerade der Schadstoffausstoß im Prüfstand gemessen wird oder der Wagen ganz normal im Straßenverkehr unterwegs ist. Die Einspritzung von Adblue werde dann verringert. VW bestreitet illegale Tricks. Die Motorsteuerung sei legal. Bundesregierung und Kraftfahrtbundesam erklärten dem SWR gegenüber: Es sei in den fraglichen Autos keine Abschalteinrichtung festgestellt worden. Einzelheiten im Online-Bericht des SWR.
16.09.2019 Mehr geht nicht: Laut Landgericht Kassel hat VW der Besitzerin eines VW Touran den Kaufpreis zu erstatten, muss darauf vier Prozent Zinsen zahlen und darf keine Entschädigung für die mit dem Auto gefahrenen Kilometer abziehen. Sie hat ihren Wagen also nicht nur 73 000 Kilometer völlig kostenlos gefahren, sondern erhält auch noch rund 3 500 Euro. Begründung des Gerichts: Es sei paradox, wenn ein Autohersteller, der vorsätzlich gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen hat, aus Billigkeitsgründen von einem Teil seiner Schadensersatzhaftung wieder frei würde, indem der geschädigte Autokäufer einen Nutzungsersatz für die gefahrenen Kilometer leisten müsse. Einzelheiten zum Fall auf der Homepage der Rechtsanwälte.
Landgericht Kassel, Urteil vom 04.09.2019
Aktenzeichen: 8 O 2320/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Lehnen & Sinnig Rechtsanwälte, Trier
09.09.2019 Hinweis von Rechtsanwalt Thomas Schmidt aus Kleinmachnow: Jura-Professor Michael Heese, Uni Regensburg sammelt unter anderem mit Schmidts Unterstützung systematisch Gerichtsurteile und rechtswissenschaftliche Aufsätze zum Abgasskandal und wertet sie aus. Die Ergebnisse dieses Projekts Dieselskandal stellt er online ausführlich dar.
06.09.2019 Gleich zwei zentrale Rechtsfragen zum Abgasskandal liegen jetzt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.
Das Landgericht Gera will von den Richtern dort wissen, ob die EU-Regeln über die Typzulassung auch dazu gedacht sind, Autokäufer zu schützen oder ob sie nur dem Umweltschutz und damit der Allgemeinheit dienen. Kommt der EuGH zum Ergebnis, dass die Regeln auch dem Schutz von Autokäufern dienen, dann haben diese auch dann Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller, wenn die Voraussetzungen für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nicht vorliegen.
Landgericht Gera, Beschluss vom 30.08.2019
Aktenzeichen: 7 O 1188/18
Aktenzeichen beim EuGH: C-663/19
Klägervertreter: Rechtsanwalt Torsten Schutte, Berlin
Noch brisanter: Das Landgericht Frankenthal in der Pfalz legt Luxemburg die Frage vor, wann so genannte „Thermofenster“ nach EU-Recht ausnahmsweise zulässig sind. Dabei wird die Abgasreinigung unterhalb und oberhalb bestimmter Lufttemperaturen reduziert oder abgeschaltet. Eine solche Abschalteinrichtung ist nach den Richtlinien der EU für die Zulassung von Autotypen nur zulässig, wenn dies zum Schutz des Motors oder zur Vermeidung von Unfällen notwendig ist. Das Landgericht Frankenthal will wissen, wie der Begriff „notwendig“ zu verstehen ist und ob auch wirtschaftliche Überlegungen einen Hersteller dazu berechtigen, die Abgasreinigung unter bestimmten Bedingungen zu reduzieren statt bessere und teurere Abgasreinigungstechnik einzubauen.
Vor dem Landgericht Frankenthal geht es um einen Mercedes C220 Bluetec T. Der Kläger verlangt von der Daimler AG die Erstattung des Kaufpreises.
Landgericht Frankenthal, Beschluss vom 02.09.2019
Aktenzeichen: 2 O 13/19
Klägervertreter: Decker & Böse Rechtsanwälte, Köln
Weitere Informationen: Presseerklärung des Gerichts. Rechtlicher Hintergrund: Instanzgerichte in Deutschland können, müssen Fragen zur Auslegung des Europarechts beim EuGH in Luxemburg vorlegen, wenn es auf sie bei der Entscheidung des Rechtsstreits ankommt. Der Bundesgerichtshof ist dazu verpflichtet. Letztlich hat allein der EuGH über Reichweite und Auslegung von EU-Regeln zu entscheiden.
Die Auslegung der EU-Regeln über die Typzulassung ist höchst umstritten. Einzelne Zivilgerichte sehen Schadenersatzansprüche von Autobesitzern, wenn der Hersteller die Typzulassungsregeln verletzt hat. Die meisten allerdings halten für richtig: Es handelt sich um Regeln im Dienste der Umwelt und der Allgemeinheit. Der Bundesgerichtshof hat sich zu den Zulassungsregeln noch nicht geäußert, ist aber bisher recht streng und will eindeutige Indizien dafür, dass der Gesetzgeber mit den Regeln über die Allgemeinheit hinaus auch einzelne Menschen berechtigen wollte. Der EuGH zeigte sich bisher eher großzügiger.
Umstritten ist, auch ob die Skandalautos überhaupt zugelassen werden durften und ob sie nach Bekanntwerden des Skandals sofort aus dem Verkehr hätten gezogen werden müssen. Die deutschen Verwaltungsgerichte sind geschlossen der Meinung: Die Skandalautos durften aufgrund der Erklärung des Herstellers, dass sie mit dem jeweils zugelassenen Autotyp übereinstimmen, für den Straßenverkehr zugelassen werden. Erst durch die Bescheide des Kraftfahrtbundesamts, wonach die Motorsteuerung zu ändern ist, seien Zulassungen von Skandalautos nachträglich rechtswidrig geworden. Sie dürfen weiterfahren, bis die Behörden Sie im Einzelfall wegen Verweigerung der Änderung der Motorsteuerung stillegen.
Die Zivilgerichte legen ihren Entscheidungen dagegen überwiegend zugrunde: Die Autos entsprachen der Typgenehmigung überhaupt nicht. Die Mechanismen zur Abschaltung der Abgasreinigung hätten die Hersteller den Behörden verschwiegen. Sie wussten davon bei der Typzulasssung nichts. Die tatsächlich gelieferten Autos entsprachen damit nicht dem zugelassenen Autotyp. Die mitgelieferten Übereinstimmungserklärung waren falsch. Die Autos hätten damit gar nicht zugelassen werden dürfen und hätten bei Bekanntwerden des Skandals sofort stillgelegt werden müssen.
Das letzte Wort dazu hat so oder so der EuGH. Ob er die entscheidenden Fragen auf die Vorlagen der Landgerichte Gera und Frankenthal beantwortet, bleibt abzuwarten. Wenn feststeht, dass VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung haftet, dann kommt es nicht darauf an, ob auch Schadenersatzansprüche wegen der Verletzung von EU-Regeln begründet sind. Die Vorlage des Landgerichts Gera ist dann unzulässig. Weitere Einzelheiten im Bericht der Legal TribBericht der Legal Tribune Online zum Thema.
03.09.2019 Das Kammergericht in Berlin bleibt vorläufig dabei: Besitzer von Skandalautos erhalten zwar Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, müssen sich aber eine Entschädigung für mit dem Wagen gefahrene Kilometer anrechnen lassen. Der Klägeranwalt hatte argumentiert: VW habe kein zulassungsfähiges Auto geliefert, sondern eine bloße Verbrennungsanlage. Der Wagen sei von Anfang an wertlos gewesen. Der Kläger durfte ihn wegen des Verstoßes gegen Umweltvorschriften überhaupt nicht nutzen. Er tat es aber trotzdem, hielt der Vorsitzende des 4. Senats dem Kläger entgegen. Das Landgericht hatte VW zusätzlich noch zum Ersatz von Aufwendungen und außergerichtlicher Rechtsanwaltshonorare verurteilt. Das halte der Senat nicht für berechtigt, erklärte der Vorsitzende. Zumindest hätte der Kläger sehr viel genauer erklären müssen, welche Ausgaben für Reparaturen, Ersatzteile und Kreditzinsen er warum von VW ersetzt haben will. Als Schadenersatz erhält der Kläger danach Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung und abzüglich 14 000 Euro. Die hatte er von seiner Versicherung erhalten, nachdem ihm der Wagen vor zwei Jahren gestohlen worden war.
Kammergericht Berlin, mündliche Hinweise vom 03.09.2019
Aktenzeichen: 4 U 77/18
Klägervertreter: Rechtsanwalt Torsten Schutte, Berlin
03.09.2019 Erneut verbraucherfreundliche Ansagen vom Kammergericht in Berlin: Käufer von Skandalautos dürften einen Anspruch auf Neulieferung haben, auch wenn der ursprünglich gelieferte Wagen nicht mehr verfügbar ist. So stellte es der Vorsitzende des 4. Zivilsenats als Ergebnis der Zwischenberatung eines Falls dar, in dem der Kläger einen neuen VW Touran mit 1.6 TDI-Motor fordert. Vor dem Landgericht hatte er gewonnen. Doch der VW-Händler legte Berufung ein.
Der Kläger brauche auch keine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer zu zahlen, erklärte er. Dass er damit erheblich besser stehe als Skandalopfer, denen VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung haftet, sei nicht wirklich begründbar, beruhe aber auf den Vorgaben des Europäischen Gerichtshof zum Neulieferungsanspruch und sei nicht zu ändern. Kläger und Händler verhandeln jetzt über einen Vergleich.
Kammergericht Berlin, mündliche Hinweise vom 03.09.2019
Aktenzeichen: 4 U 70/19
Klägervertreter: Rechtsanwalt Thomas Schmidt, Kleinmachnow
30.08.2019 Myright.de fordert Kunden des Unternehmens auf, mögliche Schadenersatzforderungen gegen VW zusätzlich sicherheitshalber auch bei der Musterfeststellungsklage anzumelden. Hintergrund: VW verteidigt sich gegen die Myright.de-Klagen unter anderem mit dem Einwand: Die Abtretung der Forderungen an das Unternehmen verstoße gegen das Rechtsberatungsgesetz. Das halten die Juristen dort zwar für nicht richtig. Mit der kostenlosen Anmeldung zur Musterfeststellungsklage seien Betroffene aber ganz sicher, dass ihre Forderungen nicht verjähren. Details dazu in Kürze in einer aktualisierten Fassung der Meldung: VW-Skandal: US-Kanzlei hat Sammelklage erhoben. Irritierend: Auf der Homepage wirbt Myright.de dafür, sich von der Sammelklage abzumelden. Das gilt aber nicht für Kunden, die ihre Forderungen bereits ans Unternehmen abgetreten haben, sondern nur für die Interessenten an der aktuell angebotenen Prozessfinanzierung für individuelle Klagen gegen VW. Für das ursprüngliche Geschäftsmodell nimmt Myright.de keine Anmeldungen mehr an.
28.08.2019 Rechtsanwalt Thomas Schmidt weist darauf hin: Bisher 60 Gerichte halten die Forderung nach Verzinsung der Ersatzsumme in Abgasskandalfällen für berechtigt. Er hält eine Liste der Urteilsnachweise zum Download bereit. Es geht um viel Geld. Ist die Ersatzsumme zu verzinsen, hat der jeweilige Hersteller zusätzlich um Schadenersatz Zinsen auf den Kaufpreis zu zahlen. Bei einem Wagen, für den der Käufer am 1. September 2012 25 000 Euro gezahlt hat, macht allein das Stand heute genau 6 990,87 Euro aus.
26.08.2019 Rechtsanwalt Prof. Dr. Marco Rogert berichtet über die Verhandlungen der beiden Abgasskandalfälle von vergangenem Donnerstag (s. u., 22.08.2019) noch zusätzlich: Die Richter dort sind der Meinung: Autos mit illegaler Motorsteuerung sind mangelhaft. Ist eine so genannte Prüfstandserkennung installiert, die Abgasreinigung bei allen Fahrten jenseits von Prüfstandversuchen reduziert oder abschaltet, liegt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nahe. Bei so genannten Thermofenstern, also die Abschaltung oder Reduktion der Abgasreinigung oberhalb und unterhalb bestimmter Lufttemperaturen ist das nicht so klar. Die seien zwar oft wohl auch illegal. Soweit allerdings ein Autohersteller sie - etwa gestützt auf die Ansicht des Kraftfahrtbundesamt für legal hält, könnte das als ein Verbotsirrtum erscheinen. Für den regelt das Strafgesetzbuch: War der Irrtum unvermeidbar, handelte der Täter ohne Schuld. Wenn der Irrtum vermeidbar war, kann die Strafe gemildert werden. Selbst bei Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums könnten die Zivilgerichte zum Ergebnis kommen: Zumindest eine sittenwidrige Schädigung liegt nicht vor.
Soweit also nur ein Thermofenster vorliegt, kommt es darauf an, wie groß es ist und ob der Hersteller diese Begrenzung der Abgasreinigung für legal halten durfte. Laut EU-Richtlinie ist eine Abschaltung der Abgasreinigung zulässig, wenn sie „...notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten“.
Allerdings: Rogert sieht eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung schon, wenn Autohersteller bei der Typzulassung – so wie lange üblich – gar nicht offenlegen, dass und unter welchen Bedingungen die Motorsteuerung die Abgasreinigung reduziert.
22.08.2019 Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden: Ein Gutachter soll klären, ob auch nach Euro 5 schadstoffarme 3.0 TDI-Motoren aus dem VW-Konzern illegal gesteuert sind. Die hat das Kraftfahrbundesamt bisher nicht zurückgerufen. Der 17. Zivilsenat des Gerichts hat gestern Hinweisbeschlüsse zu zwei Verfahren verkündet. Es geht um einen Audi Q5 V6 3,0 TDI mit 176 Kilowatt/239 Pferdestärken Leistung und einen Audi A 4 3,0 TDI mit 180 Kilowatt/245 Pferdestärken Leistung. Die Besitzer verlangen von VW Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung. Die Landgerichte Heidelberg und Karlsruhe hatten die Klagen noch abgewiesen. Das Oberlandesgericht in Karlsruhe meint jetzt: Wenn die Motorsteuerung wie bei vielen anderen Motoren und Motorvarianten illegal ist, dann müsse VW an die Besitzer Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung leisten.
Der Gutachter soll zunächst klären, ob die Motorsteuerung einen Mechanismus zur Erkennung von Prüfstandsversuchen habe und die Abgasreinigung für solche Versuche einschalte oder jedenfalls verstärke.
Fest steht außerdem: Die Motorsteuerung verringert die Abgasreinigung ober- und unterhalb bestimmter Lufttemperaturen. VW muss jetzt erklären, warum der Konzern dies für zulässig hält. Weitere Einzelheiten in der ausführlichen Pressemitteilung des Gerichts.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Hinweisbeschlüsse vom 22.08.2019
Aktenzeichen: 17 U 257/18
Aktenzeichen: 17 U 294/18
Klägervertreter jeweils: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
22.08.2019 Wie erwartet: Das Kraftfahrtbundesamt hat gegen die Verurteilung zur Herausgabe von Akten zum Abgasskandal ans ZDF (s. u., 10.05.2019) in letzter Minute beantragt, die Berufung zuzulassen. Jetzt hat die Behörde zunächst Zeit, die Beschwerde zu begründen. Dann muss das Oberverwaltungsgericht in Schleswig entscheiden. Hat das Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung oder sieht es eine grundsätzliche Bedeutung der Sache, dann lässt es die Berufung zu. Das dann fällige Berufungsverfahren kann sich über Jahre hinziehen.
Verwaltungsgericht Schleswig, Urteil vom 25.04.2019
Aktenzeichen: 6 A 222/16 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwalt Dr. Christoph Partsch, Berlin
22.08.2019 Daimler muss offenbar weitere Modelle nachrüsten. Das berichtet Rechtsanwalt Lars Murken-Flato aus der Bremer Kanzlei von Hahn Rechtsanwälte. Irritierend für Betroffene: Vor einigen Wochen hatte Mercedes sie bereits für ein freiwilliges Update der Motorsteuerung in die Werkstätten geladen. Jetzt schreibe Daimler erneut an eine unbekannte Zahl von Euro 5-Mercedes-Besitzern und bezeichne den Rückruf diesmal als verpflichtend. Bekannt war bisher nur der vom Kraftfahrtbundesamt angeordnete Rückruf von 280 0000 nach Euro 6b schadstoffarmen Mercedes sowie 22 500 Euro 5-GLK 220 CDI 4Matic. Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung der Kanzlei.
22.08.2019 Unter dem Eindruck des Abgasskandals fordert Bundesjustizministerin Christine Lambrecht drastisch härtere Sanktionen für Unternehmen bei schweren Gesetzesverstößen. Bis zu zehn Prozent Jahresumsatz sollen als Bußgeld verhängt werden dürfen. Weitere Einzelheiten im Bericht des Deutschlandfunks. Umsatz der VW AG im Jahr 2018: 236 Milliarden Euro. Mögliches Bußgeld nach Lambrechts Vorschlägen also: 23,6 Milliarden Euro. Nach der aktuellen Rechtslage zahlten wegen des Abgasskandals VW eine Milliarde, Audi 800 Millionen, Porsche 535 Millionen und Zulieferer Bosch 90 Millionen Euro Buße.
22.08.2019 Rechtsanwalt Frederik Wietbrok berichtet: VW muss auch Erben von Skandalauto-Käufern entschädigen. Das Landgericht Berlin verurteilte VW zum Schadenersatz wegen eines Audi A4, den der Kläger von seinem Vater geerbt hatte. Weitere Einzelheiten zum Fall auf der Homepage der Rechtsanwälte.
Landgericht Hamburg, Urteil vom 15.08.2019
Aktenzeichen: 316 O 6/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Wietbrok Rechtsanwälte, Hamburg
20.08.2019 Der 4. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin ist der Meinung: VW hat die Käufer von Skandalautos vorsätzlich sittenwidrig geschädigt und muss Schadenersatz zahlen. Das sagte der Vorsitzende der Kammer, Dr. Tilmann Sprockhoff. Der Senat verhandelte heute zwei Fälle, nachdem sich drei weitere am Tag vor der Verhandlung jeweils durch eine Einigung der Parteien erledigt hatten. Es ging noch um einen VW Golf und einen VW Passat jeweils mit TDI-Motor. Der 21. Senat des Kammergerichts hatte im Frühsommer entschieden: Es muss darüber Beweis erhoben werden, ob die von VW geänderte Motorsteuerung korrekt funktioniert und keine Nachteile mit sich bringt (s. u. 17.06.2019).
Sprockhoff und seine beiden Kollegen im 4. Zivilsenat meinen: Darauf kommt es nicht an. Den Käufern der Wagen stehe so oder so Schadenersatz zu. Der mit dem Abgasskandal verbundene Minderwert bleibe. Allerdings: Die Kläger müssen sich eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Der 4. Zivilsenat des Kammergerichts will sie auf der Grundlage einer Gesamtfahrleistung von 300 000 Kilometern errechnen. Entziehungszinsen nach § 849 des Bürgerlichen Gesetzbuchs stehe Besitzern von Skandalautos aber nicht zu. So hatten es zuletzt etliche Landgerichte entschieden. Diese Zinsen seien nur fällig, wenn eine Sache oder ein Geldbetrag dem Geschädigten vollständig entzogen seien, erklärte Sprockhoff. Das sei in den Abgasskandalfällen nicht so.
Tragisch: Während der Verhandlung des zweiten Falls erlitt der berichterstattende Richter einen Zusammenbruch. Er kippte unvermittelt vom Stuhl. Vorsitzender Sprockhoff unterbrach die Verhandlung daraufhin bis auf weiteres. test.de hofft sehr: Es geht dem Richter inzwischen wieder besser.
Kammergericht Berlin, mündliche Hinweise vom 20.08.2019
Aktenzeichen: 4 U 9/19
Klägervertreter: Rechtsanwalt Thomas Schmidt, Kleinmachnow
Aktenzeichen: 4 U 51/19
Klägervertreter: Von Rüden Rechtsanwälte, Berlin
19.08.2019 Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälte ziehen jetzt auch gegen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und das Kraftfahrtbundesamt vor Gericht. Der Staat hafte für bei Skandalopfern entstandene Schäden, weil er die Richtlinien der Europäischen Union mangelhaft umgesetzt und Beihilfe zum Betrug geleistet habe, glaubt die Kanzlei. Obwohl es frühe Hinweise auf das Verwenden von illegalen Abschalteinrichtungen gegeben habe, erteilte das Kraftfahrtbundesamt die Typengenehmigungen aus Sicht der Rechtsanwälte ohne hinreichende Tests und Prüfungen. Selbst nachdem im Jahre 2015 der Abgasskandal und die Manipulationen der Volkswagen AG bekannt geworden waren, konnte die Audi AG bis in das Jahre 2018 noch manipulierte Fahrzeuge verkaufen, ohne dass das Kraftfahrtbundesamt einschritt, schimpft die Kanzlei. Sie habe jetzt bundesweit über 40 Klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht. Gleichzeitig klagt die Kanzlei vor Verwaltungsgerichten auf Auskunft über Details der Nachrüstung. Die Bundesrepublik soll zunächst auf die Einrede der Verjährung verzichten, forderten die Rechtsanwälte in einem Schreiben ans Ministerium. Einzelheiten zur Staatshaftungsklage auf der Homepage der Anwälte.
19.08.2019 Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung berichtet: Einmal mehr beurteilt ein Landgericht die Motorsteuerung eines Wagens aus dem Daimler-Konzern als illegal, weil die Motorsteuerung die Abgasreinigung außerhalb bestimmter Temperaturen reduziert oder abschaltet. Es ging um einen nach Euro 6b schadstoffarmen Mercedes ML350. Das Kraftfahrtbundesamt hat diese Wagen inzwischen zurückgerufen. Mercedes muss eine neue Motorsteuerung entwickeln und installieren. Nach dem Urteil muss der Händler den Wagen zurücknehmen und den Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung erstatten. Einzelheiten zum Fall in der Pressemitteilung der Kanzlei.
Landgericht Itzehoe, Urteil vom 09.08.2019
Aktenzeichen: 6 O 101/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft, Mönchengladbach
19.08.2019 Rechtsanwalt Frederik Wietbrok berichtet: VW muss der Kanzlei wegen des von den Rechtsanwälten geleasten VW Tiguan 2.0 TDI Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zahlen. Der Konzern hat alle Leasingraten abzüglich einer Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen gut 50 000 Euro zu erstatten. Unter dem Strich hat der Wagen die Rechtsanwälte jetzt nur etwa die Hälfte gekostet.
Landgericht Hamburg, Urteil vom 15.08.2019
Aktenzeichen: 316 O 25/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Wietbrok Rechtsanwälte, Hamburg
19.08.2019 Immerhin: Zwei der fünf Abgasskandal-Verhandlungen, die das Kammergericht in Berlin für heute angekündigt hatte (s. u., 15.08.2019) finden offenbar statt. Die für 12.00, 13.00 und 14.00 Uhr anberaumten Verhandlungen fallen allerdings aus. Offenbar haben die Parteien wie schon so oft in letzter Minute Vergleiche geschlossen.
16.08.2019 Rechtsanwalt Ulrich Poppelbaum berichtet: Obwohl der Kläger den Wagen erst im Dezember 2019 – also drei Monate nach Bekanntwerden des Abgasskandals – erworben hatte, verurteilte das Landgericht Bochum VW dazu, ihm Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu zahlen. „Die (...) Kenntnis der öffentlichen Berichterstattung (...) genügt für einen Ausschluss (von Schadenersatzforderungen, Ergänzung der Red.) angesichts der Schwere des Vorwurfes so kurz nach Bekanntwerden der „Dieselthematik“ (...) nicht. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die Tragweite erst nach und nach Eingang in die Medien fand und die Betroffenen im Dezember 2015 noch nicht persönlich angeschrieben worden waren“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Landgericht Bochum, Urteil vom 17.07.2019
Aktenzeichen: I-1 O 429/18
Klägervertreter: Poppelbaum Geigenmüller Rechsanwälte, Berlin
15.08.2019 Zwei verbraucherfreundliche Urteile zu Porsche-Modellen: Laut Landgericht Koblenz ist die Motorsteuerung eines Euro 5-Cayenne-TDI illegal, obwohl das Kraftfahrtbundesamt ihn nicht zurückgerufen hat. Das Landgericht Stuttgart verurteilt Porsche zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und muss Porsche auch gut 13 000 Euro Zinsen zusätzlich zahlen (vgl. zum rechtlichen Hintergrund den Kurzbericht unter dem 12.08.2019). Einzelheiten jeweils in unserer Urteilsliste.
Landgericht Koblenz, Urteil vom 10.07.2019
Aktenzeichen: 12 O 119/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer, Lahr
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 09.08.2019
Aktenzeichen: 23 O 7/19 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwalt Tobias Honzal, Kanzlei Dr. Kraft & Rudolph, Wangen im Allgäu
Und: Rechtsanwalt Thomas Schmidt aus Kleinmachnow teilt mit: Das Kammergericht in Berlin hat der VW Automobile Berlin GmbH empfohlen, einen Vergleich mit einem Käufer eines Skandalautos abzuschließen. Das Gericht weist daraufhin, dass eine Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung begründet sein könnte. Es hatten bereits einige Landgerichte entschieden: Wenn konzerneigene Unternehmen wie die VW Automobile GmbH Autos verkaufen, dann ist das Wissen der Konzernmutter dem Verkäufer zuzurechnen und liegt dementsprechend eine arglistige Täuschung vor.
Kammergericht Berlin, Hinweis vom 29.07.2019
Aktenzeichen: 4 U 70/19
Dort steht der Showdown der Abgasskandal-Streitigkeiten unmittelbar bevor. Der 4. Senat des Kammergerichts will am kommenden Dienstag, 20. August 2019, fünf Schadenersatzklagen von Abgasskandalopfern gegen Hersteller verhandeln. Einzelheiten in der Pressemitteilung des Gerichts. Nicht auszuschließen: Die Parteien schließen in letzter Minute für die Skandalautobesitzer günstige Vergleiche und die Verhandlungen fallen – wie schon zahlreiche Termine bei anderen Oberlandesgerichten zuvor – aus. Andererseits: VW hatte es in letzter Zeit immer mal wieder darauf ankommen lassen und gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Oberlandesgerichtsurteilen zum Abgasskandal.
12.08.2019 Rechtsanwalt Marco Manes berichtet: Immer mehr Land- und Oberlandesgerichte gehen dazu über, Hersteller von Skandalautos zur Verzinsung der Ersatzsumme zu verurteilen. Autobesitzer erhalten dann vier Prozent Zinsen auf den Kaufpreis seit der Zahlung. Es geht um viel Geld. Rechenbeispiel: Wer sein Skandalauto heute vor sechs Jahren für 25 000 Euro gekauft hat, erhält zusätzlich zum eigentlichen Schadenersatz 6 000 Euro Ersatzsummen-Zinsen. Jetzt hat auch das Landgericht Stuttgart so geurteilt. O-Ton aus der Begründung: „Die Beklagte hat den Kläger durch eine unerlaubte Handlung nach § 826 BGB zur Bezahlung des Kaufpreises bestimmt, weshalb der Kläger eine Verzinsung nach § 849 BGB verlangen kann.“
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 02.08.2019
Aktenzeichen: 23 0 159/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwaltskanzlei Marco Manes, Bonn
06.08.2019 Jubel bei Rechtsanwälten Stoll & Sauer: Das Landgericht Düsseldorf hält auch die neue Motorsteuerung für einen VW Tiguan mit 2.0 TDI-Motor für illegal. Das Gericht sieht VW verpflichtet, einen Mandanten von Stoll & Sauer zu entschädigen. Die neue Motorsteuerung für den Tiguan enthalte ein so genanntes Thermofenster. Nur zwischen Lufttemperaturen von 10 und 32 Grad sei die Abgasreinigung aktiv. Außerhalb des Temperaturbereichs schalte sie ab. Außerdem wird sie ab einer Höhe von 1 000 Metern über Normalnull deaktiviert. Wenn sich diese Sicht der Dinge durchsetzt, muss Volkswagen mit zahllosen weiteren Klagen rechnen. Auch Besitzer von Skandalautos, die ihren Wagen erst lange nach Bekanntwerden der Manipulationen erworben haben, können Schadenersatz verlangen. Die Verjährung für solche Ansprüche beginnt frühestens mit der Installation der neuen Motorsteuerung und normalerweise erst, wenn der Betroffene von den Mängeln der neuen Motorsteuerung erfährt.
Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 31.07.2019
Aktenzeichen: 7 O 166/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer, Lahr
Noch ein Grund zum Feiern: Erneut verurteilt ein Oberlandesgericht einen VW-Händler dazu, ein komplett neues Auto zu liefern. Der Kläger muss nicht einmal für die mit dem Auto bisher gefahrenen Kilometer zahlen. Grundlage für das Urteil sind die Vorgaben des Bundesgerichtshofs (s. u. unter 23.02.2019).
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 29.07.2019
Aktenzeichen: 5 U 45/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer, Lahr
01.08.2019 Dirk Fuhrhop von Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte in Düsseldorf berichtet: Das Landgericht Kleve habe VW zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt, obwohl die Klägerin ihre Skandalauto erst etwa ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des Skandals erwarb. Auch das Oberlandesgericht Stuttgart habe inzwischen geäußert, dass sie Kenntnis vom VW-Skandal allgemein dicht ausreiche, um Schadenersatzansprüche auszuschließen. Erst wenn potenzielle Käufer konkret wissen, dass der Wagen, für den sie sich interessieren, eine illegale Motorsteuerung hat, sind Schadenersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung später ausgeschlossen. Acht weitere Urteile dieser Art habe die Kanzlei inzwischen erstritten. Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung der Kanzlei.
Landgericht Kleve, Urteil vom 12.07.2019
Aktenzeichen: 3 O 332/18 (nicht rechtskräftig)
Oberlandesgericht Stuttgart, mündlicher Hinweis vom 11.07.2019
Aktenzeichen: 7 U 50/19
Klägervertreter jeweils: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
30.07.2019 Das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg hat einen ersten Nachrüstsatz für verschiedene Volvo-Modelle mit Euro 5-Diesel zugelassen. In den nächsten Tagen soll die Genehmigung von ebensolchen Sätzen für verschiedene BMW- und Mercedes-Modelle folgen. Zum Einbau müssen Autobesitzer in eine Vertragswerkstatt. Die Arbeiten dauern laut Anbieter der Technik rund drei Stunden. Die Kosten liegen laut Anbieter bei 3 000 bis 3 600 Euro je Auto. Die Bundesregierung erwartet von deutschen Herstellern, die Autos mit illegaler Motorsteuerung geliefert haben, Autobesitzern einen Zuschuss zu zahlen. Volvo, deren Autos soweit bekannt stets mit legaler Motorsteuerung versehen waren, will den Einbau nicht fördern und auch keine Garantie übernehmen. Der Stickoxidausstoß soll durch die Nachrüstung auf höchstens noch 270 Milligramm je Kilometer sinken. Mit der neuen Technik nachgerüstete Autos dürfen auch fahren, wo die Behörden wegen hoher Stickoxid-Belastung der Luft Fahrverbote angeordnet haben. Aktuell wichtigstes Beispiel: Die Innenstadt von Stuttgart. Mehr unter test.de/dieselfahrverbote
29.07.2019 Rechtsanwalt Peter Hahn berichtet: Die Landgerichte in Essen und Halle haben VW in zwei weiteren Fällen zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt, ohne dass die Käufer der Skandalautos sich eine Entschädigung für die mit den Wagen gefahrenen Kilometer anrechnen lassen muss. Argument des Gerichts in Halle: Das stelle bei einem derart grob rechtswidrigen Verhalten eine unfaire Entlastung von VW dar.
Landgericht Essen, Urteil vom 16.04.2019
Aktenzeichen: 3 O 566/18 (nicht rechtskräftig)
Landgericht Halle, Urteil vom 27.06.2019
Aktenzeichen: 9 O 9/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter jeweils: Hahn Rechtsanwälte, Bremen
Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll aus Lahr berichtet: Nach dem Oberlandesgericht Karlsruhe hat jetzt auch das Oberlandesgericht in Hamburg einen Autohändler dazu verurteilt, statt eines alten einen fabrikneuen VW Tiguan zu liefern. Vorteil für Kläger: Sie brauchen sich keine Nutzungsentschädigung anrechnen zu lassen.
Hanseatisches Oberlandesgericht (Hamburg), Urteil vom 15.07.2019
Aktenzeichen: 4 O 97/17 (nicht rechtskräftig)
Und: Das Landgericht Stuttgart hat Daimler wegen eines Mercedes GLK 250 CDI (Euro 5) von 2012 zu Schadenersatz verurteilt, obwohl das Kraftfahrtbundesamt den Wagen offiziell gar nicht zurückgerufen hat.
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 25.06.2019
Aktenzeichen: 23 O 127/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter jeweils: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälte, Lahr
26.07.2019 Scharfe Kritik an der ADAC-Rechtsschutzversicherung: Rechtsanwalt Thomas Schmidt aus Kleinmachnow wirft dem Tochterunternehmen des kommerziellen Ablegers des Automobilclub vor, die Deckung für Abgasskandalstreitigkeiten vorsätzlich und wider besseren Wissens rechtswidrig zu verweigern. Der Rechtsschutzversicherer weigere sich, die Kosten für Klagen auf Feststellung der Ersatzpflicht von VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu übernehmen, obwohl er und andere Rechtsanwälte mit solchen Feststellungsklagen bereits wiederholt Erfolg hatten. Er habe Strafanzeige wegen Betrugs gegen Verantwortliche des Unternehmens gestellt.
Die ADAC-Rechtsschutzversicherung weist die Vorwürfe zurück. Das Unternehmen prüfe jeden Einzelfall konsequent und individuell. Dabei berücksichtige der Versicherer selbstverständlich den aktuellen Stand der Rechtssprechung. Letztlich erfolge eine Regulierungsentscheidung oder eine Änderung der Regulierungspraxis jedoch nur tatsachenbasiert und auf der Grundlage veröffentlichter Entscheidungen. Von strafrechtlichen Ermittlungen gegen einen oder mehrere Mitarbeiter wisse das Unternehmen nicht.
Laut Thomas Schmidt hat die zuständige Staatsanwaltschaft die Ermittlungen zwar eingestellt, habe er dagegen jedoch Beschwerde eingelegt, weil er das für grob fehlerhaft hält. Schmidt war bis zu seiner Pensionierung selbst Strafrichter und vertritt eine ganze Reihe von VW-Skandal-Opfern.
Bei anderen Rechtsschutzversicherern steht fest: Sie verweigerten Abgasskandalopfern rechtswidrig die Deckung für Klagen gegen Händler und/oder Hersteller. test.de liegen insgesamt 65 Urteile vor, nach denen die Unternehmen doch zahlen müssen. Eins davon (Amtsgericht München, Urteil vom 28.02.2017, Aktenzeichen: 172 C 21278/16) richtet sich auch die ADAC Rechtsschutzversicherungs AG. Details in unserer Liste verbraucherfreundlicher Urteile zum Abgasskandal.
Fest steht: Der Abgasskandal kommt die Rechtsschutzversicherer teuer zu stehen. Allein der ADAC-Rechtsschutz hat zur Deckung der Kosten nach eigenen Angaben fast 50 Millionen Euro zurückgestellt. Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherer sind bereits bis Ende 2018 Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 380 Millionen Euro angefallen. Rund 85 Prozent davon entfallen auf Rechtsanwaltshonorare.
25.07.2019 Im Streit um Schadenersatz wegen des Abgasskandals wird es immer enger für die Autokonzerne. Inzwischen haben viele Oberlandesgerichte sie verurteilt oder Verurteilungen durch Landgerichte bestätigt.
Die Richter am Oberlandesgericht Hamm äußerten bei der Verhandlung einer Klage gegen Mercedes am vergangenen Montag (22.07.2019, Aktenzeichen: 17 U 191/17) die Meinung: Soweit Autohersteller ihre Wagen mit einem illegalen Mechanismus zur Abschaltung oder Reduktion der Abgasreinigung ausliefern, könne das eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstellen. Die Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft aus Mönchengladbach hatte das Abgasskandalopfer in dem Verfahren vertreten. Auf die Behauptung des Klägers hin, dass ein solcher Mechanismus vorliege, sei daher nach der vorläufigen Rechtsauffassung des Gerichts ein Sachverständigengutachten einzuholen. Es ging um einen Mercedes E250 für über 35 000 Euro. Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung der Kanzlei Korumtas.
