
Der ADAC wirbt gezielt Minderjährige. Das betrifft nicht nur 17-jährige Fahrschüler – bereits 6-jährige Kinder werden als „Young Generation“-Mitglieder aufgenommen. In einigen Fällen bestreiten die Eltern, je einen Mitgliedsantrag gestellt zu haben. Der Tarif ist zunächst gratis, wird aber später automatisch kostenpflichtig. test.de erklärt, wie Betroffene sich verhalten sollten.
Nie einen Mitgliedsantrag gestellt
Unaufgefordert bekamen die 6-jährigen Zwillinge Hannah und Juli Sittig ADAC-Mitgliedskarten, ebenso ihre 8-jährige Schwester Paula. Zwar sind die Eltern Mitglied im Autoclub, doch woher der ADAC die Namen und Geburtsdaten der Kinder hat, ist ihnen schleierhaft. Ganz sicher sind sie aber: „Wir haben nie einen Mitgliedsantrag für sie gestellt.“ Ähnlich ging es Familie S. aus der Nähe von München. Sohn Mathis erhielt im August 2013, zwei Wochen vor seinem 19. Geburtstag, eine Rechnung des ADAC. Er sei „Young Driver“-Mitglied. Dafür werde nun der Jahresbeitrag fällig. Auch hier sind sowohl die Eltern als auch der Sohn sicher, nie einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt zu haben.
Beitritt ungeklärt
Der ADAC konnte auf Anfrage von test.de die genauen Umstände nicht klären – außer dass der Sohn 2007 als 14-Jähriger aufgenommen wurde. „Wahrscheinlich waren die Eltern mit ihm in der Geschäftsstelle“, spekuliert ein ADAC-Sprecher. Doch dies bestreitet der Vater: „Wir waren nie in einer Geschäftsstelle.“ Er vermutet, dass er Namen und Geburtsdaten seiner Kinder angegeben haben könnte, als er 2007 übers Internet eine ADAC-Reisekrankenversicherung abschloss. „Bei so einer Police werden die Daten der Kinder nicht abgefragt, und schon gar nicht gespeichert“, kontert der Autoclub. Doch dies passiert der Familie schon zum zweiten Mal. Vor drei Jahren geschah das gleiche mit der Tochter. Damals verbat sich der Vater mit einem Anruf diese Art Mitgliederwerbung. Ähnlich ist es bei den Berliner Geschwistern Hannah, Juli und Paula. Der ADAC bestätigt, dass die drei im Sommer 2013 aufgenommen wurden, nach einem Telefonat mit dem Vater. Michael Sittig, Redakteur bei Finanztest, ist sich sicher: „Ich habe keinen Aufnahmeantrag für die Kinder gestellt.“
[Update 19.02.2014] Inzwischen hat sich herausgestellt: In einem Telefonat, in dem die Ehefrau des Finanztest-Redakteurs Michael Sittig die Plus-Mitgliedschaft beantragte, fragte die ADAC-Mitarbeiterin, ob sie auch „Karten für die Kinder“ schicken solle. Frau Sittig bejahte in der Annahme, dies sei notwendig, um den Versicherungsschutz auch auf die Kinder auszuweiten. Dass dadurch eine selbstständige Mitgliedschaft der Kinder entsteht, darauf wurde sie nicht hingewiesen. [Ende Update]
Clubvorteil: Rabatt auf Fastfood
Was aber sollen die vom ADAC gepriesenen Clubvorteile kleinen Kindern bringen? Brauchen 6-Jährige Pannenhilfe? Oder ein Fahrsicherheitstraining für den Bobbycar? Selbst bei Jugendlichen sind die angeblichen Clubvorteile überschaubar. Dass es Rabatt ausgerechnet in einer großen Fast-Food-Kette gibt, werden nicht nur ernährungsbewusste Eltern eher mit gemischten Gefühlen sehen.
