Wer Chancen auf den Kapitalmärkten nutzen will, muss die wichtigsten Regeln kennen. Finanztest erläutert daher in jeder Ausgabe ein grundlegendes Thema.
„Könnten Sie das bitte für mich übernehmen?“, wendet sich die vornehme Dame nach dem Einkauf an ihren charmanten Begleiter. „Ich bin gerade nicht liquide.“ Nicht, dass sie kein Geld hätte, die Gute, sie hat es nur eben gerade nicht parat, sie ist „nicht flüssig“, wie liquide übersetzt heißt.
Liquidität ist ein anderes Wort für den Grad der Verfügbarkeit von Mitteln. Kann etwa ein Unternehmen schnell auf eine hohe Geldsumme zurückgreifen, um zum Beispiel eine Rechnung zu begleichen, spricht man von hoher Liquidität. Ist dagegen das Vermögen langfristig festgelegt oder in Immobilien gebunden, droht bei unerwartet auftretenden Forderungen ein Liquiditätsengpass oder gar Zahlungsunfähigkeit.
Doch rasche Verfügbarkeit hat ihren Preis: Wer Geld auf seinem Girokonto hält, bekommt in der Regel keine oder nur geringe Zinsen. Damit trägt die Bank ihrem Risiko Rechnung, dass der Kunde seine Mittel jederzeit von seinem Konto abziehen kann. Wird das Geld dagegen länger angelegt, gibt es in der Regel mehr Zinsen. Die Bank kann länger sicher mit dem Geld arbeiten. Im Gegenzug gleicht der höhere Zinssatz aus, dass der Anleger bei langen Zeiträumen einem höheren Risiko ausgesetzt ist – schließlich wird aufgrund der Inflation das Geld immer weniger wert.
Der Geldfluss bei Banken
Die Geschäftsbanken selbst stehen in Sachen Liquidität vor einem steten Zielkonflikt: Einerseits müssen sie das Geld, das ihnen die Sparer anvertrauen, möglichst rentabel und damit auch langfristig anlegen, anderseits müssen sie genügend Bargeld für den Fall bereithalten, dass die Anleger ihre Guthaben ganz oder teilweise abziehen. Um ihre Liquidität zu sichern, halten Banken deshalb einen Teil ihrer Mittel als Barreserve oder täglich fällige Anlage am Geldmarkt. Ebenfalls zur Liquiditätsreserve gehören Handelswechsel, Schatzwechsel oder andere kurzfristige Titel, die sie an die Zentralbank verkaufen können.
Damit die Zahlungsbereitschaft der Geldinstitute gewährleistet ist, hat das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Grundsätze aufgestellt. Demnach müssen die Banken immer so viel Geld zur Verfügung halten, dass die voraussichtlichen Abflüsse gedeckt sind. Die Tatsache, dass die Nachfrage nach Barem vergleichsweise konstant ist, erleichtert den Banken das Liquiditätsmanagement.
Sollte es dennoch einmal zu einem Run auf eine in Not geratene Bank kommen, helfen in Deutschland die Sicherungsfonds der einzelnen Bankenverbände.
Wann eine Aktie liquide ist
Für Börsianer besitzt der Begriff Liquidität eine zusätzliche Bedeutung: Als liquide Wertpapiere gelten diejenigen Aktien, für die sich viele Anleger interessieren. Solche Papiere werden in hohen Stückzahlen gehandelt und – was genauso wichtig ist, es kommen zahlreiche Geschäftsabschlüsse zustande.
Je häufiger eine Aktie an der Börse gehandelt wird, desto schneller kommt der private Anleger zum Zug. Liquide Wertpapiere lassen sich quasi jederzeit kaufen und verkaufen. Und das wegen der großen Zahl von Anbietern und Nachfragern zu einem vergleichsweise fairen Preis.
In Deutschland sind die im Deutschen Aktienindex Dax gelisteten Aktien die liquidesten. Von einem einzigen Papier gehen täglich bis zu mehreren Millionen Stück über den Tisch, ohne dass dies den Kurs außergewöhnlich beeinflussen würde. Illiquide sind häufig die im Neuen Markt notierten Aktien. Wer hier zu viele Papiere auf einen Schlag verkauft, muss damit rechnen, dass er sich den Kurs kaputtmacht. Das trifft direkt vor allem Großanleger wie Fonds. Doch nicht selten haben die privaten Investoren, die selbst nur wenige Papiere halten, das Nachsehen.
Vorsicht, Falle!
Was passieren kann, wenn der Börsenhandel plötzlich zum Erliegen kommt, zeigt das Beispiel des Long Term Capital Management (LTCM), eines Hedge-fonds. Mit größtenteils geliehenem Geld und gestützt auf komplizierte mathematische Modelle wetteten die LTCM-Partner – darunter zwei Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften – auf steigende und sinkende Kurse von Staatsanleihen, Schuldverschreibungen von Unternehmen und Aktien.
Kein schlechtes Geschäft, bis 1998 die Russland-Krise die Finanzmärkte quasi über Nacht austrocknete. Viele Marktteilnehmer weigerten sich damals schlichtweg, Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen. Die Folge: LTCM wurde seine Investments nicht mehr los und kam seinen Verpflichtungen bei den Gläubigern nicht mehr nach.
Um einen Kollaps des globalen Finanzsystems zu verhindern, mussten Bankenriesen wie Goldman Sachs oder Deutsche Bank 3,6 Milliarden Dollar in den Hedgefonds pumpen.
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