Erstmals hat jetzt auch das Oberlandesgericht Köln VW zu Schadenersatz wegen des Abgasskandals verurteilt. Bisher lagen soweit test.de bekannt nur Beschlüsse vor. Das Unternehmen habe Käufer von Skandalautos vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, entscheidet das Gericht jetzt auch per Urteil. Der Konzern muss den Kaufpreis für einen VW Amarok 2.0 TDI erstatten. Der Kläger muss sich allerdings eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer anrechnen lassen und den Wagen zurückgeben. Er erhält aber vier Prozent Zinsen auf den vollen Kaufpreis von seiner Zahlung an. Grund: Bei unerlaubten Handlungen wie der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung greife eine gesetzliche Sonderregelung, nach der Zinsen unabhängig vom Verzug zu zahlen sind ("Verzinsung der Ersatzsumme", § 849 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) . Die Zinsen allein machen rund 7 500 Euro aus. Insgesamt erhält der Kläger fast 21 000 Euro. Es handelt sich womöglich um das erste rechtskräftige Urteil eines Oberlandesgerichts gegen VW. Das Gericht ließ die Revision nicht zu. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach Ansicht der Klägeranwälte nicht möglich, weil die Hauptforderung des Klägers unter 20 000 Euro liegt. test.de zweifelt. Für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht der nur nach der Hauptforderung ohne Zinsen bemessene Streitwert maßgeblich, sondern die Beschwer der unterlegenen Partei. Die könnte wegen der hohen Zinsen auf den ursprünglichen Kaufpreis bei über 20 000 Euro liegen und die Nichtzulassungsbeschwerde damit zulässig sein. Weitere Details in dem Bericht der Kanzlei.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 17.07.2019
Aktenzeichen: 16 U 199/18 (womöglich rechtskräftig)
Klägervertreter: von Rueden Partnerschaft von Rechtsanwälten, Berlin
Das Oberlandesgericht in Karlsruhe bestätigt erneut eine Verurteilung von VW. Das Landgericht Baden-Baden hatte festgestellt: VW ist zum Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verpflichtet. Das ist zulässig, urteilte jetzt das Oberlandesgericht Karlsruhe. VW sei zum Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verpflichtet. Da bei Klageerhebung noch nicht fest stand, welche Schäden der Klägerin noch entstehen, sei zulässig, die Feststellung der Schadenersatzpflicht zu beantragen, so dass die Klägerin den Umfang ihrer Ansprüche nicht genau darlegen und beweisen muss.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 18.07.2019
Aktenzeichen: 17 U 160/18
Klägervertreter: Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer, Lahr
Allerdings: Schadenersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung entfallen nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle mit Bekanntwerden des Skandals. Sobald der Hersteller die Öffentlichkeit über unzulässige Mechanismen zur Abschaltung der Abgasreinigung und die Notwendigkeit der Nachbesserung unterrichtet, fällt die die Sittenwiderigkeit begründende Täuschung der Verbraucher weg. test.de ergänzt: Entscheidend ist der Zeitpunkt, an dem bekannt wird, dass das konkret betroffene Auto nachgerüstet werden muss. Autobesitzer, die ihr Skandal-Auto nach Bekanntwerden des Skandals gebraucht gekauft haben, können sich mögliche Schadenersatzansprüche des Vorbesitzers abtreten lassen. Dazu reicht eine einfache von Käufer und Verkäufer unterzeichnete Vereinbarung. Formulierungsvorschlag: „Der Verkäufer (Name Adresse) hat dem Käufer (Name Adresse) den Wagen (Typ, Fahrgestellnummer) verkauft. Er tritt ihm alle möglichen Rechte gegen den Hersteller des Fahrzeugs und/oder den Motor ab. Das gilt insbesondere für Schadenersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Der Käufer ist damit einverstanden.“ Der Besitzer des Wagens kann dann die Rechte seines Vorgängers geltend machen.
Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 01.07.2019
Aktenzeichen: 7 U 33/19
Das soweit test.de bekannt einzige Oberlandesgericht, das Schadenersatzklagen gegen VW und andere Autohersteller bisher stets zurückgewiesen hat, ist das in Braunschweig. Das allerdings hat besondere Bedeutung im Abgasskandal. VW hat seinen Sitz im Bezirks des Gerichts. Daher sind dort zahlreiche Verfahren anhängig. Vor allem ist das VW-freundliche Oberlandesgericht Braunschweig in erster Instanz für die Entscheidung über die Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv, Einzelheiten unter test.de/musterklagen) gegen den Autokonzern zuständig.
24.06.2019 Erneut Zwangsrückruf bei Mercedes: Das Kraftfahrtbundesamt fordert für 60 000 Mercedes GLK 220 CDI die Entwicklung und Installation einer neuen Motorsteuerung ohne illegale Abschaltung oder Reduzierung der Abgasreinigung. Das hat das Unternehmen Bild am Sonntag gegenüber bestätigt. Mercedes will gegen den Bescheid Widerspruch einlegen und vielleicht auch vor Gericht ziehen. So hatte es der Autokonzern aus Stuttgart bereits bei einem ersten Zwangsrückruf von 280 000 Autos in Deutschland und 700 000 in Europa gehalten (s. u., 20.08.2018). Siehe auch: Wer ist vom Abgas-Skandal betroffen?.
Mercedes hat auf den Rückruf mit einer so genannten „Gewinnwarnung“ reagiert. Das heißt: Die Manager sind der Meinung, dass das Unternehmen wegen des Rückrufs weniger Gewinn machen wird als ursprünglich angenommen. Reaktion der Börsen: Der Kurs der Daimler-Aktien sank um knapp fünf Prozent.
20.08.2018 Jetzt steht fest: Auch Mercedes hat Hunderttausende von Autos mit Dieselmotor ausgeliefert, bei denen die Motorsteuerung die Abgasreinigung abschaltet oder reduziert, wenn die Autos nicht im Prüfstand stehen, sondern im Straßenverkehr unterwegs sind. So sieht es jedenfalls das Kraftfahrbundesamt. Es hat angeordnet, dass der Automobilhersteller die betroffenen Autos in die Werkstätten zurückruft und sie dort nachrüstet. Mercedes will Widerspruch einlegen. Gleichwohl entwickelt das Unternehmen für die betroffenen Autos eine neue Motorsteuerung ohne unzulässige Abschaltung der Abgasreinigung. Es geht laut Spiegel Online um insgesamt 24 verschiedene Modelle und 280 000 Autos und Kleinbusse in Deutschland und 700 000 europaweit (siehe auch Wer ist vom Abgas-Skandal betroffen?).
20.06.2019 VW revidiert möglicherweise seine Haltung zum Abgasskandal. „Das was wir gemacht haben, war Betrug“, sagte Vorstandsvorsitzender Herbert Diess in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ vom 18. Juni 2019 (Minute 55). Rechtlich ist das zunächst nur eine Rechtsansicht und hat keine unmittelbaren Folgen. Diess Formulierung („Wir“) legt aber nahe: Das Unternehmen will nunmehr zu seiner kollektiven Verantwortung stehen. Was das genau bedeutet, bleibt allerdings unklar. Bisher war die Linie: Einzelne Ingenieure und Manager haben betrogen und trifft VW im Ganzen keine Schuld.
20.06.2019 Die Anwälte der Kanzlei Korumtas aus Köln berichten: VW hat eine Verurteilung zu Schadenersatz wegen Betrugs rechtskräftig werden lassen. Der Konzern nahm die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Trier zurück. Die Anwälte glauben: VW hält die Anfechtung von Verurteilungen im Bezirk des Oberlandesgerichts Koblenz inzwischen für aussichtslos.
Landgericht Trier, Urteil vom 18.07.2018
Aktenzeichen: 5 O 9/18
Klägervertreter: Kanzlei Korumtas, Köln
Außerdem zeige VW sich inzwischen anders als früher auch in Fällen vergleichsbereit, in denen noch gar kein Urteil ergangen ist.
20.06.2019 Wietbrok Rechtsanwälte aus Hamburg berichten: VW hat eine für den Konzern ausgesprochen kostspielige Verurteilung rechtskräftig werden lassen. Das Landgericht Lübeck hatte VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu Schadenersatz verurteilt. Der Kläger muss sich zwar eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, bekommt aber Zinsen auf den gesamten Kaufpreis ab Zahlung im August 2014. Allein das sind bis heute genau 7 859,17 Euro. Insgesamt erhält der Kläger rund 38 000 Euro. Gekostet hatte sein Tiguan 4Motion 2.0 TDI im Jahr 2014 40 677,01. Er hatte am Tag der mündlichen Verhandlung des Falles am 9. November 2019 genau 61 926 Kilometer auf dem Tachometer. Einzelheiten zum Fall auf der Homepage der Rechtsanwälte.
Landgericht Lübeck, Urteil vom 07.12.2018
Aktenzeichen: 3 O 143/18
Klägervertreter: Wietbrok Rechtsanwälte, Hamburg
17.06.2019 Showdown im Abgasskandal auch vor dem Arbeitsgericht Braunschweig: Seit 12 Uhr wird über die Kündigungsschutzklage einer hochrangigen VW-Mitarbeiterin verhandelt. Der Konzern hatte ihr wegen Beteiligung an der Entwicklung der illegalen Motorsteuerung nach Bekanntwerden des Skandals gekündigt. Die Frau meint: Sie habe nur getan, wofür sie VW bezahlt hat. Anders als Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn und weitere VW-Manager ist sie nicht wegen Betrugs angeklagt. Möglicherweise werden im Arbeitsgerichtsverfahren neue Einzelheiten darüber bekannt, wer alles an der Entwicklung der illegalen Motorsteuerung beteiligt war. Weitere Einzelheiten im Bericht des Handelsblatts.
17.06.2019 Rechtsanwalt Thomas Schmidt aus Kleinmachnow bei Berlin berichtet: Das Kammergericht Berlin will Prof. Dr. Thomas Esch damit beauftragen, ein Gutachten über mögliche Nachteile des VW-Update der Motorsteuerung eines VW-Tiguan Sport & Style 4Motion Bluemotion Technology 2.0 TDI einzuholen. Voraussetzung ist, dass der Kläger oder seine Rechtsschutzversicherung einen Vorschuss auf die Kosten in Höhe von 12 000 Euro einzahlt. Thomas Esch ist Professor an der Fachhochschule Aachen. Er hält Vorlesungen unter anderem über Verbrennungstechnik und Umweltauswirkungen von Autoantrieben. Das Kammergericht will von ihm wissen, ob die neue Motorsteuerung für den Tiguan nachteilige Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauch und Leistung hat, zu erhöhter Russproduktion und damit erhöhten Verschleiß des Partikelfilters und die Lebenserwartung des Motors verringere. Wir hatten bereits berichtet, s. u., 31.05.2019 und 02.05.2019.
Kammergericht Berlin, (Hinweis-)Beschluss vom 30.04.2019 und (Beweis-)Beschluss vom 12.06.2019
Aktenzeichen jeweils: 21 U 49/18
Klägervertreter: Rechtsanwalt Thomas Schmidt, Kleinmachnow
13.06.2018 Erstmals urteilt ein Oberlandesgericht: VW hat wegen des Abgasskandals Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu zahlen. So hat es das Oberlandesgericht in Koblenz entschieden. Einzelheiten zum Urteil in unserer Liste verbraucherfreundlicher Urteile.
VW spielte das Urteil der Presse gegenüber herunter. Es gebe ja schon diverse Oberlandesgerichtsentscheidungen zum VW-Skandal, hieß es in Stellungnahmen. Tatsächlich haben sich bereits verschiedene Oberlandesgerichte geäußert. Ein Urteil wie das aus Koblenz gab es bisher allerdings nicht. Nur das Oberlandesgericht in Braunschweig hatte bisher ein Urteil zu einem vergleichbaren Fall zu fällen. Es entschied: Skandalautobesitzer haben keine Schadenersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (s. u., 21.02.2019). Der Kläger dort hat Revision eingelegt. Gegen das Urteil aus Koblenz kann VW in Revision gehen.
Bisher hat VW OLG-Urteile verhindert und den Klägern jeweils so viel Geld geboten, dass die damit einverstanden waren, das Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit ohne Urteil zu beenden. Möglicherweise ist es damit jetzt vorbei. Das Urteil kommt nämlich nicht überraschend. Die Richter hatten in der mündlichen Verhandlung Ende April keinen Zweifel daran gelassen, dass sie VW verurteilen werden. Gleichwohl machte das Unternehmen dem Kläger – anders als bisher in soweit bekannt allen anderen vergleichbaren Fällen – kein Angebot, mit dem er zufrieden war.
Weitere Einzelheiten zum Fall in der Pressemitteilung des Gerichts und der Pressemitteilung der Rechtsanwälte des Klägers
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 12.06.2019
Aktenzeichen: 5 U 1318/18
Klägervertreter: Goldenstein & Partner, Potsdam
31.05.2019 Rechtsanwalt Thomas Schmidt aus Kleinmachnow bei Berlin berichtet: In dem Fall, in dem das Kammergericht Berlin ein Sachverständigengutachten über mit der neuen laut Kraftfahrtbundesamt legalen Motorsteuerung womöglich verbundene Nachteile vor allem bei der Haltbarkeit der Motoren einholen will (Aktenzeichen: 21 U 49/18, s. u. 02.05.2019), sind Vergleichsverhandlungen vorerst gescheitert. Umstritten ist noch, welchen Sachverständigen das Gericht mit dem Gutachten beauftragen wird. Die Richter haben angekündigt: Der Kläger oder seine Rechtsschutzversicherung müssen 12 000 Euro Vorschuss auf das Gutachterhonorar einzahlen, bevor das Gericht den Auftrag erteilen wird.
27.05.2019 In der Heimat setzt VW sich vor Gericht oft gegen Abgasskandal-Opfer durch – bisher. Jetzt hat das bisher in unserer unserer Liste verbraucherfreundlicher Urteile noch gar nicht vertretene Landgericht Hannover VW zum Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Danach muss VW den Kaufpreis für einen im September 2015 für fast 60 000 Euro verkauften VW Touareg mit 3.0 Liter-TDI Motor, Abgasnorm Euro 6 erstatten. Den hat inzwischen das Kraftfahrtbundesamt ebenfalls wegen illegaler Motorsteuerung zurückgerufen. Der Kläger muss zwar eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer zahlen. Er erhält aber zusätzlich fast 6 900 Euro Zinsen auf den Kaufpreis. Mehr in der Pressemitteilung der Rechtsanwälte.
Landgericht Hannover, Urteil vom 13.05.2019
Aktenzeichen: 1 O 129/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
27.05.2019 Das kann für die Autokonzerne und ihre Händler teuer werden: Händler, die Skandalautos geliefert haben, müssen Käufern der Autos auf Anforderung Neuwagen liefern. Sie erhalten von ihnen nicht mal eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer. So hat es das Oberlandesgericht Karlsruhe nach den Vorgaben im Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs zu dieser Konstellation (s. u. 23.02.2019) in drei Fällen entschieden. Rechtskräftig sind die Urteile noch nicht, das Oberlandesgericht hat jeweils die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Der wird aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei seiner bereits geäußerten Rechtsauffassung bleiben. VW kann mit der Revision im Einzelfall womöglich doch noch Erfolg haben. Entscheidender Punkt nämlich: Es kommt auf die Auslegung des Kaufvertrags an. Ging es dem Käufer um genau das bestellte Auto oder wollte er eher einen Wagen zum Beispiel vom Typ Audi A3 mit einer bestimmten Ausstattung? Mit anderen Worten: Es kommt genau darauf an, was jeweils – nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich – vereinbart und besprochen worden ist.
Klar: Besitzer von Skandalautos, die bereits vor mehr als zwei Jahren geliefert wurden, können von der verschärften Rechtsprechung allenfalls in besonderen Einzelfällen noch profitieren. Ansonsten sind ihre Sachmangelrechte gegen den Händler verjährt.
Allerdings: Auch für zahlreiche bis zuletzt noch gelieferte Autos hat sich herausgestellt: Auch ihre Motorsteuerung ist illegal. Sofern Sie einen womöglich betroffenen Wagen haben, sollten Sie sofort prüfen, ob Sie Neulieferung fordern können. Sie müssen unbedingt rechtzeitig einen Abgasskandalfällen erfahrenen Anwalt einschalten, bevor die Gewährleistungsfrist von in fast allen Fällen zwei Jahren ab Lieferung abläuft.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteile vom 24.05.2019
Aktenzeichen: 13 U 144/17, 13 U 167/17 und 13 U 16/18 (jeweils nicht rechtskräftig)
Klägervertreter jeweils: Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer, Lahr
23.05.2019 Auch Bosch zahlt wegen des Abgasskandals ein hohes Bußgeld. 90 Millionen Euro soll der Hersteller von Einspritzanlagen und anderen elektronisch gesteuerten Motorkomponenten an das Land Baden-Württemberg zahlen. Das Unternehmen erklärte bereits: Es akzeptiere den Bußgeldbescheid und werde das Geld innerhalb der nächsten sechs Wochen überweisen. Damit belaufen sich die Abgasskandal-Bußgelder inzwischen auf insgesamt fast 2,5 Milliarden Euro. Porsche zahlte 535 Millionen, Audi 800 Millionen und VW eine Milliarde Euro.
16.05.2019 Am Montag, 30. September, startet die mündliche Verhandlung der Musterfeststellungsklage gegen VW. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) klagt. Rückendeckung bekommen die Verbraucherschützer vom Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC). 400 000 potenzielle Opfer des VW-Skandals haben bisher Schadenersatzansprüche angemeldet. Weitere können bis zum Tag vor der Verhandlung folgen. Verhandelt wird deshalb im Congress Saal der Stadthalle Braunschweig. Sie bietet rund 500 Zuhörern Platz. 113 davon hat das Gericht für die Presse reserviert. Einzelheiten zu dieser und allen anderen Musterfeststellungsklagen in unserem Special So profitieren Verbraucher von der Musterklage.
14.05.2019 Juristischer Doppelschlag gegen VW: Das Oberlandesgericht Oldenburg hält auch wegen erst nach Bekanntwerden des VW-Skandals verkaufter Autos Sachmangelrechte für denkbar. VW müsse darlegen und beweisen, dass der Käufer des Wagens die mit der illegalen Motorsteuerung verbundenen Mängel genau kannte. Daran ließen sie bei der mündlichen Verhandlung des Falls keinen Zweifel, berichtet Rechtsanwalt Philip Niephaus aus der Kanzlei Rogert & Ulbrich in Düsseldorf. Weitere Einzelheiten in der Presseerklärung der Rechtsanwälte. Setzt sich diese Rechtsansicht durch, dann muss VW auch viele Tausend Autos zurücknehmen, die die Besitzer nach Bekanntwerden des Skandals weiterverkauft hatten.
Bereits wenige Tage zuvor hatte das Oberlandesgericht Köln einen Hinweis an die VW-Anwälte beschlossen, wonach VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nicht nur den für Skandalautos gezahlten Kaufpreis zu erstatten hat, sondern dieser auch ab Kauf zu verzinsen ist. Es will ein Urteil des Landgerichts Köln bestätigen, gegen das VW Berufung eingelegt hatte. Das berichtet die Legal Tribune Online (LTO). Hier ist der vollständige Bericht. Es geht um viel Geld. Rechenbeispiel: Wer am 14.05.2014 ein Skandalauto für 25 000 Euro gekauft hat, bekommt nach der Auffassung des Oberlandesgerichts Köln bis heute zusätzlich Zinsen in Höhe von genau 5 000 Euro. Fällig ist der gesetzliche Zinssatz in Höhe von vier Prozent.
Oberlandesgericht Köln, (Hinweis-)Beschluss vom 29.04.2019
Aktenzeichen: 16 U 30/19
Klägervertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
10.05.2019 Nach wie vor ist unklar, ob der Europäische Gerichtshof in Luxemburg die Gelegenheit bekommt, sich zum Abgasskandal zu äußern. Die Legal Tribune Online meint: Wenn es dazu kommt, ist das Risiko für VW hoch. Fest steht, dass auch die neue nach Ansicht des Kraftfahrtbundesamtes legale Motorsteuerung Abschalteinrichtungen enthält. Solche sind nach den EU-Richtlinien jedoch nur zulässig, wenn sie zum Schutz des Motors nötig sind und keine bessere Technik zur Verfügung steht. Das Kraftfahrtbundesamt ist offenbar großzügiger. Die Details sind noch unklar. Das Verwaltungsgericht Schleswig hat die Behörde allerdings auf die Klage des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) hin dazu verurteilt, die Dokumente über die Freigabe der neuen Motorsteuerung herauszugeben. Hans Koberstein, Redaktion Frontal21 beim ZDF, glaubt: Sie werden belegen, dass das Kraftfahrtbundesamt zweifelhafte Abschalteinrichtungen gebilligt hat. Allerdings: Das Kraftfahrtbundesamt und VW können beim Oberverwaltungsgericht in Schleswig noch beantragen, die Berufung zuzulassen und werden das wohl auch tun. Die Frist dafür läuft noch gar nicht, weil die Urteilsbegründung noch nicht fertig ist. Bis die Unterlagen vorliegen, werden also zumindest noch etliche Monate ins Land gehen.
VW versucht unterdessen nach Kräften, den Abgasskandal von den EU-Richtern in Luxemburg fernzuhalten. Immerhin: Beim Landgericht Erfurt sind noch zwei Verfahren anhängig, in denen Richter Dr. Martin Borowsky bereits darauf hingewiesen hatte: Er will in Luxemburg nachfragen (s. u., 14.03.2019 und 28.03.2019). Ein weiteres Verfahren ist inzwischen erledigt – wie zuvor schon 19 weitere Verfahren (vgl. u. 08.04.2019 und 11.04.2019) VW hat den Klägern offenbar jeweils so viel Geld geboten, dass diese bereit waren, das Verfahren zu beenden.
Verwaltungsgericht Schleswig, Urteil vom 25.04.2019
Aktenzeichen: 6 A 222/16 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwalt Dr. Christoph Partsch, Berlin
09.05.2019 Auch Porsche zahlt wegen des Abgasskandals ein hohes Bußgeld. 535 Millionen Euro muss der Sportwagen-Hersteller zahlen. Das hat die Staatsanwaltschaft München entschieden. Porsche hatte – wie VW, Audi und zahlreiche weitere Autohersteller auch – in seine Geländewagen vom Typ Macan und Cayenne Dieselmotoren eingebaut, bei denen die Abgasreinigung ganz oder teilweise abgeschaltet wurde, sobald die Autos jenseits des Prüfstands für die Messung des Schadstoffausstoßes im Straßenverkehr unterwegs waren. Porsche verzichtete darauf, gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einzulegen. VW hat ein Bußgeld in Höhe von einer Milliarde Euro gezahlt. Audi überwies 800 Millionen Euro an die bayrische Landeskasse. Mit weiteren Strafen müssen die Unternehmen als solche jetzt nicht mehr rechnen. Die Ermittlungsverfahren gegen verschiedene Manager und Ingenieure wegen des Verdachts auf Betrug gehen allerdings weiter.
02.05.2019 Doppelschlag für VW: Das Landgericht Nürnberg will dem Autohersteller künftig nur noch für die Zeit ab Mitteilung der Notwendigkeit einer Nachrüstung Nutzungsersatz zugestehen. Das berichtet Rechtsanwalt Markus Klamert. In sieben Verfahren habe das Gericht entsprechende Hinweise erteilt. Einzelheiten im Artikel der Rechtsanwälte auf anwalt.de.
Landgericht Nürnberg, Hinweis vom 24.04.2019
Aktenzeichen: 9 O 8807/18
Klägervertreter: Rechtsanwälte Klamert & Partner, München
Und: Das Kammergericht Berlin hat beschlossen, ein Sachverständigengutachten zu möglichen Nachteilen der neuen Motorsteuerung für Skandal-VW einzuholen. Das Landgericht hatte die Klage des Besitzers eines solchen Wagen abgewiesen. Aus Sicht des Landgerichts entsprach der Wagen nach dem Update der Motorsteuerung den Anforderungen und war nicht mehr mangelhaft. Das habe der Kläger wirksam bestritten, hielt das Kammergericht dagegen. Es müsse deshalb Beweis erhoben werden. Weitere Details in der Pressemitteilung des Gericht.
Kammergericht Berlin, Beschluss vom 30.04.2019
Aktenzeichen: 21 U 49/18
Klägervertreter: Rechtsanwalt Thomas Schmidt, Kleinmachnow
29.04.2019 Wietbrock Rechtsanwälte aus Hamburg berichten: Auch das Landgericht Gera hat VW jetzt zum Schadenersatz ohne Anrechnung einer Nutzungsentschädigung verurteilt. „Eine Anrechnung oder Verrechnung der Nutzung durch Berechnung eines Nutzungsentgelts zu Gunsten der Beklagten wäre für die Beklagte ein Vorteil. Es widerspricht jedoch Treu und Glauben, dass derjenige, der einen anderen sittenwidrig schädigt, durch die sittenwidrige Schädigung daran verdient und sei der Verdienst auch noch so gering“, heißt es in der Urteilsbegründung. Ansage der Rechtsprechung zum Thema sonst: Der Kläger dürfe durch Schadenersatz keinen Vorteil haben. Inwieweit ein Unternehmen erlangte Leistungen behalten darf, ist eine Frage des Bereicherungs- nicht des Schadensersatzrechts.
Landgericht Gera, Urteil vom 16.04.2019
Aktenzeichen: 3 O 566/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Wietbrok Rechtsanwälte, Hamburg
12.04.2019 Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte aus Düsseldorf haben eine weiteres Urteil zum Schadenersatz ohne Anrechnung der mit dem Wagen gefahrenen Kilometer erstritten. Das Landgericht Halle urteilte: VW muss Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zahlen und dürfe keine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen gut 50 000 Kilometer abziehen. Weitere Einzelheiten zum Fall in der Pressemitteilung der Rechtsanwälte. Das Gericht beruft sich auf eine alte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 22.10.1976, Aktenzeichen: V ZR 247/75). Darin hatten die Bundesrichter argumentiert: Ein Vorteil sei nur anzurechnen, „(...) wenn er adäquat durch das schadenstiftende Ereignis verursacht wurde und seine Anrechnung dem Geschädigten zumutbar ist, dem Zweck des Schadensersatzes entspricht und den Schädiger nicht unbillig entlastet“. Was das Gericht übersehen hat: In dem Fall ging es um einen Grundstückskauf. Der V. Senat des BGH zitiert darin eine noch ältere Entscheidung des VII. Senats (Urteil vom 14.10.1971, Aktenzeichen: VII ZR 313/69). Der hatte seinerzeit für einen wegen arglistiger Täuschung nichtigen Kaufvertrag unter Anwendung der selben Formel geurteilt: Der Käufer muss die ihm durch den Besitz und Gebrauch der Kaufsache zugeflossenen Vorteile ausgleichen.
Landgericht Halle, Urteil vom 12.02.2019
Aktenzeichen: 5 O 109/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
11.04.2019 Wie sehr VW sich darum bemüht, den Abgasskandal vom Europäischen Gerichtshof fernzuhalten, zeigt der Stand der 22 Verfahren, für die Richter Dr. Martin Borowsky am Landgericht Erfurt am 3. April eine Entscheidung über die gesammelte Vorlage in Luxemburg verkünden wollte (s. u. 08.04.2019 und 28.03.2019). Elf Fälle seien nach außergerichtlicher Einigung durch Rücknahme der Klagen erledigt worden, berichtet das Landgericht. In zehn weiteren Fällen stellte VW Befangenheitsanträge gegen den Richter. In acht davon gabs inzwischen ebenfalls Vergleiche und Klagerücknahmen. Noch offen sind die Fälle 8 O 1045/18 und 8 O 1472/18. Auch hier hatte VW am Tag vor dem Termin zur Verkündung von Entscheidungen Befangenheitsanträge gestellt. Offen ist auch noch ein weiterer Fall 8 O 1516/18. Hier habe VW offenbar auch vorgehabt, einen Befangenheitsantrag zu stellen, unterließ dies jedoch versehentlich. Das Gericht habe wegen ständig eingehender neuer Schriftsätze und der unklaren Situation vorsorglich jedoch auch in dieser Sache keine Entscheidung verkündet. In den Befangenheitsanträgen moniert VW vor allem angebliche Verfahrensfehler wie vor allem zu kurze Fristen für die VW-Anwälte, eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung, sachfremde Gründe für die Vorlage und den Hinweisbeschluss zur EuGH-Vorlage in einem sehr frühen Stadium des Verfahrens. Auch inhaltlich kritisieren die VW-Anwälte den Hinweisbeschluss.
08.04.2019 Erneut verhindert VW offenbar, dass der Abgasskandal Thema beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Brüssel wird. Der Konzern hat nach einem Bericht des Standard allen 22 Klägern, deren Verfahren Dr. Martin Borowsky, Richter am Landgericht Erfurt, dem EuGH gesammelt vorlegen wollte (s. u., 14.03.2019), mutmaßlich günstige Vergleichsangebote gemacht. Das Landgericht Erfurt hat den Termin zur Verkündung einer Entscheidung über die Vorlage der Verfahren in Luxemburg daraufhin ausgesetzt. test.de vermutet: VW wird sich mit den Klägern einigen und sie zur Geheimhaltung verpflichten, so dass von den Fällen nie wieder etwas zu hören sein wird.
08.04.2019 Erneut verhindert VW ein Urteil, diesmal aber ohne Schweigeverpflichtung. Ausgerechnet einem NDR-Reporter zahlte VW kurz vor einem Verhandlungstermin beim Oberlandesgericht die komplette geforderte Summe und beendete das Verfahren dadurch. Christoph Lütgert erhält jetzt für seinen acht Jahren alten VW Golf über 20 000 Euro. VW muss außerdem alle Anwalts- und Gerichtskosten zahlen. „Wir haben auch bei anderen Fällen Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt zu klagen“, erklärte Rechtsanwalt Lars Murken-Flato von Hahn Rechtsanwälte. Er hatte Lütgert in der Auseinandersetzung mit VW vertreten. Weitere Einzelheiten im Bericht des NDR zum Fall.
04.04.2019 Spektakuläre Doppelverurteilung von VW und Audi wegen eines geleasten Audi A5 Sportback 3.0 TDI für 55 000 Euro: VW muss den Kaufpreis erstatten, weil der Vertrag zum Verkauf des Wagens ans Leasingunternehmen nichtig sei. Audi muss der Klägerin etwaige Schäden wegen Verstoßes gegen die EU-Regeln über die Typzulassung ersetzen. Anzurechnen ist eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer. Die berechnete das Gericht auf der Grundlage einer Gesamtfahrleistung von 300 000 Kilometern. Die Rechte der Klägerin gegen das Leasingunternehmen waren im Urteil nicht Thema. Vermutlich wird sie die Leasingraten in Höhe von 651 Euro monatlich abzüglich der Nutzungsentschädigung, die das Leasingunternehmen an VW zahlen muss, zurück erhalten.
Landgericht Offenburg, Urteil vom 29.03.2019
Aktenzeichen: 3 O 94/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälte, Lahr
04.04.2019 Neue Erfolgsmeldungen von Rogert & Ulbrich sowie Dr. Stoll & Sauer, den beiden mit Abstand führenden Verbraucher-Rechtsanwaltskanzleien im Abgasskandal: Porsche ist wegen Autos mit 3.0 Liter-TDI-Motoren zwei weitere Male zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt worden. Außerdem muss eine Porsche-Händler einen Euro 6-Cayenne zurücknehmen und bekommt im Gegenzug eine nur geringe Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer. „Das Landgericht Bonn geht zu Recht davon aus, dass ein Porsche mit 3.0 TDI Motor 500 000 Kilometer laufen muss“, kommentiert Rechtsanwalt Prof. Dr. Marco Rogert das Urteil. Und weiter: „Ähnlich hatten sich für kleinere Motoren auch schon das Oberlandesgericht Köln und das Landgericht Hamburg geäußert. Setzt sich diese Ansicht durch, wird die Nutzungsentschädigung für die Beklagte drastisch reduziert. Statt sonst meist 0,4 Prozent je 1 000 km gibt es dann nur noch 0,2 Prozent vom Kaufpreis. Daneben werden immer häufiger nicht nur Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Verzugseintritt und Prozesszinsen in nämlicher Höhe, sondern auch noch deliktische Zinsen in Höhe von vier Prozent ab Kaufpreiszahlung zugesprochen. Die Zusammenschau dieser Entwicklungen macht aus Abgasskandalklagen eine echte Kompensation für Betroffene. Das ist richtig und auch überfällig.“
Viele verbraucherfreundliche Urteile zum Abgasskandal finden Sie in unserer Liste.
28.03.2019 Rechtsanwalt Pierre S. Baronick aus Burg im Spreewald berichtet: Das Landgericht Cottbus hat Volkswagen zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt.
Landgericht Cottbus, Urteil vom 14.03.2019
Aktenzeichen: 2 O 350/18 (nicht rechtskräftig)
Landgericht Cottbus, Urteil vom 14.03.2019
Aktenzeichen: 2 O 399/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter jeweils: Rechtsanwälte Pierre S. Baronick, Burg (Spreewald)
28.03.2019 Dr. Martin Borowsky, Richter am Landgericht Erfurt, will unbedingt vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklärt wissen, ob VWs Verstöße gegen die EU-Regeln über die Typzulassung Besitzer der Autos mit illegaler Motorsteuerung zum Schadenersatz berechtigen. Er hatte in einem Verfahren bereits darauf hingewiesen, dass er das Verfahren aussetzen und beim EuGH nachfragen will, wie die EU-Regeln auszulegen sind (s. u., 14.03.2019).
Jetzt legt der Richter nach: Er will alle 22 Verfahren gegen VW, über die er zu entscheiden hat, verbinden und sie gemeinsam dem EuGH vorlegen. Offenbar ärgert er sich darüber, dass VW bisher eine Vorlage beim EuGH stets verhindert hat, indem der Konzern den jeweiligen Kläger großzügig entschädigte und das Verfahren damit stoppte. Er zitiert im Beschluss die Empfehlungen des EuGH an die nationalen Gerichte im EU-Amtsblatt: „Hängt der Ausgang mehrerer beim vorlegenden Gericht anhängiger Rechtssachen von der Beantwortung der vorgelegten Fragen durch den Gerichtshof ab, so ist es angezeigt, dass das vorlegende Gericht diese Rechtssachen im Vorabentscheidungsersuchen miteinander verbindet, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, die vorgelegten Fragen trotz der etwaigen Rücknahme bezüglich einer oder mehrerer Rechtssachen zu beantworten“ (Ziff. 25), legen die Europa-Richter ihren Kollegen in den Mitgliedsstaaten nahe.
Borowsky denkt außerdem darüber nach, ob er wegen der Vielzahl der Klagen gegen VW in zahlreichen EU-Ländern eine Entscheidung des EuGH im „beschleunigten Vorabentscheidungsverfahren“ nach Art. 105 der EuGH-Verfahrensordnung beantragt. Die durchschnittliche Verfahrensdauer beim EuGH liegt sonst bei 15 Monaten.
Landgericht Erfurt, (Hinweis-)Beschluss vom 25.03.2019
Aktenzeichen: 8 O 1045/18
Klägervertreter: Rechtsanwalt Gerd Lenuzza, Erfurt
25.03.2019 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll berichtet: Ein Händler hat die Berufung gegen eine Verurteilung zur Neulieferung eines Audi Q3 einen Tag vor der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Oldenburg zurückgenommen. Mutmaßlicher Hintergrund: VW sieht in solchen Fällen nach dem verbraucherfreundlichen Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs (vom 08.01.2019, Aktenzeichen: VIII ZR 225/17) keine ausreichend große Chance mehr, Verurteilungen zur Neulieferung zu verhindern. Durch die Rücknahme der Berufung ist jetzt das Urteil des Landgerichts Osnabrück rechtskräftig. Gut für Skandalautobesitzer mit Recht auf Neulieferung: Sie müssen keine Entschädigung für die mit dem alten Wagen gefahrenen Kilometer zahlen. Sie stehen damit aktuell besser als alle anderen Skandalopfer bisher. Einzelheiten zum Fall auf der Homepage der Rechtsanwälte.
Landgericht Osnabrück, Urteil vom 24.11.2017
Aktenzeichen: 9 O 1061/16
Klägervertreter: Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer, Lahr
18.03.2019 Rechtsanwalt Dirk Fuhrhop berichtet: Das Oberlandesgericht Köln will erneut eine Verurteilung von VW zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Täuschung bestätigen (s. u., 25.01.2019). Einmal mehr erklären die Richter ausführlich, warum VW Käufer von Autos mit illegaler Motorsteuerung vorsätzlich und sittenwidrig getäuscht hat. Weitere Einzelheiten in der Presseerklärung von Rogert & Ulbrich Rechsanwälte.
Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 01.03.2019
Aktenzeichen: 16 U 146/18
Klägervertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
14.03.2019 Noch mehr Arbeit für die Europa-Richter in Luxemburg: Das Landgericht Erfurt will ein Klageverfahren gegen VW aussetzen und beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg nachfragen, ob die Regelungen in den EU-Regeln über die Typzulassung auch Käufer der Autos schützen sollen. Das berichtet Rechtsanwalt Gerd Lenuzza aus Erfurt. Bejaht der EuGH die Frage, dann steht fest: Autohersteller müssen alle Käufer von Autos entschädigen, bei denen die Motorsteuerung die Abgasreinigung illegal abschaltet oder reduziert. Deutsche Gerichte müssen die Vorgaben des EuGH zur Auslegung von EU-Recht beachten. VW hat jetzt bis Ende März Zeit, Stellung zu nehmen. Bereits Mitte April will das Gericht entscheiden, ob es den Fall dem EuGH vorlegt.