Aggressive Werbung in Fahrschulen
Umso mehr ärgern sie sich über die unverfrorene Art, wie der ADAC seinen guten Namen nutzt, um Minderjährige als Mitglieder zu rekrutieren. Abo-Werber gehen in die Fahrschulen. „Ein tolles Start-Angebot“ heißt es dort: „ADAC Mitgliedschaft für ein Jahr zum Nulltarif.“ Viele Fahrschulen lassen die Werber herein – oft im guten Glauben, der seriöse Autoclub biete den Fahranfängern ausschließlich Vorteile. „Doch inzwischen sehen wir das sehr kritisch“, berichtet Dieter Quentin, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Niedersachsen: „Die Agenturen versuchen teils rechts aggressiv, in die Fahrschulen hinein zu kommen.“ Der Fahrlehrerverband Berlin empfiehlt seinen Mitgliedern sogar, den ADAC gar nicht mehr herein zu lassen. Eltern hatten sich über das Anwerben ihrer Kinder beschwert, berichtet Vorsitzender Peter Glowalla. Der ADAC geht nicht nur in Fahrschulen auf Jugendliche zu, sondern auch bei Veranstaltungen wie der Berliner Jugendmesse YOU.
Jugendliche fühlen sich übers Ohr gehauen
Die Starter-Mitgliedschaft richtet sich ausdrücklich an Minderjährige. Sie ist angeblich vollkommen kostenlos. Dennoch endet sie am 18. Geburtstag und wird automatisch in den Folgetarif „Young Driver“ umgewandelt. Und der ist nur im ersten Jahr beitragsfrei. Ab dem 19. Geburtstag beträgt der Jahresbeitrag 24 Euro, bis Ende 2013 waren es 19 Euro. Jugendliche, die in der Fahrschule im Vertrauen darauf unterschrieben haben, alles sei kostenlos, erhalten kurz vor ihrem 19. Geburtstag vom ADAC eine Rechnung. Viele glauben dann, sie seien verpflichtet zu zahlen. Schließlich sind sie inzwischen volljährig, also geschäftsfähig, und hätten der Mitgliedschaft längst widersprechen können. Viele fühlen sich überrascht und übers Ohr gehauen, weil sie annehmen, nun als Erwachsene in einem rechtswirksam abgeschlossenen Mitgliedsvertrag zu stecken.
Mitgliedschaft ist schwebend unwirksam
Doch das stimmt nicht, erklärt Juristin Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale Brandenburg: „Schließt ein Minderjähriger einen Vertrag ohne Zustimmung der Eltern, ist dieser schwebend unwirksam, und er wird auch nicht mit Erreichen der Volljährigkeit automatisch wirksam.“ Dafür sei vielmehr die aktive Genehmigung des jungen Erwachsenen nötig. Eine solche Genehmigung kann er ausdrücklich geben, zum Beispiel indem er eine Mitgliedschaft unterschreibt. Es geht aber auch konkludent, indem er den Beitrag überweist. Unterlässt er beides, wird er kein Clubmitglied und muss auch nichts bezahlen. Die Rechnungen, Zahlungserinnerungen und Mahnungen, die der Autoclub verschickt, sind nichts anderes als der heimliche Versuch, durchs Hintertürchen die Genehmigung des jungen Erwachsenen einzuholen. „Doch mit dem Zugang des ersten dieser Schreiben beginnt eine Zweiwochenfrist; es sei denn, es wurde ausdrücklich eine längere Frist gesetzt. Reagiert der Jugendliche nicht darauf, gilt die Zustimmung als endgültig verweigert und der bisher schwebend unwirksame Vertrag ist endgültig unwirksam“, erklärt Fischer-Volk.
Rechnung und Mahnung ignorieren
Der Rat an die Betroffenen lautet daher: Die Rechnungen, Erinnerungen und Mahnungen des ADAC einfach ignorieren. Dann hat der ADAC juristisch keinerlei Chance, Beiträge einzufordern.
ADAC macht massiv Druck
Doch davon sagt der Autoclub kein Sterbenswort, im Gegenteil: Er insistiert vielmehr darauf, dass die jungen Leute zahlen. Mathis S. bekam wenige Wochen nach der Rechnung eine Zahlungserinnerung, ein paar Wochen später eine zweite Erinnerung und im Dezember sogar eine unmissverständliche Mahnung: „Alles, was Sie jetzt tun müssen, ist den Mitgliedsbeitrag zu überweisen“, hieß es dort. Das ist eine Menge Druck für – in Rechtsfragen meist unerfahrene – junge Menschen. Dabei sollte der ADAC wissen, dass seine Mahnungen rechtlich gegenstandslos sind. Und tatsächlich: Wenn ein Jugendlicher weder auf die Rechnung, noch auf die Erinnerung reagiert, passiert weiter nichts, versicherte uns ein ADAC-Sprecher: „Dann werfen wir ihn aus dem Bestand.“
Jugendliche einzuspannen versucht
Ob der ADAC den Werbern Provisionen für angeworbene minderjährige Mitglieder zahlt, dazu wollte der Club auf Anfrage nicht Stellung nehmen. „Zu solchen internen vertraglichen Angelegenheiten äußern wir uns nicht“, erklärte Unternehmenssprecher Jochen Oesterle. Doch auf seiner Homepage versucht der Autoclub, die Jugendlichen einzuspannen. Wer von der Fahrschule nicht auf das „Start-Angebot“ angesprochen wird, möge deren Adresse dem ADAC mitteilen, heißt es. Als Dank für das kostenlose Liefern der Fahrschuladresse verspricht der Club ein Mousepad.
