ABC für Anleger Bulle und Bär

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Wer Chancen auf den Kapitalmärkten nutzen will, muss die wichtigsten Regeln kennen. Finanztest erläutert daher in jeder Ausgabe ein grundlegendes Thema.

Die beiden Tiere haben es zu einiger Prominenz gebracht. Bulle und Bär zieren die Börsenberichte im Fernsehen, und kaum eine Wirtschaftszeitung kommt mehr ohne die tierische Illustration aus. Die Deutsche Börse AG hat die beiden gar in Bronze gießen und auf dem Börsenplatz vor ihrem Frankfurter Gebäude aufstellen lassen.

Die Eselsbrücke zur Bedeutung der Tiere auf dem Börsenparkett ist schnell gebaut: Der Bulle schleudert mit seinen Hörnern nach oben, der Bär schlägt mit den Tatzen nach unten. Grob übertragen stehen also Bullen für steigende, Bären für fallende Aktienkurse.

Tierische Stimmung

Ob die Tiere tatsächlich über diesen Weg auf das Parkett kamen, ist nicht sicher. Andere Legenden suchen den Ursprung des tierischen Vergleichs im Krimkrieg: In den Schlachten Mitte des 19. Jahrhunderts führte Sir John Bull die siegreichen englischen Truppen. "Run with the Bull" bedeutete, auf der englischen, der Siegerseite zu stehen. Die Unterlegenen waren die russischen Truppen ­ symbolisch vertreten durch ihr Nationaltier, den Bären.

Doch die simple Übersetzung "Bulle gleich steigende, Bär gleich fallende Kurse" erfasst die Bedeutung des börsianischen Tierpaares nicht ganz. Denn Bulle und Bär beschreiben nicht nur die Situation, sondern auch die Stimmung an der Börse.

Dazu liefert eine andere Geschichte über die Entstehung des tierischen Börsenpaares die Gedankenbrücke. Schon im 17. Jahrhundert schlossen Risikobereite das ab, was heute Termingeschäft heißt: Sie versprachen, in der Zukunft Aktien zu einem bestimmten Preis zu verkaufen, die sie gegenwärtig noch gar nicht besaßen ­ in der Hoffnung, durch fallende Kurse die versprochenen Papiere bis zum vereinbarten Verkaufstermin preiswert erstehen zu können. Sie verkauften also gleichsam das Fell des Bären, bevor sie ihn erlegt hatten. So handelten die, welche auf fallende Kurse setzten, sich den Bären-Titel ein.

Der Bulle als Gegenstück kam ins Spiel, da seinerzeit nahe der Londo-ner Börse als Volksbelustigung Schaukämpfe zwischen Bullen und Bären ausgetragen wurden.

Je nachdem, welche Fraktion auf dem Parkett den Ton angibt, berichten die Börsennachrichten in englischen Vokabeln vom Bull- oder vom Bear-Market. Von Bedeutung ist das, weil ein Gutteil des Auf und Ab an den Börsen von psychologischen Faktoren bestimmt wird, von positiven und negativen Erwartungen der Anleger.

In die Falle getappt

So können etwa in einer allgemein guten Stimmung, einem Bullen-Markt, schlecht Unternehmens- nachrichten weniger stark auf den Kurs drücken als zu Zeiten, in denen die Bären dominieren. Dann steigen umgekehrt Aktien unter Umständen nicht, auch wenn sie eigentlich ein guter Tipp wären.

Die Stimmung an der Börse lässt sich kaum in Zahlen fassen. Ein paar Indikatoren gibt es trotzdem. Steigende Zinsen lassen die riskante Spekulation mit Aktien weniger attraktiv aussehen, sinkende erhöhen die Attraktivität von Aktien ­ und damit unter Umständen auch die Kurse.

Ebenso beeinflussen die Vorgaben vom Vortag aus New York und aus Tokio, wo Tag und Aktienhandel früher beginnen, die Kursbewegungen an den deutschen Börsen. Für einen positiven Trend kann sprechen, wenn am Vortag viele Käufer wegen eines zu geringen Angebots nicht zum Zuge gekommen sind ­ im Börsenteil steht dann ein "G" hinter dem Aktienkurs.

Die Nachfrage nach Put-Optionen, mit denen Profi-Spekulanten ihre Aktien gegen fallende Kurse abzusichern versuchen, deutet dagegen auf Pessimismus unter den Börsianern hin.

Doch nicht immer bewahrheiten sich die bulligen oder bärigen Aussichten. Wer eilig auf die Stimmung gesetzt hat und mit bulligen, optimistischen Perspektiven Aktien gekauft hat, kann natürlich schnell danebenliegen und muss Verluste verbuchen. Auch dafür hat die Börsensprache die passenden Vokabeln: Wer mit seiner Prognose steigender Aktienkurse reinfällt, ist in die Bullenfalle getappt ­ Spekulanten, die mit ihrem Tipp auf fallende Kurse falsch liegen, in die Bärenfalle.

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