Landgericht Erfurt, (Hinweis-)Beschluss vom 05.03.2019
Aktenzeichen: 8 O 1045/18
Klägervertreter: Rechtsanwalt Gerd Lenuzza, Erfurt
11.03.2019 Bemerkenswertes Urteil aus Freiburg: Es ging um einen VW Touareg V6 TDI. Die Klägerin hatte ihn im Dezember 2015 zwei Monate nach Bekanntwerden des Abgasskandals für 61 807,20 Euro direkt bei VW gekauft. Im März 2018 forderte VW sie auf, in die Werkstatt zu kommen, damit eine neue legale Motorsteuerung installiert werden kann. Die Klägerin erklärte daraufhin die Anfechtung und zog vor Gericht, als VW sich weigerte den Wagen zurückzunehmen und den Kaufpreis zu erstatten. Das Landgericht verurteilte den Konzern zur Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer auf der Grundlage einer Gesamtfahrleistung von 250 000 Kilometern errechneten Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer. VW hätte der Klägerin beim Kauf sagen müssen, dass auch in ihrem Wagen eine illegale Motorsteuerung am Werk ist. Dem Konzern musste klar sein, dass sie den Wagen dann nicht gekauft hätte. Es handele sich deshalb um arglistiges Verschweigen.
Noch interessant: VW muss der Klägerin zusätzlich Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zahlen. Das Unternehmen sei im April 2018 in Verzug geraten, weil es den Forderungen der Klägerin nicht rechtzeitig nachkam.
Schließlich muss VW weitere 13 648,49 Euro an die Klägerin zahlen. Grund: VW habe unstreitig eine Eigenkapitalrendite in Höhe von 10,8 Prozent erwirtschaftet. Soweit die auf den von Klägerin gezahlten Kaufpreis entfallen, sind sie an sie als Nutzung aus ungerechtfertigter Bereicherung herauszugeben.
Landgericht Freiburg im Breisgau, Urteil vom 07.01.2019
Aktenzeichen: 11 O 84/18 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwälte SNP Schlawien Partnerschaft mbB, Freiburg
06.03.2019 Das Oberlandesgericht Karlsruhe will eine Verurteilung von VW wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung bestätigen. Nach einer Pressemitteilung des Gerichts sind die Richter vorläufig der Rechtsauffassung: Die Berufung von VW gegen die Verurteilung ist zurückzuweisen.
Prof. Dr. Marco Rogert berichtet weiter: Die Lieferung eines Autos mit illegaler Abschaltung der Abgasreinigung stelle nach der Argumentation des Gerichts in einem ausführlichen Hinweisbeschluss zum Fall eine konkludente Täuschung dar. Der Käufer eines Fahrzeugs dürfe sich darauf verlassen, dass die Behörden den gelieferten Wagen nicht aus dem Verkehr ziehen können. Als Motiv für die Manipulation komme allein die Gewinnmaximierung in Betracht. VW handle deshalb sittenwidrig.
Auch daran, dass der Vorstand des VW-Konzerns verantwortlich sei, habe das Gericht keine Zweifel. Es hielt für ausgeschlossen, dass einzelne Ingenieure auf eigene Faust handelten. Die Motorsteuerung sei ein Kernstück des Motors. Es erscheine als ausgeschlossen, dass die VW-Führung nicht Bescheid wusste.
„Die rechtliche Auseinandersetzung mit Volkswagen erlebt ihre Vorentscheidung im Badischen. Erst beschließt der Karlsruher BGH, dass in der von VW verbauten Abschalteinrichtung ein Mangel liegt, jetzt legt das Oberlandesgericht Karlsruhe wiederum im Beschlusswege eine ausgefeilte und ausführliche rechtliche Würdigung zu der Anspruchsgrundlage vor, die derart überzeugend ist, dass es für andere deutsche Gerichte schwer wird, anders zu entscheiden als die Badener“, freute sich Rogert über den Erfolg.
Landgericht Offenburg, Urteil vom 18.05.2018
Aktenzeichen: 3 O 111/17 (nicht rechtskräftig)
Oberlandesgericht Karlsruhe, (Hinweis-)Beschluss vom 05.03.2019
Aktenzeichen: 13 U 142/18
Klägervertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
26.02.2019 Dr. Stoll und Sauer Rechtsanwälte haben die Begründung zum Beschluss des Bundesgerichtshofs veröffentlicht, mit der das höchste deutsche Zivilgericht Anfang Januar zu den Rechten von Skandalauto-Käufern Stellung genommen hat. Wie von den Verfahrensregeln vorgeschrieben haben den fast 19 Seiten langen Beschluss fünf der sieben Richter unterzeichnet.
Klare Ansage der fünf Richter: Nach den EU-Regeln für die Typzulassung darf die Abgasreinigung nur ausnahmsweise und aus bestimmten Gründen abgeschaltet werden. Dagegen verstoße die Motorsteuerung der Skandalautos. Entscheidend für die Rechte von Käufern: Die zuständige Straßenverkehrsbehörde kann Autos mit illegaler Abschaltung der Abgasreinigung jederzeit stilllegen. Das sei eine Einschränkung der Nutzbarkeit, auch wenn die Behörde noch gar nichts unternommen habe.
Soweit, so klar. Skandalauto-Käufer können vom Händler zumindest Nachbesserung verlangen. Fest steht nach der Argumentation der Bundesrichter aber auch: Sobald Autos später eine legale Motorsteuerung bekommen, hat der Käufer keine Rechte mehr. Ob dafür die tatsächlich von VW entwickelte und vom Kraftfahrtbundesamt genehmigte neue Motorsteuerung ausreicht, bleibt zunächst offen.
Naheliegend wäre gewesen: VW entfernt bloß die Abschaltung der Abgasreinigung und ändert sonst nichts. Dabei hätten die Autos allerdings etwas Leistung verloren und der Kraftstoffverbrauch wäre gestiegen. Vermutlich hätte außerdem die Haltbarkeit gelitten. Stattdessen hat VW für alle betroffenen Modelle jeweils mit großem Aufwand eine komplett neue Motorsteuerung mit tiefen Eingriffen in die Funktionsweise der Motoren entwickelt. Das nährt den Verdacht: Die Motoren waren so wie geliefert gar nicht geeignet, die EU-Schadstoffgrenzwerte bei gleichbleibender Leistung und Verbrauch auf Dauer einzuhalten und mussten deshalb bei Entwicklung der neuen Motorsteuerung alle Möglichkeiten genutzt werden, um in den vorgeschriebenen Prüfstandversuchen die Grenzwerte vor allem für den Stickoxid-Ausstoß einzuhalten – möglicherweise auf Kosten der Haltbarkeit.
Sollte der Bundesgerichtshof die vom Kraftfahrtbundesamt genehmigte Motorsteuerung akzeptieren, ist noch eine wichtige Frage offen: Wie viel Zeit mussten Zeit mussten Skandalauto-Käufer dem Händler geben, eine legale Motorsteuerung zu beschaffen, bis sie berechtigt waren, vom Vertrag zurückzutreten?
Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer kommt in einem Artikel auf ihrer Homepage zum Ergebnis: Die Ansagen des Bundesgerichtshofs zu Sachmangelrechten lassen auch die Erfolgsaussichten der Musterfeststellungsklage des vzbv und von Schadenersatzklagen direkt gegen VW noch einmal erheblich besser als bisher schon erscheinen. Tatsächlich: Der Bundesgerichtshof sieht einen Verstoß gegen die EU-Zulassungsregeln. Dass er mit Absicht geschah, lässt sich nicht bestreiten. Bisher ist es VW auch nicht gelungen, Gerichte davon zu überzeugen, dass für die illegale Abschaltung der Abgasreinigung einzelne Ingenieure verantwortlich sind und hinter dem Rücken der Unternehmensführung handelten.
Möglich erscheint allerdings: Nach Entwicklung und Installation einer neuen Motorsteuerung gibt es keinen Schaden mehr. Besitzer mit nachgerüsteten Skandalautos würden dann leer ausgehen. Bisher haben die meisten Gerichte allerdings angenommen: Die Skandalautos sind auch nach der Nachrüstung nicht völlig in Ordnung und lassen sich nur für geringe Preise wieder verkaufen.
Ob Schadenersatz fällig ist, hängt schließlich noch davon ab, ob die EU-Zulassungsregeln zumindest auch dazu gedacht sind, Autobesitzer zu schützen oder ob sie nur der Umwelt und der Allgemeinheit dienen. Zuständiges Gericht für diese Frage ist der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. Dort muss der Bundesgerichtshof nachfragen, wenn er Zweifel an der Auslegung der EU-Regeln hat. Der geeignete Fall dafür ist bereits da: Das Oberlandesgericht Braunschweig hat eine von Verbraucherinkassounternehmen Myright.de finanzierte Pilotklage abgewiesen und die Revision zugelassen.
Bundesgerichtshof, (Hinweis-)Beschluss vom 08.01.2019
Aktenzeichen: VIII ZR 225/17
Klägervertreter: Rechtsanwalt Dr. Sven Jürgens, Berlin
25.02.2019 Nach den verbraucherfreundlichen Ansagen des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Abgasskandal von Freitag haben sich offenbar zahlreiche Besitzer von Skandalautos jetzt fast dreieinhalb Jahre nach Bekanntwerden der illegalen Manipulationen des VW-Konzerns doch auch noch an Rechtsanwälte gewandt. Werdermann von Rüden-Rechtsanwälte aus Berlin, die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer sowie Rogert & Ulbrich aus Düsseldorf berichten übereinstimmend: Seit die BGH-Entscheidung publik wurde, stehen die Telefone nicht mehr still.
Dabei sind Sachmangelrechte gegen Händler, zu denen sich der BGH mit seinem Beschluss von Anfang Januar geäußert hat, inzwischen verjährt. Schadenersatzansprüche gegen VW als Hersteller dagegen sind oft noch durchsetzbar. Zehntausende haben bereits geklagt und ihre Rechte an Verbraucherinkassounternehmen wie Myright.de abgetreten und hunderttausende ihre Rechte im Musterklageverfahren des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) angemeldet. Die Mehrzahl der 2,5 Millionen Besitzer von Skandalautos hat aber nach wie vor noch nichts unternommen. Offenbar wittern auch viele von ihnen jetzt nach den Äußerungen des Bundesgerichtshofs Morgenluft und wollen doch noch Anwälte einschalten.
Ein erstes Verfahren, in dem es um Schadenersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und Verletzung der EU-Zulassungsregeln geht, liegt inzwischen beim BGH oder kommt dort in den nächsten Tagen an. Es handelt sich um eine von Myright.de finanzierte Pilotklage gegen VW. Die hatten Land und Oberlandesgericht Braunschweig abgewiesen.
25.02.2019 Inzwischen hat sich der Anwalt des Klägers gegenüber Spiegel online geäußert. Er glaubt auch: Soweit der Bundesgerichtshof sich in dem bisher nicht vollständig bekannten Hinweisbeschluss äußert, ist das abschließend. Wegen der Neulieferung hätte er die Klagabweisungen der Vorinstanzen aufgehoben und den Fall zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
23.02.2019 Weiter kein Abgas-Urteil vom Bundesgerichtshof (BGH), aber trotzdem klare Ansagen: Gerichtssprecherin Dietlind Weinland hat gestern Mittag mitgeteilt, dass die für den kommenden Mittwoch angekündigte Verhandlung über eine Klage gegen einen VW-Händler ausfällt. Kläger und VW haben einen Vergleich geschlossen und der Kläger die Revision zurückgenommen. Trotzdem habe das höchste deutsche Zivilgericht ausführlich Stellung genommen. Es habe bereits am 8. Januar einen fast 20 Seiten langen Hinweisbeschluss verabschiedet. Danach gehen die Richter im achten Senat davon aus, dass Käufer von Autos mit illegaler Motorsteuerung grundsätzlich Sachmangelrechte geltend machen können. Außerdem müssen sie unter Umständen einen ganz neuen Wagen liefern, auch wenn inzwischen eine neue Modellgeneration auf dem Markt ist und Autos der alten nicht mehr lieferbar sind.
Hintergrund: Vermutlich haben die Richter in Karlsruhe sich über VW handfest geärgert. Der Autokonzern hat schon in etlichen Dutzend Fällen womöglich verbraucherfreundliche Urteile zum Abgasskandal verhindert, indem es dem jeweiligen Kläger kurz vor der mündlichen Verhandlung so viel Geld bot, dass dieser sich darauf einließ, das Verfahren ohne Urteil zu beenden. Sie vermuteten wohl zu Recht: Erst recht wird VW versuchen, ein verbraucherfreundliches Urteil des BGH zu verhindern. Doch die Richter und ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter haben bereits viel Arbeit in den Fall gesteckt. Die Akten umfassen mindestens Hunderte von Seiten. Zahllose Urteile und Aufsätze in Fachzeitschriften waren auszuwerten. Mit dem Hinweisbeschluss von Anfang Januar verhindern die Bundesrichter, dass die ganze Arbeit vergebens war.
Gleichwohl versuchen VW und seine Anwälte, die Bedeutung des Gerichtsbeschlusses herunterzuspielen. Es handele sich um vorläufige Äußerungen. Möglicherweise hätte der BGH die Abweisung der Klage des Autofahrers auf Lieferung eines neuen Tiguan trotz der verbraucherrechtsfreundlichen Pressemitteilung abgewiesen.
Die Juristen der Stiftung Warentest können das nicht nachvollziehen. Sie glauben: Der Bundesgerichtshof hätte seine im Beschluss geäußerte vorläufige Rechtsauffassung ganz sicher bestätigt. Alle Argumente sind lange bekannt.
Wie weit der BGH sich genau festgelegt hat, lässt sich allerdings noch nicht sagen. Für sicher halten die test.de-Rechtsexperten nur: Autos mit illegaler Abschaltung der Abgasreinigung sind mangelhaft. Ähnlich äußerten sich verschiedene Rechtswissenschaftler und Verbraucherschützer der Legal Tribune Online gegenüber.
Ob Händler stets auch einen nagelneuen Wagen liefern müssen, wenn Käufer von Skandalautos dies fordern, ist noch nicht klar. Die BGH-Richter meinen: Es dürfte vor allem darauf ankommen, welche Kosten für den Händler mit der Neulieferung verbunden sind. Er darf sie nämlich nach den gesetzlichen Regelungen verweigern, wenn sie nur mit für ihn im Vergleich zur Nachbesserung unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.
Großer Vorteil des Rechts auf Neulieferung: Käufer müssen keine Entschädigung für die bis zum Umtausch mit dem alten Wagen gefahrenen Kilometer zahlen. Sie bekommen einen völlig neuen Wagen, auch wenn sie mit dem alten bereits etliche Jahre und eine womöglich sechsstellige Zahl von Kilometern unterwegs waren. Bei Rücktritt vom Kaufvertrag oder auch Klagen auf Schadenersatz ziehen die Gerichte in einem solchen Fall in aller Regel etliche Tausend Euro ab. Besitzer von Autos, die 250 000 oder mehr Kilometer hinter sich haben, gehen nach den Kriterien der Mehrzahl der Gerichte sogar völlig leer aus.
Bundesgerichtshof, (Hinweis-)Beschluss vom 08.01.2019
Aktenzeichen: VIII ZR 225/17
Klägervertreter: Rechtsanwalt Dr. Sven Jürgens, Berlin
Pressemitteilung des Gerichts zum Fall
21.02.2019 Der Kampf um die Entschädigung von Skandalautobesitzern geht in die letzte Runde. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat die vom Verbraucherinkasso-Unternehmen Myright.de finanzierte erste Pilotklage wegen eines VW Eos mit TDI-Motor abgewiesen. Nachdem zuletzt das Oberlandesgericht Köln zugunsten eines Autobesitzers entschieden hatte, ließ das Gericht in Braunschweig die Revision zum höchsten deutschen Zivilgericht, dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, zu.
Die will das Unternehmen jetzt so schnell wie möglich einlegen, kündigte Myright-Geschäftsführer Jan-Eike Andresen an. Bis in Karlsruhe eine Entscheidung fällt, kann allerdings noch viel Zeit vergehen. Oft dauert es etwa ein Jahr, bis der BGH über eine Revision verhandelt und entscheidet. Möglicherweise ist dann aber noch die Einschaltung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg nötig. Wenn der BGH VW nicht wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in der Pflicht sieht, kommt es darauf an, ob der Autohersteller wegen der Verletzung der EU-Zulassungsbestimmungen Schadenersatz zahlen muss. Für die verbindliche Auslegung von EU-Recht ist der EuGH zuständig. Das Verfahren dort dauert ungefähr ein weiteres Jahr.
15.02.2019 Dirk Fuhrhop von Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte in Düsseldorf berichtet: Die Landgerichte in Lüneburg und Bochum urteilten wegen zweier großer und teurer Geländewagen aus dem VW-Konzern verbraucherfreundlich. Die Richter in Bochum sprachen dem Fahrer eines Porsche Macan nicht nur die Erstattung des Kaufpreises, sondern auch vier Prozent Zinsen darauf zu, so dass der Kläger jetzt mehr Geld erhält als er ursprünglich gezahlt hat. Das Gericht in Lüneburg gab der Klage eines Porsche Touareg-Fahrers statt. Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung der Kanzlei.
Landgericht Bochum, Urteil vom 08.02.2019
Aktenzeichen: I-4 O 101/18
Landgericht Lüneburg, Urteil vom 12.02.2019
Aktenzeichen: 9 O 140/18
Klägervertreter jeweils: Roger & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
15.02.2019 Erfolg für Myright.de: Das Inkassounternehmen, dass die Schadenersatzansprüche der Besitzer von rund 40 000 Skandalautos aus dem VW-Konzern durchsetzt, gewann vor dem Landgericht Krefeld gegen VW. Auf die Pilotklage hin verurteilte das Gericht VW zum Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Details zum Fall im Bericht der Legal Tribune Online. Bei anderen in Braunschweig anhängigen Klagen gegen VW hatte das Unternehmen bisher den Kürzeren gezogen.
Landgericht Krefeld, Urteil vom 13.02.2019
Aktenzeichen: 2 O 313/17
Klägervertreter: Hausfeld Rechtsanwälte, Berlin, finanziert von: myright.de
31.01.2019 Das Oberlandesgericht Braunschweig hat den Termin zur Verkündung einer Entscheidung über die von Myright.de finanzierte Klage eines VW-Skandalopfers gegen den Autokonzern um zwei Wochen auf Dienstag, 19. Februar, 9 Uhr, verschoben. test.de hatte unter dem 20.12.2018 (s. u.) über die Verhandlung berichtet. Das Gerichte hatte damals keinen Zweifel daran gelassen: Es halt die Klage auf Schadenersatz für unbegründet. Begründung für die Verschiebung des Termins: Der Umfang der Sache sowie der sich aus nach der Verhandlung noch eingereichten Schriftsätzen der Anwälte ergebende weitere Beratungsbedarf.
31.01.2019 Rechtsanwalt Sebastian Steffens von Werdermann von Rüden in Berlin berichtet: Das Landgericht Stuttgart hat die Daimler AG in zwei Fällen zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Der Hersteller hatte eingestanden: Unterhalb von sieben Grad Celsius Lufttemperatur wird die Abgasrückführung verringert. Das sei zum Schutz des Motors nötig. Selbst wenn das zutrifft, sei das nicht zulässig, urteilte das Gericht jeweils. Nach den EU-Richtlinien dürfe die Abgasreinigung nur ausnahmsweise abgeschaltet werden. Temperaturen unterhalb von sieben Grad seien aber keine Ausnahme, sondern – insbesondere in nordeuropäischen Ländern – sehr häufig.
Landgericht Stuttgart, Urteile vom 17.01.2019
Aktenzeichen: 23 O 172/18 und 23 O 178/18 (beide nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Werdermann von Rüden Rechtsanwälte, Berlin
31.01.2019 Rechtsanwalt Sebastian Steffens von Werdermann von Rüden in Berlin berichtet: Das Landgericht Stuttgart hat die Daimler AG in zwei Fällen zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Der Hersteller hatte eingestanden: Unterhalb von sieben Grad Celsius Lufttemperatur wird die Abgasrückführung verringert. Das sei zum Schutz des Motors nötig. Selbst wenn das zutrifft, sei das nicht zulässig, urteilte das Gericht jeweils. Nach den EU-Richtlinien dürfe die Abgasreinigung nur ausnahmsweise abgeschaltet werden. Temperaturen unterhalb von sieben Grad seien aber keine Ausnahme, sondern – insbesondere in nordeuropäischen Ländern – sehr häufig.
Landgericht Stuttgart, Urteile vom 17.01.2019
Aktenzeichen: 23 O 172/18 und 23 O 178/18 (beide nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Werdermann von Rüden Rechtsanwälte, Berlin
25.01.2019 Das Oberlandesgericht Köln hat eine Verurteilung von VW zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Täuschung bestätigt. Die Berufung von VW sei offensichtlich unbegründet, entschieden die Richter im 18. Senat des Gerichts. Die Revision ist nicht zulässig. Auch eine Beschwerde dürfte nicht zulässig sein; der Streitwert lag deutlich unter 20 000 Euro. Unklar ist, wieso die VW-Anwälte es auf diese Entscheidung ankommen ließen. Bisher hatte VW solche Fälle gern durch einen Vergleich erledigt, um verbraucherfreundliche OLG-Urteile zu verhindern. Weitere Einzelheiten in der Presseerklärung des Gerichts.
Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 03.01.2019
Aktenzeichen: 18 U 70/18
Klägervertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
24.01.2019 Erneut spektakulärer Erfolg für Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälte in Lahr: Laut Landgericht Stuttgart muss Audi dem Käufer eines im März 2016 ausgelieferten Audi A4 mit 3.0 TDI-Motor Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung leisten. Die Abschaltung oder Reduktion der Abgasreinigung unterhalb von fünf Grad Lufttemperatur sei unzulässig, urteilten die Richter in Stuttgart. Audi habe nicht nachgewiesen, dass dies zum Schutz des Motors wirklich nötig sei oder dies nicht durch andere technische Maßnahmen hätte gewährleistet werden können. Abgesehen davon dürfe die Abgasreinigung nach den EU-Regeln allenfalls ausnahmsweise abgeschaltet werden. Sie stets schon bei Werten unterhalb von 5 Grad abzuschalten, werde dem auf keinen Fall gerecht. Das gelte selbst dann, wenn das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg anderer Meinung sein sollte. Weitere Details zum Urteil auf auf den Internetseiten von Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälte.
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 08.01.2019
Aktenzeichen: 7 O 265/18 (nicht rechtskräftig)
24.01.2019 Baden-Württemberg hat tatsächlich Klage gegen VW erhoben (s. u. 17.12.2018). Das Land fordert wegen 1 400 Dienstwagen der Marken VW und Skoda einen „niedrigen zweistelligen Millionenbetrag“ als Schadenersatz. Das erklärte eine Sprecherin des Finanzministeriums auf Nachfrage von test.de. Genauere Zahlen wollte sie nicht nennen. Das Land hat offenbar die Bremer Kanzlei von Hahn Rechtsanwälte mit der Klage beauftragt. Jedenfalls verweist das Land für Nachfragen zu Details auf Rechtsanwalt Lars-Murken Flato.
Auch andere Länder klagen gegen VW. Bayern verlangt vor dem Landgericht München wegen 1 000 Dienstwagen Schadenersatz. Um wie viel Geld es geht, ist noch unklar. Rheinland-Pfalz fordert wegen 121 Autos einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag.
Auch das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen hatte angekündigt, eine Schadenersatzklage gegen VW zu prüfen. Ergebnis: Eine solche scheide aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen aus, war aus der Staatskanzlei zu hören. Einige Einzelheiten ergeben sich aus dem Bericht der Landesregierung zu „Fahrzeuge im Strafvollzug - Dieselfahrverbote“.
17.01.2019 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll berichtet: Das Landgericht Dortmund hat Porsche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt, weil die Motorsteuerung in einem Macan die Abgasreinigung abschaltet, sobald der Wagen sich jenseits des Prüfstands in Bewegung setzt. Es handelt sich um das mindestens dritte derartige Urteil gegen den Sportwagen-Hersteller, der inzwischen keine Autos mit Diesel-Motor mehr herstellt. Die Gerichte stellten jeweils fest, dass das Unternehmen zum Schadenersatz verpflichtet ist. Wie viel genau es zu zahlen hat, muss jeweils noch geklärt werden.
13.12.2018 Die EU-Kommission beharrt darauf: Sie durfte die vom EU-Parlament und -Rat für im Prüfstand gemessenen Schadstoffausstoß festgesetzten Grenzwerte aufweichen, als Messungen im realen Fahrbetrieb Pflicht wurden. Sie legt gegen das Urteil des Gerichts der Europäischen Union (s. u., 13.12.2019) Berufung ein. Jetzt muss sich der Europäische Gerichtshof mit dem Fall befassen. Damit gewinnt die Kommission Zeit. Wäre das Urteil rechtskräftig geworden, hätten für alle Euro 6-Autos die strengen älteren Grenzwerte gegolten. Die halten sie nicht ein und hätten wohl aus dem Verkehr gezogen werden müssen.
13.12.2018 Klare Ansage aus Luxemburg: Die EU-Kommission darf vom EU-Parlament und -Rat festgesetzte Umweltschutzregeln nicht aufweichen, indem sie für auf andere Art als bisher gemessenen Schadstoffausstoß sehr viel höhere Grenzwerte verordnet. Das hat das Gericht der Europäischen Union entschieden. Die Verordnung, wonach Euro-6-Diesel im realen Fahrbetrieb viel mehr Stickoxid ausstoßen dürfen als in Prüfstandversuchen, ist deshalb nichtig. Wegen der Rechtssicherheit und um Nachteile für die Umwelt zu verhindern, darf sie aber ab Rechtskraft des Urteils noch ein Jahr lang weiter angewendet werden. Die EU-Kommission kann gegen das Urteil noch Rechtsmittel einlegen. Es entscheidet dann der Europäische Gerichtshof.
Geklagt hatten die Städte Paris, Brüssel und Madrid. Sie sind zuständig für die Entscheidung über Fahrverbote zur Einhaltung der Grenzwerte zum Beispiel für Stickoxid in der Atemluft. Dazu hätten wegen der hohen Grenzwerte auch für Autos mit Dieselmotoren, die nach der Euro 6-Norm zugelassen waren, Fahrverbote verhängt werden müssen. Beschränkungen für der seinerzeit aktuellen Norm zugelassene Fahrzeuge durften die Städte aber nicht verhängen und sahen sich damit daran gehindert, die Stickoxid-Belastung in der Luft wie von den EU-Regeln gefordert zu senken.
Gericht der Europäischen Union, Urteil vom 13.12.2018
Aktenzeichen: T-339/16, T-352/16 und T-391-16
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15.01.2018 Rechtsanwalt Lars Murken-Flato berichtet: Das Landgericht Köln hat VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung dazu verurteilt, einen Euro 6-VW Touareg mit 3.0-V6-TDI-Motor zurückzunehmen und den Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung zu erstatten. Die Motorsteuerung enthalte gleich zwei illegale Mechanismen, die die Abgasreinigung abschalten oder reduzieren. Ähnlich hatte bereits im Dezember das Landgericht zu einen Euro 5-VW Touareg mit 3.0 TDI-Dieselmotor geurteilt (s. u. 13.12.2018).
Rechtsanwalt Lars Murken-Flato berichtet weiter: Hahn Rechtsanwälte haben jetzt auch für den Käufer eines BMW 750Ld xDrive Klage auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung erhoben. Laut Tests der Deutschen Umwelthilfe stößt die Luxuslimousine aus München fast 650 Milligramm Stickoxid je Kilometer Fahrt aus und damit achtmal so viel wie von BMW angegeben. Ursache könne nur eine illegale Einrichtung zur Abschaltung oder Reduktion der Abgasreinigung sein. Weitere Einzelheiten zur Rechtslage in der Pressemitteilung der Anwälte.
14.01.2018 Trotz des Starts der VW-Musterfeststellungsklage des vzbv mit inzwischen fast 400 000 Anmeldungen haben im Dezember offenbar zusätzlich noch einmal Tausende von Skandalautobesitzern selbst gegen VW Klage erhoben. Das Landgericht Augsburg jedenfalls berichtet: Rund 350 Klageschriften seien allein im letzten Monat des Jahres 2018 eingegangen. Das sei fast doppelt so viel wie im Dezember 2017. Mutmaßlicher Hintergrund: Zum 1. Januar 2019 sind Schadenersatzansprüche von Skandalautobesitzern verjährt, die bereits im Jahr 2015 erfahren haben, dass VW in ihr Auto eine illegale Motorsteuerung eingebaut hat.
Besonderheit am Landgericht Augsburg: Dort ist Richter Rudolf Weigell für einen Teil der VW-Klagen zuständig. Der hat den Autohersteller – anders als soweit test.de bekannt alle anderen Richter im gesamten Bundesgebiet – bereits zweimal zu Schadenersatz verurteilt, ohne dass die Autofahrer sich die bisher mit dem Wagen gefahrenen Kilometer anrechnen lassen müssen. Sie erhalten jeweils den vollen Kaufpreis zurück, auch wenn der Wagen bereits viele Jahre alt ist und entsprechend weit gefahren ist.
03.01.2018 Die Nachrichtenagenturen melden: 372 000 Käufer von Skandalautos aus dem VW-Konzern haben beim Oberlandesgerichts Braunschweig Schadenersatzansprüche gegen VW angemeldet. Sie nehmen damit an der Musterfeststellungsklage teil, die der Verbraucherzentrale Bundesverband mit Unterstützung des ADAC gegen VW führt. Ziel der Verbraucherschützer: Das Gericht soll feststellen, dass der Hersteller den Käufern von Autos mit illegal gesteuerten TDI-Motoren zum Schadenersatz verpflichtet ist. Weitere Einzelheiten: test.de/musterklagen.
20.12.2018 Die Gerichte in Braunschweig sehen VW im Streit mit Käufern von Skandalautos weiter im Recht – vorläufig jedenfalls. Gestern verhandelte das Oberlandesgericht Braunschweig über eine von Myright.de finanzierte Pilot-Schadenersatzklage gegen VW (s. u., 05.01.2017) . Die war in erster Instanz beim Landgericht gescheitert. Myright.de hatte Berufung eingelegt. Vorläufige Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts: Die Klage des Käufers eines VW Eos mit illegaler Motorsteuerung ist abzuweisen. Weder berechtigen die mögliche Verletzung der EU-Zulassungsregeln den Besitzer zum Schadenersatz noch sei eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu erkennen. Die bei weitem meisten Gerichte sehen das anders.
Rechtlich wichtigster Punkt: Bei den EU-Regeln über die Typzulassung handele es sich nach der vorläufigen Rechtsauffassung des Gerichts um Vorschriften, die dem Binnenmarkt und dem Umweltschutz dienen, meint Vorsitzende Christa Niestroj. Verstöße gegen sie geben dem Besitzer des Autos kein Recht auf Schadenersatz. Die Typzulassung und die Erklärung des Herstellers, dass das von ihm gelieferte Auto dem genehmigten Typ entspricht, sei auch nach Bekanntwerden des Skandals gültig geblieben.
Konsequenz dieser Rechtsauffassung: Die Zulassungsstellen hätten auch nach Bekanntwerden des Skandals jedes betroffene Auto nicht nur weiterfahren, sondern auch neu zulassen müssen, obwohl die Abgasreinigung, mit der der Wagen genehmigt wurde, bei Fahrten im Straßenverkehr gar nicht in Betrieb ist. Erst nach Aufhebung oder Änderung der Typzulassung durchs Kraftfahrtbundesamt ist es danach möglich, Besitzer von Autos mit illegaler Motorsteuerung in die Pflicht zu nehmen.
Das habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) in dem gerade im Oktober erst verkündeten Urteil zum Kältemitteleinsatz bei Mercedes ganz anders gesehen, argumentierte Klägeranwalt Christopher Rother von Hausfeld Rechtsanwälte. Zumindest müsse das Oberlandesgericht Braunschweig das Verfahren aussetzen und beim Gericht in Luxemburg nachfragen, wie die EU-Regeln zur Typzulassung zu verstehen sind. Er und seine Kollegen haben jetzt noch mal etwas Zeit, weitere Argumente zu formulieren. Am Dienstag, 5. Februar, will das Gericht eine Entscheidung verkünden.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 04.10.2018
Aktenzeichen: C-668/16
17.12.2018 VW bekommt jetzt ganz direkten und womöglich sehr teuren Ärger mit der Politik. Das Land Baden-Württemberg fordert vom Konzern Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung wegen der Lieferung von Autos mit illegaler Abschaltung der Abgasreinigung als Dienstwagen. Das sei eine „haushaltsrechtliche Verpflichtung“, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums in Stuttgart den Nachrichtenagenturen. Mögliche Einnahmen müsse sich das Land rechtzeitig und vollständig sichern. Ein Vergleichsangebot des Landes habe Volkswagen abgelehnt, hieß es weiter. Noch in dieser Woche will das Kabinett in Stuttgart beschließen, Klage zu erheben. Um wie viele Autos und um wie viel Geld es geht, ist noch unklar. Die verschiedenen Ministerien prüfen gerade, welche Dienstwagen betroffen sind.
13.12.2018 Der Bundesgerichtshof teilt mit: Die für den 8. Januar angekündigte Verhandlung über die Klage eines Skandalautokäufers gegen einen Händler ist abgesagt. Der Kläger habe seine Klage zurückgenommen. Einzig plausibler Hintergrund: VW und er haben einen für den Verbraucher günstigen Vergleich abgeschlossen. Es gibt aber auch schon einen neuen Termin: Am Mittwoch, 27. Februar, verhandelt der 8. Senat des Bundesgerichtshofs über einen Fall, in dem der Käufer eines VW Tiguan von 2015 Neulieferung eines Wagens ohne illegale Abschaltung der Abgasreinigung fordert. Das Oberlandesgericht Bamberg hatte die Klage abgewiesen. Weitere Einzelheiten in der offiziellen Ankündigung des Termins.
13.12.2018 Rechtsanwalt Tobias Ulbrich berichtet: Das Landgericht Heilbronn hat Volkswagen verurteilt, einen Euro 5-VW Touareg mit 3.0 TDI-Dieselmotor der Baureihe EA 897 zurückzunehmen und den Kaufpreis zu erstatten. „Soweit ersichtlich ist das die erste Verurteilung für einen 3.0 Liter-TDI dieser Art“, freut sich Rechtsanwalt Tobias Ulbrich über den Erfolg für seine Mandantin. Volkswagen streite nämlich nach wie vor ab, dass die Motorsteuerung dieser Fahrzeuge die Abgasreinigung je nach Fahrsituation ebenfalls rechtswidrig reduziert oder abschaltet.
Das Gericht stellte fest: Der umstrittene Touareg verfügt über eine unerlaubte Abschalteinrichtung. Nach Ansicht des Gerichts bedurfte es dafür nicht einmal eines Sachverständigen-Gutachtens. Die Volkswagen AG habe der Darstellung der Verbraucheranwälte nichts entgegengesetzt. „Da der Touareg-Motor auch in vielen anderen hochpreisigen VW- und Audi-Modellen verbaut wurde, ist von einer neuen Klagewelle im Bereich der Oberklassefahrzeuge auszugehen“, erklärte Prof. Dr. Marco Rogert, Ulbrichs Partner, zur Bedeutung des Urteils.
Landgericht Heilbronn, Urteil vom 30.11.2018
Aktenzeichen: (III) 5 O 117/18
Klägerinvertreter: Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
13.12.2018 Klare Ansage aus Luxemburg: Die EU-Kommission darf vom EU-Parlament und -Rat festgesetzte Umweltschutzregeln nicht aufweichen, indem sie für auf andere Art als bisher gemessenen Schadstoffausstoß sehr viel höhere Grenzwerte verordnet. Das hat das Gericht der Europäischen Union entschieden. Die Verordnung, wonach Euro-6-Diesel im realen Fahrbetrieb viel mehr Stickoxid ausstoßen dürfen als in Prüfstandversuchen, ist deshalb nichtig. Wegen der Rechtssicherheit und um Nachteile für die Umwelt zu verhindern, darf sie aber ab Rechtskraft des Urteils noch ein Jahr lang weiter angewendet werden. Die EU-Kommission kann gegen das Urteil noch Rechtsmittel einlegen. Es entscheidet dann der Europäische Gerichtshof.
Geklagt hatten die Städte Paris, Brüssel und Madrid. Sie sind zuständig für die Entscheidung über Fahrverbote zur Einhaltung der Grenzwerte zum Beispiel für Stickoxid in der Atemluft. Dazu hätten wegen der hohen Grenzwerte auch für Autos mit Dieselmotoren, die nach der Euro 6-Norm zugelassen waren, Fahrverbote verhängt werden müssen. Beschränkungen für der seinerzeit aktuellen Norm zugelassene Fahrzeuge durften die Städte aber nicht verhängen und sahen sich damit daran gehindert, die Stickoxid-Belastung in der Luft wie von den EU-Regeln gefordert zu senken.
