
Fernsehbilder mit Tiefenwirkung sind nichts für Kinder. Professor Dr. Albert J. Augustin, Direktor der Augenklinik Karlsruhe, erklärt, warum das so ist.
Im Bildschirmmenü oder der Gebrauchsanleitung wird davor gewarnt, Kinder 3D sehen zu lassen. Warum?
Leicht nachzuvollziehen ist die Warnung bei 3D mit aktiver Technik. Sie verdunkelt in schnellem Wechsel die Augengläser der Spezialbrillen. Zuschauer nehmen dies bewusst oder unbewusst als Flimmern wahr. Dieses „flickering 3D“ kann unter Umständen epileptische Anfälle induzieren.
Die gleiche Warnung gibt es auch beim nicht flimmernden passiven und beim brillenlosen 3D-Fernsehen.
Beschwerden bei der Adaption an 3D-Filme werden in der Diskussion oft mit dem Terminus „Binokulare Dysphorie“ beschrieben. Damit wird ein Unwohlsein beschrieben, das entsteht, wenn beide Augen unterschiedliche Bilder zugespielt bekommen, um eine Art Tiefenwahrnehmung hervorzurufen. Dieses Wahrnehmungsmuster ist mit dem normalen Stereosehen nicht vergleichbar. Durch das künstlicherzeugte 3D-Muster auf dem Bildschirm laufen andere neurophysiologische Muster und Prozesse im Gehirn ab. Welche Auswirkungen das in einem sich noch entwickelnden Gehirn wie bei Kindern hat, ist wissenschaftlich nicht einwandfrei geklärt.
Dem Warnhinweis zufolge sind Kinder besonders von der Trickserei mit dem künstlichen Tiefeneindruck betroffen. Was unterscheidet sie von Erwachsenen?
Das dreidimensionale Sehen ist ein Lernprozess, der bei Beeinträchtigung durch äußere Einflüsse sehr empfindlich gestört werden kann. In unserem Alltag als Augenärzte sehen wir das zum Beispiel häufig bei schielenden Kindern. Wenn der normale Lernprozess unterbrochen wird, kann das Stereosehen innerhalb kürzester Zeit für immer verlorengehen. Diese empfindliche Zeit dauert bis zum zehnten Lebensjahr. Eine „Fehlprägung“ durch virtuelle Dreidimensionalität kann unter Umständen negative Folgen für das optisch-visuelle System eines sich entwickelnden Gehirns haben.
Welche Langzeitschäden können 3D-Filme bei Kindern verursachen?
Da diese Technik noch jung ist, liegen dazu keine Studien vor. Ausgehend von unserem Wissen über die Entwicklung des Sehsinns bei Kindern kann jedoch angenommen werden, dass die unphysiologische 3D-Darstellung potenziell gefährliche Komplikationen wie Epilepsie und Wahrnehmungsprobleme in der Realität, vor allem bei entsprechend veranlagten Kindern, hervorrufen kann.
Sind alle Kinder gleich betroffen?
Nein und ja. Kinder mit diagnostizierter Epilepsie sollten diese Systeme auf jeden Fall meiden. Aber auch gesunde Kinder ohne bekannte Augenprobleme sind nicht vor den bislang unzureichend untersuchten Einflüssen geschützt. Wir wissen viel zu wenig von den Folgen dieser neuen Technologien, um eine generelle Entwarnung geben zu können. Zukünftige Studien und Untersuchungen werden uns da sicher mehr Informationen liefern. Und an diesem Punkt sollte auch mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, dass es immer sinnvoll ist, Kinder im Vorschulalter augenärztlich untersuchen zu lassen. Fehlsichtigkeiten und Schielerkrankungen, die häufig im Alltag nicht auffallen, können in dieser empfindlichen Zeit des „Sehen-Lernens“ adäquat behandelt werden. Wenn sich dieses „Zeitfenster“ mit sieben bis zehn Jahren schließt, können wir medizinisch nicht mehr erfolgreich eingreifen.
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Wir empfehlen, Kinder im Vorschulalter generell kein 3D schauen zu lassen. Ältere Kinder können wegen des weiteren Sehabstandes sicherlich hin und wieder auch einen Kinofilm besuchen. Jedoch sollte
man bei Anzeichen von Unwohlsein den Kinobesuch abbrechen (SG)
Offen bleibt für mich die Frage, ob Kinder unter 10 Jahre 3D hin und wieder im Kino schauen dürften, da dort die Entfernung größer ist!?
Viele der Animationsfilme im Kino scheinen direkt auf Kinder zugeschnitten. Mein Nachwuchs lehnt das aber nach einigen Tests ab - zu anstrengend und zu verwirrend sind die Filme.