
© Mauritius Images / Foodcollection(2), Stockfood / M. Werner (M)
Im April hat das Reinheitsgebot Jubiläum – und die Bierbranche feiert. Das Dekret von 1516 hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert und etliche Ausnahmen zugelassen. Heute vermarkten Brauer das Reinheitsgebot damit, dass nur die Grundzutaten Wasser, Hopfen, Malz und Hefe ins Bier kommen. Aber passen Glyphosat-Rückstände im Bier, Kunststoff zum Klären oder Chili in Craft-Beer wirklich dazu?
Pestizidrückstände nachgewiesen
Glyphosat im Bier nachgewiesen – das meldete kürzlich das Umweltinstitut München, nachdem es 14 Biere analysiert hatte. Das Bundesinstitut für Risikobewertung gab daraufhin sofort Entwarnung: Die Gehalte lägen weit unter dem tolerierbaren Limit. Das würde ein Erwachsener erreichen, wenn er täglich etwa 1 000 Liter Bier trinken würde. Dem Reinheitsgebot widersprechen die Befunde nicht: Denn es garantiert nicht, dass das Bier gänzlich frei von Schadstoffrückständen ist, sondern dass nur bestimmte Zutaten verwendet werden. Wie viel Schadstoffe ein Lebensmittel wie Bier enthalten darf, regelt hingegen das Lebensmittelgesetz.
Gerste fürs Bier, Weizen fürs Brot
Vor 500 Jahren, am 23. April 1516, haben bayerische Herzöge in Ingolstadt dekretiert, „wie das Bier im Sommer und im Winter auf dem Land ausgeschenkt und gebraut werden soll.“ Die Verordnung sollte Biertrinker vor giftigen Zutaten wie Tollkirsche und Stechapfel schützen, Wucherpreisen entgegenwirken und dafür sorgen, dass kein wertvolles Brotgetreide fürs Bier verschwendet wird. So war zunächst nur Gerste fürs Brauen zulässig, weil mit ihr keine Brote gebacken werden. Die Verordnung veränderte sich laufend, ließ bald auch Weizen und zwar für Weizenbier zu. Die Zutat Hefe kam erst später hinzu. Anfangs entfachten wilde Hefen aus der Luft den Gärprozess ungesteuert – Brauhefe gab es noch nicht. Heute darf auch nur gemälztes, also angekeimtes Getreide ins Bier. Lange galt die Verordnung nur in Bayern, seit 1906 gilt sie deutschlandweit und ist seit 1918 als Reinheitsgebot bekannt. Heute ist es im sogenannten Vorläufigen Biergesetz von 1993 verankert – allerdings nicht dezidiert unter dem Namen „Reinheitsgebot“. Bayern hat eine strengere Version des Reinheitsgebots; auch „absolutes Reinheitsgebot“ genannt.
Wasser, Malz, Hopfen, Hefe
Das Reinheitsgebot verpflichtet Bierbrauer in Deutschland, für Biersorten wie Pils, Export und Co nur Wasser, Gerstenmalz, Hopfen und Hefe zu nutzen. Diese Biersorten heißen untergärig, weil bei ihnen die Hefe beim Brauen nach unten sinkt. Für obergärige Biersorten wie Weizenbier, Kölsch und Alt sind auch andere Malzsorten erlaubt, etwa Weizenmalz. Bei diesen Sorten schwimmt die Hefe oben. Auch Zucker kann ins Obergärige – egal ob Rohr-, Rüben- und Invertzucker. Nur in Bayern sind die Zuckerzusätze nicht erlaubt. Biere werden dunkler, wenn ihnen Röstmalz zugegeben wird. Das ist ein besonders dunkles und hochkonzentriertes Malz.
Moderne Hilfsstoffe dürfen rein
Das Gesetz lässt Treibgase wie Kohlenstoffdioxid und Stickstoff im Bier zu, damit es sich leicht zapfen lässt. Trubstoffe — so nennt man fachsprachlich Schwebstoffe in Getränken – dürfen mit Hilfsmitteln wie dem Kunststoff Polyvinylpyrrolidon (PVPP) mechanisch aus dem Bier gefiltert werden; vor dem Abfüllen müssen die Hilfsmittel aber wieder entfernt sein. Chemisch wirkende Filter sind tabu. Die Zutatenliste auf der Bierflasche muss die Hilfsstoffe nicht nennen. Anstelle von getrocknetem Hopfen dürfen heute auch Hopfenpulver und -extrakte ins Bier, solange sie ausschließlich aus Hopfen gewonnen wurden und die Aroma- und Bitterstoffe des Originals enthalten. Unzulässig im Bier ist der Zusatz künstlicher Aromen, Farbstoffe, Enzyme, Emulgatoren sowie Konservierungsmittel – das gilt für alle Biere, die in Deutschland für den deutschen Markt produziert werden. Im Ausland hat das deutsche Reinheitsgebot keine Bedeutung. Dort dürfen Brauer Zusatzstoffe nutzen, auch Reis- und Maismalz sind zulässig. Erst seit den 1980er Jahren sind solche Biere bei uns überhaupt im Handel.
Nicht jedes Craft-Beer darf „Bier“ heißen
Hobbybrauer und manche Profis experimentieren mit Zutaten wie Chili, Kakao, Milchsäure und nennen ihre Getränke Craft Beer, handwerklich hergestelltes Bier. Nicht jedes darf aber auch offiziell „Bier“ heißen. Kritikern des Reinheitsgebots wie Professor Ralf Kölling-Paternoga von der Universität Hohenheim ist das zu streng: „Das Reinheitsgebot schließt etliche schmackhafte Biersorten aus.“ So gebe es etwa sehr schmackhafte Reis-, Hirse- und Maisbiere. Der Deutsche Brauerbund hingegen verteidigt das Reinheitsgebot: „Den Brauern stehen rund 170 verschiedene Hopfensorten und 40 verschiedene Malzsorten zur Verfügung, außerdem gibt es knapp 200 unterschiedliche Hefestämme.“ Hinzu kämen spezielle Brauverfahren wie die Kalthopfung oder der Verzicht aufs Filtrieren. Aus all dem ergäben sich sich mehr als 1 Million Möglichkeiten, auch ein Craft Beer nach dem Reinheitsgebot zu brauen.
Tipp: Lesen Sie zum Thema Craft Beer auch unser Special Bock auf Hopfenstopfen.
Ausnahmen für „besondere Biere“
Manches Gebräu mit Gewürz- und Fruchtzusätzen geht als „besonderes Bier“ durch. In diese Kategorie fallen auch altbekannte Biere, die vom strikten Reinheitsgebot abweichen, wie etwa die Berliner Weiße oder die Leipziger Gose. Brauer in Bayern dürfen solche Biere jedoch nicht herstellen. Übrigens: Auch Hobby-Brauer, die im Jahr nicht mehr als 200 Liter Bier produzieren, unterliegen nicht dem Reinheitsgebot.
-
- Wer handwerklich gebrautes Bier kauft, sollte es kühl lagern und bald trinken. Ansonsten geht das besondere Aroma des Getränks verloren. Das zeigt eine aktuelle Studie...
-
- Was löscht den Durst am besten? Wie hoch ist der tägliche Flüssigkeitsbedarf? Und wie kommt Abwechslung ins Glas? Wir geben erfrischende Antworten.
-
- Leitungswasser gilt als am strengsten kontrolliertes Lebensmittel. 20 Trinkwasserproben aus ganz Deutschland hat die Stiftung Warentest auf kritische Stoffe untersucht.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.