Gericht der Europäischen Union, Urteil vom 13.12.2018
Aktenzeichen: T-339/16, T-352/16 und T-391-16
10.12.2018 Das Oberlandesgericht Karlsruhe teilt mit: Erstmals hat vor dem für VW-Fälle in Nordbaden zentral zuständigen 17. Senat eine mündliche Verhandlung über eine Berufung gegen ein VW-Skandalurteil des Landgerichts Heidelberg stattgefunden. Laut Hinweis- und Beweisbeschluss vom 6. Dezember erscheint die Berufung der VW AG gegen das Urteil bereits als unzulässig. Sie sei nicht ordnungsgemäß begründet. Die Klägerin wird mit ihrer Berufung gegen die Abweisung der gleichzeitig erhobenen und auf Sachmangelrechte gestützte Klage gegen den Händler, der ihm den Wagen verkauft hatte, demgegenüber wohl Erfolg haben. Das Gericht will Beweis darüber erheben, wie viele Kilometer die Klägerin mit dem Wagen gefahren ist. Sie muss den Wagen daher im Januar bei Gericht vorführen. Weitere Einzelheiten in der Presseerklärung des Gerichts.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 06.12.2018
Aktenzeichen: 17 U 4/18
Klägervertreter: Rechtsanwalt Wolfgang Ruck, Heidelberg
[ergänzt 13.12.2018]
06.12.2018 Soeben melden die Nachrichtenagenturen: Zwei Wochen nach dem Start haben sich bereits mehr als 81 000 VW-Käufer für die Teilnahme an der Musterklage angemeldet. Mehr noch: „Wir rechnen damit, dass die Zahl der Anmeldungen weiter steigt“, sagte Klaus Müller, Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv).
03.12.2018 Innerhalb von der ersten Woche haben sich 28 000 VW-Käufer beim Bundesamt für Justiz für die Teilnahme an der Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG angemeldet. Das berichtet der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Er klagt mit Unterstützung des ADAC gegen den Autokonzern. Das Oberlandesgericht Braunschweig soll feststellen, dass VW den Käufern der Skandalautos mit illegaler Motorsteuerung zum Schadenersatz verpflichtet ist. Alle Einzelheiten zu dieser und zwei weiteren Musterfeststellungsklagen unter test.de/musterklagen.
22.11.2018 Spektakuläres Urteil des Landgerichts Augsburg: Volkswagen muss Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zahlen. Nicht mal eine Entschädigung für die mit dem inzwischen über sechs Jahre alten Wagen gefahrenen Kilometer gewährt das Gericht dem Autohersteller. Der Kläger erhält den vollen Kaufpreis in Höhe von 29 907,66 Euro zurück. Begründung für das soweit test.de bekannt in diesem Punkt einzigartige Urteil: „Dies widerspräche dem Gedanken des Schadensersatzes nach sittenwidriger Schädigung“, schreibt Vorsitzender Richter am Landgericht Rudolf Weigell wörtlich in die Urteilsbegründung. Es ging um einen VW Golf Plus Trendline 1.6 TDI. Gekauft hatte ihn der Kläger Mitte 2012. Die Erstattung des Kaufpreises erhält er nur, wenn er den Wagen zurückgibt.
Landgericht Augsburg, Urteil vom 14.11.2018
Aktenzeichen: 021 O 4310/16 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: KMP3G Rechtsanwälte Klamert Tremel + Partner, München
15.11.2018 Erstmals soweit bekannt verurteilte ein Gericht die Audi AG zu Schadenersatz wegen des Abgasskandals. Noch dazu mit einer für die Behörden und den VW-Konzern verheerenden Begründung: Der umstrittene Audi A1 mit TDI-Motor habe nicht der vom Hersteller gelieferten Übereinstimmungserklärung entsprochen, auf dessen Grundlage der Wagen später zugelassen wurde, begründeten die drei Richterinnen der 42. Kammer des Landgerichts Ingolstadt ihr Urteil. Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll hebt hervor: Auf der Grundlage des Urteils haben über den VW-Skandal und die 1.2, 1.6 und 2.0 TDI-Motoren hinaus alle Käufer von Audi-Modellen mit illegaler Motorsteuerung Anspruch auf Schadenersatz. Weitere Details zum Urteil auf auf den Internetseiten von Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälte.
Landgericht Ingolstadt, Urteil vom 15.05.2018
Aktenzeichen: 42 O 1199/17 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälte, Lahr
test.de ergänzt: Auch jenseits der Schadenersatzpflicht des Herstellers hat die vom Landgericht Ingolstadt vertretene Rechtsauffassung weitreichende Folgen. Das Auto durfte auf ihrer Grundlage weder verkauft noch zugelassen und gefahren werden. Die Behörden hätten es und alle anderen Skandalautos sofort aus dem Verkehr ziehen müssen. Sämtliche Kaufverträge wären nichtig. Ganz ähnlich hatte das Landgericht Augsburg mal zu einer Klage sowohl gegen einen Händler als auch VW argumentiert (siehe unten, 31.05.2018). Die meisten anderen Gerichte halten die Kaufverträge demgegenüber für wirksam und verurteilen VW wegen Sachmangelhaftung oder vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Auch die Verwaltungsgerichte halten die Übereinstimmungserklärung trotz der illegalen Motorsteuerung für wirksam und gültig (siehe unten, 29.08.2018).
15.11.2018 Freude bei Werdermann von Rüden Rechtsanwälten in Berlin: Das Landgericht Itzehoe hat die Daimler AG verurteilt, an einen Mandanten Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu zahlen. Wird das Urteil rechtskräftig, muss das Unternehmen den Kaufpreis abzüglich einer Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer zahlen.
Landgericht Itzehoe, Urteil vom 16.10.2018
Aktenzeichen: 7 O 133/18 (nicht rechtskräftig)
14.11.2018 Opel ist mit dem Versuch gescheitert, den vom Kraftfahrtbundesamt angeordneten Rückruf von knapp 100 000 Zafira, Cascada und Insignia mit Euro 6-Dieselmotoren zu stoppen. Laut der Richter am Verwaltungsgericht in Schleswig sei der Zwangsrückruf wahrscheinlich rechtmäßig, nachdem auf den freiwilligen Rückruf von Opel hin etliche Tausend Autos noch keine legale Motorsteuerung ohne unzulässige Abschaltung der Abgasreinigung erhalten haben. Opel kann sich gegen die Entscheidung noch beim Oberverwaltungsgericht beschweren.
Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.11.2018
Aktenzeichen: 3 B 127/18
12.11.2018 Der Bundesgerichtshof macht sich daran zu klären, ob und unter welchen Voraussetzungen Käufer mangelhafter Autos die Lieferung eines neuen Wagens verlangen können. Der für viele Verbraucherrechtsfragen zuständige VIII. Senat des höchsten deutschen Gerichts ließ die Revision wegen eines Verfahrens zu, in dem ein Skandalautobesitzer vor dem Landgericht Bayreuth und dem Oberlandesgericht Bamberg mit dem Versuch gescheitert war, die Lieferung eines neuen Tiguan mit legaler Motorsteuerung zu erzwingen. Bei diesem Neulieferungsanspruch müssen sich Verbraucher keine Nutzungen anrechnen lassen. Sie erhalten ein neues Auto, ohne für die mit dem alten Wagen gefahrenen Kilometer zahlen zu müssen. Viele Gerichte haben solche Klagen abgewiesen, wenn das Originalauto nicht mehr lieferbar ist und nur eine veränderte Nachfolgeversion auf dem Markt ist. Das Oberlandesgericht Bamberg hatte die Berufung des Klägers einstimmig per Beschluss verworfen, obwohl verschiedene Gerichte anders geurteilt hatten. Der Kläger beschwerte sich beim Bundesgerichtshof darüber, dass das Oberlandesgericht trotz der abweichenden Urteile und der grundsätzlichen Bedeutung der Sache keine Revision zu gelassen. Daraufhin haben die Bundesrichter die Revision jetzt zugelassen. Wann sie über den Fall urteilen, steht noch nicht fest. Es wird mindestens etliche Monate dauern.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.10.2018
Aktenzeichen: VIII ZR 225/17
08.11.2018 In Köln sollen von April 2018 alle Diesel-Autos bis Euro 4 aus der Umweltzone verbannt werden. In Bonn sollen zwei stark befahrene Straßen für ältere Diesel gesperrt werden. So will es jedenfalls das Verwaltungsgericht in Köln. Alle Einzelheiten unter test.de/dieselfahrverbote.
07.11.2018 Rechtsanwalt Jörg Brinkmann aus Hückelhoven-Baal berichtet: Das Landgericht Mönchengladbach ist mit Verweis aufs Oberlandesgericht Köln der Auffassung: Skandalautos sind nach Installation der neuen vom Kraftfahrbundesamt genehmigten Motorsteuerung nicht mehr mangelhaft, da kein Entzug der Zulassung mehr droht. Allerdings: Wenn Autobesitzer behaupten, das Update verschlechtere Leistung,Verbrauch und/oder Haltbarkeit, dann muss VW darlegen und beweisen, dass dem nicht so ist. Richterin Dagmar Kuhn hat jüngst beschlossen: VW muss im Detail erklären, wie die neue Motorsteuerung funktioniert. Außerdem soll einer der Professoren des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen an der Technischen Hochschule Aachen ein Sachverständigengutachten erstatten. Voraussetzung: Der verklagte Autohändler zahlt einen Vorschuss für die Gutachterkosten in Höhe von 10 000 Euro ein.
Landgericht Mönchengladbach, Beschluss vom 17.10.2018
Aktenzeichen: N O NNN/NN
Klägervertreter: Rechtsanwalt Jörg Brinkmann, Hückelhoven-Baal
05.11.2018 Soweit bekannt ist jetzt erstmals überhaupt auch Porsche wegen des Abgasskandals zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt worden. Das Landgericht Stuttgart verurteilte das Unternehmen, dem Besitzer eines Geländewagens vom Typ Cayenne mit 3.0 Liter-TDI-Motor Schadenersatz zu zahlen. Weitere Einzelheiten in der Legal Tribune Online und morgen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 25.10.2018
Aktenzeichen: 6 O 175/17 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwalt Tobias Honzal, Kanzlei Dr. Kraft & Rudolph, Wangen im Allgäu
05.11.2018 Rechtsanwältin Katharina Deckert aus München berichtet: Die Oberlandesgerichte Karlsruhe und München sehen VW-Fälle verbraucherfreundlich. Das Oberlandesgericht Karlsruhe wies zu einer Sachmangelklage gegen einen Händler darauf hin, dass es Skandalautos für erheblich mangelhaft hält, Käufer solcher Autos vor dem Rücktritt keine Frist zur Nacherfüllung setzen müssen und bei der Anrechnung der mit Skandalautos gefahrenen Kilometern mit einer Gesamtlaufleistung von 250 000 Kilometern zu rechnen ist. Außerdem spreche viel dafür, dass VW selbst wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung hafte. Das Oberlandesgericht München hält darüberhinaus für richtig, dass ein in den VW-Konzern eingegliederter Händler sich die Täuschung über die Umweltfreundlichkeit zurechnen lassen muss, so dass der Autobesitzer den Kaufvertrag in solchen Fällen auch wegen arglistiger Täuschung anfechten kann.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Hinweis vom 22.05.2018
Aktenzeichen: 17 U 11/18
Oberlandesgericht München, Beschluss vom 03.04.2018
Aktenzeichen: 32 U 3864/17
Klägervertreterin jeweils: Rechtsanwältin Katharina Deckert, München
05.11.2018 In eigener Sache: Wir haben heute wie angekündigt letztmals Urteile zu VW-Skandalautos mit 1.2, 1.6 und 2.0 Liter TDI-Motoren der Baureihe EA189 in unsere Urteilsliste aufgenommen. Über Urteile zu Autos mit illegaler Motorsteuerung, die das Kraftfahrtbundesamt erst später hat zurückrufen lassen, berichten wir weiter fortlaufend. Auch die verschiedenen Sammelverfahren sowie die Musterfeststellungsklage des vzbv gegen VW beobachten wir weiterhin.
Bilanz bisher: VW wurde mindestens 752 Mal verurteilt. Gegen Händler listen wir 505 verbraucherfreundliche Urteile und Beschlüsse auf. Außerdem dokumentieren wir 64 Urteile, in denen die Justiz Rechtsschutzversicherern aufgab, Streitigkeiten wegen des Abgasskandals zu finanzieren.
05.11.2018 Gansel Rechtsanwälte und Baum Reiter & Collegen haben ebenfalls eine Liste mit von den Rechtsanwälten erstrittenen Urteilen zum Abgasskandal veröffentlicht. Die Urteile sind im Volltext abrufbar.
18.10.2018 Erstmals seit vielen Jahren wieder hat der Verkehrsclub Deutschland (VCD) auch Autos mit Dieselmotor in seine Auto-Umweltliste aufgenommen. Die nach der Norm Euro 6d-Temp zugelassenen Autos seien sauber und sparsam, lobte der alternative Verkehrsclub bei der Veröffentlichung der aktuellen Liste umweltfreundlicher Autos. Er nennt außerdem ganz oder teilweise von Elektromotoren angetriebene Autos sowie solche mit sparsamen und sauberen Benzinmotoren.
17.10.2018 Das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg will übereinstimmenden Medienberichten zufolge den Rückruf von insgesamt 100 000 Opel-Modellen der Baureihen Cascada, Insignia und Zafira anordnen. Es geht offenbar um Autos mit oft reduzierter Ad-Blue-Einspritzung. Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll hat bereits erste Klagen gegen Opel eingereicht. Er liefert Einzelheiten zum Opelskandal.
17.10.2018 Auch Audi zahlt wegen des Abgasskandals ein Bußgeld an die Staatskasse. 800 Millionen Euro kostet das Unternehmen die Abschaltung oder Reduktion der Abgasreinigung im Fahrbetrieb jetzt noch zusätzlich. VW hatte bereits ein Bußgeld in Höhe von einer Milliarde Euro gezahlt. Unabhängig davon laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen eine ganze Reihe von Mitarbeitern des VW-Konzerns. Ex-Audi-Chef Rupert Stadler sitzt nach wie vor in Untersuchungshaft.
12.10.2018 Kurzer Prozess vor dem Oberlandesgericht Köln: Die Richter dort wollen eine Verurteilung von VW zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung durchs Landgericht Aachen (Urteil vom 19.01.2018, Aktenzeichen: 7 O 233/17) durch einstimmigen Beschluss zurückweisen. Der Hinweisbeschluss dazu stammt bereits von Juli. Die Richter am Oberlandesgericht Köln sehen nicht einmal Anlass dazu, den Fall erneut mündlich zu verhandeln. Ob es in dem Fall noch eine weitere Entscheidung gab oder das Verfahren wie oft in VW-Fällen nach Vergleich beendet wurde, ist unbekannt.
Oberlandesgericht Köln, (Hinweis-)Beschluss vom 16.07.2018
Klägervertreter: Rechtsanwalt Marco Kellenter, von KH Rechtsanwälte, Heinsberg
11.10.2018 Der Bundesgerichtshof will am Mittwoch, 9. Januar 2019, erstmals einen VW-Skandal-Fall verhandeln. Es geht um einen Skoda Octavia Scout 2.0 TDI. Der Kläger forderte vom Händler einen Teil des Kaufpreises zurück, weil der Wagen mangelhaft sei. Während des Rechtsstreits erhielt der Wagen die neue nach Ansicht des Kraftfahrtbundesamtes legale Motorsteuerung. Der Kläger blieb trotzdem dabei: Der Wagen ist mangelhaft. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das Update Nachteile wie Mehrverbrauch, Leistungsverlust und weiterhin überhöhten Schadstoffausstoß bringe. Das Landgericht Zwickau und das Oberlandesgericht Dresden wiesen seine Klage zurück. Es sei nicht mal wie vom Kläger gefordert ein Sachverständigengutachten einzuholen. Die Befürchtung, dass die neue Motorsteuerung nicht korrekt funktioniere, reiche dafür nicht aus, hatten die Richter in Sachsen argumentiert. Weitere Einzelheiten in der Terminsankündigung für die Presse.
08.10.2018 Das Oberlandesgericht München teilt auf Nachfrage von test.de mit: Vier der fünf Fälle, in denen das Gericht der Auffassung war, VW müsse ein Gutachten zur Wirksamkeit des Updates finanzieren (s. u., 29.06.2017), haben sich jeweils durch Rücknahme der Klage erledigt; wahrscheinlicher Hintergrund: VW hat die Kläger großzügig entschädigt und die sich im Gegenzug verpflichtet, das Verfahren ohne Urteil zu beenden. Das Verfahren 8 U 1711/17 sei noch nicht beendet, dort könnte noch ein Urteil ergehen.
08.10.2018 Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) meint: Zur Verhängung von Zwangshaft gegen Regierungsmitglieder in Bayern bedarf es keiner Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Der Verband reagiert damit auf einen Hinweis des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, wonach es der Einschaltung des Europa-Gerichts in Brüssel bedarf (s. u, 27.08.2018). Das Land Bayern ist rechtskräftig dazu verurteilt, Luftreinhaltepläne zu verschärfen und Fahrverbote vorzusehen. Die Gerichte haben bereits zweimal Zwangsgelder verhängt. Die hat das Land gezahlt. Fahrverbote allerdings hat die Staatsregierung immer noch nicht angeordnet. Einzelheiten zum Stand der Dinge in der Presseerklärung der DUH.
02.10.2018 Die Bundesregierung hat heute früh in der Nacht ihr Dieselkonzept verabschiedet. Die Verhandlungen waren kompliziert und langwierig. Jetzt soll gelten:
· Autos mit Schadstoffklasse Euro 4 und Euro 5 werden von Fahrverboten verschont, wenn sie weniger 270 Milligramm Stickoxid je Kilometer Fahrt ausstoßen.
· Für Besitzer von Autos mit Euro 4 oder Euro 5 und über 270 Milligramm Stickoxid-Ausstoß je Kilometer, die in einer Stadt mit Dieselfahrverboten arbeiten, oder die dort oder in einem angrenzenden Landkreis wohnen, oder die Fahrverbot sonst besonders hart treffen gilt: Sie sollen eine Tauschprämie erhalten. Sie soll den besonderen Wertverlust ausgleichen, den Autos mit Dieselmotor durch die Debatte um ihren Schadstoffausstoß erlitten haben. Sie soll auch für den Kauf eines sauberen Gebrauchtwagens eingesetzt werden können.
· Sofern es sich um einen Wagen mit Euro 5 handelt, soll der Besitzer zusätzlich die Option auf Nachrüstung haben. Auf seinen Wunsch soll der Hersteller auf seine Kosten mit voller Haftung für Mängel einen geeigneten Katalysator einbauen.
Um das umzusetzen soll das Bundesimmissionsschutzgesetz geändert werden. Zur Kontrolle darf die Polizei aufs Zentrale Fahrzeugregister zugreifen, eine blaue Plakette sei daher nicht erforderlich.
Hinzukommt noch eine Förderung in Höhe von 80 Prozent der Kosten für die Nachrüstung von schweren Kommunalfahrzeugen wie Müllwagen oder Straßenreinigungsmaschinen und für Handwerker und Lieferfahrzeuge.
Rechtlich gewagt: Die Maßnahmen gelten nur für Städte, in denen die bisherigen Messungen eine Belastung der Luft mit über 50 Mikrogramm Stickoxid je Kubikmeter Luft ergeben haben. Die Bundesregierung gehe davon aus, dass Städte mit einer Belastung der Luft von durchschnittlich nicht mehr als 50 Mikrogramm je Kubikmeter Luft den EU-Grenzwert künftig ohne Verkehrsbeschränkungen einhalten können. test.de kann das nicht nachvollziehen. Der EU-Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm Stickoxid je Kubikmeter Luft. Die Behörden in Brüssel haben ohnehin schon ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet, bei dem Milliarden Euro teure Strafzahlungen drohen.
Kritik am Diesel-Konzept äußerte bereits Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). „Leider bleiben wichtige Fragen weiterhin offen und zentrale Punkte vage“, monierte der Verbraucherschützer. Vor allem sei noch unklar, ob es einen individuellen Anspruch auf Nachrüstung gibt.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bezeichnete den Regierungsplan sogar als „doppelte Nulllösung“. Die Regelungen seien nicht ausreichend, um Gesundheit und Umwelt so zu schützen, wie die EU-Grenzwerte es verlangen. „Fahrverbote lassen sich so nicht vermeiden“, sagte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Ein erster Härtetest des Regierungsplans steht unmittelbar bevor: Am kommenden Dienstag, 9. Oktober, verhandelt das Verwaltungsgericht Berlin über eine Klage des DUH auf Verschärfung des Luftreinhalteplans für Berlin. Wenn das Gericht dort Fahrverbote weiter für nötig hält, könnte der Regierungsplan schon wieder Makulatur sein; die Bundesregierung geht davon aus, dass Fahrverbote für Berlin und andere Städte mit einer Stickoxid-Belastung von durchschnittlich bis zu 50 Mikrogramm je Kubikmeter Luft nicht erforderlich seien.
02.10.2018 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll weist zum Chronik-Beitrag von gestern darauf hin: Die dreijährige Verjährung von Schadenersatzansprüchen beginnt erst am Ende des Jahres, in dem Geschädigte von allen wesentlichen Umständen erfahren, die sie zum Schadenersatz berechtigen. VW hat sich aber erst im Jahr 2016 an Autobesitzer gewandt. Die Verjährung zum Ende dieses Jahres gilt nur, wenn Autobesitzer bereits 2015 erfahren haben, dass ihr Wagen mit einer illegalen Motorsteuerung ausgerüstet ist, etwa dadurch, dass sie die Fahrzeug-Identifizierungsnummer auf einer der Internetseiten des VW-Konzerns eingegeben haben. Die Darlegungs- und Beweislast für den Beginn der Verjährung trifft VW. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Zugriffe auf die Skandalauto-Datenbank ausreichend gut dokumentiert sind.
01.10.2018 In eigener Sache: Nur noch diesen Monat werden wir die Liste mit Urteilen zum Abgasskandal wie bisher aktualisieren. Zum Jahresende verjähren Schadenersatzansprüche wegen des im September 2015 bekannt gewordenen Skandals um die Abgasreinigung in 1.2, 1.6 und 2.0 TDI-Motoren. Besitzer solcher Autos sollten daher auf der Grundlage unserer Urteilsliste bis 31. Oktober entscheiden, ob sie gegen VW vorgehen. Nur wegen Autos, bei denen die Manipulation der Abgasreinigung erst nach dem Jahreswechsel 2015/2016 bekannt wurde, können auch nach 31.12.2018 noch Schadenersatzansprüche durchgesetzt werden. Urteile zu solchen Fällen veröffentlichen wir weiterhin fortlaufend. Auch die Berichterstattung sonst werden wir wie bisher fortlaufend aktualisieren und dabei immer auch über besonders wichtige oder spannende Urteile berichten.
20.09.2018 Die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen will gegen die Verurteilung zur Verschärfung des Luftreinhalteplans für Frankfurt am Main um ein Dieselfahrverbot Berufung einlegen. Wie test.de es erwartet hat (s. u. 10.09.2018): Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden in der hessischen Metropole in absehbarer Zeit keine Dieselfahrverbote in Kraft treten.
18.09.2018 Das Landgericht Regensburg hat einen Autohändler zur Neulieferung eines Wagens verurteilt. Es ist unserer Kenntnis nach das erste Urteil dieser Art, das rechtskräftig geworden ist. Der Fahrer eines Polos erhält jetzt ein komplett neues Auto gleichen Typs und gleicher Ausstattung, aber mit legaler Motorsteuerung. Für die mit dem Skandalauto gefahrenen Kilometer muss er keinen Cent zahlen. So ordnet es das Gericht für die Neulieferung an. Beim Rücktritt vom Kaufvertrag müssen sich Autobesitzer den Wert der mit dem Wagen gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Geurteilt hatte das Landgericht Regensburg in erster Instanz bereits im Juli 2017. Das Oberlandesgericht Nürnberg wies die Berufung des Händlers durch einstimmigen Beschluss zurück. Der Fall schaffte es dann sogar noch bis vor den Bundesgerichtshof. Der Händler nahm seine Rechtsbeschwerde aber wieder zurück. Weitere Einzelheiten zum Fall auf vw-schaden.de.
Landgericht Regensburg, Urteil vom 19.07.2017
Aktenzeichen: 7 O 1892/16 (1)
Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 20.12.2017
Aktenzeichen: 12 U 1567/17
Bundesgerichtshof, Einstellung des Verfahren nach Rücknahme
Aktenzeichen: VIII ZB 10/18
Klägervertreter: Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer, Lahr
17.09.2018 Jetzt doch: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sprach sich jedenfalls für einen Teil der Skandalautos für Hardware-Nachrüstungen aus. Davon distanzierte er sich inzwischen aber wieder. Auf jeden Fall will er Diesel-Besitzern Fahrverbote ersparen. Von der Industrie forderte er gegenüber der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), den Besitzern alter Diesel so wörtlich „höchst attraktive Angebote“ für den Wechsel zu sauberen Autos zu machen. Sie seien „zwingend in der Pflicht“, sagte Scheuer. Das gelte nicht nur für VW. Weitere Einzelheiten im Interview der FAZ mit Scheuer (kostenpflichtig) oder in der Zusammenfassung vom Deutschlandfunk.
10.09.2018 Auch in Frankfurt sind nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wiesbaden Fahrverbote fällig (Urteil vom 05.09.2018, Aktenzeichen: 4 K 1613/15.WI, Pressemitteilung des Gerichts). In vielen Berichten dazu heißt es wie zum Beispiel bei Spiegel Online: „Auch in Frankfurt am Main wird es ein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge geben.“ Oder sogar: „Gericht verhängt Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Frankfurt am Main“ (Die Welt auf der Grundlage einer AFP-Meldung).
Die Spiegel-Aussage ist nicht sicher und die der Welt schlicht falsch. Richtig ist: Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat das Land verpflichtet, im Luftreinhalteplan unter anderem ein Dieselfahrverbot aufzunehmen. Das Gericht selbst kann kein Fahrverbot anordnen. Das hat Folgen. Die Durchsetzung des Fahrverbots ist nicht sicher. Wenn das Land sich weigert, das Fahrverbot zu erlassen, kann das Gericht nur ein Zwangsgeld zu verhängen. Das ist an die Staatskasse zu zahlen.
Die Landesregierung in Bayern hat bereits zwei Zwangsgelder gezahlt und macht dennoch keine Anstalten, dass von den Gerichten in Bayern geforderte Dieselfahrverbot für München anzuordnen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof prüft jetzt, ob er gegen verantwortliche Minister oder Regierungsbeamte Zwangshaft anordnen kann. Das ist aber nicht sicher. Wie sich die hessische Landesregierung jetzt verhalten wird, ist unklar. Hinzu kommt: Sie kann auf jeden Fall noch Berufung gegen das Urteil einlegen.
Alle Details zum Thema finden Sie in unseren FAQ Fahrverbote in Innenstädten.
10.09.2018 Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht hat seine Rechtsauffassung zur Stilllegung von nicht nachgerüsteten Skandalautos (s. u., 29.08.2018) in einer weiteren Entscheidung bestätigt (Beschluss vom 17.08.2018, Aktenzeichen: 8 B 548/18).
29.08.2018 Die Verwaltungsgerichte sind fast geschlossen der Auffassung: Der sofortige Entzug der Zulassung nicht fristgerecht nachgerüsteter Skandalautos ist nicht zu beanstanden. So hat es jüngst auch das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht bestätigt (Beschluss vom 17.08.2018, Aktenzeichen: 8 B 865/18).
Allerdings: Jedenfalls nach Auffassung einzelner Verwaltungsgerichte ist Voraussetzung, dass die für die Typzulassung zuständige Behörde die ursprüngliche Typgenehmigung durch die Anordnung geändert hat, eine neue Motorsteuerung ohne Abschaltung der Abgasreinigung zu entwickeln und nachzurüsten. Das hat das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg für in Deutschland typ-zugelassene Skandalautos getan.
Manche Skandalautotypen wie etwa solche der Marke Skoda wurden jedoch von der Zulassungsbehörde in anderen EU-Ländern zugelassen und gabs keine Anordnung von Änderungen. In solchen Fällen sei die Typgenehmigung zwar rechtswidrig, aber weiter wirksam. Demzufolge würde der Entzug der Zulassung ausscheiden (Verwaltungsgericht Stuttgart, Beschluss vom 27.04.2018, Aktenzeichen: 8 K 1962/18, wohl auch: Verwaltungsgericht Potsdam, Beschluss vom 14.06.2018, Aktenzeichen: VG 10 L 303/18, zu dem die Begründung allerdings noch nicht vorliegt, sondern es nur eine Pressemitteilung gibt.)
Besitzer solcher Autos können gegen die Stilllegungs-Anordnung mit Aussicht auf Erfolg vors Verwaltungsgericht ziehen. Hintergrund für diese Sicht der Rechtslage: Die Richter gehen davon aus, dass die Typgenehmigung sich auf tatsächlich hergestellte Autos bezieht. Sie erscheint dann als rechtswidrig, wenn diese Autos das Abgas nicht oder nicht immer korrekt reinigen.
test.de hält diese Sicht der Dinge für zweifelhaft. Die Typgenehmigung bezieht sich auf die Beschreibung des Autotyps und seiner Eigenschaften durch den Hersteller. Die Mechanismen zur Reduktion oder Abschaltung der Abgasreinigung im Fahrbetrieb waren in diesen Beschreibungen nicht enthalten. Der Sache nach haben die Zulassungsbehörden regelmäßig den Autotyp genehmigt, wie er im Prüfstand-Modus funktioniert. Die ursprüngliche Typgenehmigung erscheint danach als rechtmäßig. Allerdings entsprachen die tatsächlich hergestellten Autos dieser Typgenehmigung nicht.
Zu dieser Sicht der Dinge neigen die Zivilgerichte. Die logische Konsequenz wäre dann allerdings: Alle Skandal-Autos hätten sofort und ohne weiteres aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Sämtliche Kaufverträge über solche Autos wären wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Gebot nichtig. So sah das bisher nur ein einziges Gericht (Landgericht Augsburg, Urteil vom 07.05.2018, Aktenzeichen: 082 O 4497/16).
27.08.2018 Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) berichtet: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof denkt darüber nach, wegen der Verweigerung von Dieselfahrverboten Verantwortliche aus Politik und Behörden bis hin zum Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder in Zwangshaft zu nehmen, nachdem das Gericht bereits zweimal ergebnislos Zwangsgelder verhängt hatte. Einzelheiten dazu in test.de/dieselfahrverbote.
23.08.2018 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll meldet: Jetzt rückt auch Opel wegen des Abgasskandals in das Visier zivilrechtlicher Angriffe. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, die bereits Tausende von VW-Skandal-Opfern vertritt, habe im Auftrag des Besitzers eines Opel Insignia 2,0 Diesel mit Ad-Blue-Tank beim Landgericht Offenburg die soweit bekannt erste Abgasskandal-Klage gegen die Adam Opel GmbH erhoben. Der Insignia-Besitzer habe sich beim Kauf eigens erklären lassen, wie die Adblue-Technik funktioniert. Als im Juli 2018 bekannt wurde, dass das Kraftfahrtbundesamt wegen der Opel-Modelle Insignia, Zafira und Cascada eine amtliche Anhörung wegen des Verdachts der Verwendung einer illegalen Abschalteinrichtung eingeleitet hat, entschloss sich der Kläger, Dr. Stoll & Sauer einzuschalten. Er geht davon aus, dass er genau wie die VW-Skandal-Opfer betrogen wurde.
20.08.2018 Jetzt steht fest: Auch Mercedes hat Hunderttausende von Autos mit Dieselmotor ausgeliefert, bei denen die Motorsteuerung die Abgasreinigung abschaltet oder reduziert, wenn die Autos nicht im Prüfstand stehen, sondern im Straßenverkehr unterwegs sind. So sieht es jedenfalls das Kraftfahrbundesamt. Es hat angeordnet, dass der Automobilhersteller die betroffenen Autos in die Werkstätten zurückruft und sie dort nachrüstet. Mercedes will Widerspruch einlegen. Gleichwohl entwickelt das Unternehmen für die betroffenen Autos eine neue Motorsteuerung ohne unzulässige Abschaltung der Abgasreinigung. Es geht laut Spiegel Online um insgesamt 24 verschiedene Modelle und 280 000 Autos und Kleinbusse in Deutschland und 700 000 europaweit (siehe auch Wer ist vom Abgas-Skandal betroffen?).
19.07.2018 Laut der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Werdermann von Rüden hat das Landgericht Stuttgart beschlossen, ein umfassendes Sachverständigengutachten zu einer Mercedes-Motorsteuerung einzuholen (Beschluss vom 09.07.2018, Aktenzeichen: 23 O 56/18). Der Kläger hatte im Jahr 2014 einen Mercedes GLA 220 CDI gekauft. In diesem Fahrzeug ist ein Motor des Typs OM 651 eingebaut. Im Rahmen eines Hinweis- und Beweisbeschlusses weist das Gericht darauf hin, dass die Rechtsanwälte des Klägers schlüssig vorgetragen haben, dass in dem Motor eine unerlaubte Einrichtung zur Abschaltung der Abgasreinigung eingebaut sei und dies nicht ohne entsprechende Kenntnis des Vorstandes erfolgt sein kann.
Die Daimler AG muss jetzt erklären, wieso sie der Auffassung ist, dass es sich bei der Abschalteinrichtung um eine erlaubte Maßnahme handelt und ob und der Vorstand hiervon wusste. „Wir glauben nicht, dass Daimler unseren Ausführungen etwas Wesentliches entgegenhalten kann. Aber wir sind sehr gespannt auf die Ausführungen, die belegen sollen, dass der gesamte Vorstand nichts von diesem Betrug mitbekommen haben soll“, erklärte Rechtsanwalt Johannes von Rüden zu dem Fall.
Bei VW stand fest, dass die Motorsteuerung für rund 2,5 Millionen Autos illegal war, nachdem das Kraftfahrtbundesamt dem Konzern rechtsbeständig aufgegeben hatte, die Motorsteuerung zu ändern. Mercedes akzeptiert die Entscheidung der Beamten jedoch nicht und will verwaltungsrechtlich dagegen vorgehen.
19.07.2018 Der Bundesgerichtshof hat sich zum ersten Mal zum Abgasskandal geäußert – allerdings nur in einer Verfahrensfrage . Eine Frau aus Dillingen hatte wegen ihres bei einem Händler in Aalen erworbenen Skandalautos vor dem Landgericht Ellwangen (Jagst) sowohl gegen den Händler als auch gegen VW Klage erhoben. Das Gericht hielt sich wegen der Klage gegen VW für nicht zuständig. Es legte den Fall deshalb dem Oberlandesgericht in Stuttgart vor. So sieht es die Zivilprozessordnung in solchen Fällen vor.
Die Richter dort halten das Landgericht Ellwangen für zuständig. Allerdings hatte das Oberlandesgericht Nürnberg bereits im April 2017 in einem parallel gelagerten Fall beschlossen: Händler und Hersteller können nicht gemeinsam verklagt werden. Es sei jeweils ein anderes Gericht zuständig. Die allermeisten Gerichte sahen das anders, es gibt bereits Dutzende von Urteilen, in den Händler und Hersteller gleichzeitig verurteilt werden.
Wegen der Entscheidung aus Nürnberg schickten die Richter aus Stuttgart das Verfahren zum Bundesgerichtshof nach Karlsruhe. Der hat die vorherrschende Linie jetzt bestätigt. Auch wenn die Ansprüche gegen Händler und Hersteller sich auf unterschiedliche Grundlagen stützen, gehe es im Grunde ums gleiche, argumentierten die Bundesrichter. Händler und Hersteller können deshalb gemeinsam verklagt werden.
Die Kanzlei mit den meisten Doppelklagen ist Dr. Stoll und Sauer in Lahr. Die Rechtsanwälte dort hatten soweit bekannt als erste damit begonnen, VW und Händler gemeinsam zu verklagen. Christoph Eggert, früher Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf und inzwischen Pensionär, nannte die Strategie beim Autorechtstag 2017 in Königswinter in seinem Vortrag über den Abgasskandal deshalb: „Stoll & Sauer‘sche Doppelzange“.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.06.2018
Aktenzeichen: X ARZ 303/18
16.07.2018 Auch Opel ist wegen des Abgasskandals ins Visier des Kraftfahrbundesamts geraten. Die Beamten haben Vertreter des Unternehmens aufgefordert, binnen zwei Wochen Stellung zu Ungereimtheiten in der Motorsteuerung von drei Modellen zu nehmen. Es geht übereinstimmenden Berichten zufolge um insgesamt 60 000 Insignia, Zafira und Cascada mit nach der Norm Euro 6 schadstoffarmen Dieselmotoren. Opel wies die Vorwürfe zurück. Soweit die Motorsteuerung die Abgasreinigung verringere, sei das zum Schutz des Motors nötig, hieß es.
12.07.2018 Jubel in den Rechtsanwaltskanzleien Rogert & Ulbrich in Düsseldorf und Dr. Stoll & Sauer in Lahr: Das Oberlandesgericht Oldenburg geht davon aus, dass VW Käufer von Skandalautos vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt hat. Die Richter in Oldenburg erklärten: „Der Senat geht (…) davon aus, dass das Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 826 BGB zu Recht bejaht hat.“ Mit anderen Worten: Sie wollen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 12.01.2018, Aktenzeichen: 2 O 779/17, bestätigen und die Berufung von VW dagegen zurückweisen.