-
- Autohersteller haben illegal getrickst. Der EuGH urteilte verbraucherfreundlich. Jetzt ist der Bundesgerichtshof dran. Der verhandelte stundenlang und urteilt im Juni.
-
- Der ADAC hat in der Vergangenheit immer wieder Negativ-Schlagzeilen gemacht, weil er Minderjährige mit fragwürdigen Briefen und Formulierungen Mitgliedschaften...
-
- Ein eigenes Fahrzeug bedeutet auch für Jugendliche ein Stück Freiheit. Schon 16-Jährige können mit Leichtkraftautos der Führerscheinklassen A1 oder AM losdüsen. Der...
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
bin heute durch Zufall auf Ihren Kommentar gestoßen.
Da Sie seit 1961 Mitglied sind, gehe ich von aus dass Sie zufrieden sind oder schon mehrfach den ADAC gebraucht haben.
In jedem Bereich werden auch Kinder "angeworben"
Im Gegensatz dazu kostet das meist etwas, beim ADAC nicht.
Und ich erhalte dazu auch noch eine Leistung die nichts kostet!
Ihr Kind kann sich sogar mit dem Rad nachhause bringen lassen.
Und wer an die Tests der Konzerne glaubt ist selber Schuld.
Im TÜV Report schließen die asiatischen Marken besser ab als die Deutschen.
TÜV = unabhängig.
MAl alles überdenken und nicht hier lose rummeckern! "Kopfschüttel"
@maxm: Verträge mit Minderjährigen sind schwebend unwirksam. Eine einfache Mitteilung an den ADAC, dass man den Vertrag nicht will, reicht aus, um auch bei Eintritt der Volljährigkeit auf der sicheren Seite zu sein. Generell kann man derartige Kundenwerbung aber nicht unterbinden, sie wird gerade bei Jugendmessen, Konzerten etc. nicht nur vom ADAC, sondern auch von anderen Organisationen, Verlagen, Banken etc. betrieben. Die Intention des Gesetzgebers ist es, die Jugendlichen in diesem Schonraum der „beschränkten Geschäftsfähigkeit“ in die Lage zu versetzen, eigene Erfahrungen zu machen und, wenn es daneben geht, dennoch keine finanziellen Nachteile zu erleiden. Die Erkenntnis, dass man nicht einfach etwas unterschreiben sollte, nur weil es erst einmal nichts kostet, ist für das weitere Leben letztlich auch wertvoll.(PH)
Zrotz aller Skandale und Merkwürdigkeiten macht der ADAC einfach weiter wie gehabt.
Meine Tochter 15 hat beie einer der ADAC Drückerkollonen auf einem Holi Fest ein "kostenloser" Vertrag unterschrieben...
Kann man -ausser umgehend zu widerrufen- gegen den ADAC vorgehen?
Wenn Jugendliche nach dem 18 Lebensjahr zunächst weiter als Familienmitglieder beim ADAC mit versichert sind, dann ist Vorsicht geboten. Noch vor dem 23 Lebenjahr kommt eine automatische Umwandlung in eine Vollmitgliedschaft. Wer die Post seiner Kinder, die an einem anderen Ort studieren, nicht öffnet, der versäumt die Widerspruchsfrist von zwei Wochen und die Zahlung wird fällig. Eine bedenkliche Praxis der Mitgliederwerbung.
Bei allem Verständnis, aber was soll daran bitte perfide sein? Keine Mutter und kein Vater sind gezwungen hinterher einen Vertrag mit dem ADAC abzuschließen, nur weil ihre Sprösslinge sich vorher vergnügt haben. Und das unabhängig davon natürlich auch der ADAC um Mitglieder wirbt, ist ja wohl selbstverständlich. Jeder kann ja selbst entscheiden, ob er Mitglied wird oder es bleiben lässt.