„Soweit ersichtlich hat sich damit erstmals ein Oberlandesgericht derart deutlich positioniert, was deliktische Ansprüche gegen Volkswagen angeht“, ordnet Rechtsanwalt Tobias Ulbrich den Hinweis ein. Etwas zurückhaltender äußert sich das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Hinweis zum Verfahren 13 U 17/18: „Nach vorläufiger Rechtsauffassung des Senats spricht (…) deutlich mehr für eine Haftung der VW AG auf Schadensersatz nach § 826 BGB als dagegen. Ob die Haftung auch über § 831 BGB begründet werden kann, was nach dem Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Braunschweig durchaus im Raum steht, hängt vom Parteivortrag in den jeweiligen Verfahren ab“, heißt es in dem Schreiben an die Parteien.
Verfahrensrechtlicher Hintergrund: VW hat bisher verbraucherfreundliche Oberlandesgerichts-Urteile zum Abgasskandal konsequent verhindert, indem der Konzern Skandalopfern kurz vor der Verhandlung ihrer Sache so viel Geld bot, dass diese ihre Klagen zurücknahmen oder eine Vereinbarung über die Beendigung des Prozesses abschlossen. Einen Teil der meist großzügigen Entschädigung der Kläger in solchen Fällen zahlt VW dafür, dass sich die Skandalopfer und ihre Anwälte zum Stillschweigen über den Fall verpflichten. Einem solchen vorzeitigen Ende des Verfahrens kommen die Richter in Oldenburg und Stuttgart mit ihren Hinweisen zuvor. Vermutlich wird auch von beiden Fällen in Oldenburg und Karlsruhe nie wieder etwas zu hören sein, sondern erneut hinter den Kulissen ein für die Kläger lukrativer Vergleich geschlossen.
Oberlandesgericht Oldenburg, Hinweis vom 19.06.2018
Aktenzeichen: 2 U 9/18
Klägervertreter:Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte, Düsseldorf
Oberlandesgericht Karlsruhe, Hinweis vom 06.07.2018
Aktenzeichen: 13 U 17/18
Klägervertreter: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälte, Lahr
09.07.2018 Das Landgericht Stuttgart geht für einen VW Sharan Highline Bluemotion 2.0 TDI von einer Gesamtfahrleistung von 400 000 Kilometer aus. Das berichtet Rechtsanwalt Markus Klamert von KMP3G-Rechtsanwälte in München. Nach dem Urteil hat der Kläger Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu erhalten. Der fällt beim Landgericht Stuttgart erheblich höher aus als sonst oft, weil es für die Berechnung der Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer von 400 000 und nicht wie sonst häufig von nur 250 000 Kilometern ausgeht.
Rechenbeispiel: Der Wagen hat 25 000 Euro gekostet. Er ist inzwischen 100 000 Kilometer gefahren. Nach dem Landgericht Stuttgart muss VW dem Besitzer 25 000 Euro Kaufpreis - (25 000 Euro / 400 000 Kilometer * 100 000 Kilometer =) 6 250 Euro Nutzungsentschädigung, also 18 750 Euro zahlen. Bei Rechnung mit einer Gesamtfahrleistung von 250 000 Kilometer verringert sich der Schadenersatz um 3 750 auf 15 000 Euro.
Allerdings: Laut Tatbestand des Urteils hatte VW nicht bestritten, dass der Wagen 400 000 Kilometer schafft. Das Gericht muss dann von dieser Laufleistung ausgehen. Ob die VW-Anwälte es versäumt haben, die Gesamtlaufleistung zum Thema zu machen oder ob das Gericht ihre Darstellung des Fall in dem Punkt nur für nicht ausreichend hielt, blieb unklar. Markus Klamert sieht jedenfalls einen Trend. Das Oberlandesgericht in Köln sei in einem anderen Fall bereits von 500 000 Kilometern ausgegangen, erklärte er. Viele Richter hätten kein Verständnis mehr für das Verhalten von VW im Abgasskandal.
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 29.06.2018
Aktenzeichen: 24 O 360/17
Klägervertreter: KMP3G Klamert Tremel und Partner, München
05.07.2018 Zwei Abgasskandal-Fälle liegen aktuell beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Unter dem Aktenzeichen VIII ZR 78/18 ist die Revision gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Dresden anhängig. Das hatte zu einem Fall geurteilt, bei dem offenbar erst kurz vor oder nach Installation der neuen laut Kraftfahrtbundesamt und VW legalen Motorsteuerung Klage erhoben worden war: Der Käufer muss beweisen, dass das Auto trotz Softwareupdate noch mangelhaft ist.
Vage Befürchtungen zu Nachteilen der neuen Motorsteuerung seien nicht ausreichend, heißt es in der Begründung zu dem Urteil. Ebenso wenig reiche aus, pauschal eine Wertminderung des Autos zu behaupten. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu erscheine sonst als bloßer Ausforschungsbeweis. Der ist im deutschen Zivilprozessrecht unzulässig.
In einem weiteren Verfahren mit dem Aktenzeichen VIII ZR 225/17 geht es um einen Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg. Das hatte zu einer Klage auf Lieferung eines ganz neuen Wagens mit legaler Motorsteuerung entschieden: Eine solche Ersatzlieferung scheide aus, wenn der Fahrzeugtyp so nicht mehr hergestellt werde, sondern inzwischen durch ein neues Modell mit anderer Motorisierung ersetzt worden sei. Das Gericht ließ die Revision nicht zu. Dagegen beschwert sich der Kläger beim Bundesgerichtshof. In beiden Verfahren ist laut BGH-Sprecherin Dietlind Weinland noch nicht absehbar, wann eine Entscheidung fällt.
05.07.2018 Unterdessen arbeiten die Instanzgerichte auf Hochtouren. Allein heute hat test.de 35 neue Urteile zugunsten von Skandalautobesitzern in die Abgasskandal-Urteilsliste aufgenommen.
28.06.2018Werdermann von Rüden-Rechtsanwälte in Berlin haben jetzt die Begründung für die erste Verurteilung der Daimler AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung vorgelegt (s. u. 14.06.2018). Besonders interessant: „Bei gleichen Betriebsbedingungen verhält sich das System auf dem Prüfstand vielmehr genauso wie auf der Straße (und umgekehrt)“, hatten die Daimler Anwälte wörtlich formuliert, um das Unternehmen gegen den Vorwurf zu verteidigen, dass die Abgasreinigung nur im Prüfstand vollständig funktioniere.
Richter Lukas Beck am Landgericht Hanau sah daran jedoch keinen Widerspruch zur Behauptung des Klägers, nachdem die Daimler-Anwälte auch in der mündlichen Verhandlung seine gezielten Nachfragen zum Thema nicht beantworteten und sich auch keine erneute Darstellung der Technik vorbehielten. Auch zur Verantwortung für die illegale Motorsteuerung hatte sich das Unternehmen nicht geäußert. Der Richter ging daher davon aus, dass die nach dem Aktiengesetz Verantwortlichen Bescheid wussten und deshalb die Daimler AG zu Schadenersatz verpflichtet ist.
Werdermann von Rüden-Rechtsanwälte vertreten nach eigener Darstellung noch in 56 weiteren Fällen Kläger, die von Daimler Schadenersatz fordern. Aus ihrer Sicht sind viel mehr Autos der Marke Mercedes-Benz vom Abgasskandal betroffen als bisher bekannt. Detaillierte Informationen zum Abgasskandal bei Mercedes auf der Homepage der Kanzlei.
22.06.2018 Verschiedene Autohersteller versuchen aktuell offenbar, bisher den Behörden verschwiegene Mechanismen zur Reduzierung der Abgasreinigung nachträglich genehmigen zu lassen. Das berichtet Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in einem ausführlichen Interview bei heise.de. Resch schildert eine ganze Reihe weiterer, wenige bekannter Hintergründe zum Abgasskandal und hatte auch kritische Fragen zu beantworten. Die Auto-Redaktion von heise.de hatte die DUH wiederholt zum Teil heftig kritisiert.
21.06.2018 Gewichtige Post aus Amerika: Myright.de hat von den US-Behörden eine Festplatte mit rund 600 000 Seiten Dokumenten zum VW-Skandal erhalten. Die werten die Experten des Unternehmens jetzt aus, um Material für die Schadenersatzklagen gegen VW zu sammeln, berichtete Myright-Geschäftsführer Jan-Eike Andresen. Es handele sich nicht nur um Schriftverkehr mit den Behörden, sondern auch um interne Unterlagen aus dem VW-Konzern.
18.06.2018 Audi-Chef Rupert Stadler ist im Zuge des Abgasskandals wegen des Verdachts auf Betrug und mittelbare Falschbeurkundung in Untersuchungshaft. Das hat die Staatsanwaltschaft am Landgericht München II mitgeteilt. Es bestehe Verdunkelungsgefahr. Mit anderen Worten: Die Strafverfolger glauben, dass Stadler seine mutmaßlichen Straftaten vertuschen will. Es ist das erste Mal überhaupt, dass der amtierende Vorstandsvorsitzende eines deutschen Autoherstellers hinter Gitter kommt. Weitere Einzelheiten im Onlinebericht der Süddeutschen Zeitung.
18.06.2018 Zwischenerfolg für Myright.de im Streit mit VW: Laut Oberlandesgericht Braunschweig muss sich jetzt das Landgericht mit einem Befangenheitsantrag des Rechtsdienstleisters befassen. Der hatte Klage wegen der Schadenersatzforderungen von rund 15 000 Skandalautobesitzern erhoben. Die Richterin bezweifelte, dass die Abtretung der Forderungen wirksam ist, obwohl sich VW dazu bis dato noch gar nicht geäußert hatte. Die Richterin hält sich gleichwohl nicht für befangen. Das Landgericht gab den Befangenheitsantrag daraufhin gleich ans Oberlandesgericht weiter. Das geht so nicht, hieß es jetzt von dort. Zunächst muss jetzt das Landgericht über den Befangenheitsantrag entscheiden – ohne die Mitwirkung der womöglich voreingenommenen Richterin.
15.06.2018 Die gestern gemeldeten ersten Urteile gegen die Daimler AG hat die Berliner Kanzlei Werdermann von Rüden-Rechtsanwälte erstritten, auch wenn test.de von Ihnen über Dr. Lehnen erfahren hat. Auch Werdermann von Rüden informieren auf ihrer Homepage ausführlich über die ersten Mercedes-Urteile im Abgasskandal.
14.06.2018 Erste Verurteilungen der Daimler AG zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung meldet Rechtsanwalt Dr. Christof Lehnen. Gut für Betroffene: Die zahlreichen Klagen gegen den VW-Konzern und seine Händler haben der Durchsetzung der Rechte gegen Autohersteller allgemein den Weg bereitet, berichtet der Anwalt aus Trier. Sowohl Rechtsschutzversicherer als auch Gerichte haben einschlägige Erfahrungen und meist eine klare Linie. Weitere Einzelheiten in der Presseerklärung der Kanzlei.
14.06.2018 Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat gegen die VW AG ein Bußgeld in Höhe von fünf Millionen Euro verhängt. Außerdem schöpfen die Strafverfolger wirtschaftliche Vorteile in Höhe von 995 Millionen Euro ab, die der Autokonzern mit den angeblich sauberen Dieselmotoren mit der unzulässigen Abschaltung der Abgasreinigung erzielt hat. Möglich macht es ein Tatbestand im Ordungswidrigkeitengesetz. „Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens (...) die Aufsichtsmaßnahmen unterläßt, (...) um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, (...) handelt ordnungswidrig“, heißt es dort. „Es handelt sich um eine der höchsten Geldbußen, die jemals in der Bundesrepublik Deutschland einem Unternehmen auferlegt worden ist“, erklärt die Staatsanwaltschaft in Braunschweig. Zum Vergleich: Die VW AG meldete allein für das erste Quartal 2018 einen Umsatz von 58,2 Milliarden Euro und einen Gewinn von 4,21 Milliarden Euro. Der Konzern hat den Bußgeldbescheid nach Darstellung der Strafverfolger bereits akzeptiert.
Keinen Einfluss hat der Bußgeldbescheid auf die Zivilverfahren und die Ermittlungsverfahren gegen derzeit 48 (Ex-)Mitarbeiter des Konzerns wegen des Verdachts verschiedener Straftaten.
12.06.2018 Jetzt steht endgültig fest: Auch Mercedes steckt tief im Abgasskandal. Das Kraftfahrtbundesamt hält die Motorensteuerung in 238 000 Autos der Marke in Deutschland und 774 000 in Europa für illegal. Die Daimler AG soll Mechanismen zur Abschaltung der Abgasreinigung aus den Programmen entfernen und die Besitzer der Autos in die Werkstätten rufen. Dort sollen ihre Wagen eine neue Motorsteuerung erhalten. Welche Modelle genau betroffen sind, ist noch unklar. Fest steht nur: Es geht um Kleintransporter vom Typ Vito, C-Klasse-Limousinen und GLC-Modelle. Der Autokonzern hält den Zwangsrückruf für rechtswidrig und hat Widerspruch eingelegt. Gleichwohl bleibt die Behörde dabei: Der Rückruf ist Pflicht. Erstaunlich: Weder beim Ministerium, noch beim Kraftfahrtbundesamt oder Mercedes findet sich eine halbwegs detaillierte Presseinformation zum Thema. Es gibt nur ein 50 Sekunden kurzes Video von Bundesverkehrsminister Andreas Franz Scheuer.
11.06.2018 Endlich eine Oberlandesgerichtsentscheidung zum VW-Skandal: Das Oberlandesgericht Köln hat die Verurteilung eines Händlers zur Erstattung des für ein Skandal-Auto gezahlten Kaufpreises bestätigt. Das berichtet Rechtsanwalt Dr. Christof Lehnen von Dr. Lehnen & Sinnig in Trier. Bisher hatten der VW Konzern und seine Händler eine Verurteilung in zweiter Instanz konsequent verhindert, indem die jeweiligen Kläger – meist großzügig – entschädigt und das Verfahren außergerichtlich erledigt wurde. Der Fall aus Köln ist den VW-Anwälten und Juristen offenbar schlicht durchgerutscht. „Wir gehen davon aus, dass Volkswagen diesen Prozess einfach aus den Augen verloren hat. Kein Wunder, denn schließlich sind tausende Prozesse zum Abgasskandal anhängig und nahezu alle entwickeln sich zugunsten der geschädigten Autokäufer“, erklärte Dr. Lehnen zum Verfahren. Das Gericht wies die von VW unterstützte Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Köln sogar durch einen Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurück. Die Richter hielten das Rechtsmittel einstimmig für aussichtslos, sahen nicht mal eine grundsätzliche Bedeutung der Sache und hielten auch eine Revision beim Bundesgerichtshof zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts nicht für nötig. Weitere Einzelheiten zum Verfahren in der Pressemitteilung der Kanzlei.
Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 28.05.2018
Aktenzeichen: 27 U 13/17
Klägervertreter: Dr. Lehnen & Sinnig Rechtsanwälte, Trier
07.06.2018Rechtsanwalt Tobias Ulbrich von Rogert & Ulbrich in Düsseldorf berichtet: Die Kanzlei hat bisher 25 Klagen wegen Autos von Mercedes mit mutmaßlich manipulierten Diesel-Motoren erhoben, die ersten bereits im Jahr 2016. Hunderte weitere Klagen seien in Vorbereitung. Er rechnet in den nächsten Wochen mit ersten Urteilen. Was die Verfahren schwierig mache: Mercedes nutze offenbar Reifenwechsel-, Inspektions- oder sonstige Werkstatttermine, um in Autos mit illegaler Steuerung heimlich eine geänderte Software zu installieren, ohne die Autos förmlich zurückrufen zu müssen. Details dazu in einem Beitrag der ZDF-Nachrichtensendung heute plus.
07.06.2018 Jetzt ist es offiziell: Weltweit rund 60 000 Audi A6 und A7 mit 3.0 TDI-Motor, die angeblich die Schadstoffklasse Euro 6 einhielten, müssen eine neue Motorsteuerung bekommen. Autos der Typen, die noch bei den Händlern stehen, dürfen nicht verkauft oder ausgeliefert werden. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat den Rückruf angeordnet. Die Beamten sind davon überzeugt: Die Motorsteuerung schalte die Abgasreinigung unter bestimmten Bedingungen unzulässig ab. Kaum zu glauben: Es handelt sich um Autos, die Audi ausdrücklich als Ersatz für Skandal-Autos angeboten hatte und für die der Autohersteller eine Umwelt-Prämie zahlte. Details dazu bei Spiegel online.
07.06.2018 Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer aus Lahr hat unter vw-schaden.de/news-zum-vw-diesel-skandal kurze Berichte und die Original-Begründungen zu zahlreichen von ihr erstrittenen Urteilen veröffentlicht.
07.06.2018 test.de-Redakteur Christoph Herrmann wird morgen früh gegen 6.40, 7.40 und 8.40 Uhr im ZDF-Morgenmagazin Fragen zum VW-Skandal beantworten.
04.06.2018 Die Rechtsanwaltskanzlei Werdermann von Rüden aus Berlin berichtet: Sie führt aktuell rund 260 Verfahren gegen die Daimler AG wegen zu Lasten der Umwelt manipulierter Motorsteuerungen. 56 Fälle seien bereits vor Gericht. Jetzt bietet die Kanzlei Mercedes-Fahrern die Möglichkeit, online kostenlos zu prüfen, ob sie Rechte wegen des Abgasskandals mit Aussicht auf Erfolg geltend machen können. Rechtsanwalt Johannes von Rüden versprach: Das Informationsportal zu möglichen Manipulationen bei Mercedes werde fortlaufend aktualisiert. Aktuell letzter Stand: Das Landgericht Stuttgart hat entschieden, ein Sachverständigengutachten über die Motorsteuerung eines nicht näher genannten Autos der Daimler AG einzuholen. Der Gutachter soll prüfen, ob die Motorsteuerung eine Untersuchung im Prüfstand erkennt und die Einstellungen dafür verändert, damit die Schadstoffgrenzwerte eingehalten werden.
Eine ähnlich große Anzahl an Mercedes-Klagen wegen des Abgasskandals meldet die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer. 265 Mercedes-Besitzer haben Forderungen gegen den Daimler-Konzern und seine Händler angemeldet. Hinzu kommt noch gut ein Dutzend Fälle, bei dem es um den Widerruf von Kreditverträgen zur Finanzierung von Autos aus dem Daimlerkonzern geht.
31.05.2018 Gute Nachricht für Skandalauto-Besitzer: Sie können möglicherweise erheblich länger als bisher angenommen gegen Verkäufer dieser Autos vorgehen. Das Landgericht Augsburg urteilte: Verkäufe von Skandalautos sind nichtig. Laut EU-Zulassungsregeln dürfen nur Autos gehandelt werden, die den Abgasvorschriften entsprechen. Haben sie wie die VW-Skandalautos eine illegale Motorsteuerung, dürfen Händler sie nicht verkaufen. Tun sie es trotzdem, ist der Vertrag wegen des Verstoßes gegen die Regelung nichtig. Ob der Händler vom Verstoß etwas wusste, spielt dabei keine Rolle. Der Käufer des Wagens kann Erstattung des Kaufpreises als ungerechtfertigte Bereicherung verlangen. Gut für ihn: Die Forderung verjährt erst frühestens drei Jahre nach Ende des Jahres seiner Entstehung und nicht schon zwei Jahre nach Lieferung des Autos. Entscheidender Zeitpunkt ist die Bezahlung des Autos. Verjährt sind Forderungen nur für Autos, die schon bis 31.12.2014 bezahlt wurden. Nichtig ist nicht nur der erste Verkauf des Wagens. Auch als Gebrauchtwagen dürfen Skandalautos nach Auffassung des Landgerichts Augsburg nicht verkauft werden und sind entsprechende Verkäufe nichtig. Auch Leasing- und Mietverträge erfasst die EU-Zulassungsverordnung als Verbotsgesetz. Weitere Einzelheiten auf der Homepage der Rechtsanwälte.
Landgericht Augsburg, Urteil vom 07.05.2018
Aktenzeichen: 082 O 4497/16 (nicht rechtskräftig)
Klägervertreter: Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer, Lahr
[erweitert und korrigiert am 07.06.2018, ursprünglich war das Aktenzeichen falsch angegeben]
28.05.2018 Mercedes Benz rückt in den Mittelpunkt des Interesses des Bundesverkehrsministeriums und des Kraftfahrtbundesamtes. Spiegel-Redakteure fanden heraus: Bis zu 600 000 Autos mit Euro 6-Turbodieselmotoren brauchen eine neue Motorsteuerung, weil die aktuelle Variante die Abgasreinigung oft ganz oder teilweise illegal abschaltet. Mercedes bestreitet das und will Widerspruch einlegen. Weitere Einzelheiten bei Spiegel Online.
24.05.2018 Die Begründungen der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts zu Dieselfahrverboten liegen vor. Am Donnerstag, 31. Mai 2018, verhängt Hamburg die ersten Sperren für dreckige Diesel. Mehr dazu in unseren FAQ Fahrverbote in Innenstädten.
22.05.2018 Bemerkenswertes Urteil aus Österreich: Das Landgericht Eisenstadt verurteilte Volkswagen dazu, an den Eigner eines Audi Q3 den Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung zu erstatten, obwohl der Wagen die neue vom Kraftfahrtbundesamt in Flensburg zugelassene Motorsteuerung erhalten hatte.
Anders als die Gerichte in Deutschland ließ die Richterin in Eisenstadt den Schadstoffausstoß des Wagens vor und nach dem Softwareupdate von Sachverständigen untersuchen. Ergebnis: Auf dem Prüfstand war so oder so alles in Ordnung. Bei Fahrten im Straßenverkehr allerdings überschritt der Wagen den Grenzwert für Stickoxid im Originalzustand um 247 Prozent und nach dem Update der Motorsteuerung immer noch um 77 Prozent.
Allenfalls 20 bis 30 Prozent Überschreitung wären nach Auffassung des Gerichts noch akzeptabel gewesen, fast 80 Prozent seien jedoch eindeutig zu viel, meinte die Richterin. VW dagegen hatte argumentiert: Es komme allein auf den Schadstoffausstoß im Prüfstand an, für Fahrten im Straßenverkehr gebe es überhaupt keinen Grenzwert.
09.05.2018 Neues Kapitel im VW-Skandal: Gestern wurde bekannt, dass Audi sogar im Zuge der beim Diesel-Gipfel vereinbarten freiwilligen Umtausch-Aktion noch neue Euro-6-Autos mit illegaler Motorsteuerung geliefert hat. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge sollen bei weltweit gut 60 000 Wagen der Typen A6 und A7 mit 200 Kilowatt-/271 PS-TDI-Motoren die Einspritzung von Adblue zur Bindung des Stickoxids im Abgas verringert worden sein, wenn der Vorrat im Tank zur Neige ging, bevor eine Inspektion anstand.
Audi wollte offenbar wie andere Hersteller auch verhindern, dass Käufer der hochwertigen Karossen sich beim Nachfüllen der klebrigen Harnstoff-Flüssigkeit selbst die Finger schmutzig machen müssen. Eins der A6-Modelle mit Adblue-Reduktion war offenbar bis zuletzt im Angebot. Inzwischen hat Audi die Auslieferung dieses Wagens gestoppt. Details dazu bei Spiegel-Online und welt.de.
07.05.2018 Die große Koalition ist sich einig: Das Gesetz über Musterfeststellungsklagen soll zügig verabschiedet werden und am Donnerstag, 1. November 2018, in Kraft treten. Es könnte dann auch wegen Schadenersatzansprüchen gegen VW noch ein Musterverfahren geben, an dem sich Opfer des VW-Skandals ohne Risiko und mit allenfalls geringen Kosten beteiligen können. Schadenersatzforderungen von Skandalauto-Besitzern gegen die Volkswagen AG verjähren frühestens am 31.12.2018. test.de wird zum neuen Gesetz so schnell wie möglich Antworten auf die wichtigsten Fragen liefern.
07.05.2018 Die US-Strafverfolger haben nach Anklageerhebung (s.u., 04.05.2018) einen Haftbefehl gegen Ex-VW-Chef Winterkorn erlassen. Sie halten den Manager für flüchtig. In Deutschland ist Winterkorn allerdings sicher vor Verhaftung. Eine Auslieferung an die USA ist unzulässig.
04.05.2018 Erneut marschiert die US-Justiz vorneweg bei der Aufklärung des VW-Skandals. Sie hat jetzt Ex-VW-Vorstandschef Martin Winterkorn unter Anklage gestellt. Die US-Strafverfolger sehen den Verdacht auf Verschwörung zum Verstoß gegen US-Umweltgesetze. Winterkorn ist aus ihrer Sicht Mittäter.
Vom Verfahren in den USA könnten auch Verbraucher und VW-Aktionäre in Europa profitieren. Wenn gerichtsfest feststeht, dass Winterkorn daran beteiligt war, Dieselmotoren so zu steuern, dass die Abgasgrenzwerte nur im Prüfstand eingehalten wurden, kann VW sich gegen Schadenersatzklagen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung endgültig nicht mehr verteidigen.
Aktuell tragen die VW-Anwälte immer noch vor, dass die Verantwortlichen im Unternehmen zunächst nichts von der illegalen Motorsteuerung wussten. Soweit VW dennoch immer wieder zum Schadenersatz verurteilt wird, liegt das nur daran, dass das Unternehmen bisher die Unwissenheit der Manager nicht beweisen kann oder will.
Auch deutsche Staatsanwälte ermitteln wegen des VW-Skandals gegen Winterkorn und andere damalige VW-Manager. Ob und wann sie Anklage erheben, ist aber völlig offen. In den USA dagegen sind bereits zwei VW-Manager zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
19.04.2018 Die Urteile gegen VW und seine Händler häufen sich. Die test.de-Urteilsliste nennt aktuell 261 verbraucherfreundliche Verurteilungen von Volkswagen und anderen Unternehmen des VW-Konzerns und 354 Verurteilungen von Autohändlern im Zuge des Abgasskandals, wobei Urteile sowohl gegen den Hersteller als auch Händler hier wie dort gezählt werden.
Der ADAC hat ebenfalls eine Urteillssammlung zusammengestellt. VW wurde danach 169 Mal verurteilt, während 44 Klagen gegen den Hersteller abgewiesen wurden. In 231 Fällen sahen nach der ADAC-Urteilssammlung die Gerichte Autohändler in der Pflicht zur Sachmangelhaftung. 75 Klagen gegen Händler wiesen sie ab. hier
19.04.2018 Ekhard Zinke, der Chef des Kraftfahrtbundesamtes, muss doch nicht als Zeuge in einem Schadenersatzprozess wegen eine Porsche Macan mit mutmaßlich illegaler Motorsteuerung vor dem Landgericht Heilbronn auftreten. Das berichtet Spiegel Online. Porsche überwies dem Bericht zufolge der Kanzlei von Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll 94 112 Euro für den Besitzer des Porsche-Geländewagens. Das ist der volle Kaufpreis für den Wagen samt Zinsen und Anwaltskosten. Das Gerichtsverfahren ist damit erledigt.
Allerdings: Laut Spiegel wäre Zinke auch ohne die Zahlung von Porsche nicht als Zeuge über die offenbar auch aus Sicht seiner Behörde illegale Motorsteuerung vor dem Landgericht erschienen. Grund: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer verweigerte die bei Äußerung von Beamten zu dienstlichen Vorgänge notwendige Aussagegenehmigung. Gegenüber dem Spiegel begründete das Ministerium das mit der Neutralitätspflicht der Behörde. Wieso die einer wahrheitsgemäßen Zeugenaussage entgegensteht, blieb unklar. Einzelheiten im Spiegel-Online-Bericht.
19.04.2018 Razzia wegen des Verdachts auf Abgasbetrug bei Porsche: 30 Staatsanwälte und 160 Polizeibeamte rückten an, um Büros bei dem Sportwagenhersteller zu durchsuchen. Sie haben zwei Porsche Manager und einen weiteren Mitarbeiter im Verdacht, die Montage von Motoren mit illegaler Steuerung veranlasst zu haben. Einzelheiten dazu in den Stuttgarter Nachrichten.
09.04.2018 Einem Spiegel-Bericht zufolge plant die Bundesregierung jetzt doch ein Milliarden Euro schweres Nachrüstprogramm für Dieselautos mit erhöhtem Stickoxidausstoß. Das Geld dafür soll über einen Fonds vor allem von den Herstellern, aber auch aus der Staatskasse kommen. Die Aktion soll laut Spiegel von dieser Woche zunächst jene Diesel betreffen, für die es für den Export in die USA zum Beispiel bereits fertige Nachrüst-Sets gibt. Außerdem sollen wohl nur Autos in den besonders von Fahrverboten bedrohten Regionen Stuttgart, Rhein-Main und München eine solche Nachrüstung erhalten. Einige weitere Details bei Spiegel-Online, der gesamte Artikel im Spiegel 15/2018.
30.03.2018 Gut für viele VW-Skandal-Opfer: Der Oberlandesgericht Köln sieht sie auch nach Nachrüstung der Autos mit der vom Kraftfahrtbundesamt genehmigten Motorsteuerung berechtigt, vom Kaufvertrag zurückzutreten. VW und seine Händler sehe das nicht als Nacherfüllung des Vertrags. Es bleibe deshalb dabei, dass die Autos als mangelhaft zu gelten haben. Nur wenn dem Händler gelingt, dass die neue Motorsteuerung alle Anforderungen erfüllt und keine Nachteile bei Haltbarkeit, Verbrauch und Leistung mit sich bringt, ist der Rücktritt vom Kaufvertrag ausgeschlossen. Setzt sich diese Rechtsauffassung durch, dürfte der VW-Konzern so ziemlich alle Rechtsstreitigkeiten zwischen Skandalautobesitzern und Händlern verlieren. Details zur Entscheidung in der Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Köln.
29.03.2018 Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will elf weitere Städte verklagen, um Fahrverbote für Diesel-Autos mit überhöhtem Stickoxid-Ausstoß zu erzwingen. Es geht um Dortmund, Bochum, Düren, Paderborn, Offenbach, Heilbronn, Ludwigsburg, Backnang, Esslingen, Marbach und Reutlingen.
27.03.2018 Rund 40 000 der insgesamt 840 000 britischen Skandalautobesitzer wollen gemeinsam gegen Volkswagen vor Gericht ziehen. Mehrere Anwaltskanzleien beantragten in London ein sogenanntes Gruppengerichtsverfahren. Bisher habe der Autokonzern nicht angemessen auf die Forderungen reagiert, erklärte Gareth Pope von der Kanzlei Slater und Gordon. Die auf Schadenersatzforderungen spezialisierten Rechtsanwälte vertreten nach eigenen Angaben allein über 40 000 VW-Skandal-Opfer. Noch in dieser Woche soll die Entscheidung darüber fallen, ob der Antrag zulässig ist und ein Gruppengerichtsverfahren beginnen kann.
20.03.2018 Hahn Rechtsanwälte in Hamburg informieren am Freitag, 23. März, um 18.30 Uhr im Emporio Tower am Dammtorwall über das in der Hansestadt bevorstehende Dieselfahrverbot. Einzelheiten zur Veranstaltung auf der Homepage der Kanzlei.
19.03.2018 Der VW-Skandal weitet sich endgültig auch auf andere Hersteller aus. Das Landgericht Münster (Hinweisbeschluss vom 21.11.2017, Aktenzeichen: 04 O 68/17) hält die Motorsteuerung eines Mercedes V 250 für verdächtig. Wenn es dem Hersteller nicht gelingt, den Richter davon zu überzeugen, dass die Motorsteuerung trotz eindeutiger Hinweise auf illegale Abschaltung der Abgasreinigung korrekt ist, wird er Mercedes zu Schadenersatz verurteilen. Rechtsanwalt Tobias Ulbrich rechnet in den nächsten Wochen mit dem Urteil in der Sache. Er glaubt nicht, dass Mercedes die Motorsteuerung offenlegt und einen ernsthaften Versuch unternimmt, den Richter davon zu überzeugen, dass alles mit rechten Dingen zugeht.
15.03.2018 Rechtsanwalt Wietbrokaus Hamburg-Heimfeld berichtet: Das Landgericht Hamburg hat soweit bekannt erstmals überhaupt dem Käufer eines VW-Skandal-Autos recht gegeben, der erst nach dem Update der Motorsteuerung vom Vertrag zurückgetreten war. Es verurteilte einen Autohändler dazu, einen nagelneuen typgleichen Wagen gleicher Ausstattung zu liefern (Urteil vom 07.03.2018, Aktenzeichen: 329 O 105/17). Der Wagen bleibe trotz der Nachrüstung mangelhaft. Weitere Einzelheiten zum Verfahren auf der Homepage der Kanzlei.
09.03.2018 Stickstoffdioxid schadet der Gesundheit. Nach einer Studie des Umweltbundesamtes ist das Gas, dass zu einem erheblichen Teil aus modernen Dieselmotoren stammt, für rund 6 000 Todesfälle im Jahr 2014 verantwortlich. Außerdem seien acht Prozent oder 437 000 der Diabetes mellitus-Erkrankungen und für 14 Prozent oder 439 000 der Asthmaerkrankungen auf die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid zurückzuführen. Weitere Details direkt beim Umweltbundesamt.
08.03.2018 Es wird immer deutlicher: Die meisten, wenn nicht alle Autohersteller haben die Reinigung der Abgase von giftigen Stickoxiden in ihren Dieselmotoren illegal ganz oder teilweise abgeschaltet. Bisher habe er noch keinen einzigen Antrag auf Erteilung einer Typengenehmigung gesehen, in dem ein Hersteller die Abschaltung der Abgasreinigung etwa wegen besonders hoher oder niedriger Lufttemperaturen offengelegt habe, erklärte Rechtsanwalt Prof. Dr. Marco Rogert test.de gegenüber. Jedenfalls nach Auffassung der meisten Gerichte heißt das: Die Motorsteuerung mit solchen ohne ausdrückliches Plazet der Zulassungsbehörden versehenen Abschalteinrichtungen ist illegal.
Rechtlich unterscheiden sich solche Autos nicht von den VW-Skandalautos: Sie sind mangelhaft. Besitzer können vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die zweijährige Verjährung noch nicht abgelaufen ist. Der Hersteller ist nach Auffassung zahlreicher Landgerichte schadenersatzpflichtig, wenn er nicht nachweisen kann, die fürs Unternehmen verantwortlichen nichts von der Manipulation wussten.
Gleichzeitig häufen sich im VW-Skandal die Verurteilungen von Händlern und VW-Konzern auf Erstattung des Kaufpreises oder Lieferung neuer Autos mit legaler Motorsteuerung. Rechtsanwälte Rogert & Ulbrich berichten: In noch keinem einzigen Fall sei die Klage eines Mandanten gegen VW oder einen Händler rechtskräftig abgewiesen. Dr. Stoll & Sauer haben die mit Abstand meisten Abgas-Skandal-Urteile erstritten, nicht wenige davon sowohl gegen VW als auch den Händler.
Erste Klagen gegen andere Hersteller als VW sind inzwischen entscheidungsreif. test.de glaubt: Sie werden genau so Erfolg haben, wie viele VW-Skandal-Klagen. Zumindest Besitzer von Dieselautos mit Verkehrsrechtsschutz sollten sich beraten lassen. Wenn für Ihren Wagen ausreichend genau dokumentiert ist, dass die Motorsteuerung illegal ist, haben Klagen gute Aussichten auf Erfolg. Ohne Rechtsschutzversicherung allerdings ist das Prozesskostenrisiko kaum zu stemmen. Eine Prozessfinanzierung, wie sie myright.de im VW-Skandal anbietet, gibt es für die Durchsetzung von Forderungen gegen andere Abgas-Skandal-Hersteller bisher noch nicht.
05.03.2018 Einem Spiegel-Bericht zufolge befürchtet die Bundesregierung Fahrverbote auch für Euro-6-Diesel. Autos mit solchen Motoren haben bei Messungen im Straßenverkehr kaum weniger Stickoxid im Abgas gehabt als solche mit älteren Euro-5-Maschinen. Sofern die für ältere Diesel geltenden Fahrverbote nicht ausreichen, um die strengen EU-Grenzwerte in stark belasteten Innenstädten zum Beispiel von München, Stuttgart oder Düsseldorf einzuhalten, gibt es von Rechts wegen keine Alternative zu erweiterten Fahrverboten. Weitere Einzelheiten bei Spiegel-Online.
02.03.2018 Ansturm auf Rechtsanwälte und Prozessfinanzierer im VW-Skandal: Seit Verkündung des Bundesverwaltungsgerichtsurteils zu Diesel-Fahrverboten (s. u., 27.02.2018, und hier) stehen bei Rechtsanwälten mit VW-Skandal-Erfahrung die Telefon nicht mehr still. Insbesondere Rechtsanwälte Rogert & Ulbrich sowie die Dr. Stoll & Sauer und Myright.de berichten: Wegen der drohenden Fahrverbote melden sich zahlreiche VW-Skandal-Opfer, die bisher noch keine rechtlichen Schritte eingeleitet haben. Auch die Anwälte für den Autokreditwiderruf, allen voran die Kanzlei Dr. Lehnen & Sinnig, verzeichnen ein stark erhöhte Anzahl von Anfragen.
01.03.2018 Bemerkenswerter Vergleichsvorschlag eines Richters in einem VW-Skandal-Verfahren am Landgericht München II kurz nach Bekanntwerden der Tierversuche mit Abgasen aus Dieselmotoren: „1. Die Beklagte (Volkswagen AG, Anm. d. Red.) verpflichtet sich, das Fahrzeug des Klägers (…) auf ihre Kosten hardwaremäßig mit einer SCR-Katalysator-Abgasreinigungsanlage dergestalt nachzurüsten, dass das Fahrzeug (…) nicht mehr als 80 mg/km NOx emittiert. (…) 2. Die Beklagte verpflichtet sich darauf hinzuwirken, dass mindestens ein Mitglied ihrer Geschäftsführung an mindestens zwei Wochenenden (…) mindestens je acht Stunden auf der Menschenaffen-Anlage der (…) Tierpark Hellabrunn AG oder eines anderen (…) zoologischen Gartens (…) nach Einteilung der Tierpfleger mitarbeitet.“ Rechtsanwälte Rogert & Ulbrich aus Düsseldorf vertreten den Kläger. Auch auf ihre Nachfrage hin äußerte sich VW zu dem Vergleichsvorschlag bislang nicht.
27.02.2018 Schon im Sommer wird es wahrscheinlich Fahrverbote für Autos mit Dieselmotoren und hohem Stickoxidausstoß geben. Das Bundesverwaltungsgericht hat soeben den Weg frei gemacht für die Verschärfung von Luftreinhalteplänen und der Verhängung von Fahrverboten durch die örtlichen Straßenverkehrsbehörden. Einzelheiten sind noch nicht bekannt. test.de liefert Antworten zu den wichtigsten Fragen.
26.02.2018 Der ADAC ist davon überzeugt: Es gibt zur Vermeidung von Fahrverboten keine Alternative zur Nachrüstung von Autos mit Euro 5-Dieselmotoren mit zusätzlicher Technik zur Abgasreinigung. Seine Tests zeigen: Das reduziert den Stickoxid-Ausstoß um 70 bis 90 Prozent. Kosten je Auto: 1 400 bis 3 300 Euro. Mehr zum Thema und zu den Testergebnissen direkt beim ADAC.
09.02.2018 Nach Ansicht des Kraftfahrt-Bundesamtes funktioniert die Abgasreinigung bei BMW-Turbodieselmotoren entgegen der Vorwürfe der Deutschen Umwelthilfe (DUH, s. u. unter 05.12.2017) korrekt. Einzelheiten dazu bei Spiegel Online.
09.02.2018 Wieder hat der VW-Konzern in letzter Minute ein Oberlandesgerichtsurteil verhindert. Das berichtet die GDVI Verbraucherhilfe GmbH. Dem Bericht zufolge überwies ein Autohaus der Klägerin einfach die von Ihr geforderte Summe einschließlich es außergerichtlich an die Rechtsanwälte gezahlten Honorars. Das Klageverfahren erledigt sich damit; ein Urteil des Oberlandesgerichts wird es nicht mehr geben. Zumindest vorerst kann die Klägerin gleichzeitig auch ihr Skandalauto behalten. Bei Verurteilung des Händlers zur Kaufpreiserstattung hätte sie es sofort zurückgeben müssen.
07.02.2018 In der soweit bekannt aktuell größten Skandalauto-Klage sind die Anwälte der Autobesitzer der Meinung: Die zuständige Richterin am Landgericht Braunschweig ist befangen. Sie verteidige den Autokonzern gegen die Klage, ohne dass dieser selbst sich überhaupt schon zur Klage geäußert habe, schimpfte Rechtsanwalt Christoph Rother, Chef der Berliner Niederlassung der US-Kanzlei Hausfeld Rechtsanwälte gegenüber Spiegel online. Sie vertritt die Klage des Prozessfinanzierers Myright.de. Diesem Unternehmen haben insgesamt rund 30 000 Besitzer von Skandalautos aus dem VW-Konzern ihre Rechte abgetreten. test.de hatte das myright.de-Angebot als fair beurteilt. In dem Verfahren in Braunschweig geht es um die Schadenersatzforderungen von rund 15 000 Menschen. Die Richterin hat jetzt Zweifel daran geäußert, ob die Abtretung wirksam ist. Dabei hat VW das – bisher jedenfalls – noch gar nicht bestritten. Weitere Einzelheiten zum Verfahren in Braunschweig bei Spiegel online.
07.02.2018 Der ADAC Rechtsschutz weist Vorwürfe zurück, wonach er die Deckung für den Streit um Porsche Macan mit TDI-Motoren generell verweigere (s. u., 02.02.2018). Seit sich der Verdacht, dass auch bei diesen Motoren die Abgasreinigung nur im Prüfstand korrekt funktioniere, verdichtet habe, gebe das Unternehmen auch für Streitigkeiten um Porsche Macan Rechtsschutz. Generell gilt laut Unternehmenssprecher Jochen Oesterle: Der ADAC Rechtschutz zahle im Zusammenhang mit dem Abgasskandal sofort anwaltliche Beratung, behalte sich aber in jedem Einzelfall ausdrücklich die Prüfung der Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens vor. Allein die Frage, welche Motoren vom Skandal betroffen sind, bedürfe einer genauen Prüfung in Bezug auf die Erfolgsaussichten. Maßgeblich seien dabei fundierte belastbare Feststellungen, unter anderem des Kraftfahrt-Bundesamtes. test.de hält das allerdings für unzureichend. Erfolgaussichten haben Klagen gegen Autohersteller aus Sicht von Verbraucherschützern und -anwälten nicht erst, wenn die unzulässige Abschaltung oder Reduktion der Abgasreinigung feststeht, sondern bereits dann, wenn der Verdacht besteht.
02.02.2018 Für test.de nicht nachvollziehbar: Die ADAC-Rechtsschutzversicherung weigert sich, Besitzern von Porsche Macan mit TDI-Motor Klagen gegen den Händler und den Hersteller zu finanzieren. Nachdem Porsche die Wagen auf Druck des Kraftfahrt-Bundesamtes zurückgerufen hat, um eine neue Motorsteuerung zu installieren, hält test.de für sicher: Auch bei diesem Motor schaltet die Motorsteuerung die Reinigung der Abgase vor allem von Stickoxiden ab oder reduziert sie, wenn die Autos nicht im Prüfstand stehen, sondern im Straßenverkehr unterwegs sind. Nach Auffassung ganz vieler Zivilgerichte begründet das die Sachmangelhaftung der Händler und Schadenersatzansprüche gegen de Hersteller. Gleichwohl will die ADAC-Rechtsschutzversicherung für solche Streitigkeiten nicht zahlen, weil Klagen angeblich keine Aussicht auf Erfolg haben, berichtet Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll. Wie sie darauf kommt, ist unklar; die Nachfrage von test.de zu Dr. Stolls Vorwürfen beantwortete das Unternehmen bislang nicht. Dr. Stoll empfiehlt betroffenen Mandanten, Klage gegen die Versicherung zu erheben. Erste Urteile stünden bevor, kündigte der Rechtsanwalt aus Lahr an. test.de wird weiter berichten und Verurteilungen der ADAC- und anderer Rechtsschutzversicherungen in der Urteilsliste nennen.
30.01.2018 Wahnsinn: Die 3. und die 11. Kammer des Landgerichts Braunschweig verhandeln im Februar 52 VW-Skandal-Fälle (!). Das teilt die Pressestelle des Gerichts mit. Das Gericht ist für direkt gegen VW gerichtete Klagen zuständig. Sehr erfolgreich waren Kläger beim VW-Heimgericht bisher nicht. test.de kennt nur vier verbraucherfreundliche Urteile zum Rücktritt zum Kaufvertrag. Eine Verurteilung von VW zum Schadenersatz gab‘s in Braunschweig noch gar nicht.
30.01.2018 Das Verwaltungsgericht München hat gestern eine Zwangsgeld in Höhe von 4 000 Euro gegen die Landesregierung verhängt und eine weiteres angedroht. Es hatte bereits im Jahr 2012 auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hin geurteilt: Der Luftreinhalteplan für das gesamte Münchener Stadtgebiet ist so verschärfen, dass die Grenzwerte für die Belastung mit Feinstaub und Stickoxid eingehalten werden. Das Urteil wurde rechtskräftig, nachdem das Oberverwaltungsgericht die Berufung für aussichtslos gehalten und das Land sie daraufhin zurückgenommen hatte. Als immer noch nichts geschah und die Schadstoffbelastung an den Messstellen in München kaum sank, beantragte die DUH, das Urteil zu vollstrecken und eine Zwangsgeld oder sogar Ordnungshaft für die zuständige Umweltministerin zu verhängen. Die Verhaftung der Ministerin lehnte das Gericht ab, doch das Zwangsgeld verhängte es. Die Behörden müssen die Verurteilung zur Verschärfung des Luftreinhalteplans endlich umsetzen, erklärten die Richter. Da eine großer Teil der Stickoxide in Großstädten aus Dieselmotoren kommt, müssen jetzt Maßnahmen gegen solche Autos ergriffen werden. Offen ist noch, ob stundenweise Sperrungen einzelner Straßenabschnitte für Autos, Liefer- und Lastwagen mit Dieselmotoren ausreichen oder ob und für welche Gebiete regelrechte Fahrverbote zu verhängen sind. Details zum Rechtsstreit in der Pressemitteilung der DUH.
Die DUH hat zahlreiche weitere Städte verklagt. Am Donnerstag, 22. Februar, verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Verpflichtung zur Verschärfung des Luftreinehalteplans für Stuttgart. Auch dort ist nicht erkennbar, wie der Grenzwert für Stickoxid ohne Fahrverbote für Diesel-Autos und Lastwagen eingehalten werden kann.
Zum Luftreinhalteplan:
Verwaltungsgericht München, Urteil vom 09.10.2012
Aktenzeichen: M 1 K 12.1046
Zur Vollstreckung:
Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 29.01.2018
Aktenzeichen: M 19 X 17.5464
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 27.02.2017
Aktenzeichen: 22 C 16.1427
Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 21.06.2016
Aktenzeichen: M 1 V 15.5203
29.01.2018 Die Bayerische Polizei hat ihre in den VW-Skandal verwickelten Einsatzfahrzeuge doch noch nachrüsten lassen. „Mittlerweile konnten wir uns mit der VW AG über die Abwicklung der Rückrufaktion einigen“, erklärte Michael Siefener, Sprecher des bayerischen Innenministeriums gegenüber test.de. Die meisten Skandal-Autos im Polizeidienst seien bereits nachgerüstet, einige wenige Wagen erhalten in den nächsten Tagen die geänderte Motorsteuerung von VW, berichtete er. Das bayerische Innenministerium hatte zunächst erklärt, die Polizei-Autos würden zunächst keine neue Motorsteuerung erhalten. Man befürchtete, dass die Haltbarkeit der Motoren unter der Maßnahme leiden könnte (s. u., 22.02.2017).
29.01.2018 Skandal im Skandal: Um die Harmlosigkeit der Abgase ihrer Dieselmotoren zu beweisen, hat VW in den USA Tierversuche unternommen. Zehn Affen mussten dafür die Abgase eine VW Beetle TDI einatmen. Offenbar wurden sogar an Menschen Versuche unternommen. VW hat sich inzwischen für die Versuche entschuldigt, andere Autohersteller gingen empört auf Distanz. Details dazu auf süddeutsche.de.
29.01.2018 Porsche muss etliche Tausend Geländewagen vom Typ Macan in die Werkstätten zurückrufen. Zwar initiierte der Sportwagen-Hersteller selbst den Rückruf. Das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg hätte den Rückruf aber offenbar angeordnet, wenn Porsche nicht von sich aus aktiv geworden wäre. Es geht um 14 000 Autos in Deutschland und 51 500 Fahrzeuge in Europa. Porsche will die Besitzer der betroffenen Autos anschreiben, sobald das Kraftfahrt-Bundesamt die geänderte Motorsteuerung freigegeben hat. Einzelheiten zum Rückruf bei Spiegel Online.
26.01.2018 Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf von Mittwoch (s. u., 24.01.2018) stellt Verwaltungsrechtler vor Rätsel. Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Laut Pressemitteilung des Gerichts hat die 6. Kammer die Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) für unzulässig und unbegründet gehalten.
Bei der Zulässigkeit sind deutsche Verwaltungsgerichte traditionell streng. Kläger dürfen nur eigene Rechte geltend machen. Die europäischen Gerichte haben aber inzwischen wiederholt Umweltschutzverbänden das Recht zugesprochen, Behörden gerichtlich zu verschärften Umweltschutz und Maßnahmen im Einzelfall zu zwingen, erklärte DUH-Anwalt Remo Klinger.
Im Übrigen scheinen die Verwaltungsrichter der 6. Kammer in Düsseldorf soweit aus der Pressemitteilung erkennbar der Auffassung zu sein, dass die Skandalautos der EU-Typgenehmigung trotz der Abschaltung der Abgasreinigung im normalen Fahrbetrieb entsprechen. Da ist selbst das ausgesprochen herstellerfreundliche Kraftfahrt-Bundesamt anderer Meinung. Wenn allerdings Autos der EU-Typgenehmigung nicht entsprechen, spricht viel dafür, dass die Betriebserlaubnis nicht gilt. Sie erlischt nach einer Vorschrift in der Straßenverkehrszulassungsordnung jedenfalls dann sofort, wenn die Motorsteuerung nachträglich - etwa durch das sogenannte Chip-Tuning - geändert wird und der Wagen mehr Schadstoffe ausstößt. Es kann dann eigentlich nichts anderes gelten, wenn Autos ab Werk im Fahrbetrieb die im Prüfstand aktive Abgasreinigung reduzieren oder gar ganz abschalten.
Die DUH strebt jetzt eine so genannte Sprungrevision an. Dann würde der Fall sofort vor das Bundesverwaltungsgericht kommen. Voraussetzung ist, dass die Stadt Düsseldorf zustimmt. Verweigert sie die Zustimmung zur Sprungrevision, bleibt der DUH nur, Berufung einzulegen. Für die ist das Oberverwaltungsgericht in Münster zuständig.
24.01.2018 Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat entschieden: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat kein Recht dazu, die Behörden zu zwingen, Skandalautos aus dem Verkehr zu ziehen. Sie wies die Klage des Verbandes als unzulässig ab. Sie sei aber auch unbegründet, teilte das Gericht mit. Wörtlich heißt es in der Pressemitteilung: „Nach dem EU-Kfz-Zulassungsrecht komme es nur darauf an, die Grenzwerte auf dem Rollenprüfstand einzuhalten. Der Abgasausstoß auf der Straße sei zulassungsrechtlich unerheblich. Dabei obliege es den Straßenverkehrszulassungsbehörden festzulegen, bis wann Fahrzeuge, die noch kein Softwareupdate enthalten hätten, spätestens nachzurüsten seien.“ Genau so hatte VW argumentiert. Das war bei Politikern und Behörden auf Empörung gestoßen. Sie meinen: Auf keinen Fall durfte die Motorsteuerung die Abgasreinigung abschalten, wenn sie im Straßenverkehr unterwegs sind.
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2018
Aktenzeichen: 6 K 12341/17 (nicht rechtskräftig, die Berufung ist zugelassen)
22.01.2018 Jetzt kommt gleich an mehreren Stellen neue Bewegung in den VW-Skandal:
- Ein von der Bundesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass eine Nachrüstung von Skandalautos auch mit veränderten Bauteilen geeignet ist, den Stickoxid-Ausstoß stärker zu verringern, als es bloße Software-Updates können. Kosten je Auto allerdings: Ungefähr 2 500 Euro. Zwingt die Bundesregierung VW und andere Hersteller dazu, solche Nachrüstungen vorzunehmen, führt das dementsprechend zu Kosten von etlichen Milliarden Euro. Allein für die Nachrüstung der 2,5 Millionen VW-Skandal-Autos sind auf der Grundlage des Regierungsgutachtens Teile und Arbeit im Wert von deutlich über sechs Milliarden Euro nötig. Selbst mit einer solchen Nachrüstung werden Euro-5-Diesel aber wohl nicht wirklich zukunftssicher und bleiben hinter dem Niveau von Euro6 und erst recht Euro6d zurück. Details zum Gutachten bei Spiegel-Online.
- Gleichzeitig wurde bekannt: Das Kraftfahrbundesamt ordnet den Rückruf zahlreicher Modelle von Audi mit V6-TDI-Motoren an. 130 000 Autos sind übereinstimmenden Berichten zu Folge betroffen. Offenbar aktiviert bei diesen Motoren die Steuerung die Abgasreinigung in der Warmlaufphase in der Regel nur bei Prüfstandversuchen, während die Motoren im Fahrbetrieb viel mehr Stickoxid ausstoßen. Besitzer solcher Autos dürften den Händlern gegenüber in den ersten zwei Jahren ab Übergabe des Autos die gleichen Rechte haben wie solche von VW-Skandalautos sonst auch. Wegen Schadenersatzforderungen gegen den Hersteller wird es darauf ankommen, ob auch diese Abschaltung der Abgasreinigung als absichtliche Manipulation zu Lasten der Umwelt erscheint. Pikant: Es geht auch um die Luxus-Modelle von Audi, mit denen Regierungsbeamte und Spitzenpolitiker gern unterwegs sind. Details dazu bei Spiegel Online.
- Bedrohlich für Fahrer von Skandal-Autos: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zieht gegen verschiedene Städte vor Gericht, weil sie Autos mit illegaler Motorsteuerung stillgelegt wissen will. Bei Veränderung von Autos, die zu einer Erhöhung des Schadstoff-Ausstoßes führt, erlischt die Zulassung des Autos nach der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) von Gesetzes wegen, argumentiert DUH-Anwalt Remo Klinger. Die Behörden sind dann in der Pflicht, sie sofort aus dem Verkehr zu ziehen. Es könne dann nichts anderes gelten, wenn Autos von Anfang an nicht der Typgenehmigung entsprechen. test.de hält das Argument für überzeugend. Die strenge Regelung in der StVZO ist eigentlich für Fälle gedacht, in denen die Besitzer von Autos nachträglich Änderungen vornehmen, um zum Beispiel die Leistung des Motors zu steigern. Es ist aber kein überzeugender Grund erkennbar, wieso das nicht gelten soll, wenn Autos wegen der Abschaltung der Abgasreinigung im Fahrbetrieb schon ab Werk nicht der Typgenehmigung entsprechen. Bereits am kommenden Mittwoch verhandelt das Verwaltungsgericht in Düsseldorf über eine solche Klage der DUH. Details zu den DUH-Klagen im Bericht der Welt zum Thema.
- Am Donnerstag, 22. Februar, schließlich verhandelt das Bundesverwaltungsgericht über eine Klage der DUH auf Verabschiedung eines verschärften Luftreinhalteplans mit Diesel-Fahrverboten für Düsseldorf. Das Verwaltungsgericht dort hatte die Behörden entsprechend der gesetzlichen Vorschriften in der Pflicht gesehen, wirksam einzuschreiten, wenn regelmäßig Überschreitungen der Stickoxidwerte in der Luft gemessen werden. Der größte Teil des Stickoxids kommt aus modernen Dieselmotoren, in denen bei der Verbrennung ein sehr viel höherer Druck herrscht als in Benzin-Motoren zum Beispiel. Laut DUH ist die Einhaltung der Stickoxid-Werte nur zu erreichen, wenn Fahrverbote für Autos, Liefer- und Lastwagen mit Dieselmotoren verhängt werden. Einzelheiten in der Ankündigung des Verhandlungstermins.
12.01.2018 Jetzt kommt es ganz dick für den VW-Konzern und seine Händler: Das Oberlandesgericht Hamm hält Klagen gegen Händler auf Erstattung des Kaufpreises für Skandalautos auch dann für begründet, wenn der Autokäufer dem Händler keine Frist zur Nachbesserung gesetzt hat. Sich auf diese Nachbesserung einzulassen, sei unzumutbar. Die Richter im 28. Senat des Gerichts gehen damit noch weiter als die am Oberlandesgericht Köln, die kurz vor Weihnachten einen gestern bekannt gewordenen verbraucherfreundlichen Hinweisbeschluss gefasst haben (s. u., 11.01.2018).
Ganz ungewöhnlich: Gerichtssprecher Christian Nubbemeyer berichtet in einer Pressemitteilung ausführlich über die in der mündlichen Verhandlungen erörterten vorläufigen Rechtsauffassungen des Gerichts. Eine solche Pressemitteilung ist test.de bislang noch nie untergekommen. Mutmaßlicher Hintergrund: In zahlreichen VW-Skandalfällen boten der Autokonzern und seine Händler in Berufungsverfahren vor den Oberlandesgerichten Skandalautobesitzern viel Geld, sobald sich abzeichnete, dass das Oberlandesgericht zugunsten der Autobesitzer entscheiden will. Wenn der Autobesitzer das annimmt, endet das Verfahren ohne Urteil, auf das sich andere Skandalautobesitzer berufen könnten.
Offenbar wollte das Oberlandesgericht verhindern, dass seine Rechtsauffassung erneut nicht publik wird. Immerhin: Das Oberlandesgericht Hamm hielt es anders als das in Köln für nötig, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Sehen die Richter dort eine grundsätzliche Bedeutung der Sache, würden sie die Revision zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe zulassen. Laut VW haben bisher die Mehrzahl der Gerichte zugunsten des Autokonzerns entschieden und die Klagen von Skandalautobesitzern abgewiesen. Letztlich hängt vom Bundesgerichtshof ab, wie der Rechtsstreit um die meisten Skandalautos ausgehen wird.
Oberlandesgericht Hamm: Pressemitteilung vom 11.01.2018
11.01.2018 Das könnte der Durchbruch sein im Streit um die Sachmangelhaftung der Händler wegen des Verkaufs von Skandalautos: Das Oberlandesgericht Köln will die Berufung eines VW-Vertragshändlers gegen die Verurteilung, den für einen VW Beetle 1.6 TDI gezahlten Kaufpreis abzüglichen einer Nutzungsentschädigung zu erstatten, durch einstimmigen Beschluss zurückweisen. Mit anderen Worten: Die drei Oberlandesrichter im für die Entscheidung zuständigen 18. Senat des Gerichts sind der Meinung: Skandalautos sind erheblich mangelhaft, so dass der Rücktritt vom Kaufvertrag wirksam und der Kaufpreis zu erstatten ist — zumindest wenn es dem Händler nicht gelingt, rechtzeitig alle Mängel zu beseitigen.
Der VW-Argumentation, wonach kein erheblicher Mangel vorliege, erteilten die Richter in ihrem ausführlich begründeten Beschluss eine Absage. Die Vortäuschung einer korrekten Abgasreinigung im Fahrbetrieb gefährde die Zulassung und führe daher unabhängig von den Kosten der Nachrüstung zu einem erheblichen Mangel. Nach Ansicht der Oberlandesrichter in Köln ist das rechtlich eindeutig. Die Berufung sei daher per Beschluss zurückzuweisen. Eine Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof ist damit ebenfalls ausgeschlossen.
Außerdem steht fest: Soweit Landgerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln Klagen in gleich gelagerten VW-Skandalfällen abgewiesen haben, wird das Oberlandesgericht diese Urteile auf die Berufung der Betroffenen hin abändern — ein juristisches Desaster für den VW-Konzern.
Oberlandesgericht Köln, (Hinweis-)Beschluss vom 20.12.2017
Aktenzeichen: 18 U 112/17
Klägerinvertreter: Rechtsanwalt Hans-Joachim Poick aus der Kanzlei Hack und Jobs, Eschweiler
10.01.2018 Rund 180 000 VW-Käufer in der Schweiz sind ebenfalls vom VW-Skandal betroffen. Rund 2000 davon aus dem Westen der Alpenrepublik beteiligen sich jetzt über die Schweizer Verbraucherschutzorganisation Fédération romande des consommateurs (FRC) an der MyRight-Klage gegen Volkswagen. Die Rechte der Schweizer sollen wie die von rund 20 000 Deutschen über eine gesammelte Klageerhebung am Landgericht Braunschweig zur Geltung kommen. „Dieser erste zivilrechtliche Prozess ist für uns extrem wichtig. Dies stellt einen echten Druck auf den VW-Konzern dar, der im Gegensatz zu den in den Vereinigten Staaten getroffenen Vereinbarungen derzeit in Europa auf keine Forderungen von Verbrauchern eingeht“, sagt Sophie Michaud Gigon, Generalsekretärin der FRC.
Der FRC steht das Legal-Tech-Unternehmen myRight als Partner zur Seite. Die Schweizer Forderungen werden wie die vieler Deutscher Opfer des VW-Skandals über die Online-Plattform myRight.de gebündelt. Die deutsche Niederlassung der US-amerikanischen Anwaltskanzlei Hausfeld vertritt die Betroffenen vor Gericht. „Den Besitzern von Autos mit Betrugssoftware steht auch in der Schweiz zivilrechtlicher Schadenersatz zu“, sagt Christopher Rother, Hausfelds Partner in Deutschland .
International haben inzwischen mehr als 40 000 Kunden des VW-Konzerns ihre Ansprüche an myRight abgetreten. „Mit dieser Klage zeigen wir, dass Kunden in ganz Europa die Möglichkeit haben, ihre Interessen gegen den VW-Konzern durchzusetzen“, sagt Jan-Eike Andresen, Leiter der Rechtsabteilung bei myRight. „Wir sind stolz darauf, als Partner von Verbraucherverbänden unseren Beitrag dazu zu leisten, dass VW-Kunden europaweit ihr Recht bekommen“, ergänzt er.
19.12.2017 Erstmals sind offenbar von VW autorisierte Informationen darüber aufgetaucht, wie die nach Bekanntwerden des VW-Skandals geänderte Motorsteuerung funktioniert. Nach Informationen des Internetportals motor-talk.de wird der Diesel mit höherem Druck und gestaffelt in den Zylinder eingespritzt. Außerdem wird das Ventil für die Abgasrückführung anders gesteuert als bisher. Durch die Rückführung von unbrennbarem Abgas in den sonst nur mit einem Luft-Diesel-Gemisch gefüllten Zylinder sinken Temperatur und Druck im Brennraum und entsteht dadurch weniger Stickoxid.
Bei den Autos mit Ad-Blue erhöhte VW außerdem die Einspritzmenge des Additivs. Nachteil vor allem der geänderten Kraftstoffeinspritzung: Es entsteht mehr Russ als bisher. Der lagert sich im Partikelfilter ab und muss der daher öfter als bisher mit etwas Extra-Kraftstoff gezielt freigebrannt werden. Außerdem schließen und öffnen die Ventile für die Kraftstoffeinspritzung häufiger als bisher und müssen dem erhöhten Kraftstoffdruck standhalten.
Noch interessant: Konzernweit mussten die VW-Ingenieure 750 Varianten der Motorsteuerung überarbeiten und testen; laut Motortalk testete VW die neue Motorsteuerung allein für die Marke VW mit 223 Testwagen. Einzelheiten direkt bei Motor-talk.de. Wie so VW nicht selbst detailliert über die neue Motorsteuerung informiert, blieb unklar.
Pikant: Nach Berichten von test.de-Lesern waren auf der auf das Unternehmen Volkswagen Automobile Leipzig registrierten Seite www.vw-update.de vorübergehend ebenfalls weiterführende Informationen zum VW-Update online. Aus denen ergab sich unter anderem: Auch die neue Motorsteuerung enthält einen Prüfstandmodus. Wörtlich hieß es auf der aktuell nur über den Google-Webcache noch bruchstückhaft erreichbaren Seite: „Was bewirkt die Abschalt-Software? Hier erfahren Sie, wieso auf dem Prüfstand im Fahrzeug ein spezieller Prüfstand-Modus aktiviert wird, der zur Prüfung von Abgaswerten ein vorgegebenes Profil abruft.“
19.12.2017 Jetzt zieht auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) wegen des VW-Skandals vor Gericht. Der Käufer eines Skandalautos hat den Verbraucherschützern seine Ansprüche gegen einen Autohändler abgetreten. Der vzbv klagt jetzt vor dem Landgericht Bremen auf Erstattung des Kaufpreises. Zentrales Argument der Verbraucherschützer: VW Händler müssen ihren Kunden garantieren, dass durch die neue Motorsteuerung keine Folgeschäden auftreten. Tut der Händler das nicht, darf der Käufer des Autos vom Kaufvertrag zurücktreten. Weitere Details zum Verfahren in der Pressemitteilung des vzbv zum Fall.
05.12.2017 BMW-Diesel galten bisher als vergleichsweise sauber. Doch selbst bei ihnen ist die Motorsteuerung zweifelhaft. Die TV-Sendung ZDF Wiso berichtete gestern über aufwendige Messungen an einem BMW 320d von 2016, angeblich schadstoffarm nach Euro 6. Ein Motorexperte, Techniker der deutschen Urnwelthilfe (DUH) und Ingenieure des Tüv Nord kommen zum Ergebnis: Auch der BMW stößt im normalen Fahrbetrieb im Vergleich zu den Grenzwerten so viel mehr Stickoxid aus, dass auch bei ihm der Verdacht naheliegt: Unter bestimmten Bedingungen schaltet die Motorsteuerung die Abgasreinigung ab.
Bei mehr als 3500 Umdrehungen und 200 Newtonmeter Drehmoment stiegen die Stickoxidwerte im Abgas dramatisch an. Auf dem Prüfstand hält der Wagen die Grenzwerte unter Normbedingungen ein und überschreitet sie leicht, wenn die Bedingungen stimmen. Wird der für die Prüfung maßgebliche Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ) nachgefahren, ist die Abgasreinigung offenbar vorschriftsmäßig in Betrieb; jedenfalls liegen die Stickoxid-Werte nur geringfügig über strengen Euro6-Grenzwerten. Wird allerdings die Geschwindigkeit um nur zehn Prozent erhöht, steigt der Stickoxid-Ausstoß deutlich an. BMW beteuerte: Es gebe keine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Motorsteuerung entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Das Kraftfahrtbundesamt beantwortete Fragen der Wiso-Redaktion erst gar nicht.
04.12.2017 Erneut ein spektakulärer Erfolg für die Deutsche Umwelthilfe (DUH): Das Verwaltungsgericht Berlin verurteilte das Bundesverkehrsministerium dazu, dem Verein Einsicht in die Unterlagen zum VW-Skandal von September und Oktober 2015 zu gewähren. Es geht um die Korrespondenz mit anderen Ministerien, Kontakte zu den Autokonzernen, Besprechungsprotokolle und andere Unterlagen. Grundlage für die Forderung ist das Umweltinformationsgesetz. Allerdings: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts unter Vorsitz von Gerichtspräsidentin Erna Viktoria Xalter ließ die Berufung zu. Das Ministerium hatte zuletzt noch versucht, das Gericht zur Beiladung von 15 Unternehmen aus der Automobilindustrie zu zwingen. Das hätte das Verfahren zumindest um Monate verzögert. Doch das Gericht wies den Antrag ab und das Oberverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung, nachdem das Ministerium sich dort beschwert hatte. Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung der DUH.
Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 01.12.2017
Aktenzeichen: 2 K 288.16
Klägervertreter: Rechtsanwalt Prof. Dr. Remo Klinger, Berlin
09.11.2017 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll berichtet: Das Oberlandesgericht Oldenburg hat Zweifel daran geäußert, ob die neue Motorsteuerung für VW-Dieselmotoren ausreicht, um alle Mängel der Autos zu beseitigen. In einer Verfügung zur Vorbereitung einer Verhandlung am Dienstag, 12. Dezember, heißt es wörtlich: „Der Senat teilt die Bedenken des Klägers, dass eine Nacherfüllung durch ein Software-Update möglich ist. (...) Selbst wenn durch das Software-Update der Stickoxidausstoß reduziert werden kann und die (versprochenen) Stickoxid-Grenzwerte eingehalten werden, bestehen Zweifel, dass dies nicht mit Folgeschäden (höherer Partikelausstoß, höherer Verbrauch oder geringere Motorleistung) verbunden ist.“ Ähnlich hatte sich bereits das Oberlandesgericht München geäußert (s. u., 29.06.2017). Ob es in dem Verfahren jetzt noch ein Urteil geben wird, ist offen. Viele Verhandlungstermine vor Oberlandesgerichten wurden in letzter Minute abgesagt, nachdem VW offensichtlich den Klägern jeweils viel Geld geboten hat, als sich eine verbraucherfreundliche Grundsatzentscheidung abzeichnete.
09.11.2017 Einer Umfrage unserer österreichischen Partnerorganisation Verein für Konsumenteninformation (VKI) zufolge macht die bei der Nachrüstung installierte geänderte Motorsteuerung für VW-Dieselmotoren entgegen der Darstellung von VW doch häufig Schwierigkeiten. 3 600 von 9 000 VW-Besitzern, die das Update durchführen ließen, berichteten laut VKI von Schwierigkeiten. In 1 800 Fällen beklagten sie erhöhten Dieselverbrauch, 1 400 Leistungsmängel in bestimmten Drehzahlbereichen, 1 000 Probleme beim Beschleunigen, 650 Probleme mit der Abgasrückführung und knapp 500 meldeten erhöhte Rußbildung. Alle Einzelheiten direkt beim VKI.
06.11.2017 Myright.de hat heute wegen der Schadenersatzforderungen von zunächst 15 374 Besitzer von Skandalautos Klage beim Landgericht Braunschweig eingereicht. Die Besitzer der Autos hatte ihre Forderungen gegen VW an das Unternehmen abgetreten. Jetzt klagt das Unternehmen gegen VW auf Zahlung von zunächst insgesamt rund 350 Millionen Euro Schadenersatz. Hat die Klage Erfolg, behält das Unternehmen 35 Prozent des Geldes als Provision. Geht die Klage verloren, müssen myright.de-Kunden nichts zahlen. Insgesamt haben nach Darstellung von Myright.de selbst über 35 000 Skandal-Auto-Besitzer ihre Forderungen gegen VW ans Unternehmen abgetreten. Auch die übrigen Fälle will Myright.de sortiert nach Autotyp oder Modell gerichtlich geltend machen.
06.11.2017 Audi ruft europaweit rund 5 000 Autos vom Typ A8 mit Turbodiesel-Motor zum Software-Update in die Werkstätten. Die zwischen September 2013 und August 2017 produzierten Autos stoßen bis zu 2000 Milligramm Stickoxid pro Kilometer aus. Erlaubt sind 80. Das berichtet Spiegel Online. Pikant: Es handelt sich um das über 80 000 Euro teure und 420 PS starke Spitzenmodell des Autoherstellers. Viele Spitzenpolitiker und Regierungsbeamte nutzen es als Dienstwagen.
06.11.2017 Die Arag steht kurz davor, weitere Rechtsstreitigkeiten um die Pflicht zur Deckung der Kosten für VW-Skandal-Fälle zu verlieren. Die Oberlandesgerichte Schleswig, Hamm, München und Schleswig haben darauf hingewiesen, dass die die Berufung des Versicherers gegen Verurteilungen für aussichtslos halten. Insbesondere muss die Arag für so genannte Stichentscheide auch dann zahlen, wenn der Versicherer sie für mangelhaft gehalten hatte. Stichentscheide sind zum Teil sehr aufwendig begründete Stellungnahmen von Rechtsanwälten. Thema sind vor allem die Erfolgsaussichten von Klagen.
27.10.2017 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll berichtet: Soweit bekannt erstmals überhaupt hat eine Zulassungsbehörde den Betrieb eines Skandalautos untersagt – aber nur kurz. Der Landkreis Euskirchen schrieb an den Besitzer eines VW Amarok: Das Kraftfahrtbundesamt habe mitgeteilt, dass er den Wagen nicht habe nachrüsten lassen. Er dürfe ihn ab sofort nicht nutzen. Gleichzeitig erklärte die Behörde die Regelung für sofort vollziehbar. Allerdings hob sie die gesamte Verfügung wieder auf, nachdem die Rechtsanwälte des Mannes interveniert hatten. Die Betriebsuntersagung sei schon deshalb rechtswidrig, weil dann die Gerichte im Rechtsstreit mit VW nicht mehr klären können, ob der Wagen wie vom Kläger behauptet mangelhaft sei.
Unterdessen halten Verwaltungsrechtler solche Betriebsuntersagungen für rechtmäßig. So schreibt Richter am Verwaltungsgericht München Felix Koehl in der Zeitschrift „Deutsches Autorecht“: Maßnahmen von Zulassungsbehörden seien mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig. Er empfehle Skandal-Autobesitzern, vom Kraftfahrbundesamt angeordnete Nachrüstungen vornehmen zu lassen. Die Argumentation bedeutet aber eigentlich auch: Die Zulassung der nicht der Typzulassung entsprechenden Autos ist entgegen der Ansicht der Behörden ohnehin von Gesetzes wegen unwirksam. Laut Straßenverkehrszulassungsordnung erlischt die Zulassung, wenn Autos gegenüber dem zugelassenen Typ verändert werden. Das muss nach Auffassung von test.de erst recht gelten, wenn sie der Typzulassung von Anfang an nicht entsprochen haben.
27.10.2017 Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat sich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die Volkswagen AG durchgesetzt. Das Landgericht in Düsseldorf hatte den Umweltschützern auf Antrag des Konzerns zehn kritische Äußerungen zum überhöhten Ausstoß von Stickoxiden durch Skandalautos untersagt. Diese Entscheidung hat das Oberlandesgericht in Düsseldorf jetzt aufgehoben. Insbesondere dürfe die DUH die Meinung äußern, dass auch die neue Motorsteuerung den Umweltvorschriften nicht genüge, nachdem Messungen des Vereins ergeben hatten, dass die Abgase eines nachgerüsteten VW Golf VI Variant 1.6 TDI Euro5 im normalen Fahrbetrieb 602 und nicht nur die zulässigen 180 Milligramm Stickoxid je Kilometer Fahrt enthielten. Zahlreiche weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung der DUH.
26.10.2017 Wieder sagt das Oberlandesgericht Braunschweig einen Tag vor dem Termin eine mündliche Verhandlung zum VW-Skandal ab. Der Kläger habe die Berufung gegen die Klageabweisung durch Landgericht zurückgenommen, teile die Pressestelle des Gerichts mit. Tags zuvor hatten die VW-Anwälte bereits angekündigt, dass die Rücknahme der Berufung kommt. Es ging um zwei VW Caddy, die der Kläger direkt bei VW gekauft hatte. test.de fragte bei Rechtsanwalt Stephan Felix von RK Rechtsanwälte in Limburg an der Lahn nach, doch der antwortete nicht. test.de hält jetzt für sicher: Es handelt sich erneut um einen Fall, in dem VW den Kläger großzügig entschädigt hat, um ein verbraucherfreundliches Oberlandesgerichtsurteil zu verhindern.
22.09.2017 Myright.de ruft jetzt das Oberlandesgericht Braunschweig an, nach dem die erste Runde in der Auseinandersetzung des Prozessfinanzierers und Verbraucherinkassounternehmens in der Auseinandersetzung mit der Volkswagen AG an den Autohersteller ging. Das Landgericht Braunschweig hielt die betrügerische Motorsteuerung von VW zwar für eine unzulässige Abschalteinrichtung, die nicht der Typgenehmigung entsprach, wies aber die Schadenersatzklage eines Myright-Kunden gegen den Autohersteller dennoch ab.
Entscheidend aus Sicht der Richter in Braunschweig: Die Vorschriften über die Abgasreinigung dienten dem Umweltschutz und der Allgemeinheit und nicht dem Autobesitzer. Der kann deshalb aus der Verletzung der Vorschriften keine Rechte herleiten (siehe Eintrag 29.06.2017 zur mündlichen Verhandlung).
myRight-Gründer Jan-Eike Andresen ist enttäuscht. „Die Bundeskanzlerin hat im TV-Duell den Abgasskandal auf den Punkt gebracht: Es geht um Betrug am Kunden durch falsche Angaben des Herstellers. Die Empörung der Bundeskanzlerin über diesen Betrug scheint das Landgericht Braunschweig nicht zu teilen. Mit seinem Urteil stellt das Gericht den Konzernen einen Freibrief aus, auch in Zukunft zu tricksen und zu täuschen ohne dem Kunden dafür geradestehen zu müssen“, kommentierte er das Urteil.
14.09.2017 Trotz der langen test.de-Liste mit Urteilen zugunsten von Skandalauto-Besitzern: In den nach wie vor meisten VW-Skandal-Prozessen behalten nach Darstellung von VW bisher das Unternehmen und seine Händler die Oberhand. In rund 75 Prozent der Verfahren, in denen es bisher Urteile gab, seien die Klagen von Autobesitzern abgewiesen worden, erklärte ein VW-Sprecher test.de gegenüber und korrigierte damit von test.de wiedergegebene Berichte, wonach es genau umgekehrt gewesen sei. Frauke Brar, Rechtsanwältin in der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, die nach eigener Darstellung gut 150 VW-Skandal-Klagen und rund 8 500 Mandanten betreut, sagte der Magdeburger Volksstimme Mitte August: „Die Chancen stehen 50 zu 50“.
07.09.2017Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte berichten: In vier weiteren Fällen haben VW und seine Händler Urteile der Oberlandesgerichte in Hamm, Nürnberg und Celle verhindert, indem sie die Besitzer von Skandalautos vollständig entschädigt haben. Das betraf sogar Fälle, in denen die Klagen der Autobesitzer in erster Instanz gescheitert waren.
In zwei weiteren Verfahren vor dem Oberlandesgericht Celle gibt es vorerst ebenfalls kein Urteil. Dort war eigentlich heute Verhandlungstermin anberaumt. Es ging um Schadenersatz Doch eine Woche vor dem Termin legte der bisherige VW-Anwalt das Mandat nieder. Der neue Anwalt sah sich noch nicht in der Lage, VW vor Gericht zu vertreten und beantragte, den Termin für die beiden Verhandlungen zu verschieben, um ihm Zeit für die Einarbeitung zu verschaffen. So geschah es. Der eine Fall wird jetzt Ende November, der andere sogar erst im Januar verhandelt. Weitere Einzelheiten in der Pressemitteilung der Anwälte.
04.09.2017 Bund und Länder wollen deutlich mehr Geld locker machen, um die hohe Schadstoffbelastung in den Städten zu bekämpfen. Das ist das Ergebnis des zweiten Dieselgipfels im Kanzleramt. Die Bundesregierung kündigt nach dem Treffen mit Vertretern von Städten und Bundesländern an, den Nachhaltigkeitsfonds um weitere 500 Millionen aufzustocken – auf insgesamt eine Milliarde Euro. Mit dem Geld soll zum Beispiel der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und der Fahrradverkehr gefördert werden.
24.08.2017 Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erhöht in der Debatte um Fahrverbote für Dieselfahrzeuge wegen deren hohem Stickoxidausstoß den Druck. Solche Fahrverbote seien ab 2018 in mehr als 60 deutschen Städten zwingend, erklärt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Zugleich teilt er mit, dass die DUH nun 45 weitere Rechtsverfahren gegen Städte wegen Nichteinhaltung von Grenzwerten für die Luftqualität eingeleitet habe.
23.08.2017 Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und das Umweltbundesamt haben die Ergebnisse des Dieselgipfels analysiert und eine vernichtende Bilanz gezogen. Durch die Maßnahmen könne die Stickoxidbelastung in den Städten um bis zu sechs Prozent gesenkt werden, sagt Hendricks. Dieser Effekt „reicht nicht aus“, nötig seien auch Hardware-Nachrüstungen. Die „Weigerung der Autoindustrie, sich mit technischen Nachrüstungen zu befassen“, sei für sie „nicht akzeptabel“, sagte Hendricks. Für Hardware-Nachrüstungen seien die Hersteller verantwortlich, sie müssten auch die Kosten dafür tragen. Kaufprämien seien nur dann hilfreich, wenn dann „wirklich saubere Fahrzeuge“ angeschafft würden, etwa Elektroautos, Hybridfahrzeuge oder modernste Diesel wie der Euro 6D. Nur dieser biete eine „langfristig sichere Perspektive.
14.08.2017 Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwälte klagen im Namen des Besitzers eines VW Golf GTD gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz wegen Staatshaftung. Die Klage richtet sich gegen das Bundesverkehrsministerium. Dieses und das Kraftfahrtbundesamt hätten die EU-Zulassungsregeln nicht umgesetzt und die Automobilindustrie nicht ausreichend überwacht. Zuständig ist das Landgericht Freiburg. Details zur Klage auf der Homepage der Kanzlei.
14.08.2017 Das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg verschickt blaue Briefe an Besitzer von Skandalautos, die ihre Autos bisher nicht haben nachrüsten lassen. Klare Ansage der Beamten in einem Brief an den Besitzer eines VW Amarok: In gut einem Monat übermittelt das Bundesamt die Daten an die örtliche Zulassungsstelle. Und die könne dann weitere Maßnahmen ergreifen und vor allem eine Betriebsuntersagung verhängen. Wann ein solcher Brief kommt, hängt davon ab, wann die Nachrüstung zur Verfügung stand. VW und das KBA gestehen Autobesitzern offenbar 18 Monate zu. Aktuell geht es daher um VW Amarok mit Turbodieselmotor. Für die war die geänderte Motorsteuerung bereits Anfang 2016 fertig geworden.
09.08.2017 Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert die von den deutschen Autoherstellern angebotene Umstiegsprämie für Besitzer älterer Diesel-Pkw. Solange Diesel-Fahrzeuge auf der Straße schmutziger seien als im Labor, sehe er keine Grundlage, den Kauf von Dieselfahrzeugen zu empfehlen, sagt DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch dem Sender Bayern2. „Wir raten ganz dringend ab, einen einzigen der derzeit angeboten Diesel zu kaufen.“
08.08.2017 Eine Woche nach dem Diesel-Gipfel haben fast alle deutschen Autohersteller eine Umstiegsprämie für Besitzer älterer Diesel-Pkw im Angebot. Die Kunden sollen einen Nachlass von 2 000 bis 10 000 Euro beim Kauf eines Neuwagens bekommen. Nach Ford, BMW und Daimler vergangene Woche haben nun auch die Marke VW sowie Volkswagen-Töchter wie Audi, Porsche, Seat und Skoda ihre „Umwelt- und Zukunftsprogramme“ vorgestellt.
08.08.2017 Der Absatz von Dieselkraftstoff ist von 1999 bis 2016 um satte 30 Prozent gestiegen, auch wegen des Steuervorteils. Der tägliche Verbrauch in Deutschland lag im vergangenen Jahr im Schnitt bei 121 Millionen Litern, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Der tägliche Benzinabsatz dagegen ging im selben Zeitraum um 41 Prozent zurück auf durchschnittlich 66 Millionen Liter. Der Anteil von Diesel am Kraftstoffabsatz erreichte damit laut Statistik einen Rekordwert von 65 Prozent im Jahr 2016. Die Steuer für einen Liter Diesel liegt seit 2007 bei 47 Cent, die für einen Liter bleifreies Benzin bei rund 65 Cent.
02.08.2017 Der Dieselgipfel in Berlin sorgt für harsche Kritik bei Umwelt- und Verbraucherverbänden. Sie kritisieren, dass die Politik sich nicht bei den Autoherstellern durchsetzen könne. Verbraucherinteressen seien „einmal mehr ausgebremst“ worden, erklärt Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) und verlangt „ein Signal, dass sich Bundesregierung und Wirtschaft für eine Musterfeststellungsklage stark machen“. Auf diese Weise könnten Verbraucher sich zusammenschließen und einfacher gegen Unternehmen klagen.
02.08.2017 Beim Dieselgipfel in Berlin haben die vertretenen Autohersteller laut Verkehrsminister Dobrindt zugesagt, rund 5,3 Millionen Dieselautos, die die Abgasnormen Euro 5 und 6 erfüllen, freiwillig nachzurüsten. Dobrindt kündigt einen 500 Millionen Euro Mobilitätsfonds an, der gemeinsam vom Bund und den deutschen Automobilherstellern VW, Daimler und BMW befüllt werden soll. Auch die ausländischen Hersteller müssten sich ihrer Verantwortung stellen. Ihr bisheriges Verhalten sei „völlig inakteptabel“.
20.07.2017 Das Verwaltungsgericht Stuttgart ist skeptisch, ob die von Politikern und Industrie vorgeschlagene freiwillige Nachrüstung von Diesel-Autos ausreicht, um Fahrverbote in Städten mit ständiger Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte in der Atemluft zu verhindern. Details zur Gerichtsverhandlung um Luftreinhaltepläne für die badenwürttembergische Landeshauptstadt berichtet Spiegel Online. Eine Entscheidung ergeht in den nächsten Wochen.
18.07.2017 Der ebenfalls unter dem Vorwurf der Abgasmanipulation stehende Autobauer Daimler weitet seine Rückrufaktion auf über drei Millionen Diesel-Fahrzeuge der Marke Mercedes-Benz in Europa aus (siehe FAQ-Frage „Was ist mit Mercedes?“).
13.07.2017 Der VW-Skandal ist inzwischen nicht nur vor Zivil-, sondern auch vor Straf- und Verwaltungsgerichten in zahlreichen Verfahren Thema. Letzter Akt: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagt vor den jeweils zuständigen Verwaltungsgerichten gegen Zulassungsstellen in zehn deutschen Städten. Die Behörden sollen Skandal-Autos mit unzureichender Abgasreinigung die Zulassung entziehen, fordern die Umweltschützer. Die Betriebserlaubnis sei wegen der Abschaltung der Abgasreinigung erloschen. Details zu den Klagen enthält die Pressemitteilung der DUH. Unterdessen hat Staatsanwaltschaft am Landgericht München II übereinstimmenden Presseberichten zufolge einen Audi-Motorenentwickler wegen Verdachts auf Beteiligung an Betrug und unlauterer Werbung verhaften lassen. Der Ingenieur sitze jetzt in Untersuchungshaft, heißt es. Unterdessen zeichnet sich ab: Die Oberlandesgerichte Celle, Hamm und München halten Klagen von Skandal-Autobesitzern auf Erstattung des Kaufpreises, Neulieferung oder Minderung regelmäßig für begründet. Darauf weisen Rechtsanwälte Rogert & Ulbrich in einer Presseerklärung hin.
11.07.2017 Die Rechtsanwaltskanzleien Baum Reiter & Collegen aus Düsseldorf und Gansel Rechtsanwälte aus Berlin verschärfen ihre Gangart in der Auseinandersetzung zwischen rund 2 000 Skandalautobesitzern, die sich über das Portal www.vw-verhandlung.de an die Anwälte gewendet haben, und dem VW-Konzern. Die Anwälte haben jetzt zusätzlich noch eine Anlaufstelle für Whistleblower eingerichtet, um an gerichtsverwertbare interne Informationen und Dokumente zu kommen. „In Anbetracht von Wertverlust und drohenden Fahrverboten sehen es die betroffenen VW-Fahrer berechtigterweise nicht ein, auf dem Schaden sitzenzubleiben“, erklärte Rechtsanwalt Gerhart Baum, früher Bundesinnenminister, das Engagement der Rechtsanwälte. Die beiden Rechtsanwaltskanzleien kooperieren mit „Cobin Claims“, einer österreichischen Plattform für Sammelaktionen und Massenschäden. Sie wollen dadurch den VW-Konzern unter Druck setzen. Nach Darstellung der Kanzleien können sich vom VW-Skandal Betroffene ohne Prozesskostenrisiko an der Aktion beteiligen. Sie sollen wie bei www.myright.de nur, wenn ihnen die Bemühungen der Anwälte einen zählbaren Erfolg bringen, einen Teil des von den Rechtsanwälten erstrittenen Vorteils abgeben. Ansonsten bleibe die Teilnahme kostenlos, versprechen die Anwälte.
30.06.2017 Ein weiteres VW-Skandal-Urteil ist rechtskräftig geworden. Ein Autohändler aus Minden nahm unmittelbar vor der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht in Celle die Berufung gegen eine Verurteilung zur Erstattung des Kaufpreises für ein Skandalauto zurück, nachdem der von Rogert & Ulbrich-Rechtsanwälte vertretene Kläger sich geweigert hatte, über einen Vergleich zu verhandeln. Das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts ist jetzt rechtskräftig. Weitere Einzelheiten und Hintergründe in der Pressemitteilung der Anwälte zum Verfahren.
29.06.2017 Das Oberlandesgericht München sieht in fünf Berufungsverfahren zu VW-Skandal-Klagen zahlreiche offene Fragen rund um das Softwareupdate. Das berichtet Rechtsanwalt Ralf Stoll. Die Richter sehen VW in der Pflicht zu beweisen, dass die neue Motorsteuerung legal ist und keine Einbußen bei Leistung, Verbrauch und Haltbarkeit mit sich bringt.
test.de dokumentiert den Wortlaut der gerichtlichen Verfügung:
„Der Senat ist derzeit nicht davon überzeugt, dass das angebotene Softwareupdate eine ausreichende Nacherfüllung darstellt. Mangels eigener ausreichender Sachkunde ist der Senat geneigt, gemäß §§ 144 Abs. 1 Satz 1, 525 ZPO die Anfertigung eines Sachverständigengutachtens zu folgenden Fragen einzuholen: Erfolgt durch das von der VW AG angebotene Softwareupdate eine ausreichende Reduzierung des Schadstoffausstoßes – insbesondere des Ausstoßes von Stickoxiden? Hat das von der VW AG angebotene Softwareupdate eine Minderung der Motorleistung und/oder eine Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs und/oder eine Erhöhung des Motorverschleißes zur Folge? Wie steht es mit dem Wiederverkaufswert der Fahrzeuge des VW-Konzerns mit Motoren, an denen ein Softwareupdate durchgeführt werden soll? Gibt es bereits Erfahrungen zu Wiederverkaufwerten von Fahrzeugen aus dem VW-Konzern, an denen bereits das Softwareupdate durchgeführt worden ist? Falls ja - wie hat sich das Softwareupdate auf den Wiederverkaufspreis ausgewirkt? Der Kfz-Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) Hubert Rauscher (...) hat auf telefonische Anfrage des Senats erklärt, dass er zumindest zu den Fragen ein Gutachten erstatten kann, ob das von der VW AG angebotene Softwareupdate aus technischer Sicht eine ausreichende Reduzierung des Schadstoffausstoßes bewirken kann und ob damit eine Reduzierung der Motorleistung, eine Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs und eine Erhöhung des Motorverschleißes verbunden ist. Nach seinen Angaben hat er die Möglichkeit, geeignete Labore bzw. Prüfstände zu nutzen. Die Kosten eines Gutachtens belaufen sich nach seinen eigenen Angaben vorsichtig geschätzt auf 40 000 Euro. Der Senat sieht derzeit die Beklagtenseite (= VW AG, Anm. der Red.) als beweispflichtig für die Behauptung an, dass das von der VW AG angebotene Softwareupdate eine ausreichende Nacherfüllung darstellt. Wegen der hohen Gutachtenskosten stellt sich die Frage, ob man für alle beim 8. Zivilsenat des OLG München rechtshängigen Berufungsverfahren ein Gutachten anfertigt und die Kosten aufteilt, die letztlich die Seite zu tragen hat, die im Berufungsverfahren unterliegt.“
Oberlandesgericht München, Verfügung vom 20.06.2017
Aktenzeichen: 8 U 1706/17
Klägervertreter: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft, Lahr
Oberlandesgericht München, Verfügung vom 20.06.2017
Aktenzeichen: 8 U 1707/17
Klägervertreter: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft, Lahr
Oberlandesgericht München, Verfügung vom 20.06.2017
Aktenzeichen: 8 U 1710/17
Klägervertreter: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft, Lahr
Oberlandesgericht München, Verfügung vom 20.06.2017
Aktenzeichen: 8 U 1711/17
Klägervertreter: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft, Lahr
Oberlandesgericht München, Verfügung vom 20.06.2017
Aktenzeichen: 8 U 1712/17
Klägervertreter: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft, Lahr
29.06.2017 Über Schadenersatzansprüche von myright.de-Kunden gegen VW wird letztlich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entscheiden. Darin war sich die Anwälte von VW-Klage-Initiator MyRight.de, die Anwälte das Konzern und die Richter an der dritten Kammer des Landgerichts in Braunschweig einig. Sie verhandelten gestern über eine erste Pilotklage eines Kunden des Verbraucherinkasso-Unternehmens gegen den Autokonzern.
Sicher aus Sicht der für den Fall zuständigen Richter: Die Motorsteuerung in den deutschlandweit 2,5 Millionen und europaweit 8 Millionen Skandalautos ist illegal. Sie schaltet verbotenerweise die Abgasreinigung ab, sobald sich das Auto jenseits des Prüfstand in Bewegung setzt.
Ernüchternd für die Besitzer dieser Autos allerdings: Die Kammer gehe aktuell davon aus, dass die EU-Regeln der Allgemeinheit, dem Umweltschutz und dem Binnenmarkt dienen, aber nicht Käufern von Autos Rechte verschaffen solle, erklärte Jan-Michael Seidel, Vize-Präsident des Gerichts und Vorsitzender der 3. Kammer.
Myright.de- Anwalt Christopher Rother hielt dagegen: Die EU-Regeln über die Zulassung von Autos diene ausdrücklich auch dem Gesundheits- und dem Verbraucherschutz, argumentierte er. Nicht nur die Zulassung, sondern auch der Verkauf von Autos, die nicht den Regeln entsprechen, sei verboten. Das könne nur dazu dienen, potenzielle Käufer zu schützen.
Enttäuschend für Rother: Das Gericht will das Verfahren aktuell noch nicht dem EuGH vorliegen. Dazu sind Instanzgerichte in Deutschland zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet. Erst der Bundesgerichtshof als höchstes deutsche Zivilgericht muss die Richter in Luxemburg einschalten, wenn es auf die Auslegung von EU-Regeln ankommt. Das Votum der EU-Richter zu einzelnen Fragen vorher schon einzuholen, berge die Gefahr, dass Oberlandesgericht oder Bundesgerichtshof am Ende ganz andere Punkte für entscheidend halten, begründete Richter Jan-Michael Seidel die Haltung der Kammer.
So geht es jetzt weiter: Die VW-Anwälte haben bis Mitte Juli Zeit, noch einmal Stellung zu nehmen. Am Donnerstag, 31. August, will das Landgericht eine Entscheidung verkünden. Wenn es bei seiner vorläufigen Auffassung bleibt, wird es die Klage abweisen. Es kann aber auch das Verfahren aussetzen, die Vernehmung von Zeugen oder die Einholung von Gutachten anordnen oder VW zum Schadenersatz verurteilen.
Wenn die Klage abgewiesen wird, werde Myright.de selbstverständlich Berufung einlegen, kündigte Rechtsanwalt Rother an. Ärgerlicherweise stehe wegen der Weigerung des Landgerichts, den Fall dort sofort vorzulegen, schon jetzt praktisch fest: Der EuGH werde sich zum VW-Skandal erst äußern, wenn alle Schadenersatzforderungen gegen VW verjährt sind.
VW-Skandalopfern bleibt jetzt nur, auf eigene Faust die Verjährung zu stoppen. Dazu müssen sie entweder Rechtsanwälte einschalten oder ein Unternehmen wie MyRight.de einschalten.
Das Unternehmen kündigte an: Für alle Opfer, die sich bis Samstag, 15. Juli, über die myright.de registrieren, werde noch im September Klage eingereicht. test.de hatte das Angebot einem Schnelltest unterzogen. Das Ergebnis in aller Kürze: Es ist fair und ermöglicht Opfern des VW-Skandals, ohne Prozesskostenrisiko gegen den Konzern vorzugehen. Hier die ausführliche Darstellung der Testergebnisse.
26.06.2017 Die Zivilgerichte verlieren offenbar die Geduld mit VW. Rechtsanwalt Ralf Stoll berichtet: Das Landgericht Essen ist im Verfahren 16 O 245/16 der Meinung, dass Skandalautobesitzern auf der Grundlage ihrer Darstellung des Falls Schadenersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und Betrugs zusteht. Voraussetzung: Organe des Unternehmens haben von der illegalen Motorsteuerung gewusst und sie nicht verhindert. VW hat seine Anwälte bisher immer erklären lassen: Es sei noch unklar, wann der Vorstand von den Machenschaften der Ingenieure erfahren hat. Das reicht nicht, bedeutete das Landgericht Essen dem Autohersteller. Will er die Verurteilung verhindern, muss er sagen, wer genau für die Einführung der Motorsteuerung verantwortlich ist, wer davon gewusst hat und wer das Geld für die Entwicklung der beiden alternativen Motorsteuerungen mit und ohne Abgasreinigung sowie den Umschaltmechanismus bewilligt hat.
23.06.2017 Offenbar bereits in der vergangenen Woche war eine Verurteilung von VW wegen des Abgasskandals durch das Landgericht Braunschweig rechtskräftig geworden. VW muss jetzt endgültig einen Tiguan zurücknehmen und den Kaufpreis für den Wagen abzüglich Nutzungsentschädigung für die damit gefahrenen Kilometer erstatten. Das berichtet Rechtsanwalt Aleksandar Cvjeticanin von BMS-Rechtsanwälte in Stuttgart. In dem Fall hatte VW Berufung eingelegt. Nachdem das Oberlandesgericht Braunschweig einen Verhandlungstermin anberaumt hatte und der Besitzer des Skandalautos einen Vergleichvorschlag abgelehnt hatte, nahm das Unternehmen die Berufung zurück. Anfang der Woche erreichte die Nachricht die Rechtsanwaltskanzlei, die den Autobesitzer vertritt. Der Rechtsanwalt des Tiguan-Fahrers hatte den VW-Vorstandsvorsitzenden und ein weiteres Vorstandsmitglied als Zeugen dafür benannt, dass die skandalöse Motorsteuerung mit der Abschaltung der Abgasreinigung im Fahrbetrieb auf Anordnung der VW-Führung zum Einsatz kam. Inzwischen ist VW also bereits in vier Fällen wegen des Rücktritts von Skandalauto-Kaufverträgen rechtskräftig verurteilt.
23.06.2017 Jubel bei Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte: VW hat soweit bekannt erstmals überhaupt Verurteilungen zur Erstattung des Kaufpreises und zur Rückname von Skandalautos rechtskräftig werden lassen, meldet die Kanzlei. Bisher hatte der Autohersteller immer Berufung eingelegt. Einzelne Verfahren endeten mit Vergleichen mit Geheimhaltungsklausel, wenn sich abzeichnete, dass das zuständige Oberlandesgericht die Berufung des Autoherstellers zurückweisen wird. Marco Rogert sieht darin ein Signal: Die VW-Anwälte sehen wohl keine Chance mehr, die Verurteilung zur Erstattung des Kaufpreises nach Rücktritt vom Kaufvertrag über ein Skandal-Auto vor Oberlandesgerichten erfolgreich anzugreifen. „Künftig dürfen die Geschädigten im Falle einer Klage gegen Volkswagen berechtigte Hoffnung haben, dass sie in nur einer Instanz ihre Ansprüche durchsetzen können“, freut sich Rogert. Der Strategiewechsel verbessere vor allem die Chancen von Journalisten, Großkunden wie der Deutsche See GmbH (s. u., 06.02.2017) und Schwerbehinderten, die ihre Autos oft direkt bei VW gekauft haben, ihre Rechte schnell durchzusetzen.
14.06.2017 Aktuellen Berichten von ZDF und Spiegel zufolge dürfte auch die vom Kraftfahrbundesamt genehmigten neuen Motorsteuerungen für Skandalautos rechtswidrig sein. Die Behörden hätten seit Jahren systematisch Hinweise auf Überschreitung der Abgasgrenzwerte übersehen. Auch die neuen Motorsteuerungen des VW-Konzerns enthielten weiterhin nach EU-Recht verbotene Abschalteinrichtungen und stellten nicht sicher, dass die Autos im Straßenverkehr den Grenzwert für den Stickoxidausstoß einhalten. Der Spiegel berichtet außerdem, dass auch die Motorsteuerung eines Porsche Cayenne mit Dieselmotor die Reinigung des Abgases von Stickoxiden reduziere, wenn der Wagen stärker beschleunige oder schneller durch Kurven fahre als im Prüfzyklus vorgesehen.
02.06.2017 Jetzt steht fest: Auch einige große und teure Audi A7 und A8 mit V6- und V8-TDI-Motoren sind so gesteuert, dass sie nur im Prüfstand ausreichend sauber sind und im Fahrbetrieb vor allem sehr viel mehr gesundheitsschädliches Stickoxid ausstoßen. Betroffen sind weltweit rund 24 000 Autos der Baujahre 2009 bis 2013. Das hat das Bundesverkehrsministerium mitgeteilt. Die Autos sollen von Juli an eine neue Motorsteuerung erhalten. Das Verkehrsministerium will jetzt noch weitere Autos aus dem VW-Konzern untersuchen, in denen ähnliche Motoren zum Einsatz kommen. Weitere Einzelheiten liefert Spiegel Online. Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll vermutet genau wie das Bundesverkehrsministerium: Audi schaltet in noch mehr Autos als bisher bekannt die Abgasreinigung im Fahrbetrieb ab. Stoll hat bereits im Februar Klage für einen Mandanten erhoben, der einen Audi RS6 mit V8-Benzinmotor gekauft hatte. Audi bestreitet, dass es sich um Betrügerein handelt.
12.05.2017 Inkassodienstleister Myright.dehat Kunden gegenüber angekündigt, im September Klage einreichen zu wollen. Anmeldungen für die Teilnahme sind nur noch bis 30. Juni 2017 noch möglich. Details enthält die Ankündigung nicht; test.de vermutet, dass das Unternehmen wegen der von inzwischen rund 25 000 Skandalauto-Besitzern an sie abgetretenen Forderungen gegen den VW-Konzern Klage erheben wird. Das ist wegen der im Verhältnis zum Streitwert nur degressiv steigenden Gerichtskosten und Rechtsanwaltshonorare der günstigste Weg, die Forderungen der Skandalautobesitzer gerichtlich geltend zu machen. Einzelne Klagen hatte Myright.de bereits im Namen der jeweiligen Kunden auf den Weg gebraucht, um den Druck auf Volkswagen zu erhöhen. Eine erste mündliche Verhandlung hat das Landgericht Braunschweig für Ende Juni anberaumt. test.de hatte das Myright.de-Angebot als fair und aussichtsreich bewertet. Es ist zunächst kostenlos, im Erfolgsfall allerdings wohl teurer als vw-verhandlung.de. Von diesem Angebot kennt test.de allerdings nur die Eckdaten, die genauen Geschäftsbedingungen und vor allem die Regeln für die Ermittlung der Erfolgsprovision liegen test.de nicht vor.
12.05.2017 Ein Focus-online-Bericht zum VW-Skandal mit dem Titel: „Das Geheimnis der Golden Cars“ lässt noch deutlicher als die bisher bekannten Fakten erkennen: Das Bundeswirtschaftsministerium und das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg haben offenbar mehr Wirtschaftsförderung betrieben, als die Einhaltung der für Autohersteller geltenden Umwelt- und Verbraucherschutzregeln zu überwachen und durchzusetzen. Den zuständigen Beamten war Focus zufolge offenbar schon früh klar, dass die Einhaltung der Grenzwerte bei Prüfstandversuchen praktisch nichts mit dem Schadstoffausstoß im Fahrbetrieb zu tun hatte und dass auch der Kraftstoffverbrauch im wirklichen Leben immer weit höher liegt als im Prüfstand unter unrealistisch günstigen Bedingungen ermittelt. Besonders beunruhigend: Der Untersuchungsausschuss der Bundestag will diese aus test.de-Sicht rechtsfeindliche Haltung der Behörden in seinem Abschlussbericht der Sache nach billigen und findet sogar das Verhalten des VW-Konzerns offenbar nicht weiter schlimm. Darauf deuten Berichte über den Stand des Entwurfs hin. Die endgültige Version soll noch vor der Sommerpause erscheinen.
08.05.2017 Die niederländische Stiftung Stichting Volkswagen Car Claim und die Kanzleien Baum Reiter & Kollegen und Gansel Rechtsanwälte bieten jetzt deutschen Besitzern von Skandalautos an, gerichtlich gegen Volkswagen vorzugehen. Kunden mit und ohne Rechtsschutzversicherungen können unter vw-verhandlung.de wählen, ob sie ihr Auto zurückgeben, Ersatz für die Wertminderung fordern oder über den Autokreditwiderruf gegen Volkswagen vorgehen wollen. Das gaben die Rechtsanwälte Timo Gansel, Julius Reiter und Gerhard Baum bei einer Pressekonferenz in Berlin bekannt.
Kosten für Autobesitzer ohne Rechtsschutzversicherung: 29 Prozent des finanziellen Vorteils, den das Vorgehen am Ende bringt, höchstens allerdings 2 900 Euro. VW habe sich Verhandlungen mit der niederländischen Stichting verweigert. Die Stichting habe keine Möglichkeit, VW zu Verhandlungen über Zahlungen an deutsche Autofahrer zu zwingen. Gleichwohl hoffen Stichting und Anwälte auf eine außergerichtliche europäische Lösung für alle Verbraucher. Dazu sei es aber offensichtlich nötig, juristischen Druck auf das Unternehmen auszuüben. Die Rechtsanwälte wollen gleichzeitig auch für europäische Verbaucherschutzorganisationen die Herausgabe der mit den Skandalautos erwirtschafteten Gewinne verlangen.
05.05.2017 Nach wie vor verweigern zumindest einzelne Rechtschutzversicherer Besitzern von Skandalautos die Deckung für Klagen gegen VW und/oder Händler. Der Fachverlag Kapital-Markt intern Kapital-Markt intern berichtet ausführlich und liefert einen genauen Überblick. Die test.de-Urteilsliste enthält (Stand 05.05.17)) eine Verurteilung der ADAC Rechtsschutzversicherungs AG, 23 der ARAG SE, eine der DEVK Rechtsschutz-Versicherungs-AG, vier der Huk-Coburg-Rechtsschutzversicherung AG, 15 der Örag Rechtsschutzversicherungs-AG und eine der WGV Württembergischen Gemeinde-Versicherung a. G..
28.04.2017 Die Anwalts-Kanzleien Rogert & Ulbrich und Stoll & Sauer berichten: Allein gestern haben Gerichte mindestens zwölf Urteile zugunsten von VW-Skandalautobesitzern verkündet. In drei weitere Fällen in Berlin, Düsseldorf und Wiesbaden ist noch nicht bekannt, wie die Gerichte jeweils entschieden haben. Es liegen jetzt mindestens 62 verbraucherfreundliche Gerichtsurteile zum VW-Skandal vor.
Pro Kläger entscheiden bisher folgende Landgerichte: Aachen, Arnsberg, Baden-Baden (neu), Bochum (neu), Bonn, Braunschweig, Darmstadt (neu), Detmold (neu), Dortmund, Essen, Frankfurt, Hagen, Hamburg, Hildesheim, Karlsruhe, Kleve, Köln (allerdings nicht wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung), Krefeld, Mönchengladbach (neu), München I und II, Münster (neu), Paderborn, Stralsund, Nürnberg (neu), Wuppertal (neu).
Gegen den Kläger entscheiden soweit bekannt: Düsseldorf (bis auf eine Ausnahme), Ellwangen (wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung), Fulda, Hannover, Köln (wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung), Limburg, Marburg.
Rechtsanwalt Marco Rogert erwartet in den kommenden Wochen eine Reihe weiterer verbraucherfreundlicher Urteile. Mit den ersten Oberlandesgerichtsurteilen rechnet er bis Sommer; er glaubt, dass Hamm und München verbraucherfreundlich entscheiden. Wie Celle urteilt, hält er für offen.
24.04.2017 Zusatzchance für VW-Skandal-Opfer, die ihren Wagen mit einem Kredit der VW-Bank oder ihrer Zweigstellen bei Seat, Skoda und Audi finanziert haben: Sie können ihren Kreditvertrag widerrufen und sind dann berechtigt, den Wagen zurückzugeben – bei ab 14. Juni 2014 abgeschlossenen Kreditverträgen sogar ohne für die mit dem Auto gefahrenen Kilometer zahlen müssen. Möglich machen es Fehler in den VW-Bank-Kreditverträgen. Alle Einzelheiten und Tipps dazu sowie einen Mustertext für den Widerruf unter test.de/autokreditwiderruf.
21.04.2017Rechtsanwälte Rogert & Ulbrich aus Düsseldorf berichten: Das Landgericht Kleve verlangt von VW, die Karten auf den Tisch zu legen. Das Unternehmen soll laut Gerichtsbeschluss (vom 13.02.2017, Aktenzeichen: 3 O 201/16) mitteilen, auf welcher Ebene die Entscheidung fiel, die korrekte Abgasreinigung nur im Prüfstand zu aktivieren und sie sonst zu reduzieren oder abzuschalten, welches Budget für die Entwicklung der Software zur Verfügung stand und wen die unmittelbar verantwortlichen Ingenieure informiert haben.
VW habe selbst vorgetragen, dass das Unternehmen die Vorgänge umfassend aufklären lässt und müsse nun den Stand der Ermittlungen darstellen. Aktuell sei nicht ausgeschlossen, dass auch der VW-Vorstand lange vor September 2015 Bescheid wusste. Der sei schließlich dafür verantwortlich, das Unternehmen gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu organisieren und zu führen. Es sei davon auszugehen, dass VW-Mitarbeiter verpflichtet seien, über wesentliche Entscheidungen die jeweils Vorgesetzten zu informieren. Implizit sagt das Gericht damit: Auch der VW-Vorstand müsste so von der skandalösen Motorsteuerung erfahren haben.
04.04.2017 Soweit test.de bekannt, hat erstmals überhaupt ein Gericht einen Autohändler dazu verurteilt, einen Teil des Kaufpreises für ein Skandalauto zu erstatten. Auf zehn Prozent schätzt das Gericht den Minderwert des umstrittenen VW Tiguan. Die Klage auf Lieferung eines neuen mangelfreien Wagens des Typs wies das Gericht allerdings ab. Das alte Modell sei nicht mehr lieferbar und das neue entspreche dem vom Kläger gekauften nicht mehr.
Mit einer Nachbesserung durch eine neue Motorsteuerung müsse sich der Kläger allerdings nicht zufrieden geben, urteilten die Richter am Landgericht in Kempten. „Das Aufspielen des Software-Updates ist nicht geeignet, den Mangel vollständig zu beseitigen“, heißt es in der Urteilsbegründung. Der Makel des Abgasskandals und damit das Risiko einer Wertminderung bleibe auch bestehen, wenn die neue Motorsteuerung korrekt funktioniere.
„Folglich stellt die von der Beklagten angebotene Form der Nachbesserung keine taugliche Nachbesserung dar, ohne dass es darauf ankommt, ob das Software-Update aus technischer Sicht den Mangel beseitigen kann, ohne dass es zu Folgeschäden an dem Fahrzeug kommt“, so das Gericht wörtlich.
03.04.2017 Jetzt steht fest: VW und seine Händler lassen es sich viel Geld kosten, verbraucherfreundliche Oberlandesgerichtsurteile zu verhindern. Das Oberlandesgericht München macht öffentlich, was die Anwälte hinter den Kulissen verhandelt haben: Der Käufer eines VW Golf Bluemotion TDI soll gegen Rückgabe des schon 80 000 Kilometer alten Wagens den Kaufpreis abzüglich von nur 2 000 Euro Nutzungsentschädigung zurück bekommen. Weitere Einzelheiten und Hintergrund in der test.de-Meldung: OLG München billigt Rücktritt.
31.03.2017 Das könnte der endgültige Durchbruch für Schadenersatzforderungen von Skandalautobesitzern gegen den Volkswagenkonzern sein: Das Landgericht Kleve hat das Unternehmen heute wegen der Verletzung der Regeln aus der EU-Zulassungsverordnung zum Schadenersatz verurteilt. Es folgte der Argumentation von Rechtswissenschaftlers Jan Dirk Harke (s. u., 21.03.2017). Der meint: Die Regeln über die Typzulassung sind nicht nur Verwaltungsrecht, das die Umwelt und die Allgemeinheit schützen will, sondern sie sollen gerade auch die Käufer von Autos davor schützen, ein nicht den Bestimmungen entsprechendes Auto zu erhalten.
Anders als bei einer Verurteilung zu Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung kommt es nicht darauf an, dass Verantwortliche im Konzern von den Manipulationen wussten. Ausreichend ist schon, wenn sie fahrlässig handelten und etwa nicht genau genug kontrollierten, dass die mit jedem Auto mitgelieferte Erklärung der Übereinstimmung mit den Zulassungsregeln zutrifft. Klägeranwälte waren erneut Dr. Stoll & Sauer. Sie vertreten nach eigener Darstellung rund 35 000 Besitzer von Skandalautos. Bericht zum Fall auf der Homepage der Kanzlei.
30.03.2017 Rechtsanwalt Ralf Stoll berichtet: Nach dem Landgericht Hildesheim hat jetzt auch das Landgericht Karlsruhe VW zum Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Novum in dem Verfahren: Da VW und der Autohändler gemeinsam verklagt waren, verurteilte das Gericht beide als Gesamtschuldner. Das heißt: Der Käufer des Skandalautos kann wählen, ob er von VW oder dem Händler Zahlung fordert. Er erhält das Geld aber nur einmal. VW und der Händler müssen anschließend intern klären, wer letztlich verantwortlich ist. Bericht zum Fall auf der Homepage der Kanzlei.
24.03.2017 Erneut herbe juristische Schlappe für den Volkswagenkonzern und seine Händler: Das Landgericht Arnsberg hat heute fünf Urteile verkündet, wonach Händler Skandalautos zurückzunehmen haben und entweder den Kaufpreis erstatten oder einen neuen Wagen liefern müssen. In einem der Fälle war gleichzeitig auch VW direkt wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verklagt. Zu dieser Forderung fiel noch kein Urteil.
Das Gericht gab VW auf, im Detail vorzutragen, wie es zu den Manipulationen gekommen ist und welche Personen daran beteiligt waren. Insbesondere wurde das Unternehmen verpflichtet, konkret Namen zu nennen. In zwei weiteren Fällen hat das Gericht Verfahren auf Antrag der Parteien ausgesetzt. Offenbar verhandeln sie jetzt über einen Vergleich. In beiden Fällen war VW direkt als Verkäufer von Skandalautos verklagt.
21.03.2017 Anwälte werden im Auftrag von myright.de voraussichtlich im April den in den USA inhaftierten VW-Manager Oliver Schmidt im Gefängnis befragen. Schmidt war von 2012 bis 2015 Leiter des VW-Umwelt- und Ingenieurbüros in den USA. Er soll bereits 17 Monate vor Bekanntwerden des Abgasskandals führende Manager informiert haben. Myright.de erhofft sich Erkenntnisse darüber, wer im Unternehmen von den Manipulationen wusste und sie gebilligt oder jedenfalls nicht verhindert hat. Details dazu bei myright.de.
21.03.2017 Der Rechtswissenschaftler Jan Dirk Harke glaubt: VW und die übrigen Unternehmen des Konzerns müssen Kunden wegen Verletzung der EU-Regeln über die Fahrzeugzulassung entschädigen. In einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Verbraucher und Recht“ befasst sich der Hochschullehrer aus Jena mit allen Rechtsfragen rund um Schadenersatzansprüche gegen VW. Zentraler Punkt: Selbst wenn nicht nachzuweisen ist, dass Vorstandsmitglieder oder jedenfalls hochrangige Manager von der Abschaltung der Abgasreinigung im Fahrbetrieb wussten, haben Käufer der Autos Anspruch auf Schadenersatz. Nach Harkes Ansicht reicht aus, wenn die Verantwortlichen im Unternehmen die Manipulation aus Nachlässigkeit nicht bemerkten.
17.03.2017 Neue Myright.de-Klage: Hartmut Bäumer fordert von Audi Schadenersatz wegen des Abgasskandals. Der inzwischen pensionierte Richter, Grünen-Politiker und Ministerialbeamte fährt seit 25 Jahren Audi. Weil sein aktueller Wagen die Abgasreinigung abschaltet, sobald er losfährt, und dann fünfmal mehr Stickoxid ausstößt als erlaubt, zieht er jetzt vor Gericht. Weitere Einzelheiten im Bericht des RBB-Inforadio. Außerdem will myright.de noch in diesem Jahr die Ansprüche der insgesamt bisher rund 25 000 Kunden des Unternehmens gerichtlich gesammelt geltend machen. Sie können dann nicht mehr verjähren.
14.03.2017 Immer häufiger urteilen Gerichte im VW-Skandal verbraucherfreundlich. Jordan Fuhr Meyer Rechtsanwälte berichten: Auch das Landgericht Bochum hält Klagen wegen des VW-Skandals jetzt für aussichtsreich. Es urteilte in einer Klage gegen den Rechtsschutzversicherer Arag SE: Das Unternehmen muss die Kosten einer VW-Skandal-Klage übernehmen. Noch im Sommer vergangenen Jahres hatte das Landgericht Bochum die Klage auf Erstattung des Kaufpreises für ein Skandal-Auto gegen Rückgabe des Wagens abgewiesen und wäre wohl auch eine Klage gegen Rechtsschutzversicherer gescheitert.
09.03.2017 Die EU-Kommission fordert erneut: VW soll die betroffenen Kunden auch in Europa entschädigen. Das hat Justizkommissarin Vera Jourova gefordert. Nach über einem halben Jahr ergebnisloser Gespräche über Entschädigungen für die 8,5 Millionen vom Abgasskandal betroffenen VW-Kunden in Europa sei es nun an der Zeit, gemeinsame Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, erklärte die Politikerin. Die Reparatur der Autos reiche nicht aus.
08.03.2017 Das Oberlandesgericht Braunschweig hat aus den knapp 1 500 Aktionären, die wegen des Abgasskandals gegen die Volkswagen AG klagen, nun einen Musterkläger bestimmt. Das hat das Oberlandesgericht heute mitgeteilt. Die Klage der Deka Investment GmbH (Frankfurt am Main) soll jetzt stellvertretend für die übrigen Fälle geklärt werden. Es geht um viel Geld. Knapp 1 500 Anleger fordern insgesamt fast zwei Milliarden Euro Schadenersatz. VW-Aktionäre, die bisher noch nicht vor Gericht gezogen sind, können ihre Ersatzansprüche über Rechtsanwälte sechs Monate lang nachträglich anmelden. Voraussetzung: Ihre Forderungen sind noch nicht verjährt. Wann Verjährung eintritt, ist umstritten. Es trat zwischenzeitlich eine Gesetzesänderung in Kraft, von der nicht klar ist, welche Fälle sie noch nicht oder schon erfasst. Immerhin: Die Anmeldung von Schadenersatzansprüchen ist nicht allzu teuer. Die genauen Kosten hängen von der Höhe des möglichen Schadensersatzes ab.
23.02.2017 Die Juristen des ADAC sind der Meinung: Die Verweigerung der Tüv-Plaketten für Skandalautos ohne Nachrüstung ist rechtlich zumindest zweifelhaft. Das sei rechtliches Neuland und die Rechtsgrundlage ungeklärt. Auf eine Nachfrage beim Bundesverkehrsministerium habe der Automobilclub bisher nur eine wenig erhellende Antwort erhalten, erklärte Rechtsanwalt Klaus Heimgärtner aus der Juristischen Zentrale des Automobilclubs auf test.de-Anfrage. Eine genaue Nachfrage der Club-Juristen haben die Ministerial-Beamten bislang nicht beantwortet.
Unterdessen hat das Ministerium die Darstellung der Prüforganisationen nach einem Bericht der taz offiziell bestätigt: Skandalautos ohne Nachrüstung erhalten ab Sommer keine Prüfplaketten mehr, wenn der Zeitraum für die Nachrüstung, wie ihn der jeweilige Hersteller zum Rückruf genannt hat, abgelaufen ist. Zunächst sind nur Autos vom Typ VW Amarok betroffen. Für sie stand das Software-Update bereits im Frühjahr 2016 zur Verfügung. VW hatte die Besitzer solcher Autos aufgefordert, innerhalb von 18 Monaten zur Nachrüstung in die Werkstatt zu kommen.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Marco Rogert ist der Meinung: Die Skandalautos sind gar nicht genehmigt; auf die Prüfplakette kommt es nicht an. Die Genehmigung sei für Autos ohne Abschaltung der Abgasreinigung beantragt und erteilt worden und gelte daher nicht für die tatsächlich von VW und Tochterunternehmen gelieferten Autos. Das lässt er derzeit von Verwaltungsgerichten feststellen. Weitreichende Folge: Wenn die Skandalautos nicht genehmigt sind, dann kann die Nachrüstung der Autos daran auch nichts mehr ändern. Die Anordnung der Nachrüstung durch das Kraftfahrbundesamt in Flensburg ist nämlich eine Auflage zum Erhalt der nach Auffassung des KBA bestehenden Genehmigung. Diese ist nach Auffassung des Rechtsanwalts aber längst erloschen.
22.02.2017 Die Polizei in Bayern rüstet ihre 500 VW-Skandal-Autos vorerst nicht nach. Hintergrund laut Focus: Die Beamten im Bayerischen Innenministerium befürchten, dass die Autos mit der geänderten Motorsteuerung schneller kaputt gehen. Unterdessen drohen Kraftfahrtbundesamt und Verkehrsministerium Skandal-Autobesitzern mit Stilllegung und Durchfall bei der Tüv-Prüfung, wenn sie die Nachrüstung ihrer Autos verweigern. Rechtsanwalt Marco Rogert fühlt sich vom Innenministerium in Bayern bestätigt. „Jetzt wird auch der letzte Bürger begreifen, dass das Bundesverkehrsministerium, das Kraftfahrt-Bundesamt und der VW-Konzern eine unheilige Allianz gegen den Bürger geschmiedet haben“, erklärte er. Rogert und sein Partner Tobias Ulbrich empfehlen schon seit längerem, die Nachrüstung zu verweigern. Die beiden Rechtsanwälte vertreten insgesamt rund 1 500 Skandalautobesitzer.
09.02.2017 Verwirrung um die Prüfplaketten von Tüv, Dekra und Co. für Skandalautos: Zunächst hatte es geheißen, dass es ab Juli 2017 ohne Nachrüstung keine Plakette mehr gibt. Dann war der Tüv Nord zurückgerudert und hatte das wieder dementiert (siehe Eintrag 03.02.2017). Jetzt berichtet der Focus: Tüv-Plaketten werden Skandalautos nur noch dann bekommen, wenn sie innerhalb der 18-monatigen Frist nachgerüstet wurden. Wer sein Auto nach Ablauf dieser Frist bei Tüv, Dekra oder einer anderen Prüfstelle vorstellt, bekommt keine Plakette mehr, wenn der Wagen nicht die neue Motorsteuerung hat. Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt, an dem der Halter eines Skandalautos vom Hersteller die Aufforderung erhalten hat, zur Nachrüstung einen Werkstatttermin zu vereinbaren.
07.02.2017 Der Volkswagen-Konzern lehnt eine Entschädigung europäischer Verbraucher in der Abgasaffäre weiter ab. Dies teilte die EU-Kommission nach einem Treffen von Volkswagen-Konzernchef Matthias Müller mit Justiz- und Verbraucherkommissarin Vera Jourova heute in Brüssel mit. Der Konzern hat demnach nur zugesichert, monatlich Berichte über die bis zum Herbst geplanten Umrüstungen an Fahrzeugen europäischer Kunden vorzulegen sowie Autobesitzer besser über diese Möglichkeit zu informieren.
06.02.2017 Der Staat Luxemburg hat in der VW-Affäre Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt – wegen Betrugs und Fälschung. Die luxemburgische Prüfstelle hatte den Skandal-Motor EA 189 zertifiziert. Es sei sehr wahrscheinlich, dass bei Abgastests eine Abschaltvorrichtung verwendet worden sei, teilte das luxemburgische Verkehrsministerium mit. Daher solle die Typgenehmigung für Fahrzeuge mit dem betroffenen Motor zurückgezogen werden. In Luxemburg seien insgesamt mehr als 31 000 Autos der Volkswagen-Marken VW, Seat, Skoda und Audi von dem Skandal betroffen.
06.02.2017 Als soweit bekannt erster und bisher einziger Großkunde hat die Deutsche See GmbH Klage gegen die Volkswagen AG eingereicht. Hintergrund: Das Unternehmen wirtschaftet bewusst nachhaltig, im Jahr 2010 wurde es dafür sogar ausgezeichnet. Es wollte den gesamten Fuhrpark auf eine ganzheitliche, schadstoffarme sowie elektroangetriebene Flotte umzustellen. Der Volkswagenkonzern habe versichert, zu diesen Zielen passende Fahrzeuge liefern zu können. Außerdem vereinbarten beide Unternehmen, umweltfreundliche und zukunftsweisende Mobilität gemeinsam weiter zu entwickeln. Die Deutsche See kaufte rund 500 Autos, von denen später bekannt wurde: Die Motorsteuerung umgeht die Abgasreinigung im normalen Fahrbetrieb.
Das Unternehmen hat jetzt beim Landgericht Braunschweig Klage erhoben. VW habe die Deutsche See-Verantwortlichen arglistig getäuscht. Egbert Miebach, Geschäftsführender Gesellschafter von Deutsche See: „Wir sind tief enttäuscht über VW und fühlen uns hingehalten und betrogen, da die gemeinsam angedachte Partnerschaft im Bereich der umweltfreundlichen Mobilität nur von unserer Seite eingehalten wurde. Entsprechende Gespräche, dieses zu verändern, wurden von Seiten VW abgeblockt.“
06.02.2017 Der frühere Chef des VW-Aufsichtsrats, Ferdinand Piëch, hat in der Abgasaffäre den ehemaligen Vorstandschef Martin Winterkorn belastet. Der habe bereits im Februar 2015 gewusst, dass die US-Behörden VW im Verdacht haben, bei der Reinigung der Abgase von Schadstoffen illegal zu tricksen. Das berichtet der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe. Winterkorn selbst hatte stets behauptet, er habe erst im September 2015 von der Manipulation erfahren. Wann und in welcher Weise verantwortliche VW-Manager in den Skandal verwickelt wurden, ist wichtig für Schadenersatzansprüche von Skandalautobesitzern. Der Konzern haftet nur, wenn die nach dem Aktiengesetz verantwortlichen Organe des Unternehmens selbst für den Betrug verantwortlich sind. Allerdings: Anders als im Strafrecht gibt es im Zivilrecht keine Unschuldsvermutung. Eine Kammer des Landgerichts Hildesheim hatte die Darstellung von VW, wonach noch unklar sei, wann die Führung vom Skandal erfahren hat, für unzureichend und unglaubwürdig gehalten.
03.02.2017 Besitzer von noch nicht nachgerüsteten VW-Dieselmodellen müssen wegen des Abgasskandals nach derzeitigem Stand keine Probleme bei Hauptuntersuchungen des TÜV Nord befürchten. Das erklärte ein Sprecher der Prüforganisation in Reaktion auf einen aktuellen Medienbericht. „Der Gesetzgeber hat bislang keine Regelung zum Umgang mit nicht umgerüsteten Fahrzeugen beschlossen. Insofern erteilt TÜV Nord – wie alle anderen Prüforganisationen auch – die Plakette weiter, bis der Gesetzgeber über das weitere Verfahren entschieden hat“, teilte der Sprecher mit. Basis solcher Entscheidungen sei „allein eine gesetzliche Regelung“.
Ein Sprecher des TÜV Nord war zuvor in der Neuen Osnabrücker Zeitung mit der Aussage zitiert worden, es werde ab Mitte 2017 keine TÜV-Plaketten für noch nicht umgerüstete VW-Diesel geben. Dies werde ab dann als erheblicher Mangel im Rahmen der HU bewertet.
03.02.2017 Die Antikorruptions-Organisation Transparency Deutschland hat die Bundesregierung zu einem entschiedenen Eingreifen bei dem vom Dieselskandal betroffenen Autobauer Volkswagen aufgefordert. „Das Bundesverkehrsministerium muss Druck ausüben, um einen tatsächlichen Kurswechsel zu initiieren.“
Die Korruptions-Bekämpfer verlangen, die Politik müsse sich viel stärker für eine „Aufarbeitung“ des Abgasskandals bei VW einsetzen. „Wegen der Unfähigkeit von Volkswagen, die eigenen, von deutschen Gerichten als betrügerisch gekennzeichneten, Machenschaften aufzuklären, ist nun dringend auch der Bundesverkehrsminister gefragt“, erklärte Hartmut Bäumer, stellvertretender Vorsitzender der deutschen Sektion von Transparency International. Kürzlich hatte sich der VW-Konzern von Vorstandsmitglied Christine Hohmann-Dennhardt getrennt (siehe Eintrag 26.01.2017).
27.01.2017 Der Allgemeine Deutsche Automobil Club (ADAC) hat jetzt auch einen Golf mit 1.6 Liter-TDI-Motor getestet, der anders als die übrigen Skandalmotoren bei der Nachrüstung nicht nur eine neue Motorsteuerung, sondern auch einen so genannten Strömungsgleichrichter im Ansaugtrakt erhalten hat. Ergebnis: Der Stickoxidausstoß sinkt deutlich, liegt aber bei Fahrten jenseits der für die Zulassung maßgeblichen Prüfstandversuche weiter deutlich über 180 Milligramm pro Kilometer. Der Verbrauch steigt zwar, aber nur leicht. Dafür liegt auch die Leistung um einige Prozent höher als vor der Nachrüstung.
Zur Lebenserwartung des Motors vor und nach der Nachrüstung äußert sich der ADAC nicht. Details zum Test finden sich auf der ADAC-Website. Dort sind auch die Testergebnisse für einen Wagen mit 1.2 und einen mit 2.0-TDI-Motor vor und nach der Nachrüstung veröffentlicht (siehe unten, Eintrag zum 12.12.2016).
26.01.2017 „Aufgrund unterschiedlicher Auffassung über Verantwortlichkeiten und die künftigen operativen Arbeitsstrukturen in ihrem Ressort“ trennt sich VW von Vorstandsmitglied Christine Hohmann-Dennhardt – in der Konzernführung für Integrität und Recht zuständig und erst seit Anfang Januar 2016 im Amt. Die Managerin scheidet laut VW zum 31. Januar aus. Ihre Nachfolgerin soll Hiltrud Werner werden, die seit Anfang 2016 bei Volkswagen für die Konzernrevision verantwortlich ist.
19.01.2017 Die Staatsanwaltschaft Braunschweig erklärt, sie habe Anhaltspunkte dafür, dass der ehemalige VW-Vorstandschef Winterkorn „entgegen seinem öffentlichen Bekunden früher von den Manipulationen und der Software gewusst haben könnte“. Der Kreis der Beschuldigten wurde von 21 auf 37 erweitert.
19.01.2017 Spektakulärer Erfolg für Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte: Das Landgericht Hildesheim verurteilte VW wegen Betrugs und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadenersatz. Der Hersteller muss den Kaufpreis für einen Skoda Yeti 2.0 TDI abzüglich Entschädigung für die damit gefahrenen Kilometer erstatten und den Wagen zurücknehmen. Weitere Details in unserer Meldung VW-Skandal: Richter gehen von Betrug aus.
13.01.2017 Während der VW-Konzern sich in Europa nach wie vor weigert, Käufern von Skandal-Autos überhaupt Rechte jenseits der Nachrüstung einzuräumen, hat sich das Unternehmen in den USA verpflichtet, weitere umgerechnet 4,3 Milliarden Euro Entschädigung zu zahlen. Insgesamt erhöht sich die Summe der Entschädigungszahlungen damit auf 20 Milliarden Euro. Unabhängig davon ermitteln die US-Justizbehörden gegen mehrere VW-Manager. Einer davon ist jetzt verhaftet worden. Seinen Antrag, ihn gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen, lehnten sie ab. Der Mann könnte ja nach Deutschland flüchten.
Außerdem interessant: Eine frühere Variante der Motorsteuerung zumindest für die US-Skandal-Autos schaltete die Abgasreinigung offenbar viel weniger häufig ab. Sie führte aber wohl zu Mängeln, vor allem bei der Haltbarkeit der an der Abgasreinigung beteiligten Bauteile des Motors. Daraufhin wurde anscheinend die Motorsteuerung so geändert, dass sie im Fahrbetrieb gar nicht mehr in Betrieb war. Spiegel online liefert weitere Einzelheiten zum aktuellen Stand im VW-Skandal.
12.01.2017 Sowohl das Landgericht Hildesheim als auch das Landgericht Frankfurt haben die Verkündung von Entscheidungen über Schadenersatzklagen direkt gegen Volkswagen verschoben (s. u., 29.12.2016).
06.01.2017 Nach einer Studie des Institute for Clean Transportation (ICCT) ist der Abgas-Skandal noch nicht überstanden. Die Wissenschaftler unternahmen umfangreiche Messfahrten mit nach der EU6-Abgasnorm zugelassenen Diesel-Autos. Erschreckendes Ergebnis: Statt der zugelassenen 80 Milligramm je Kilometer Fahrt enthielten die Abgase im Fahrbetrieb 560 Milligramm Stickoxid je Kilometer Fahrt. Grund sind aus Sicht der Wissenschaftler die Vorschriften zur Ermittlung des Schadstoffausstosses – dieser muss nur in Prüfstandversuchen und nicht bei „richtigen“ Fahrten gemessen werden.
„Die Ergebnisse“, schreiben die ICCT-Experten, „lassen mit großer Sicherheit darauf schließen, dass es auch für die neueste Generation von Diesel-Pkw eine systematische Überschreitung von NOX-Limits unter realen Fahrbedingungen gibt.“ Im Klartext: Nach wie vor ist die Motorsteuerung bei den meisten Autos so eingerichtet, dass nur bei den für die für die Zulassung maßgeblichen Prüfstandversuchen die Abgasreinigung so wie vorgeschrieben funktioniert.
Nötig ist das nicht. Laut der Ergebnisse der Wissenschaftler halten zumindest einzelne Autotypen die gesetzlichen Grenzwerte auch im Alltag ein. Welche Autotypen getestet wurden und wie sie abschnitten, sagten die Wissenschaftler nicht. Ausgewertet wurden Messergebnisse für 15 Autos von sechs Herstellern. Die ICCT hat die Untersuchungsergebnisse im Detail veröffentlicht und hält eine deutschsprachige Zusammenfassung bereit.
Englische Fassung
Deutsche Fassung
05.01.2017 My-right.de hat in Braunschweig eine erste Klage gegen VW eingereicht. Anders als ursprünglich geplant, ist ein Kunde des Unternehmens der Kläger. Er hatte einen VW Eos mit TDI-Motor für über 40 000 Euro gekauft. VW soll den Wagen zurücknehmen und den Kaufpreis erstatten – und nicht bloß den Minderwert ausgleichen. Grundlage für die Forderung ist nicht nur der Vorwurf einer sittenwidrigen, vorsätzlichen Schädigung, sondern vor allem der Vorwurf der Verletzung von EU-Zulassungsregeln.
Die Autos mit der skandalösen Motorsteuerung hätten – entgegen der Darstellung der Rechtslage durch das Kraftfahrbundesamt und durch das Bundesverkehrsministerium – nicht zugelassen werden dürfen. VW habe fälschlich versichert, dass sie den Regeln entsprächen, erklärte My-right.de-Chefjurist Jan-Eike Andresen. Deshalb habe die EU ja auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Das Unternehmen will in diesen Tagen mindestens zwei weitere Klagen in Berlin und München einreichen.
29.12.2016 Am Mittwoch und Freitag kommender Woche fallen an den Landgerichten in Hildesheim und Frankfurt die – soweit bekannt – ersten Entscheidungen zu Schadenersatzklagen von Autokäufern direkt gegen VW als Hersteller. Das kündigt Rechtsanwalt Tobias Ulbrich an. Er geht davon aus, dass die Gerichte VW letztlich wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung ihrer Kunden verurteilen werden. Möglicherweise beschließen die Gerichte zunächst allerdings, bestimmte Beweise zu erheben.
21.12.2016 Mehr als ein Jahr nach Bekanntwerden des Diesel-Skandals hat Volkswagen vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nach eigener Darstellung die letzten noch ausstehenden Freigaben für den Rückruf der betroffenen Autos erhalten. Die Besitzer würden „in den kommenden Wochen“ benachrichtigt, teilte der Konzern mit.
12.12.2016 Der Allgemeine Deutsche Automobil Club (ADAC) hat zwei VW-Skandal-Autos vor und nach der Nachrüstung untersucht. Ergebnis: Der Ausstoß von Stickoxiden verringert sich durch die neue Motorsteuerung um bis zu ein Viertel, fanden die Techniker des Vereins heraus. Der Kohlendioxid-Ausstoß und damit auch der Kraftstoffverbrauch stiegen an, aber nur um höchstens 4,5 Prozent – bei einer Messgenauigkeit von plus minus zwei Prozentpunkten.
Allerdings: Der Kraftstoffverbrauch lag bei den Normmessungen sowohl vor als auch nach dem Austausch der Motorsteuerung um rund 10 Prozent über dem von VW angegebenen Wert. Und: Die Stickoxid-Obergrenze von 180 Milligramm je Kilometer halten der Polo 1.2 TDI und der Golf 2.0 TDI, die der ADAC untersucht hat, nur im Neuen Europäischer Fahrzyklus (NEFZ) ein.
In der realitätsnäheren Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure (WLTC) stößt der Polo 1.2 TDI nach der Nachrüstung 274 und vor der Nachrüstung 357 Milligramm je Kilometer aus. Der Golf 2.0 TDI lag bei 397 vor und 308 Milligramm nach der Nachrüstung. Bei Autobahnfahrten steigt der Stickoxid-Ausstoß noch mal deutlich an.
Im vom ADAC selbst entwickelten Zyklus „Bundesautobahn 130“ stieß der Polo 1.2 TDI vor der Nachrüstung 872 und danach 655 Milligramm aus. Die Vergleichswerte für den Golf 2.0 TDI lagen bei diesen Testfahrten erstaunlicherweise niedriger: 724 und 464 Milligramm. Weitere Ergebnisse und Details zu den Messungen liefert der ADAC unter www.adac.de/ecotest.
08.12.2016 Die EU will offenbar gegen Deutschland und sechs weitere Mitgliedsstaaten Vertragsverletzungsverfahren einleiten, weil die im Abgas-Skandal nicht entschieden genug gegen VW und andere Autohersteller vorgehen. Das berichtet der Spiegel. Die EU-Beamten verlangen eine Bestrafung der Unternehmen, in deren Autos die Motorsteuerung die Abgasreinigung im Fahrbetrieb illegal verringert oder abschaltet.
17.11.2016 Durch die zunehmend ausgefeilten Tricks der Hersteller bei der Norm-Verbrauchsmessung wird die Diskrepanz zwischen dem von den Herstellern angegebenen Kraftstoffverbrauch und dem tatsächlichen Verbrauch im Fahrbetrieb immer größer. Sie liegt nach einem Spiegel Online-Bericht unter Berufung auf das Öko-Forschungsinstitut International Council on Clean Transportation (ICCT) inzwischen bei durchschnittlich 42 Prozent. Mit anderen Worten: Ein Auto mit einem Norm-Durchschnittsverbrauch von 7,0 Liter Kraftstoff je 100 Kilometer verbraucht tatsächlich im Durchschnitt 9,9 Liter je 100 Kilometer. Bei einem Kraftstoffpreis von 1,30 Euro und 150 000 Kilometern Gesamtfahrleistung summiert sich der Unterschied auf über 5 500 Euro.
14.11.2016 Auch beim Spritverbrauch haben die Autohersteller offenbar noch stärker geschummelt als bisher bekannt. Der Spiegel berichtet in seiner aktuellen Ausgabe: Bei Abgasmessungen im Auftrag der wegen des VW-Skandals vom Verkehrsministerium eingesetzten Untersuchungskommission fielen vor allem zwei Modelle des Audi A6 auf. Sie hatten über ein Drittel mehr Kohlendioxid im Abgas, als sie bei dem angegebenen Norm-Kraftstoffverbrauch hätten haben dürfen. Mit anderen Worten: Der Spritverbrauch liegt um über zwei Liter je 100 Kilometer höher als angegeben.
Bei zahlreichen weiteren Autos mit Dieselmotor gab es ebenfalls große Abweichungen, darunter Jaguar XE, Mercedes C220, Opel Zafira, Volvo V60 und Porsche Macan. Sollten sich die Messungen bestätigen, werden wahrscheinlich auch Steuernachzahlungen fällig. Der Spiegel geht davon aus: Die Hersteller müssen zahlen.
Ein Nachspiel hat das womöglich auch noch für die Behörden. Die Berliner Rechtsanwaltskanzlei Werdermann von Rüden hat Strafanzeige gegen Verkehrsminister Alexander Dobrindt und Ekhard Zinke, den Präsidenten des Kraftfahrtbundesamtes, erstattet. Diese hätten die Messergebnisse nach dem Umweltinformationsgesetz sofort veröffentlichen müssen. Es zu unterlassen, könne eine strafbare Beihilfe zum Betrug darstellen, meinen die Anwälte.
07.11.2016 Die VW-Anwälte meinen allen Ernstes: Die Motorsteuerung in den Skandal-Autos sei in der EU – anders als in den USA – gar nicht illegal. Die EU-Normen gälten nur für die Tests im Prüfstand. Für den Fahrbetrieb gebe es gar keine Grenzwerte. So trugen sie es in einem Rechtsstreit zwischen dem Käufer eines Skandal-Autos und einem Autohändler vor. Das Landgericht Frankfurt am Main wies das zurück. Besitzer von Autos mit illegaler Motorsteuerung müssten mit dem Entzug der Zulassung rechnen, wenn die Wagen nicht mit einer legalen Motorsteuerung nachgerüstet werden, argumentierte das Gericht (Urteil vom 20.10.2016, Aktenzeichen: 2-23 O 149/16, siehe test.de-Urteilsliste zum VW-Skandal).
Auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) reagierte mit Unverständnis. „Wir teilen die Auffassung von VW nicht“, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums der Zeitung „Die Welt“. Sie widerspreche auch dem Rückrufbescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA), wonach die manipulierten Fahrzeuge zurück in die Werkstätten müssen. Ganz ähnlich äußerte sich die EU-Kommission. „Das Verbot von Abschalteinrichtungen im EU-Recht ist dem Wortlaut und dem Geist nach eindeutig“, sagte ein Sprecher.
06.11.2016 Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt nun auch gegen VW-Aufsichtsratschef Pötsch. Er soll als damaliger Finanzchef die Kapitalmärkte manipuliert haben, indem er zu spät über den Abgasbetrug informierte. Auch der heutige VW-Chef Matthias Müller gehörte dem jetzt angeklagten Vorstand an: Ob auch gegen ihn ermittelt wird, ist noch unklar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen möglicher Marktmanipulation bereits gegen den ehemaligen VW-Chef Martin Winterkorn und den amtierenden VW-Markenchef Herbert Diess.
04.11.2016 Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat die vorgeschlagene Umrüstung von Modellen mit 1,6-Liter-TDI-Motor vom Typ EA 189 genehmigt. Das teilte VW heute mit. Damit könnten nun weltweit weitere 2,6 Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten gerufen werden. Laut Nachrichtenagentur AFP wollen Behörden in anderen Ländern die KBA-Genehmigung übernehmen. In Deutschland sind nach VW-Angaben „etwa 800 000 bis 900 000 Autos“ betroffen, darunter die VW-Modelle Golf und Passat sowie der Audi A4 und der Seat Leon. Für die Umrüstung sind ein Software-Update und die Installation eines zusätzlichen Bauteils nötig. Die Besitzer würden „in den kommenden Wochen sukzessive benachrichtigt“, erklärte Volkswagen. Die Reparatur nehme „weniger als eine Stunde Arbeitszeit in Anspruch“.
03.11.2016 „Abgas-Skandal bei VW: Experten warnen vor Motorschäden“, berichtet Spiegel Online aktuell. Beamte der EU-Kommission berichteten den Spiegel-Reportern unter Berufung auf die Techniker im renommierten Vela-Abgaslabor in Norditalien, dass Bauteile wie das Abgasrückführventil, der Speicherkatalysator, das Harnstoff-Injektionssystem, der sogenannte SCR-Katalysator oder auch der Partikelfilter durch eine – zugunsten vorschriftsmäßiger Abgasreinigung – geänderte Motorsteuerung erheblich stärker in Anspruch genommen werden.
ADAC und Verbraucherzentrale Bundesverband fordern jetzt eine Garantieerklärung von VW. Sollte die Nachrüstung Besitzern von Autos aus dem VW-Konzern Nachteile bringen, müsse der dafür geradestehen. Das Unternehmen weigert sich bisher, eine solche Garantie zu übernehmen. Der ADAC will dem Verdacht jetzt auf den Grund gehen. Nachgerüstete VW-Skandalautos in der Fahrzeugflotte des Autoclubs sollen jetzt auch auf mögliche Haltbarkeitsmängel geprüft werden.
03.11.2016 Das Urteil lässt aufhorchen: Auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe hin nimmt das – zwischen zwei Hauptverkehrsstraßen gelegene – Verwaltungsgericht Düsseldorf Behörden in die Pflicht, zur Einhaltung der Grenzwerte für die Schadstoffbelastung der Lust wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Dabei müssen die Behörden auch ernsthaft über Fahrverbote für Dieselfahrzeuge nachdenken, meinen die Richter in Düsseldorf.
Dieselmotoren sind Hauptquelle für gesundheitsschädliche Stickoxide. Und Kern des VW-Skandals: Die Reinigung der Abgase von Stickoxiden funktioniert bei Skandalautos nur im Prüfstand richtig. Sobald die Skandal-Autos im Straßenverkehr unterwegs sind, schaltet die Motorsteuerung die Abgasreinigung ab.
Der Grenzwert für Stickoxid liegt seit 2010 bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. An der Messstelle Corneliusstraße in Düsseldorf in rund einem Kilometer Entfernung zum Verwaltungsgericht ist ständig erheblich mehr Stickoxid in der Luft, heute zum Beispiel bis zu 109 Mikrogramm je Kubikmeter.
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 13.09.2016
Aktenzeichen: 3 K 7695/15
Pressemitteilung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zum Urteil
03.11.2016 Die juristische Aufarbeitung des VW-Skandals ist angelaufen. Gegen Rechtsschutzversicherer liegen bereits zahlreiche Urteile vor. Klare Ansage der Justiz: Die Versicherer müssen die Klagen von Kunden mit Verkehrsrechtsschutzpolice finanzieren. Die Kanzlei Dr. Stoll und Sauer in Lahr hatte zahlreiche Klagen eingereicht, nachdem sich vor allem Arag, Örag und Huk-Coburg geweigert hatten, ihren Kunden Deckung zu bieten.
Auch eine Handvoll Käufern von Skandal-Autos hat sich bereits vor Gericht in erster Instanz durchgesetzt. Rechtskräftig abgeschlossen ist aber noch keines der Verfahren, bisher haben die offenbar von VW-Anwälten unterstützten Anwälte der Autohändler noch gegen jede Verurteilung Berufung eingelegt.
Für VW-Aktionäre läuft ein Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig an. Noch in diesem Jahr will das Gericht entscheiden, wer Musterkläger wird. Andere Aktionäre können sich dann der Klage anschließen.
test.de bietet eine Liste mit verbraucherfreundlichen Gerichtsentscheidungen zum VW-Skandal, die fortlaufend aktualisiert wird.